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Veröffentlicht am 18.12.2024

Wer eine verrückte Mutter hat, leidet nie an Langeweile

Man kann auch in die Höhe fallen
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Nach dem Roman Alle Toten fliegen hoch ist es erst das zweite Buch, das ich vom Autor lese. Bei allen anderen, die ja immer hoch gelobt wurden in der Presse und anderen Medien, hatte ich zunehmend die ...

Nach dem Roman Alle Toten fliegen hoch ist es erst das zweite Buch, das ich vom Autor lese. Bei allen anderen, die ja immer hoch gelobt wurden in der Presse und anderen Medien, hatte ich zunehmend die Befürchtung, dass mir die Texte zu nahe gehen würden, mich zu traurig machen könnten. Nun also ein zweiter Versuch mit Meyerhoffs neuem Roman. Und ich wurde nicht enttäuscht, obwohl es so einige Stellen gab, die mir etwas an der Seele fraßen, fühlte ich mich mit dem Buch doch recht wohl. Ganz besonders die Beziehung Mutter – Sohn nahm mir bisweilen den Atem, mal vor Lachen, mal vor Staunen oder Entsetzen, aber immer mit einem ironischen Lächeln. So hat Meyerhoff es geschrieben und ich habe es so empfunden. Die total „verrückte“ (ich schreibe das lieber in Anführungszeichen, nicht dass ich falsch verstanden werde) Mutter ist ein echtes Unikum. So einen trockenen Humor und so eine geschärfte Zunge kann man sich eigentlich nicht ausdenken, da muss ein Mensch Modell gestanden haben.
Dass Meyerhoff auch selbst etwas wunderlich sein kann in seinen Erzählungen vom Hier und Jetzt, darauf muss man gefasst sein. Seine Frau und seine Kinder erscheinen beinahe ein wenig abgebrüht, wenn der Vater völlig derangiert aus Wien kommt und plötzlich seinen hässlichen orangen Koffer als gestohlen melden will. Aber das muss man selbst lesen, wie das ausgeht. Dass die Familie bisweilen bis an die Grenzen von seinen egozentrischen Anwandlungen gereizt wird, ist nicht verwunderlich. Vielleicht ist da bei seiner Frau auch ein Aufatmen, dass er mal eine Weile außer Sichtweite weilt.
Meyerhoff schreibt bisweilen sehr pointiert, die Anekdoten reihen sich aneinander wie die Perlen einer Kette. Dass die Geschichten über die Theatererlebnisse nicht so kurz und treffend sind, hat mich bisweilen etwas gestört. Egal, ob nach der Wende im Ostberliner Maxim Gorki Theater (ja, es schreibt sich ohne Bindestriche, das war schon in der DDR so) oder in Ulm oder Bielefeld, man braucht da etwas Geduld. Auch wenn sich Meyerhoff gern selbst im Spiegel der unsäglichen Ereignisse betrachtet, kann er eine gewisse Selbstverliebtheit schlecht verbergen. Seine pragmatische Mutter reißt so manches Mal das Ruder herum. Etwas gekürzt und auf den Punkt gebracht, dann hätte ich mich noch mehr amüsiert.
Meyerhoff jedenfalls versucht den Spagat von Wien nach Berlin mit einem längeren Aufenthalt bei seiner Mutter in der Nähe der Ostsee erträglicher zu machen. Seine Erlebnisse und Gedanken und die Hoffnung auf ein neues Buch legen den Grundstein für dieses, welches man ruhig lesen sollte. Es verbergen sich jede Menge Lebensweisheiten und Anekdoten darin, es ist unterhaltsam und macht nachdenklich. Danke dafür, Herr Meyerhoff.

MankannauchindieHöhefallen

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Veröffentlicht am 28.11.2024

Wann, wenn nicht bald?

Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen
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Margareta Magnusson versuchte ihr Bestes, mich zum Entrümpeln und Aufräumen zu bewegen. Aber wie im richtigen Leben oder im literarischen, es kam immer etwas dazwischen. Die Texte haben mich gut unterhalten, ...

Margareta Magnusson versuchte ihr Bestes, mich zum Entrümpeln und Aufräumen zu bewegen. Aber wie im richtigen Leben oder im literarischen, es kam immer etwas dazwischen. Die Texte haben mich gut unterhalten, nicht mehr, nicht weniger.
Das Cover ist aus meiner Sicht nicht besonders gut gelungen, hat aber den Inhalt nicht behindert.

