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Veröffentlicht am 17.11.2024

Unter Verdacht

Rath
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Aus Amerika ist Gereon Rath zurückgekehrt, weil sein Vater einen Schlaganfall hatte und sich nicht erholt. Allerdings hält dieser Zustand schon seit einem Jahr an. Rath lebt unter falschem Namen in Köln. ...

Aus Amerika ist Gereon Rath zurückgekehrt, weil sein Vater einen Schlaganfall hatte und sich nicht erholt. Allerdings hält dieser Zustand schon seit einem Jahr an. Rath lebt unter falschem Namen in Köln. Sein Bruder Severin ist mit seiner Freundin Marion in Berlin. Dort arbeitet er als Auslandskorrespondent. Mit Charly trifft sich Rath heimlich in Hannover. Als Charly nicht zu einem der vereinbarten Treffen kommt, reist Gereon Rath nach Berlin. Charly hat dort versucht, ihrem ehemaligen Pflegesohn Fritz zu helfen. Der steht unter Mordverdacht, weil er angeblich zwei seiner Kameraden in der Hitlerjugend umgebracht haben soll.

Im zehnten und angekündigt letzten Band der Reihe um Kommissar Gereon Rath wird die Lage für die Menschen in Deutschland immer schwieriger. Zumindest für die, die ihren Verstand noch nicht völlig abgeschaltet haben. Die anderen hauen munter und ohne Gewissen drauf los. Charly hat ein Angebot, wieder in den Polizeidienst einzutreten. Das will sie eigentlich nicht. Sie ist noch unschlüssig, ob sie mit Gereon zurück nach Amerika gehen soll. Doch zunächst will sie herausfinden, wer die beiden HJler wirklich umgebracht hat. Dass Fritz es gewesen sein könnte, kann sie einfach nicht glauben, auch wenn die Beweislast erdrückend ist. Erstmal ist ihr das auch wichtiger als eine Emigration.

Ende 1938 werden die Zeichen immer deutlicher, dass das Regime nicht befriedet werden kann. Die Zeiten sind düster. Besonders die Juden müssen mit immer mehr Repressionen rechnen. Doch jeder, der nicht gänzlich mit dem Strom schwimmt, muss mit Schwierigkeiten rechnen. Das bekommt auch Charly zu spüren. Was soll einem in einem solchen Land noch halten. Wieder sehr akribisch recherchiert hat Volker Kutscher für seinen Roman. Man spürt förmlich wie sich die Schlinge um die Hälse der normal denkenden, der überhaupt denkenden Menschen immer mehr zuzieht. Es werden Unschuldige zum Opfer und Täter kommen davon. Nun, zum Glück nicht alle, aber doch viele. Ein packender, aber auch beklemmender Abschluss einer Reihe, die man unbedingt vom ersten Band an gelesen haben sollte. Bei weitem eindringlicher als die TV-Serie heben sich die Gereon Rath Romane von der üblichen Kost historischer Krimis ab.

Veröffentlicht am 25.11.2023

Im Namen der Kunst

Lichtspiel
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Zur Zeit der großen Stummfilme hat er sich einen Namen gemacht, der österreichische Filmregisseur G. W. Pabst. Während der Machtergreifung der Nazis hatten er und seine Familie das Glück, gerade in Frankreich ...

Zur Zeit der großen Stummfilme hat er sich einen Namen gemacht, der österreichische Filmregisseur G. W. Pabst. Während der Machtergreifung der Nazis hatten er und seine Familie das Glück, gerade in Frankreich zu drehen. Sie schafften es von dort nach Los Angeles. Doch die Stadt der Engel und der Filmschaffenden in Amerika verlangten etwas, dem sich Pabst nicht fügen konnte. Auf einen Hilferuf der Mutter reist die Familie zurück nach Österreich, zwar mit dem Plan wieder auszureisen, aber mit dem Pech wegen eines Unfalls nicht sofort wegzukönnen und dann vom Krieg überrascht zu werden. Als dann das Propaganda-Ministerium seine Klauen nach Pabst ausstreckt, sieht Pabst keinen anderen Weg als sich mit dem System zu arrangieren.

Wenn vor dem Krieg einer der rote Pabst genannt wurde, erstaunt so ein Sinneswandel schon. Doch wie geraten der Regisseur und seine Familie in die Fänge der Nazis? Gerade er, der die Garbo zum Ruhm gebracht hat, der mit vielen bekannten Schauspielern gedreht hat. Die Familie hatte es doch nach Amerika geschafft. Doch Pabst tut sich schwer. Das ewige Lächeln in Amerika, hinter dem doch eine knallharte Geschäftstüchtigkeit steckt. Den Einfluss, den er zu haben glaubt, müsste er sich erst erarbeiten. Der einzige Film, den er machen darf, ist ein Flop. Pabst sieht keine Chance im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Insgeheim hofft er, in Europa an alte Erfolge anknüpfen zu können.

