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Veröffentlicht am 12.11.2023

Leiser, zarter Episodenroman

Gute Nacht, Tokio
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„Gute Nacht , Tokio“ von Atsuhiro Yoshida handelt von unterschiedlichen Menschen, welche überwiegend nachts unterwegs sind.

Matsui ist Taxifahrer und die Hauptprotagonisten sind ab und zu seine Fahrgäste. ...

„Gute Nacht , Tokio“ von Atsuhiro Yoshida handelt von unterschiedlichen Menschen, welche überwiegend nachts unterwegs sind.

Matsui ist Taxifahrer und die Hauptprotagonisten sind ab und zu seine Fahrgäste.
Mitsuki, die Filmrequisiteurin, Kanako die Telefonseelsorgerin, Tashiro oder Palme der Meisterdektiv, alle sind sie auf der Suche. Auch Matsui und die Stille der Nacht bringt die fremden Personen einander näher, Vertraulichkeiten werden getauscht und in der Anonymität der Metropole Gefühle und Gedanken ausgesprochen.

Das Drehkreuz, geführt von vier Frauen ist ein Bistro, welches nur nachts offen hat und auch hier verpassen sich immer wieder die Suchenden.

Der Autor schreibt sehr intensiv über das Leben der einzelnen Personen in einer Metropole und
verbindet auf geniale Weise alle Geschichten miteinander.
Er gibt allen Persönlichkeiten den benötigten Raum, stellt ihre Leben, Gedanken, Ängste und Sorgen vor. Leise, unaufgeregt und empathisch beschreibt er die verschiedenen Leben in der Nacht.

Er zeichnet ein friedliches, ruhiges Nachtleben in der hektischen Stadt, die immer in Bewegung ist. In der Stille der Nacht sind nur die Nachtschwärmer unterwegs. Dunkle Straßen, kuriose Geschäfte, skurrile Gestalten, Nachteulen und der unaufgeregte Schreibstil ziehen mich als Leser in den Episodenroman.

Der Roman berührt zart und weckt die Sehnsucht des Lesenden zu einer Verbundenheit , einer Zugehörigkeit und Ganzheit. Oftmals steckt das Detail in Sekunden oder Kleinigkeiten und wir suchen vergeblich in der dunklen Nacht. Bis ein Stern am Himmel erscheint ….

Ein sehr schöner Episodenroman und ein kleines Highlight für alle Lesenden die ein Faible für japanische Bücher haben.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Würde und Anerkennung

Sehr blaue Augen
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„Sehr blaue Augen“ von Toni Morrison war 1970 ihr Debütroman.
Sie macht mit ihrem Roman die Auswüchse des anhaltenden Rassismus, Sexismus und Patriarchat sichtbar.

Gelesen wird das Hörbuch mit einer ...

„Sehr blaue Augen“ von Toni Morrison war 1970 ihr Debütroman.
Sie macht mit ihrem Roman die Auswüchse des anhaltenden Rassismus, Sexismus und Patriarchat sichtbar.

Gelesen wird das Hörbuch mit einer Dauer von 7 Stunden und 13 Minuten
von Abak Safaei-Rad, und einem Nachwort von Alice Hasters.

Ihr Debütroman steckt voller Weisheit, Offenbarung und die Präzision der Charaktere wurde unglaublich detailliert ausgearbeitet.

In einer Kleinstadt in Ohio lebt Pecola Breedlove, ein junges Mädchen, dass sich blonde Haare und blaue Augen wünscht, genau wie der bekannte Kinderstar Shirley Temple.
Pecola möchte so gerne hübsch sein und das Schönheitsideal wird mit blonden Haaren, blauen Augen und heller Haut beschrieben.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.
Gleich zu Beginn wird mitgeteilt, dass Pecola, aufgewachsen in Armut und Elend,
ein Kind von ihrem Vater bekommt. Und wie hässlich das kleine Mädchen ist, in ihrer Gemeinde gemieden, von den Eltern nicht beachtet.

Die Geschichte erzählt welche Auswirkungen der Selbsthass, die Gewalt in den Familien und Colorism hat. Colorism ist ein Thema, selbst in schwarzen Gemeinden. Was ist schön und begehrlich? Werden hellere Menschen bevorzugt? Schwarze mit hellerem Hautton sind näher am Schönheitsideal und auch heute ist diese Einstellung / Ansicht noch aktuell.
Hier stellt sich in dem Roman die Frage, ob nur „schöne“ Menschen ein Anrecht auf Schutz, Würde und Anerkennung haben. Steht dies nicht allen Mädchen, Frauen und generell allen Menschen zu?