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Veröffentlicht am 12.11.2024

Thomas Mann – kein Sherlock Holmes, aber ein echter Dichterfürst

Gefährliche Betrachtungen
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Tilo Eckardt hat sich bewusst für eine an Mann-Jubiläen reiche Zeit entschieden. In diesem Jahr feiert „Der Zauberberg“ sein einhundertstes Erscheinungsjahr, vor 95 Jahren wurde er für die „Buddenbrooks“ ...

Tilo Eckardt hat sich bewusst für eine an Mann-Jubiläen reiche Zeit entschieden. In diesem Jahr feiert „Der Zauberberg“ sein einhundertstes Erscheinungsjahr, vor 95 Jahren wurde er für die „Buddenbrooks“ mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Das Jahr 2025 feiert Thomas Manns 150. Geburtstag, betrauert seinen 70. Todestag und in Lübeck wird man gewiss der kurz vor seinem Tode verliehenen Ehrenbürgerschaft gedenken. Ein Dichtergenie, das nicht vergessen werden kann, da sind nicht nur die unzähligen seiner Bücher, Essays, Reden, Briefe und Tagebucheintragungen gemeint, die Konvolute des Schreibens und Filmens über ihn und seine Familie noch unerwähnt. Thomas Mann bleibt, im Kopf und in der Seele.
Nun also von Tilo Eckardt – literaturverbundener und -verliebter Deutsch-Schweizer – ein Kriminalroman, den der Autor zu einer hochbrisanten Zeit spielen lässt und mit Nidden, der Mann‘schen Zuflucht an der litauischen Ostsee, einen idyllischen Ort des Geschehens wählt. Ich konnte gar nicht anders, als dieses Buch auszuwählen, mit dem Zauberberg als ewiges Lieblingsbuch und mit der Zeit der 1930er Jahre und dann noch mit einem Kriminalfall, waren alle Register meines Interesses gezogen.
Zum Geschehen: 1930: Thomas Mann weilt mit Ehefrau Katia und den beiden jüngeren Kindern Elisabeth und Michael in Nidden, das Haus wurde erworben mit dem Nobelpreisgeld und bietet knapp hinter der deutschen, ostpreußischen Grenze in Litauen eine schöne Rückzugsfläche, wenn auch noch nicht vollends komfortabel. Es fehlt der Telefonanschluss. In Nidden zu dieser sommerlichen Jahreszeit befinden sich diverse Künstler, vor allem Maler, und ein junger Litauer, der es auf die Bekanntschaft mit Thomas Mann abgesehen hat, weil er sich erträumt, die Buddenbrooks adäquat ins Litauische übersetzten zu dürfen. Schon sein Name ist ein wahrer Zungenbrecher, Žydrūnas Miuleris, der von Mann brutal eingedeutscht wird und forthin Müller heißt. Dieser junge Mann kann eigentlich froh sein ob dieses Namens, denn offenbar hat Mann ansonsten so gar kein Namensgedächtnis. Das Fischerdorf Nidden ist klein, die Wege kreuzen sich und dem Miuleris fallen buchstäblich die Dinge in den Schoß. Er fängt ein paar windgezauste Seiten von Thomas Mann im Fluge ein und sein phänomenales fotografisches Gedächtnis prägt sich jedes Wort und jeden Tintenklecks für immer ein. Brav gibt er die Blätter dem Dichter in seinem Strandkorb zurück, später wird er sie aus seinem Gehirn hervorholen und Faksimiles erstellen. Und damit beginnt das Drama dann auch. Bei erstbester Gelegenheit verliert er seine Faksimiles und gerät in Erklärungsnot. Bis aus dem Verlust dieser drei Blätter dann tatsächlich ein Kriminalfall wird, dauert es jedoch eine ganze Weile. Miuleris geht derweil (auch mit dem angebeteten Dichter) spazieren, fährt mit einem Miele-Rad (ich wusste gar nicht, dass es Miele-Räder gab) seiner Wirtin Bryl durch widerspenstige Dünen und abgelegene Waldwege. Er ist ununterbrochen auf die Suche nach seinen Seiten, die ein klarer Ehrverlust für ihn und ein großes Wagnis für Thomas Mann sind, aber sie bleiben verschwunden.
