Tiefgründiger Roman
„..Hab die mega Idee für deinen Kanal: Ich suche eine Frau aus, deren Nummer du dir holst. Du schreibst mit ihr und flirtest auf deine Weise. Den Beweis, dass sie auf dich steht, lieferst du, indem du ...
„..Hab die mega Idee für deinen Kanal: Ich suche eine Frau aus, deren Nummer du dir holst. Du schreibst mit ihr und flirtest auf deine Weise. Den Beweis, dass sie auf dich steht, lieferst du, indem du euren Chat veröffentlichst...“
Das Buch beginnt mit einem Chatverlauf. Einer der Akteure ist Taro. Der Psychologe gibt auf seine YouTube-Kanal Tipps für Männer, wie sich ihre Chancen bei Frauen erhöhen könnten. Nun aber wird er von einem Teilnehmer herausgefordert. Er soll beweisen, dass seine Ratschläge der Praxis standhalten.
Die Autorin hat einen spannenden und inhaltsreichen Roman geschrieben. Einerseits geht es um Mobbing, anderseits wird auf unterschiedliche Art die Frage bewegt, was die sozialen Medien mit uns machen, wie sie uns verändern. Der Schriftstil ist sehr gut ausgearbeitet. Er lässt viel Raum für Emotionen und den Blick in die Psyche der Protagonisten. Die Geschichte wird abwechselnd von Taro und Juno erzählt.
Taro trifft auf Juno. Die junge Frau hat in Leipzig die Tischlerwerkstatt ihres Großvaters übernommen und sich auf das Restaurieren alter Möbel konzentriert. Taro erscheint mit einem Apothekerschränkchen, dass er seiner Schwester schenken will. Die Anforderungen steigen, als er erkennt, dass Juno nicht einmal ein Handy hat schweige denn in den sozialen Medien aktiv ist. Warum wird er erst viel später erfahren.
Zweimal in der Woche leitet Juno mit ihrer Freundin Miriam eine Selbsthilfegruppe für Mobbingopfer. Die dort vorgestellten Beispiele von Mobbing sind heftig, aber leider real möglich.
Zwei Dinge werden bald deutlich. Auf Taros Kanal sind die Follower nicht mehr an seinen Ratschlägen interessiert, sondern nur am Fortgang der Challenge. Das Niveau der Kommentare sinkt. Und zwischen Juno und Taro beginnt es zu knistern.
„...Könnte ich mich in Taro verlieben? Vielleicht. Vielleicht würde ich mit der Zeit auch nur feststellen, dass wir, wie ich jetzt schon vermute, nicht zusammenpassen, weil sich unsere Lebensstile zu sehr unterscheiden...“
Taro hat eine Zwillingsschwester. Der hat er das Apothekenschränkchen geschenkt. Sie macht ihm deutlich, was sie davon hält und redet Klartext:
„...Ich würde viel lieber verstehen, wie du das mit deinem Gewissen ausmachst. Du zieht irgendwelche Tricks bei ihr ab, schaust zu, wie sie dir nach und nach verfällt, und lässt sie dann fallen wie eine heiße Kartoffel, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat...“
Dazu sollte man wissen, dass Taro Psychologe ist. Er kennt sich also mit dem menschlichen Seelenleben aus und weiß, wie schnell es verwundbar ist. Seine inneren Konflikte werden sehr gut dargestellt. Er fragt sich, ob er noch er selbst ist oder nur ein Avatar seines Kanals. Was er jetzt tut, war das wirklich das, was er wollte, als er seine Stellung in einer Klinik gekündigt hat? Lässt er sich manipulieren, nur um seine Sponsoren nicht zu verlieren? Und was geschieht, wenn jemand Juno auf den Kanal aufmerksam macht?
Es bedarf noch einiges an Auf und Ab, bis die Fronten geklärt sind.
Etwas Besonders hat das Buch noch. Juno erfindet neue Worte für Situationen, wo es ihrer Meinung nach bisher keine passenden gibt. Das sind die Überschriften zu ihren Kapiteln.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist an vielen Stellen sehr realitätsnah und zeigt gekonnt die Schattenseiten der digitalen Welt.