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Veröffentlicht am 08.10.2016

KEIN Thriller - aber Krimi mit Psychothrill und ein Highlight 2016 für mich!!

Nebelschrei
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Vorausschicken möchte ich meiner Rezension, dass es sich bei "Nebelschrei" von Sam Baker (Original: The Woman Who Ran), erschienen im Diana-Verlag (TB, 2016) NICHT um einen Thriller handelt meiner Meinung ...

Vorausschicken möchte ich meiner Rezension, dass es sich bei "Nebelschrei" von Sam Baker (Original: The Woman Who Ran), erschienen im Diana-Verlag (TB, 2016) NICHT um einen Thriller handelt meiner Meinung nach, jedoch um einen der besten Kriminalromane (mit Psychothriller-Elementen), den ich 2016 gelesen habe!

Inhalt/Buchbeschreibung:

Nach außen ist Helen eine starke Frau. Keiner ahnt, dass ihr die Erinnerungen an die Hölle, die sie erlebt hat, täglich den Atem rauben. Und dass sie nur knapp dem Tod entronnen ist. Das verfallene Anwesen in einer abgelegenen Gegend in Nordengland scheint das perfekte Versteck zu sein. Doch die Dorfbewohner kommen Helen näher, als ihr lieb ist. Denn niemand darf wissen, wo sie ist - und vor allem nicht der Mensch, dem sie am meisten vertraut hat....(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:


Alles, wirklich alles an diesem Kriminalroman ist für mich stimmig: In Teil 1 (von 3 Teilen) schafft es die Autorin, den Leser gleich zu Beginn nahe an die Protagonisten heranzuführen und durch eine sehr gute, detaillierte und tiefgründige Figurenführung dies immer weiter zu vertiefen: Helen Graham setzt sich nach einem Wohnungsbrand im Apartment von ihr und Art Huntingdon, ihrem Ehemann, in ein sehr abgelegenes elisabethanisches Haus in den Dales (Yorkshire), Nordengland, ab, um im selbstgewählten Versteck die Ereignisse zu überdenken und innerlich zur Ruhe zu kommen. Sie war viele Jahre Fotografin in Kriegsgebieten (Afghanistan, Irak, Syrien zählten dazu), erfolgreich und mit großer Leidenschaft und Können im Job; ihr Mann machte ebenfalls 'Karriere' als Kriegsberichterstatter, bis sein Stern mehr und mehr zu sinken beginnt.....
Nach dem Brand geht die Polizei davon aus, dass Art Huntingdon in seiner Wohnung den Tod fand. War es wirklich sein Leichnam?

Helen, die oft unter Migräne leidet und durch schreckliche Kriegseindrücke traumatisiert ist, lernt im kleinen Dorf, von dem sie sich weitgehend in ihrem Haus "Wildfell" fernhält, um unerkannt zu bleiben, Gil kennen: Gilbert Markham, 61, geschieden, seines Zeichens ebenfalls ein erfolgreicher Journalist im Ruhestand, in den er sich ganz und gar nicht einzufinden vermag...

Sowohl Helen, die gerne in den sehr atmosphärisch beschriebenen wundervollen Dales bis zum Scar (Berg) läuft, um Klarheit zurückzugewinnen, was sich wirklich in Paris ereignete, als auch Gil sind gerne in der Natur unterwegs und lernen sich nach und nach kennen. Er besucht Helen unter dem Vorwand, Lebensmittel mitzubringen (das Zentrum des Dorfklatschs ist Ms. Millward, die Ladenbesitzerin) und gewinnt mehr und mehr Helens Vertrauen. In durchwachten Nächten erzählt sie Gil endlich aus ihrem Leben und der professionelle Journalist ermittelt die aktuellen Hintergründe: Kann er glauben, was sie ihm erzählt?