Tilo Eckardt hat sich an seinem Thomas Mann gut geschult, er hat einen Schreibstil und eine Wortwahl entwickelt, die dem Dichter zu Ehren gereichen würden. Als Leser amüsiert man sich über längst nicht mehr gebräuchliche Ausdrücke, wenn „fürderhin Eindringlinge abzuschrecken“ sind, Frau Bryl den einen oder anderen „Choc“ bekommt, sich einen „Shawl“ umlegt oder ein Herr ein „Plastron“ trägt. Mich erinnerte diese Art des Schreibens jedenfalls sehr an die Mann’sche Art, alles langsam und mit einem Gespür fürs Detail zu erzählen. Nicht umsonst zählt der Zauberberg rund tausend Seiten, auch die Buddenbrooks brachten es auf über siebenhundert. Da hat Tilo Eckardt seinen Kriminalroman regelrecht kurzweilig zum Ende gebracht, inklusive der Anmerkungen des Autors, die man unbedingt noch lesen sollte, wurden es gerade einmal 298 Seiten. Mir kamen sie gelegentlich trotzdem etwas lang vor, aber ab Kapitel Sechzehn bekam das Buch doch noch einen enormen Schwung und das Lesen machte wieder Spaß.
Der Blick auf den sich 1930 gerade in die Höhe schwingenden Nationalsozialismus, auf Bespitzelungen und Anfeindungen von politischen Gegnern, auf den Versuch, sich nicht mundtot machen zu lassen, auf die Künstlerschaft in Nidden und die einfachen Leute, das wurde alles sehr fein zu Papier gebracht und lohnt das geduldige Lesen.
Abgesehen von Thomas Mann und Familie, über die ich bereits viel und interessant gelesen habe, gefielen mir die Protagonisten sehr, die mir schnell vertraut wurden mit ihren Eigenheiten und Marotten und ihrem merkwürdigen Gebaren. Ganz egal, ob der grummelige Kutscher Pinkis oder der Maler Pfaffenkogel, ob Frau Bryl oder Miuleris, das sind lesenswerte Charakterzeichnungen. Nur der Dalia fehlt das letzte Quäntchen Pfiff, an sie werde ich mich nicht so oft erinnern, wie an die vorher Genannten. Über die Lösung des Kriminalfalles will ich nichts schreiben, aber dass der Autor die Atmosphäre selbst erlebt und ausgekostet haben könnte, dessen kann man sich nach der Lektüre sicher sein. Geschrieben hat er dort auf jeden Fall. Nur der Vergleich mit Sherlock Holmes und Dr. Watson ist aus meiner Sicht zu arg strapaziert.
Der Erzähler der ganzen Geschichte ist der unterdessen Hundertjährige Žydrūnas Miuleris, der noch einmal nach Nida reist, wie Nidden nun 1989 heißt. Ich glaube ihm gerne, dass dieser Ort und die Erinnerungen ihm ans Herz und an die Nieren gehen.
Dieser Kriminalroman hat historische Hintergründe, aber es ist eine fiktive Geschichte, dass sie sehr wohl auch die Seelenpein eines großen Denkers im Angesicht des Nationalsozialismus beschreibt, ist eine wertvolle Zugabe. Manch einer wird sicher angeregt sein, z. B. die „Deutsche Ansprache“ von 1930, die Mann als Appell an die Vernunft bezeichnete, anzusehen oder einen seiner Romane oder vielleicht die Novelle „Tod in Rom“ zu lesen. Eine komplette Bibliografie hätte den Rahmen jedes Buches gesprengt, das Quellen- und Literaturverzeichnis bietet aus meiner Sicht eine sehr gelungene Auswahl.
Zuletzt noch ein Wort zum Buch: Ein Schutzumschlag, wie man sich keinen schöneren vorstellen kann, der fein gekleidete Herr mit Stock am Strand, das muss ja einfach Thomas Mann sein, sehr gerade, Brust raus, schreitet er zum Ufersaum. Auswahl von Farben und Schrift sind gut gelungen, die erhabenen und lackierten Buchstaben haben eine edle Haptik. Die Typografie ist klassisch und damit einfach hervorragend eingesetzt, nichts Übertriebenes lenkt vom Lesen ab. Für mich eines der am schönsten gestalteten Bücher der letzten Zeit.
Im Mai 2025 wird mit „Unheimliche Gesellschaft“ ein weiterer Kriminalroman von Tilo Eckardt erscheinen, man darf sehr gespannt sein, was das Jahr 1933 für Mann & Müller auf der Kurischen Nehrung für Unwägbarkeiten bereithält. Ich freue mich darauf.
Fazit: ein Roman ganz im Stile Thomas Manns, der erst zum Ende hin ein echter Kriminalroman wird und den gewogenen Leser sehr in seinen Bann zieht. Gute vier Sterne.