Die Beschreibung des Lebensweges des Regisseurs G. W. Pabst, der zeitweilig in einem Atemzug mit Lubitsch, Lang und ähnlichen Größen genannt wurde, wird hier von Daniel Kehlmann herausragend zu einem Roman komponiert. Sein Scheitern in Amerika, der Wunsch der Mutter zu helfen, führen geradewegs in die Arme der Nazis. Kann man aus heutiger Sicht nachvollziehen, wie sich ein Roter mit den Nazis arrangieren kann? Man spürt die Beklemmung, das Kafkaeske, und traut doch seinen Augen kaum. Ein Mensch hängt jedoch am Leben, nach der Rückkehr in eine andere Heimat, bestand wohl kaum eine Chance, wieder zu entkommen. Also blieb wohl nur, sich zu beugen und dennoch eigene Filme zu drehen. Wie weit geht er dabei? Man kann diesen Roman nicht einfach so durchlesen, man muss das eine oder andere Mal absetzen. Und doch kann man nicht von dem Buch lassen und liest weiter mit Schrecken über dieses üble System, dass das Unterste zu Oberst kehrte. So wie schon erwähnt kafkaesk agierende Menschen sollten wirklich nie wieder an die Macht kommen. Es schüttelt einen und aufgerüttelt legt man diesen besonderen Roman beiseite, mit der Empfehlung, ihn unbedingt zu lesen.

Veröffentlicht am 14.07.2023

Devotion - Hingabe

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
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Noch bevor sie lesen kann darf Esme mit ins Scriptorium. Ihre Mutter ist schon verstorben und wird von ihrem Vater immer noch vermisst. Doch er unternimmt alles, damit es seiner kleinen Esme an nichts ...

Noch bevor sie lesen kann darf Esme mit ins Scriptorium. Ihre Mutter ist schon verstorben und wird von ihrem Vater immer noch vermisst. Doch er unternimmt alles, damit es seiner kleinen Esme an nichts fehlt. Oft sitzt sie unter dem Schreibtisch und beobachtet die Schuhe ihres Vaters und seiner Kollegen. Diese arbeiten daran, das neue Oxford Englisch Dictionary zusammenzustellen. Eine schier unendliche Aufgabe, denn die Worte werden mit ihren unterschiedlichen Bedeutungen erklärt, ihre Herkunft erläutert und es werden Zitate als Beleg ihrer Existenz gegeben. So findet Esme schon früh zu den Wörtern, aber sie merkt auch, dass manche Wörter einfach verloren gehen.

Ein Denkmal für ein Wörterbuch, welch ein schönes Thema, wenn man selbst den Wörtern und Worten verbunden ist. Einen großen Teil ihrer Kindheit verbringt Esme am Arbeitsplatz ihres Vaters, sie kennt die Männer, die über die Wörter bestimmen, die ins Dictionary dürfen. Es kann aber auch sein, dass ein Wort, welches auf seinem Belegzettel zu Boden fällt, in ihrer geheimen Truhe landet. Dort bewahrt Esme im Laufe ihres Lebens die verlorenen Wörter auf, aber auch Wörter, die sie selbst sucht, und Frauenwörter, die es wohl nie ins Wörterbuch schaffen werden. Esme hat ein behütetes Leben, aber um den Wechsel des 19. auf das 20. Jahrhundert bemerkt auch sie, wie sich die Welt ändert.

Man möchte aufhören, wenn es am Schönsten ist. Immer langsamer wendet man die Seiten, weil man möchte, dass die Zeit für Esme stehen bleibt. Ihr Leben mit den Wörtern berührt und ihr Leben mit den Menschen macht manchmal traurig, ist manchmal lehrreich und machmal süß. Esme hätte viel mehr von der Süße des Lebens verdient. Doch ihre verlorenen Wörter werden überdauern, wenn vielleicht auch nicht in der Realität, so doch im Herzen der Leser. Vielleicht hat ja auch das eine oder andere Wort inzwischen auch ins ehemals so von Männern geprägte Oxford Englisch Dictionary geschafft. Die web.site des OED kann gerne empfohlen werden, ein Lesezeichen ist schnell gesetzt. Ein wunderbares Buch über eine beeindruckende Frau, eine ereignisreiche Zeit und eine Hommage an die Wörter. Einfach klasse.

Veröffentlicht am 23.04.2023

Baustellenmord

Die Macht der Wölfe
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Leiter der Mordkommission Düsseldorf Vincent Veih ermittelt in einem Mordfall, bei dem Leichenteile auf einer Baustelle in der Mitte der Stadt gefunden wurden. Der Baumagnat und Milliardär Osterkamp will ...

Leiter der Mordkommission Düsseldorf Vincent Veih ermittelt in einem Mordfall, bei dem Leichenteile auf einer Baustelle in der Mitte der Stadt gefunden wurden. Der Baumagnat und Milliardär Osterkamp will hier die neue Oper errichten. Vincents Freundin Melia Adan soll auf Bitte ihres Vaters der Bundeskanzlerin in einer Angelegenheit helfen, die sorgsam zu handeln ist. Ansonsten könnte die Position der Kanzlerin gefährdet sein und das in Zeiten, wo Fakten nichts mehr gelten und Propagandisten immer mehr Einfluss gewinnen. Seltsamerweise gibt es eine Verbindung von dem Toten zu einem bekannten Talkshow-Host. Der tote hatte eine längere Haftstrafe und der Medienmann leistete eine Zeugenaussage.

