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Veröffentlicht am 15.09.2016

Es gibt immer ein Gestern

Als die Liebe endlich war
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Wer an dem Schicksal der Juden während des Nationalsozialismus interessiert ist, dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.
Der Halbjude Carl flüchtet im Alter von 12 Jahren im Frühjahr 1938 mit Mutter ...


Wer an dem Schicksal der Juden während des Nationalsozialismus interessiert ist, dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.
Der Halbjude Carl flüchtet im Alter von 12 Jahren im Frühjahr 1938 mit Mutter und Schwester aus seiner Heimat Regensburg nach Shanghai. Nach Kriegsende wandert er nach New York aus und heiratet die ebenfalls aus Deutschland stammende Emmi. Über 60 Jahre hindurch spielt ihre Vergangenheit für beide keine Rolle. Erst als eine Nachbarin Carl bittet, Unterlagen aus dem Nachlass ihres jüdischen Mannes zu übersetzen, stößt er auf eine Verbindung zwischen Emmi und dem KZ Dachau, die ihn vor die Frage stellt, wer Emmi eigentlich ist.

Formal ist dieser Roman in drei Abschnitte unterteilt. Der erste widmet sich Carls Flucht und Ankunft in Shanghai, der zweite schildert eine scheinbar ohne Zusammenhang hierzu stehende Geschichte über die junge Erna, die unmittelbar vor und während des Krieges bei ihrer Tante in München wohnt und arbeitet, der dritte handelt von den ersten Jahren Carls in Shanghai. Jedem Abschnitt ist dann ein im Jahr 2010 in einem New Yorker Vorort spielender Teil angehängt, in dem es um den nunmehr 84jährigen Carl und seine Ehefrau Emmi geht. Welche Verbindungen es zwischen dem mittleren Teil und dem Rest gibt, erschließt sich erst spät, was das Lesen umso spannender macht. Wenn auch das Schicksal von Carl und seiner Familie im Nationalsozialismus dem vieler anderer Juden ähnelt und schon Thema vieler anderer Romane war, so ist es dennoch sehr individuell und berührt sehr. Ich fand vor allem die Schilderung des Exil-Lebens in Shanghai sehr informativ, da mir nicht bewusst war, dass auch in China viele Juden Zuflucht gesucht haben. Neben all dem vermittelten historischen Wissen kommt auch die Unterhaltung nicht zu kurz. Vor allem der im Alter zum Grantler gewordene Carl verleitet so manches Mal zum Schmunzeln.

Dieses Buch kann ich uneingeschränkt empfehlen.

Veröffentlicht am 16.11.2024

Autobiografischer Roman

Vaterländer
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In den vergangenen Jahren ist es scheinbar in Schauspielerkreisen à la mode, autobiografische Romane zu schreiben. Hier reiht sich auch der vorliegende ein. Der Autor ist ein bekannter deutscher Theater- ...

In den vergangenen Jahren ist es scheinbar in Schauspielerkreisen à la mode, autobiografische Romane zu schreiben. Hier reiht sich auch der vorliegende ein. Der Autor ist ein bekannter deutscher Theater- und Filmschauspieler. Er spielte z.B. in der Ku’Damm-Serie, Babylon Berlin, Deutsches Haus. In diesem Roman erzählt er aus seiner eigenen Kindheit und lässt seinen Großvater mütterlicherseits und seinen Vater als eigene Erzähler zu Wort kommen, die ihre Geschichte erzählen.
Die Kernfamilie gelangt in den 1980er Jahren nach Westdeutschland, nachdem der Vater während einer Tournee als Geiger nicht in die rumänische Heimat zurückgekehrt war und nach zwei Jahren die Familienzusammenführung gelang. Er wollte seinen Kindern ein besseres Leben bieten, als es in dem vom Diktator Ceaușescu geführten Rumänien möglich war. Schon sein Schwiegervater hatte um 1950 herum unter der berüchtigten Securitate leiden müssen.
Am besten gefallen hat mir der der größte, erste Teil des Buches, in dem der kleine Sabin aus seiner Kinderperspektive das Familienleben in der alten und neuen Heimat schildert und manche humorvolle Passage zu finden ist. Viel Raum nimmt das Thema Familie ein, zu deren sämtlichen Mitgliedern – auch in der rumänischen Heimat – ein sehr guter Kontakt besteht. Wichtig ist auch die von den Eltern forcierte Ausbildung des Jungen an der Violine, um aus ihm einen ebenso begnadeten Geiger, wie sie selbst es sind, zu machen, die er aber zugunsten der Schauspielerei nachrangig behandelt. Sehr ernst ist der zweite Teil, in dem es um die Verhaftung, Folterungen durch die Securitate und den Gefängnisaufenthalt von Sabins Großvater geht. Wir erhalten einen fundierten Überblick über die unausprechlichen Zustände im Rumänien unter Ceaușescu. Dieser Teil hat zum Teil den Charakter eines Sachbuchs. Was mich etwas gestört hat, waren die zahllosen Personen, auf die der Opa eingeht. Es war praktisch unmöglich, den Überblick zu behalten und sie einordnen zu können. Ausgeglichen hat das dann wieder der letzte Teil. Die Liebesgeschichte von Sabins Eltern zu lesen, war unterhaltsam. Ergänzend gab es gute Informationen zum Aufbau von Ceaușescus Herrschaft zulasten seines Volkes, das zusehends litt, was für den Vater der Beweggrund für seine Flucht war.
Insgesamt ein Roman, der viel neues geschichtliches Wissen vermittelt und nicht nur für Kenner von Sabin Tambrea interessant ist.