Feinfühlig, ehrlich und detailliert beschreibt die Autorin die Geschichte von Pecola, den sexuellen Übergriffen, der Ausgrenzung. Auch zeigt es uns die Demütigung von weißen Menschen, den tief eingegrabenen Rassismus und die Diskriminierung gegenüber Frauen.

Missbrauch und Inzest wird beschrieben und Pecola, stellvertretend für viele schwarze Mädchen, steht eine unglaublich düstere und schwere Zukunft bevor.
Die Opfer bleiben aufgrund des Rassismus in seiner allumfassenden Form in ihrem Zorn und ihrer Wut ohnmächtig zurück und lassen dies häufig an den schwächeren Personen der Familie oder Gemeinde aus. Hier trifft es hauptsächlich die Frauen und Kinder.

Die Charaktere werden sehr intensiv und schonungslos ehrlich beschrieben, die Absichten der Protagonisten werden erklärt und auch die Vorgeschichte mancher Charaktere wurde bildlich beschrieben.

Die Ausarbeitung der Sprache, selbst in den tiefsten Abgründen war klar, deutlich und immer wertschätzend ohne abzuwerten.
Tiefgründig holt uns die Autorin zum
Thema Rassismus ab und stellt uns Colorism in der schwarzen Gemeinschaft vor.

Ihre Romane wurden als Nischenliteratur bezeichnet, weil sie nur über schwarze Figuren schreibt. Liegt es an der unbequemen Wahrheit über das Thema Rassismus?

Sie legt in dieser Erzählung die Erniedrigung offen und spricht Wahrheiten aus, um die tief eingegraben Rassismen zu erkennen und loszuwerden.

„Sehr blaue Augen“ gibt schwarzen Mädchen einen Raum um mit Selbsthass, Minderwertigkeitsgefühl und Ausgrenzung abzuschließen.
Menschlichkeit wird in diesem Roman großgeschrieben und die Sicht auf
die Gesellschaftsformen geschärft.

Toni Morrison geht es in dieser Erzählung über die Verteidigung der Würde schwarzer Mädchen, um Anerkennung, Resilienz und Zerbrechlichkeit.
Das Buch zeigt auf, es geht weder um Opfer noch um Helden.

Hörenswerter Klassiker in aktueller Übersetzung.

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Sparen und Leben

3000 Yen fürs Glück
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Japanische Kultur und ein Weg zu sparen wird mit dem Buch “3000 Yen fürs Glück” von Hika Harada direkt in die Gedanken der europäischen/deutschen LeserInnen gepflanzt.
Es wird die Geschichte von vier ...

Japanische Kultur und ein Weg zu sparen wird mit dem Buch “3000 Yen fürs Glück” von Hika Harada direkt in die Gedanken der europäischen/deutschen LeserInnen gepflanzt.
Es wird die Geschichte von vier Frauen aus drei Generationen und ihre jeweiligen Bedürfnisse, Träume und Probleme erzählt. Die aussergewöhnliche und für den europäischen/deutschen Leser etwas unvorhersehbare Sichtweise auf die Dinge und das Sparen im speziellen gibt Einblick in die japanische Kultur. Informativ und abenteuerlich werden verschiedene Sparmöglichkeiten aufgezeigt. Der kontinuierliche Bankenwechsel mit kurzfristigen, gut verzinsten Lockangeboten, Kreditkarten und günstige Mobilfunkanbieter sind nur ein Bruchteil der aufgezählten Möglichkeiten. Langfristige Planung, am besten mit einem Kakeibo /Haushaltsbuch, werden wärmstens empfohlen. Es gibt sogar einen QR-Code für einen kostenlosen Download des Kakeibo.
Es handelt sich keineswegs um ein Sachbuch; der Leser wird sehr gut in die Leben der japanischen Frauen einbezogen. Die Protagonistinnen werden sehr authentisch und lebendig beschrieben, das Leben in Japan, die Tradition und auch der finanzielle Hintergrund wird dem Leser unglaublich gut dargelegt und man taucht in die uns fremde Welt und deren Alltag ein.
Die Sorgen und Probleme, welche eine Person oder auch eine Familie finanziell bewältigen muss, ist nicht fernab der Situation in Deutschland.
Um den kleinen Traum einer Familie, Eigentum und etwas Leben zu erfüllen, heißt es gut zu hauswirtschaften, zu sparen und zu planen.
Tipps hierfür kann man aus diesem flüssig geschriebenen Buch gut übernehmen, auch wenn manches nicht direkt in unser europäisches Leben übernommen werden kann. Das Buch liest sich aufgrund der verschiedenen Geschichten locker und leicht, trotz der schweren Thematik des Sparens. Hika Harada hat mit ihrem Familienroman ein unterhaltsames, lehrreiches Buch geschrieben.
Das Cover mit der typischen Winkekatze und der kräftigen Farbe mit der weißen Schrift locken den Blick an. Ich kann das wirklich ungewöhnliche, etwas andere Buch sehr empfehlen und gebe gerne 4,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 19.11.2024