Beide Protagonisten sind sehr sympathisch, der Handlungsverlauf ist mit einer grandiosen subtilen Spannung (von Beginn bis Ende) unterlegt und auch eine Prise Humor ist zu finden: So musste ich über die Selbstgespräche und inneren 'Dispute' von Gil oftmals sehr schmunzeln ;)
Besonders beeindruckt hat mich auch die Darstellung von Art:

(.....)"er war der Typ, der die Angst roch - sich zum Licht hingezogen fühlte, um es auszulöschen" (Zitat S. 155)

Nach außen charmant, nett und liebenswert, trägt er auch ein anderes Gesicht, das mit analytischer Schärfe harte Konturen annimmt, die sich dem Leser mehr und mehr erschließen....

"Diejenigen, die nie auch nur angeklagt werden, deren Gewalt und Grausamkeit im Verborgenen blüht, die sind am Gefährlichsten"
(Zitat S. 423)

Fazit:

Der mit subtiler Spannung angereicherte, stimmige Kriminalroman konnte mich vollends überzeugen und erhält die volle Punktzahl aus folgenden Gründen:
Ausser der Krimihandlung beinhaltet er auch ein Stück (düstere) Zeitgeschichte und einen Einblick in die (lebensgefährliche) Arbeit von Kriegsberichterstattern, Reportern und Fotografen, die in Syrien, im Irak, in Afghanistan und weiteren gefährlichen Regionen in der Welt unter extremem Erfolgs-, aber auch psychischem Druck stehen, die diese Menschen - auf die eine oder andere Art - zu bewältigen haben: Posthum setzt die Autorin Marie Colvin (gest. 02/2012 in Syrien) und damit den Reportern ohne Grenzen, die nicht selten ihr Leben verlieren, ein literarisches Denkmal.
Empfehlens- und sehr lesenswert für Krimi- und ThrillerleserInnen, die subtile Spannung, flüssige und fundierte Unterhaltung, eine stimmige Handlung und feine Figurenentwicklungen mögen: Ein wirklich toller Krimi vor traumhafter Kulisse: Den Yorkshire-Dales (mit einem Hinweis auf "Wildfell" und Anne Bronte's Roman "Die Herrin von Wildfell Hall", die Sam Baker bei der Wahl des Ortes inspirierte...) Ein Highlight dieses Genres 2016 für mich, daher 5 *, 5 Leseratten und 100° auf der "Krimi-Couch" von mir!
Ich hoffe, von Sam Baker noch mehr lesen zu können!!!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Toller und spannender Norwegen-Krimi mit historischem Kontext (WWII)

Totensommer
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"Totensommer" von Trude Teige, einer Autorin, die zuvor Journalistin war und zu den erfolgreichsten Krimiautoren Norwegens gehört, erschien im Aufbau-Verlag (TB) 2016. Das Cover ist bemerkenswert schön ...

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"Totensommer" von Trude Teige, einer Autorin, die zuvor Journalistin war und zu den erfolgreichsten Krimiautoren Norwegens gehört, erschien im Aufbau-Verlag (TB) 2016. Das Cover ist bemerkenswert schön für einen Kriminalroman und passt wirklich sehr gut zu dessen Inhalt und auch der Stimmung des Romans:

"Kasja Coren ist eigentlich TV-Journalistin, aber sie hat sich an die Küste von More zurückgezogen, um ein Buch zu schreiben. Dann jedoch wird ein Deutscher ermordet, der seit vielen Jahren seinen Urlaub im Ort verbrachte und immer bei der alten Jenny wohnte. Die Trauer der alten Frau scheint weit über die übliche Betroffenheit hinauszugehen. Kasja beginnt zu recherchieren - und sie stößt auf eine unglaubliche Geschichte, die nicht nur mit den Geschehnissen unter deutscher Besatzung, sondern auch mit ihrer eigenen Vergangenheit verknüpft scheint." (Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:


Es handelt sich hier um einen toll geschriebenen und sehr spannenden Kriminalroman, der in dem kleinen norwegischen Dorf Losvika spielt, direkt am Meer gelegen. Kajsa, die Journalistin, möchte in ihrem Urlaub Informationen zu einem Buch zusammentragen, das sie über die Situation der Frauen in diesem Ort während des 2. Weltkrieges gerne veröffentlichen möchte: Die Frauen des Dorfes und auch deren Nachkommen, die sich allesamt zeitlebens kennen und teils miteinander verwandt sind, sind nicht alle begeistert von diesem Vorhaben und Kajsa merkt bald, dass viele Lügen, Geheimnisse, Intrigen und schreckliche Geschehnisse unter der glatten und sauberen Oberfläche 'brodeln', als sich ein Mord ereignet...