In ihrem vierten Auftritt müssen Melia Adan und Vincent Veih ihre Beziehung geheim halten. Es geht des Gerücht, Melia könnte die neue Leiterin der Kriminalinspektion werden, dann wäre sie allerdings Vincents Vorgesetzte und das wird in der Behörde nicht gerne gesehen. Doch noch können sie ihre Kräfte bündeln. Die Ermittlungen in dem Mordfall erweisen sich als schwierig, die Spuren scheinen überall und nirgends hinzuführen. Auch in der Sache, die die Bundeskanzlerin betrifft, gibt es unerwartete Probleme. Da erscheint es beinahe nebensächlich, was der Selfmade-TV-Mann Christoph Urban plant und obwohl sich Melia Gedanken über die Ambitionen ihres Vaters macht, musst das erstmal zurückstehen.

Ach, wie gerne hätte man die alten langweiligen Zeiten zurück, wo das Wort noch galt und man sich auf Fakten einigermaßen verlassen konnte, wo man nicht mit Staunen sehen musste, wie im durchaus negativen Sinne erstaunliche Menschen erstaunliche Positionen erreichten. Es ist, als schaufele die Gesellschaft sich ihr eigenes Grab. Und wie soll die Entwicklung gestoppt werden? Leider kann der Roman da keine Antwort gegen, denn viele Wahrheiten erweisen sich als trügerisch. Immerhin kommen Vincent und Melia Zusammenhängen auf die Spur. Wobei der Leser eher einen Blick aufs große Ganze hat und dieser Blick lässt einen schaudern, wirkt er doch allzu sehr im Bereich des Möglichen. Dieser Polit-Thriller ist geradezu atemberaubend und man kann nicht anders als ihn zu inhalieren. Dass die Sicht auf das Geschehen eher pessimistisch aussieht, gibt dem Roman einen großen Realitätsbezug.

Veröffentlicht am 08.09.2021

Die Totenfrau

Mitgift
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Gerda Derking hat im Dorf lange Jahre als Totenfrau gearbeitet. Nun im August 1962 meint sie, es sei an der Zeit, die Tätigkeit den Bestattern zu überlassen. Doch als Bauer Leeb von nebenan sie bittet, ...

Gerda Derking hat im Dorf lange Jahre als Totenfrau gearbeitet. Nun im August 1962 meint sie, es sei an der Zeit, die Tätigkeit den Bestattern zu überlassen. Doch als Bauer Leeb von nebenan sie bittet, ein letztes Mal ihres Amtes zu walten, sagt sie nicht nein. Sie ahnt voller Trauer, wer verstorben sein könnte. Zunächst jedoch heißt es warten. Gleichzeitig wird über mehrere Generationen die Familiengeschichte der Familie Leeb erzählt. Ein besonderer Akzent auf den beiden Weltkriegsgenerationen und der Generation der Kinder liegt. Wie in vielen Familien gibt es auch in dieser Streit und Zwietracht und ihre Mitglieder sind doch den familiären Zwängen gefolgt.

Nicht immer in chronologischer Reihenfolge erzählt, aber doch beginnend mit dem Bau der jetzt noch genutzten Hofgebäude, bietet dieser Roman einen mitreißenden Abriss über das Familiengefüge der Leebs. Welcher Druck lastete auf dem Hoferben, nicht alle strebten danach, ihr Dasein als Bauern zu fristen. Allerdings ging die Familienräson regelmäßig vor und Träume mussten begraben werden. Dass Wilhelm Leeb als Nazi in den Krieg zog und als Nazi wiederkehrte, hat das Leben auf dem Hof nicht einfacher gemacht. Seine drei Kinder leiden unter ihm und jedes reagiert anders auf seinen Despotismus. Käthe, die Frau, erweckt den Eindruck, als habe sie sich schon lange aufgegeben.

Wenn man als Leser oder Leserin die Wirren des vermaledeiten zweiten Weltkrieges eher aus Geschichtsbüchern kennt, weil in den Familien wenig darüber geredet wurde, ist dieser Roman wie eine kleine Offenbarung. Gerade als hätte der Autor zusammenrecherchiert, was Eltern, Großeltern oder gar Urgroßeltern nicht erzählen wollten. Natürlich ist es eine spezielle Familiengeschichte, die erzählt wird, aber sicher kann sie für viele stehen. Die Brüche der Familie, die Zwänge, denen man sich gebeugt hat, es wird auf irgendeine Art dazu geführt haben, dass Wilhelm Leeb der wurde. Auch er musste sich beugen, doch er hat keine Demut entwickelt. Er hat Schuld auf sich geladen und seine Wut an den Schwachen ausgelassen. Wieso waren sie so, wieso hat sich keiner gewehrt. Solche Fragen sind sicher in etlichen Familien aufgetaucht. Beantworten kann sie ein Roman nicht, aber er gibt ein authentisches Bild, wie es in den Familien bis in die frühen Nachkriegsjahre gelaufen sein könnte. Ein packender Roman, dessen Lektüre nur empfohlen werden kann.