Spaßig.
Das Cover von „Pretty“ (im Original „The Regulars“ = die Üblichen/Stammgäste) ist rosa und erinnert an einen süßen Frauenroman. Dennoch reizte mich der Klappentext, weil ich mich mit „Schönheitsidealen“ ...
Das Cover von „Pretty“ (im Original „The Regulars“ = die Üblichen/Stammgäste) ist rosa und erinnert an einen süßen Frauenroman. Dennoch reizte mich der Klappentext, weil ich mich mit „Schönheitsidealen“ auseinandersetzen wollte und die Frage interessant finde, was passiert, wenn man dieses Ideal erreicht hat. Letztlich war der Roman sehr gut zu lesen, manchmal sehr berührend, manchmal zu lang und leider zu oberflächlich, manchmal zu „feministisch“. Aber ein rundes Buch, das ich gern gelesen habe.
Worum geht es?
Korrektorin Evie, Schauspielerin Krista und Künstlerin Willow sind Freundinnen und Anfang 20. Leider sind sie nur wenig erfolgreich und beneiden die Schönen & Reichen. Zufällig trifft Krista auf Penny, die ihr aus Nettigkeit eine Flasche mit einer lilanen Flüssigkeit gibt. Ein Tropfen daraus sorgt dafür, dass die Verdauungsorgane rebellieren und man danach für eine Woche hübsch ist. Die drei ergreifen die Chance und schlüpfen in die Rollen ihrer fiktiven Freundin/Mitbewohnerin/Cousine. Ein spannendes Abenteuer beginnt.
Die Charaktere
Evie – die Feministin: Evie ist bisexuell (oder lesbisch) und arbeitet als Korrektorin beim Frauenmagazin „Salty“ Obwohl ihr die oberflächlichen Artikel nicht gefallen, ist sie auf den Job angewiesen und betreibt in ihrer Freizeit einen Blog. Als eine Video-Ausgabe von „Salty“ produziert werden soll, ergreift sie als „Chloe“ die Chance, erfolgreich zu sein UND der Oberflächlichkeit zu trotzen. Evie bemerkt jedoch, dass manche Menschen Make-up nutzen, um sich schöner zu fühlen, um etwas für sich zu tun, weniger, um den Idealen anderer zu entsprechen. Aus Evies Sicht beginnt und endet die Geschichte, daher empfand ich sie als sehr prägnant. Ich schätze sie als klar denkend, manchmal impulsiv ein. Ich glaube, Evie fühlt sich ihren Freudinnen überlegen, weil ihr Kampf für den „Feminismus“ wichtiger ist als andere. Umso interessanter ist es, dass auch Evie sich von Oberflächlichkeit blenden lässt. Die Schlussbotschaft, die Evie bekommt, fand ich sehr schön: Es kommt nicht darauf an, wie man aussieht. Sondern dass man für sich einsteht.
Mich hat ein Evie gestört, dass ihrem Kampf die Substanz fehlt. Sie setzt sich für Feminismus ein, aber ich habe ihre persönlichen Motive nicht verstanden. Ihre Liebesgeschichte fand ich aber sehr lebensnah!
Krista – die Lebendige: Krista hat indische (?) Wurzeln und soll gemäß des Wunsches ihrer Eltern Jura studieren. Sie mag jedoch die Schauspielerei und hat das Studium abgebrochen. Als Schauspielerin hat sie nur wenig Erfolg. Krista genießt das Leben und schläft mit Männern, ist aber enttäuscht, weil ihre Karriere nicht vorankommt und ihre Eltern sauer sind. Krista ist unordentlich und mag Fettnäpfchen. Daher ist sie ein guter Gegensatz zu Evie. Kristas Handlungsstrang ist ungewöhnlich, aber sehr spritzig. Ich fand ihn aber etwas konstruiert.
Willow – die Emotionale: Willow ist die Tochter eines berühmten Schauspielers und lebt bei ihm. Sie fotografiert, aber ihre Selbstzweifel behindern sie. Mit Mark hat sie einen netten Freund gefunden, lässt diesen aber emotional nicht an sich heran. Willows Handlungsstrang war krass und ich fand ihn berührend. Während Evie und Krista ihr neues Ich nutzen, um Karriere zu machen, nutzt Willow es zur Selbstzerstörung. Es tat weh, aber es war gut zu lesen. Außerdem fand ich die Fragen „Wann ist Kunst authentisch?“ und „Wer ist der Künstler als Person? Und wer ist er, wenn er schafft?“ sehr interessant!
Aufbau, Spannung und Schreibstil
Das Buch konzentriert sich auf die drei Hauptfiguren, die Hintergründe von „Pretty“ werden wenig erläutert. An einer Stelle wird gezeigt, dass „Pretty“ selbst nicht abhängig macht, aber der Wunsch nach Schönheit. Und dass dieser Wunsch manipulierbar macht. Dennoch fehlte mir manchmal das Krimi-Element.
Der Text ist aus den personalen Perspektiven von Evie, Krista und Willow geschrieben, der Stil ist jedoch ähnlich: Klar, gut lesbar, ein bisschen poetisch-schwärmerisch.
Das Buch ist in 4 große Teile unterteilt, die nach Schritten beim Schminken des Gesichts benannt sind (Foundation, Shadow, Concealer, Blush = Grundierung, Schattierung, Abdeckung, Rouge). Mir ist das jedoch kaum aufgefallen, weil das Buch mit ca. 450 Seiten relativ lang ist. Dank 78 Kapitel liest man jedoch nur kurze Abschnitte und hat das Gefühl, schnell voranzukommen.
Wie geht das Buch mit „Schönheitsidealen“ um?
Oberflächlich. Das liegt einerseits daran, dass die Figuren wenig beschrieben werden und dass es schwer ist, ein Buch über das Aussehen von Menschen zu schreiben, wenn Buchstaben fast immer gleich aussehen Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass die Hauptfiguren (nicht) hübsch sind. Ein weiteres Problem ist, dass Hollywood eine große Rolle spielt. Oft werden Namen berühmter (echter) Persönlichkeiten genannt, was voraussetzt, dass der Leser sie kennt.
Außerdem denke ich, dass sich das Problem von roten Teppichen ins Internet verlagert hat. Frauenzeitungen bewerten (noch) die Kleidung von Promis auf Award-Verleihungen etc. Aber Blogger/Influencer sorgen für eine stärkere Bindung zum Zuschauer und vermitteln diese Ideale (unbewusst) intensiver. „Pretty“ wirkt für mich an diesen Stellen „altmodisch“.
Gut funktioniert hat, dass die Autorin die Figuren vorführt und sie am Ende feststellen, dass Schönheit nicht so wichtig ist.
Mich hat das Buch zum Denken darüber angeregt, wie Medien mit „Schönheit“ umgehen und ob es wirklich wichtig ist, wer auf einer Preisverleihung welches Kleid trägt. Und ich mag eine Botschaft, die im ersten Drittel zu kommt und zum Schluss plump ausgeführt wird: Schminke und schöne Kleidung sind nicht böse. Man kann sie bewusst tragen und sich gut fühlen.
Fazit
„Pretty“ ist ein Abenteuer-Buch mit (fast) 3 sehr interessanten Handlungssträngen, die mich stetig fesseln konnten. An einigen Stellen wirkte das Buch etwas lang und nicht knackig genug und ich hätte mir gewünscht, dass die Freundinnen als Gemeinschaft stärker im Vordergrund stehen. Trotzdem hatte ich viel Spaß. „Pretty“ ist für mich kein Buch, das mein Denken über „Schönheit“ verändert hat, aber es war sehr unterhaltsam!