Kajsa, geschieden mit zwei Kindern, ist seit einiger Zeit mit Karsten befreundet, der sich des Mordfalles in Losvika annehmen soll: Beide geraten in einen Strudel von Machenschaften und ungelösten Rätseln, die sie in Lebensgefahr bringen. Der Krimi hat mich durch seine historischen Bezüge persönlich sehr angesprochen und mir detailliert die Zeit der Besatzung durch die Deutschen in Norwegen vor Augen geführt; der hohe Spannungsbogen konnte von der ersten Seite bis zur letzten gehalten werden. Die Autorin schreibt klar, flüssig und dennoch stilistisch anspruchsvoll, gestaltet sowohl die Recherchearbeit von Kajsa sehr interessant (aufgrund ihres Berufes sehr authentisch) und auch die Ermittlungsarbeit im Team von Karsten ist für Krimi-Liebhaber recht brillant umgesetzt. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, durchdacht und die Handlung nachvollziehbar erzählt. Der Krimi präsentiert viele Verdächtige, die allesamt ein Motiv haben könnten, alte Feindschaften auch innerhalb einer Familie, die aus der Zeit des 2. Weltkriegs stammen und folgt Spuren, die in die Vergangenheit führen - bis ins Jahr 1942, wo deutsche Soldaten in Norwegen stationiert waren und die Bevölkerung Norwegens sich in Widerständler und auch Mitläufer und Nazi-Befürworter spalteten... Aus diesem gefährlichen 'Gemisch' schöpft der Krimi bis zur Aufklärung Details, die lange Zeit unter Verschluss gehalten wurden. Familiengeheimnisse, alte Verletzungen, Zurückweisungen und Ablehnung spielen hier eine bedeutende Rolle, die Trude Teige sehr gekonnt und auch mit psychologischem Feingefühl in die Krimihandlung einbaut und die ganz realistisch bis in die nachfolgenden Generationen einwirken können.

Fazit:


Ein spannender, sehr gut geschriebener Kriminalroman mit historischem Bezug in die deutsch-norwegische Geschichte, die in Rückblicken auf der Zeitebene ab 1940 im zweiten Erzählstrang sehr realistisch dargestellt werden, der viele Verdächtige aufweist, nicht vorhersehbare Wendungen und mit einem stimmigen Plot endet.
Ich würde sehr gerne weitere Krimis von Trude Teige lesen und vergebe 5 Krimisterne und 96° auf der 'Krimi-Couch'.

Veröffentlicht am 17.11.2024

Erneuter Aufruhr im Mädchenpensionat an der Mosel

Schwestern im Geiste
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"Schwestern im Geiste" von Marie Pierre ist der zweite Teil der geplanten Trilogie um das "Pensionat an der Mosel". Wie bereits der Vorgänger hat mir auch dieser Roman sehr gefallen und um einige historische ...

"Schwestern im Geiste" von Marie Pierre ist der zweite Teil der geplanten Trilogie um das "Pensionat an der Mosel". Wie bereits der Vorgänger hat mir auch dieser Roman sehr gefallen und um einige historische Informationen der Grenzregion, der auch ich entstamme, bereichert. Mit der heutigen "Großregion SaarLorLux", in die ich vor fast 20 Jahren zurückkehrte, spürt man das Besondere, dass man vom Nachbarn Frankreich und auch Luxemburg nicht sehr weit entfernt ist, sondern beide Länder, besonders das Département Lothringen, nun der Region 'Grand Est' angehörend, einen Katzensprung entfernt ...

Der Roman erschien (tb, brosch., 557 Seiten) 2024 im Heyne-Verlag (Verlagsgruppe Penguin Randomhouse) und an den eigentlichen Romanteil schließen sich ein informatives Nachwort, eine Karte von Thionville/Diedenhofen ein Glossar und Reisetipps zur Region nebst einer Aufzählung der wissenschaftlichen Beratung an. Besonders schätze ich an den Romanen von Marie Pierre/Maria W. Peters die qualifizierte und genaue Recherchearbeit, die ihre Romane für mich zu etwas ganz Besonderem machen.