Emotionales Hörbuch

Dem Sturm entgegen
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„Dem Sturm entgegen“ von Cecelia Ahern, Übersetzer: Ute Brammertz und Carola Fischer; gelesen von Sandrine Mittelstädt. 

Verlag: Osterwold Audio

Dauer: 11 Stunden 27 Minuten

Der Schicksalsroman von ...

„Dem Sturm entgegen“ von Cecelia Ahern, Übersetzer: Ute Brammertz und Carola Fischer; gelesen von Sandrine Mittelstädt. 

Verlag: Osterwold Audio

Dauer: 11 Stunden 27 Minuten

Der Schicksalsroman von Cecelia Ahern berührt mich als Hörbuchhörerin und die tiefen Emotionen von Schuld, Verlust und Trauer sind greifbar.

Die Ärztin Enya ist mit ihrem Fahrzeug in einer Dezembernacht auf dem Nachhauseweg. Es regnet, die Sicht ist auf der kurvenreichen Straße sehr schlecht. Ein Mann winkt plötzlich auf der verlassenen Bergstraße, ein Junge liegt verletzt auf der Strasse. Enya versucht den Jungen, der sie unglaublich an ihren Sohn Finn erinnert, wiederzubeleben. Der Teenager liegt nun im Koma. 


Man fahndet immer noch nach dem flüchtigen Fahrer.

Enya wird seit dieser Nacht von heftigen Emotionen überwältigt, die Vergangenheit holt sie ein und ihre Ängste lassen die Ärztin fliehen.

Enyas Mutter ist mit 47 Jahren beim Schwimmen im Meer an einem Herzinfarkt gestorben. Sie selbst ist bald in diesem Alter und kämpft mit ihren Ängsten: Wird sie auch sterben? Wie kann sie ohne den Wegweiser, dem Vorbild ihrer Mutter weiterleben?

Diese Ängste schnüren ihr die Kehle zu, sie bekommt keine Luft und Panikattacken breiten sich in ihr aus. Um den vermeintlichen Verlust für ihre geliebten Menschen erträglich zu machen, zieht sich Enya vorsichtshalber zurück.

In einem Dorf wird dringend Ersatz für eine Landarztpraxis gesucht. Ihr Vorgänger überlässt ihr sein Haus mit einem uralten Rag Tree Baum. Der irische Wunschbaum zieht Menschen aus allen Teilen der Welt an und die irischen Traditionen veranlassen Enya, sich der Vergangenheit und dem Verlust ihrer Mutter zu stellen. Diese war tief verwurzelt mit der Spiritualität der irischen Mythologie.

Auf dem Weg durch die Trauer, der Ängste und auch der Hoffnung findet Enya einen Weg, ihren Sohn wiederzugewinnen. Dieser lebt bei seinem Vater in Dublin und er versucht ihn vor Enya zu beschützen, von ihren Panikattacken fernzuhalten. Und doch geht er einen Schritt zu weit, Finn ist kein Kleinkind mehr. Er kann ihn nicht von seiner Mutter fernhalten, nicht sein Leben koordinieren.

Finn trägt ein schrecklich belastendes Geheimnis in sich und besucht seine Mutter.
Oder ist er nur wegen dem Rag Tree gekommen? Er fleht den Baum an, seinen Wunsch zu erfüllen. Dieser hat mit dem verletzten Jungen, seinem Klassenkameraden Ross zu tun.

Tiefgründig und sehr sensibel werden die Themen Trauer, Verlust und Ängste in diesem stürmischen, emotionalen Buch behandelt. Hoffnung, Vertrauen und Mut wird aufgezeigt und nur die Wahrheit wird inneren Frieden bringen. Jedes Geheimnis und jedes verschwiegene Wort zieht uns in ein Konstrukt aus Lügen, welches uns immer tiefer ins Dunkel zieht.