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Veröffentlicht am 11.11.2024

Ungesunde Vater-Tochter-Beziehung

Vater des Regens
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Diese Geschichte beleuchtet im Wesentlichen die Beziehung zwischen Daley und ihrem Vater, angesiedelt in Amerika ca. ab 1970, als Daley 11 Jahre alt ist. Zu diesem Zeitpunkt lassen sich ihre Eltern scheiden ...

Diese Geschichte beleuchtet im Wesentlichen die Beziehung zwischen Daley und ihrem Vater, angesiedelt in Amerika ca. ab 1970, als Daley 11 Jahre alt ist. Zu diesem Zeitpunkt lassen sich ihre Eltern scheiden und sie teilt sich zwischen ihnen auf. Sie liebt beide gleichermaßen, obwohl der Vater schwere Alkoholprobleme hat und Choleriker ist. Immer wieder erlebt sie über die Jahre missbilligend seine Abstürze und privaten Eskapaden, ohne sich von ihm lösen zu können, sogar ihr eigenes berufliches und privates Leben stellt sie hinter den Vater, der vermeintlich ihre Unterstützung braucht. Blind verschließt sie die Augen und meint, er bessere sich. Alles in allem besteht zwischen ihnen eine ungesunde Beziehung.
Spannung darf man nicht erwarten. Der Roman konzentriert sich im Wesentlichen auf die Darstellung der beiden Protagonisten. Andere Romanfiguren spielen am Rande eine Rolle. Die Sprache ist nüchtern, gut lesbar. Erklärungen, warum Daley und ihr Vater so agieren, wie sie es tun, werden dem Leser nicht gegeben und bleiben seiner Vorstellungskraft überlassen. Einige von Daleys Entscheidungen sind einfach nicht nachvollziehbar.
Alles in allem ein Roman, den zu lesen sich lohnt.

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Veröffentlicht am 05.11.2024

Zeitreisen zurück zu Wendepunkten im Leben

Das kleine Café der zweiten Chancen
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Dieses Buch ist wirklich lesenswert. Es handelt davon, dass einigen Personen die Möglichkeit gegeben wird, für wenige Minuten zurück in einen Zeitpunkt in ihrem Leben zu reisen, in dem sie in einer Weise ...

Dieses Buch ist wirklich lesenswert. Es handelt davon, dass einigen Personen die Möglichkeit gegeben wird, für wenige Minuten zurück in einen Zeitpunkt in ihrem Leben zu reisen, in dem sie in einer Weise gehandelt haben, die sie später zutiefst bereut haben. Nunmehr erhalten sie eine zweite Chance, eine andere Abzweigung zu wählen. Ermöglichen können ihnen das die Besitzer eines Cafés in Sapporo während der Dauer der Kaffeezubereitung. Ebenfalls mit dieser Gabe ausgestattet ist die Protagonistin Himari, eine schüchterne Jugendliche, die an dem Ehrgeiz ihrer Mutter gescheitert ist und endlich eine Freundin findet. Die Freundschaft endet abrupt durch einen Vorfall, an dem sich Himari schuldig fühlt. Sie will ihre Gabe nutzen und das Vergangene wenden …
Durch die Thematik der Zeitreisen erhält die Geschichte etwas Fantastisches, bleibt aber dennoch real und regt zum Nachdenken an, nämlich über die Frage, ob man selbst von der Möglichkeit, durch eine Zeitreise etwas, das man mittlerweile bereut, zu ändern, Gebrauch machen würde. Alles ist in der japanischen Kultur angesiedelt, über die nebenbei Vieles zu erfahren ist. Vielleicht wäre die Hintanstellung eines kleinen Glossars hilfreich. Wie mir immer wieder bei Büchern japanischer Autoren auffällt, sind die Romanfiguren etwas schwermütig, so auch hier. Einziger Kritikpunkt meinerseits ist, dass es bei den Dialogen nicht immer einfach war zu unterschieden, wer der Sprecher war.

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Veröffentlicht am 20.10.2024

Eine Art fantastische Geistergeschichte

Nach uns der Himmel
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Am Ehesten lässt sich dieser Roman als eine Geistergeschichte einstufen. Die acht Romanfiguren befinden sich auf einem Ferienflug auf eine griechische Insel. Nach Turbulenzen landet das Flugzeug. Oder ...

Am Ehesten lässt sich dieser Roman als eine Geistergeschichte einstufen. Die acht Romanfiguren befinden sich auf einem Ferienflug auf eine griechische Insel. Nach Turbulenzen landet das Flugzeug. Oder etwa doch nicht und es ist abgestürzt und die acht befinden sich in einer Art Zwischenwelt? Denn ihr Aufenthalt auf der Insel wird zusehends abstruser. Für die Inselbewohner sind sie anscheinend gar nicht da, sie selbst tun unsinnige Dinge, wie z.B. untereinander anbandeln, ihre Umgebung schrumpft zusammen. Für zusätzliche Verwirrung sorgt ein zweiter Handlungsstrang, der sich im Wesentlichen in Los Angeles abspielt zwischen einem Ich-Erzähler und seiner Chefin. Er lässt sich erst nach und nach einordnen. Am Ende werden beide Erzählstränge zusammengeführt, und das auch noch unter gelungener Zuhilfenahme der griechischen Mythologie.
Auf die Geschichte muss man sich einlassen können. Dann jedoch macht es direkt Freude, sie zu lesen, zumal manch schönes Wortspiel eingearbeitet ist.

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