Thionville/Diedenhofen, 1911:

Zwischen Pauline Martin und dem preußischen Hauptmann Erich von Pliesnitz hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt. Auch wenn Pauline sich manchmal nach ihm sehnt, ist eine Liebesbeziehung für sie als Lehrerin undenkbar. Noch stärker als zuvor konzentriert sie sich auf ihre Schützlinge und stellt eine zusätzliche Lehrkraft ein. Rhona O'Meally soll ihren Schülerinnen nicht nur die englische Sprache, sondern auch die irische Kultur näherbringen. Rhona sorgt für frischen Wind, hat jedoch ein gefährliches Geheimnis. Als es im Pensionat zu Diebstählen kommt und in Diedenhofen vermehrt antipreußische Schmierereien auftauchen, gerät Pauline selbst in Verdacht. Die politischen Spannungen verhärten sich, in der Moselstadt und in ganz Europa. Und Pauline muss kämpfen. Für alles, was ihr wichtig ist.

(Quelle: Buchrückentext des Verlages)

Wie im ersten Band der Reihe sind hier politische Ereignisse in den Kontext eines von Pauline geführten Mädchenpensionats hervorragend eingewebt. Das preußische Militär hat die Grenzregion besetzt und nicht jeder Lothringer ist ein Freund der Deutschen. Pauline jedoch stellte bereits des öfteren fest, dass Erich von Pließnitz, ein preußischer Hauptmann, sein Herz am rechten Fleck hat und ihr sowie ihrem Pensionat beisteht, sollte der Schatten eines Verdachts auf sie und ihr resolut, aber auch untadelig geführtes Institut fallen. Dieses Mal in Form von üblen Schmierereien an den Wänden einer Kaserne und in Form von Diebstählen im Pensionat. Dieser Umstand lässt eine Spannung erwachsen, die sich gegen Romanende noch steigert und man schmunzelnd darüber liest, wie Erich zu Hilfe eilt und dennoch in seiner preußischen Militärrolle festzustecken scheint (er ist ansonsten der Welt der Frauen nicht zugetan und Pauline bildet da eine große Ausnahme). Die Ziele von Pauline's Pädagogik sind für die Zeit vor 100 Jahren sehr fortschrittlich und gefallen auch dem Hauptmann: Sie möchte die Mädchen zu Selbständigkeit und kritischem Hinterfragen und Denken anregen, auch die Kultur Lothringens mit ihren Werten ist ihr wichtig. Besonders aber liegt ihr ein friedliches Miteinander am Herzen. Dieses kommt intern zum Wanken, als Charlotte, Tochter aus adligem Hause Esther, ein Mädchen mit jüdischem Familienhintergrund bezichtigt, ihr Sachen gestohlen zu haben. Hier werden gar antisemitische Züge deutlich, die es zu dieser Zeit nicht nur im Mädchenpensionat gab und gegen die Pauline mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln vorgeht.

Der Autorin geht es vor allem um die Gefühls- und Denkwelten ihrer ProtagonistInnen, und die Darstellung derselben ist ihr hervorragend gelungen, eingebettet in die politische Situation der Grenzregion vor 100 Jahren und den Spannungen vor dem Ausbrechen des 1. Weltkrieges. Sehr klar wird auch, wie undenkbar es scheint, dass eine lothringische Lehrerin und ein preußischer Hauptmann zusammenkommen könnten, da die gesellschaftlichen Konventionen eine Sprache sprechen, die solcherlei Verbindung absolut unmöglich macht. Dennoch wünscht man sich für Pauline und Erich, die man nach beiden Romanteilen noch fester ins Herz geschlossen hat, nichts sehnlicher als dass dennoch eine Verbindung zustande kommt.