Die Autorin versteht es fabelhaft die Geschehnisse fesselnd und detailliert mitzuteilen. Der flüssige, packende Schreibstil und die warme, angenehme Stimme von Sandrine Mittelstädt lassen mich als Hörerin nicht los. Obwohl es immer wieder düstere Abschnitte gibt, konnte Cecelia Ahern die Hoffnung immer wieder durchscheinen lassen.

Ein berührendes, emotionales (Hör-)Buch, welches ich gerne empfehle.

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Veröffentlicht am 11.11.2024

Außergewöhnliches Buch

Es sind nur wir
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„Es sind nur wir“ von Martin Peichl
Verlag: Haymon
In diesem Roman, erzählt in der Ich-Form des namenlosen Protagonisten, handelt von einem Informatik-Lehrer, der durch den Suizid seines Schülers Paul ...

„Es sind nur wir“ von Martin Peichl
Verlag: Haymon
In diesem Roman, erzählt in der Ich-Form des namenlosen Protagonisten, handelt von einem Informatik-Lehrer, der durch den Suizid seines Schülers Paul aus der Bahn geworfen wird. Seine Schuldgefühle und seine Trauer nehmen überhand, sein Leben wird immer ausschweifender. Er beginnt abstruse Affären, setzt Sex-Beziehungen unter Alkoholeinfluss fort und überlebt als Entwickler von Computerspielen. Auch arbeitet er sporadisch an einem „Wörterbuch der Verluste“ , welches er auf Karteikarten festhält. Er versucht herauszufinden, auf wie viele Arten man scheitern kann.
Mascha ist Biologin und Prepperin; sie breitet sich in einem Haus mit Bunker am Waldrand auf das Unausweichliche vor.
Eine Füchsin besucht Mascha, das Haus und ihn. Die Füchsin kommt und geht, Mascha beschützt das Tier vor Jägern und die drei gehen eine ungewöhnliche Beziehung ein. Er kommt immer wieder zurück zu Mascha. Ihre Art, ihre Gedanken und unrealistischen Aktionen lassen ihn nicht mehr los. Die beiden ziehen sich immer öfter zurück in das Haus, in den Bunker.
Zwischenzeitlich leert sich die Wohnung unseres Ich-Erzählers in der Stadt; sein Besitz wird immer weniger, nur seine sexuellen Ausschweifungen kann er noch nicht unterbinden.
Der Autor beschreibt in poetischer Sprache ein Szenario des Verlustes, der Obsession und der Trauer. Über eine Welt, die wir nicht sehen möchten; von den Tieren und ihrem Nutzen. Er beschreibt den Kreislauf des Lebens in einer Welt voller Katastrophen, Krisen, Ängsten und Verlusten. Real und surreal wird in flüssigem Schreibstil erzählt, Kapitel um Kapitel zieht uns der Autor in den Bann dieser unglaublichen, fantastischen und zugleich surrealen Geschichte.
Mascha und der Lehrer finden auf ihre Art zusammen und nur die Füchsin findet noch den Weg zu den beiden. Überlebt der namenlose Protagonist den angeblichen Weltuntergang? Nur die Füchsin erhält Gewissheit, doch kratzt die tagelang an der Metalltür und niemand öffnet.
Zwischendrin spürt man die Liebe des Erzählers zur dementen Mutter, zu den Frauen in seinem Leben und Paul, dem jungen, der zu früh gestorben ist.
Martin Peichl beschreibt uns einen Alltag mit Verlusten, den aktuellen Themen des Klimawandels und das politische Geschehen mit seinen Kriegen auf der Erde. Das Ende lässt der Autor geschickt offen, die Gedanken der Leser:innen sind frei und man spekuliert, was nun tatsächlich geschah.
„Wie aber nennt man Das Gegenteil von Massenhysterie, wenn die Welt jeden Tag ein Stück weiter untergeht, wir unbeirrt weitermachen mit dem, was schon seit Jahren nicht mehr funktioniert, wie nennt man diese Ruhe, auf die kein Sturm folgt, nur noch Stille, wie? Vielleicht haben wir noch nicht die Sprache gefunden für das, was uns bevorsteht.“ (Seite 49)
Sehr beeindruckend erzählt mit einem eigenwilligen, unterhaltsamen Schreibstil fesselt der Autor die Leser:innen an die Erzählung.
Realität oder traumhaft-unwirklich, wer kann das schon beurteilen. Mir liegt es fern, hier eine Wahrheit zu finden; ich kann nur sagen, es ist ein außergewöhnliches Buch.

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