In ihrem zweiten Thriller "Woman in Cabin 10" verwickelt die Autorin Ruth Ware ihre Protagonistin, die Reisejournalistin Lo Blackwood, in Ermittlungen um das mysteriöse Verschwinden ihrer Kabinennachbarin auf der Jungfernfahrt des Luxuskreuzfahrtschiffes "Aurea borealis".
Das Cover mit dem Blick aus dem tropfenübersäten Bullauge auf das aufgewühlte Meer passt zu der düsteren Stimmung des Thrillers, in die die heitere Jungfernfahrtatmosphäre schon bald für die Protagonistin umschlägt.
Der Klappentext hatte mich neugierig gemacht und an einen altmodischen Krimi im Stil von Agatha Christie erinnert. Ein Mord auf hoher See, d.h. der Täter muss noch mit an Bord verborgen unter den Passagieren oder der Crew sein. Dieses klassische Verwirrspiel hat mich angesprochen.
Dem ganzen voran stellt die Autorin noch als Prolog eine beklemmende Szene, die erst viel später im Stück kommt, sowie als Auftakt ein unheimliches Erlebnis, das der Protagonistin noch zuhause in ihren eigenen vier Wänden widerfährt. Sie überrascht in ihrer eigenen Wohnung einen Einbrecher auf frischer Tat. Völlig traumatisiert von dieser Erfahrung und trotz einiger seltsamer Erlebnisse und Fast-Panikattacken noch zuhause tritt sie die Kreuzfahrt auf der "Aurelia borealis" an, um für ihre Zeitschrift zu berichten.
Die luxuriöse Kulisse des Kreuzfahrtschiffes und die etwas dekandente Reisegesellschaft dieser exklusiven Jungfernfahrt beschreibt die Autorin so bildlich, dass man sich als Leser fast selbst wie ein Reiseteilnehmer an Bord fühlt. Da die Geschichte aus Lo`s Sicht in der Ich-Perspektive geschrieben ist, taucht man auch ein in die etwas seltsame Gefühlswelt der Protagonistin, generell geprägt durch Unsicherheit und traumatisiert von dem Einbruchserlebnis, in ihre beklemmende Perspektive, wenn Lo z.B. plötzlich klaustrophobische Anwandlungen in engen Kabinengängen bekommt.
Die an sich spannend aufgebaute Handlung verfügt über alle erforderlichen "Zutaten" - die mysteriöse Kabinennachbarin, die nicht zu existieren scheint, ihr Verschwinden und die Ermittlungen, die Lo, unterstützt von einem früheren Freund und Kollegen, der ebenfalls an Bord ist, aufnimmt - dass der Funke dennoch für mich nicht übersprang, lag zum einen daran, dass ich die Protagonistin Lo einfach nur anstrengend und unsymphatisch fand, und daran, dass sich der erste und zweite Teil gefühlt ewig hinzogen.
Die Autorin streut immer wieder Emails, Facebook-Einträge und Zeitungsberichte, die eigentlich einem späteren Zeitpunkt zuzuordnen sind, ins Geschehen ein, so bekommt man einerseits schon frühzeitig eine spätere Entwicklung mit, für mich war das aber oft auch nur verwirrend, so z.B. wenn zu einem Zeitpunkt, in dem Lo im Erzählteil der Geschichte gerade erst an Bord gegangen ist, Lo`s Lebensgefährte panikartig nach ihr sucht und sich bei ihren Freunden erkundigt, ob sie etwas von Lo gehört hätten. Zumindest ich musste da noch mal hin und her blättern, um mir die genauen Daten vor Augen zu halten.
Alles in allem eine spannende Kriminalgeschichte, die aber leider unter der Protagonistin und einer etwas langatmigen Handlung leidet.