Begeistert schlägt man nach der Lektüre des Romans und des sehr lesenswerten Nachworts der Autorin mit Querverweisen zur Historie das Buch zu - und freut sich auf den dritten und finalen Teil und darauf, Pauline und Erich wiederbegegnen zu können! Meine Leseempfehlung (nach Band 1 am besten) und 4,5 *

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Veröffentlicht am 16.09.2024

Die Hallig-Gräfin

Die Gräfin
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"Die Gräfin" von Irma Nelles erschien (2024, geb., HC, 169 S.) im Hanser-Verlag (Reihe hanserblau). Um die historisch verbriefte "Hallig-Gräfin"; Gräfin Diana von Reventlow-Criminil, ranken sich noch ...


"Die Gräfin" von Irma Nelles erschien (2024, geb., HC, 169 S.) im Hanser-Verlag (Reihe hanserblau). Um die historisch verbriefte "Hallig-Gräfin"; Gräfin Diana von Reventlow-Criminil, ranken sich noch heute Mythen und Geheimnisse.

Die Autorin (geb. 1946), selbst auf Nordstrand aufgewachsen, hat sich hier einem der Geheimnisse gewidmet, das in der nationalsozialistischen Diktatur Deutschlands im Jahre 1944 auf der Hallig Südfall verortet ist:


Inhalt:


Ende August besteigt der RAF-Pilot John Philip Gunter sein Flugzeug, um alleine und ohne Kontakt zum Kontrollzentrum einen Beobachtungsflug Richtung Norddeutschland/Schleswig durchzuführen; der Auftrag erfüllt ihn mit Stolz, ist er doch als erfahrener Bomberpilot immer lebend nach England zurückgekehrt...


12 Stunden später schlägt Hunter, der Hund von Gräfin Diana, an und lässt sich kaum beruhigen: Kurzentschlossen reitet die Gräfin ins Watt und findet den Grund von Hunter's Beunruhigung, die sie zuerst der herrschenden Hitze zuschreiben wollte: Sie findet ein Flugzeug, in dessen Cockpit ein verletzter Pilot sitzt. Nur mit Hilfe von Maschmann, ihrem langjährigen Kutscher und Hausmeister, gelingt es ihr, den Mann zu befreien und auf die Warft zu bringen. Dort sieht am nächsten Tag das befreundete Ärzte-Ehepaar Carl und Käthe Braack nach dem Patienten, der sich gesundheitlich während der nächsten Tage erholen sollte....


Meine Meinung:


Dieser zeitgeschichtliche Roman, der mit wenig Personal auskommt, ist sehr atmosphärisch und tiefgründig; spannungsvoll erzählt die Autorin von Gräfin Diana, die hier die Hauptprotagonistin darstellt und eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein muss: Geboren auf Schloss Emkendorf nahe Rendsburg wohnte sie, bereits erwachsen, nach dem Tod beider Eltern wenige Jahre mit Bruder und Schwägerin im Schloss; in dem sich der europäische Hochadel zu dieser Zeit die Klinke in die Hand drückte. Sie merkte jedoch immer mehr, dass sie diesen ausschweifenden, exzentrischen Lebensstil eher ablehnte und reiste Richtung Norden (sie hatte in Dänemark bei ihrer Tante wunderschöne Jahre verbracht), als sie vom Verkauf einer Warft auf der Hallig Südfall erfuhr: Sie sollte ihr Domizil hier gefunden haben, in dem sie eine schlichtere Lebensweise vorzog, "zurückgezogen von allen ihr widerstrebenden Einflüssen und Machenschaften, fern von Rücksichtslosigkeit und Demütigung, die Menschen einander zufügen konnten, kam sie in Ruhe ihren täglichen Pflichten nach" (Zitat, S. 16).


Mit dem Auftauchen des englischen Piloten wird jedoch in der Gräfin, (die hochgebildet ist, sich nicht gerne in etwas hineinreden lässt, Briefkontakte in aller Welt besitzt und diese auch nutzt, um z.B. flüchtigen Juden zu helfen, die auf den Nationalsozialismus nichts hält und unerschrocken gewissermaßen im Untergrund agiert), etwas zutage gefördert, das sie an ihr junges Ich erinnert: Hier liegt das m.E. Tragische in diesem Roman: Da sie sich niemals einem Mann unterordnen wollte, ließ sie Liebe niemals zu und sperrte sie vollkommen aus ihrem Leben aus.