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Krimineller Lesespaß

Wir finden Mörder (Wir finden Mörder-Serie 1)
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Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ...

Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ist von seinen Büchern. Jetzt wurde umgesattelt, "Wir finden Mörder" ist seine neue, gänzlich anders geartete Krimi-Serie.
Das Buch startet am Pool, Amy Wheeler, Bodygard für die alternde und momentan schutzbedürftige Krimischriftstellerin Rosie D'Antonio, fühlt sich eher als Anstandsdame oder Babysitter. Beide Frauen geraten im Laufe der Handlung dann aber doch in securitywürdige Situationen. Amys Schwiegervater und Ex-Kriminalkommissar ist einer der unzähligen Protagonisten, es gibt da noch den sehr eloquenten, die Handlung vorantreibenden Kriminellen François Loubet, seine Marionetten, einige Polizisten und ab und an einen Toten. Man kann die Geschichte mit ihren minütlich wechselnden Wendungen, Handlungen und Personen nicht nacherzählen. Einerseits würde anderen Lesern die Spannung genommen und andererseits ist es kaum möglich, den feinen Spott und Humor von Osman zu kopieren.
Für meinen Geschmack wechselten Protagonisten und Ereignisse zu häufig, meine Konzentration ließ leider auch dann nach, wenn Loubet sich selbst beweihräucherte. Die zumeist kurzen Kapitel lesen sich aber flüssig und lassen einen bei der Lektüre nicht nur einmal schmunzeln.
Das Buch hat bei mir für gute Unterhaltung gesorgt. Das halte ich besondere den beiden Sprechern zu Gute, die sich adäquat in die einzelnen Szenen hineinlasen. Ich habe nämlich parallel das Hörbuch gehört. Wer also lieber hört als liest, nehme dies als Empfehlung.
Ich bin gespannt, was diesem fulminanten Feuerwerk an Ideen in einem zweiten Band folgen wird. Osman-Fan bleibt Osman-Fan!

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Krimineller Hörgenuss

Wir finden Mörder (We Solve Murders-Serie 1)
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Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ist von seinen ...

Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ist von seinen Büchern. Gelesen wurden diese von Johannes Steck. Jetzt wurde umgesattelt, "Wir finden Mörder" ist seine neue Serie, Richard Barenberg und Wolfgang Wagner sind die neuen Lesestimmen.
Das Hörbuch startet am Pool, Amy Wheeler, Bodygard für die alternde und momentan schutzbedürftige Krimischriftstellerin Rosie D'Antonio, fühlt sich eher als Anstandsdame oder Babysitter. Beide geraten im Laufe der Handlung dann aber doch in securitywürdige Situationen. Amys Schwiegervater und Ex-Kriminalkommissar ist einer der unzähligen Protagonisten, es gibt da noch den sehr eloquenten, die Handlung vorantreibenden Kriminellen François Loubet, seine Marionetten, einige Polizisten und ab und an einen Toten. Man kann die Geschichte mit ihren minütlich wechselnden Wendungen, Handlungen und Personen nicht nacherzählen. Einerseits würde anderen Hörern die Spannung genommen und andererseits ist es kaum möglich, den feinen Spott und Humor von Osman zu kopieren.
Für meinen Geschmack wechselten Protagonisten und Ereignisse zu häufig, meine Konzentration ließ leider auch dann nach, wenn Loubet sich selbst beweihräucherte.
Aber insgesamt hat das Hörbuch bei mir für gute Unterhaltung gesorgt. Das halte ich besondere den beiden Sprechern zu Gute, die sich adäquat in die einzelnen Szenen hineinlasen. Ich bin gespannt, was diesem fulminanten Feuerwerk an Ideen in einem zweiten Band folgen wird. Osman-Fan bleibt Osman-Fan!

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