Wer den Roman liest (und ich hoffe, er stößt auf viel Resonanz, da ich ihn für sehr lesenswert halte), wird erfahren, aus welchem Grund das Leben dieser sehr starken, selbstbestimmten Frau so verlaufen ist, die noch im Alter von über 80 Jahren gerne anderen hilft; selbstlos ist, wenn es um Gerechtigkeit geht und bar allem nationalsozialistischen Denkens. Wie im Übrigen auch Maschmann, ihr Kutscher, der am liebsten Plattdeutsch spricht (da er Hochdeutsch nie lernen mochte) und seit Langem für die Gräfin gerne arbeitet: Ein sehr sympathischer Mann, ebenso wie Sörensen, der ihm hilft, das Wrack von John in den Hangar zu bringen. Auch das junge Hausmädchen Meta ist ein Glücksgriff für die Gräfin - und als Figur ebenso sympathisch. Der Arzt, Carl Braak, der gerne BBC hört und aufpassen muss, was er zu wem sagt, stimmt völlig mit den anderen überein, dass der Krieg schon lange verloren ist und dem Piloten geholfen werden muss, bis dieser reisefähig ist.


Besonders gut gefielen mir die Naturbeschreibungen; die raue Welt der Halligen, die öfter "Land unter" sind und dem "Blanken Hans" völlig ausgeliefert. Das verwendete Plattdeutsch (Maschmann) verleiht dem Roman sprachlich viel Authentizität. Auch ein Stück Geschichte der Halligen findet sich in diesem wundervollen Roman; ebenso ein Stück Zeitgeschichte, das sich genau so abgespielt hätte haben können.


So erlebt man sechs Tage dieser zusammengewürfelten Hallig-Gemeinschaft, die zwar nicht ganz frei von Misstrauen ist, letzten Endes jedoch voller Menschlichkeit, Unerschrockenheit und Großmut besteht. Allen voran "die Hallig-Gräfin". Das Ende lässt die Autorin offen; was mich nicht störte. Gibt es doch Raum für eigene Gedanken und Hoffnung, dass alles bis zum Kriegsende gut ausging für John, die Gräfin, Meta, Maschmann und das Ehepaar Braack!

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Die Gemeinschaft der außergewöhnlichen Köpfe - und ihr größtes Rätsel

Das größte Rätsel aller Zeiten
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"Das größte Rätsel aller Zeiten", das Début des britischen Autors Samuel Burr, erschien (HC, 443 Seiten) 2024 im Dumont-Verlag, Köln. Der lesenswerte Roman, der die Themen Herkunft (eigene), Gemeinschaft, ...

"Das größte Rätsel aller Zeiten", das Début des britischen Autors Samuel Burr, erschien (HC, 443 Seiten) 2024 im Dumont-Verlag, Köln. Der lesenswerte Roman, der die Themen Herkunft (eigene), Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft, Selbstfindung, Puzzles und Rätsel sowie Freundschaft und Vertrauen beinhaltet, hat mir gut gefallen, da er interessante Leitsätze in sich trägt, auf denen menschliche Beziehungen gegründet sein sollten - und durch die kurzen Kapitel, die sich auf zwei Zeitebenenen in England (London und Südengland) bewegen, auch bis zur letzten Seite Spannung enthält. Zudem ist der Hauptprotagonist (Clayton Stumper - für die Gemeinschaft der Rätselmacher das größte Rätsel) sehr sympathisch und man folgt mit Spannung seinem eigenen Weg der Selbstfindung.


"Clayton ist das mit Abstand jüngste Mitglied der "Gemeinschaft der Rätselmacher. Und gleichzeitig ihr größtes Geheimnis. Wer hat ihn vor fünfundzwanzig Jahren in einer Hutschachtel vor den Toren von Creighton Hall ausgesetzt? Clayton liebt seine exzentrische Wahlfamilie, doch die Rätselmacher werden nicht jünger und zunehmend vergesslich. Als der erste Bewohner im hauseigenen Irrgarten verlorengeht und ein Todesfall die Gemeinschaft erschüttert, weiß Clayton, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, um das Rätsel seines Lebens zu lösen. Kein Problem, schließlich hat er von den Besten gelernt. Aber wie löst man eigentlich eine U-Bahn-Fahrkarte? Das Abenteuer beginnt." (Quelle: Buchrückentext des Verlags)


In diesem etwas skurrilen, aber wirklich lesenswerten Roman begegnet man außergewöhnlichen Denkern; allen voran die liebenswerte Pippa Alsbrook, die eines Tages einen Säugling in einer Hutschachtel auf der Treppe vor Creighton Hall, dem Sitz ihres Familienerbes und später Wohnort der Gemeinschaft, findet: Vom ersten Augenblick war klar, dass zwischen ihr und Clayton eine innige Bindung entstehen sollte (sie war zu diesem Zeitpunkt 64 und kinderlos), die bis zu ihrem Tode anhielt: Mit 89 Jahren stirbt Pippa und Clayton wird klar, dass er seinen eigenen Weg finden muss; das Rätsel seiner Herkunft lösen muss.


Der geneigte Leser, (vor allem jene, die Rätsel mögen), begleitet nun Clayton auf seinem zuerst holprigen Weg, wobei er weiß, dass alle "Rätselmacher" der Gemeinschaft; besonders Nancy Stone (Quiz-Königin) , aber auch Hector Haywood (Künstler und Erfinder fröhlicher Puzzles; wobei er selbst immer griesgrämig ist); Earl Vosey, der Meister der Labyrinthe - zu dem er ein besonders enges Verhältnis hat - und die anderen ihm helfend zur Seite stehen. Er geht mit wachen Augen auf seine Reise und macht neue Erfahrungen; Pippa hat ihm allerdings auch nach ihrem Ableben eine Reihe von Rätseln mit auf seinen Lebensweg gegeben, die er jedoch nach und nach lösen kann und einem Hinweis nach dem anderen folgt (besonders gefiel mir der Tresor bei Harrods, er erinnerte ein wenig an die Verfilmung von Harry Potter und die Kobolde in "Tresorraum 713"); aber auch bei den weiteren Aufgaben, die Pippa Clayton gab, rätselt man als LeserIn mit... Auch die Hilfsmittel für Rätselmacher (Alphabetibox, Kryptogitter u.a., die teils im Buch abgebildet sind) fand ich sehr interessant.


Der Stil S. Burr's ist schnörkellos und klar; die Figuren wirken authentisch und es macht Spaß, mit Clayton seine "Rätsel des Lebens" und seiner Herkunft zu lösen. Die kurzen Kapitel, die zwischen der Such nach Lösungen der Rätselteile Claytons auf der Such nach seiner Herkunft - und den Rückblicken in die Geschichte der Gemeinschaft der Rätselmacher wechseln, entwickeln mehr und mehr einen Sog, dem man sich als LeserIn schwer entziehen kann (besonders rätsel- und geheimnisliebender LeserInnen). Die positiven Leitsätze (Themen Gemeinschaft, Hilfe suchen, wenn es nötig ist, Freundschaft, coming-out, Selbstfindung etc.) haben mir sehr gefallen und mich gut unterhalten.


Fazit:


Die Suche eines jungen Mannes, dessen Herkunft Rätsel aufgibt - und der sich auf seinen eigenen Weg aufmacht, dieses Rätsel zu lösen, empfehle ich allen LeserInnen sehr, die gerne unterhaltsame, spannende, tiefgründige und authentische, warmherzige Geschichten lesen, die im Ergebnis eine Selbstfindung darstellen. Passend hierzu scheint mir das Nachwort des Autors, der den Wunsch mit dem Roman verbindet, dass der Leser "selbst die noch fehlenden Puzzleteilchen in seinem Leben" finden wird und das Buch hierzu eine literarische Anregung geben kann! Von mir für dieses unterhaltsame Début, das lesenswert ist, 4 Sterne und eine Empfehlung!

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