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Veröffentlicht am 22.11.2024

»Wie konnte dieser stumme Narr da stundenlang auf seinem Platz sitzen und nur lesen und lesen!«

Eine ganz gewöhnliche Fliege und andere heitere Erzählungen
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»Wie konnte dieser stumme Narr da stundenlang auf seinem Platz sitzen und nur lesen und lesen!«

Liebestrunken fährt ein Mann einer ihm relativ unbekannten Frau mehrere Stunden, getrieben von inniger Hoffnung, ...

»Wie konnte dieser stumme Narr da stundenlang auf seinem Platz sitzen und nur lesen und lesen!«

Liebestrunken fährt ein Mann einer ihm relativ unbekannten Frau mehrere Stunden, getrieben von inniger Hoffnung, hinterher, nur um enttäuscht zu werden. Dagegen erzählt die titelgebende Erzählung von einer Figur die eine Beziehung zu einer gewöhnlichen Fliege aufbaut und sich schnell in eine gewisse emotionale Abhängigkeit von ihr begibt.
Doch auch mitten in eine Revolution auf die Straßen Frankreichs führen uns die Erzählungen, gar nach Chicago!
Es sind Geschichten von Menschen mit sehnsuchtsgetriebenen Träumen und Wünschen, die für ihr Glück kämpfen und dennoch, auf sehr menschliche Weise, kläglich scheitern.

Ich wusste ja, dass Hamsuns Bücher sich einer großen Beliebtheit erfreuen, doch war mir nicht bewusst, was für ein großartiger Stilist er ist! Schon nach wenigen Sätzen der allerersten Erzählung „Die Königin von Saba“ wollte ich nicht mehr aufhören und mehr davon lesen!
Stets humorvoll und ironisch erzählen Hamsuns mal sehr kurze, mal etwas längere Erzählungen von menschlichen Schicksalen, der Suche nach Anerkennung und nicht selten von einer hoffnungsvollen, wenn auch unerwiderten Liebe.
Wie Gabriele Haefs im Nachwort treffend erwähnt, ist Hamsun großartig darin, menschliche Schwächen darzulegen und einem lesenden Publikum vorzuführen.
So verschlang ich diesen Erzählungsband innerhalb eines Tages und freue mich nun sehr auf seine Romane, die mir allesamt noch bevorstehen.

Wenn ihr auf toll geschriebene, kurzweilige und humoristisch Erzählungen Lust habt, ist dieses Buch mit ausgewählten Erzählungen von Knut Hamsun eine große Empfehlung, die euch hoffentlich genauso gut gefallen, wie mir.

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Veröffentlicht am 20.11.2024

Ein äußerst wichtiges Buch!

Esthers Spuren
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»Wenn das so weitergeht, wenn die Leute jetzt wieder schweigen, dann haben wir bald die gleiche Situation wie damals.«

41948, das war Esther Bejaranos Nummer. Um die diskriminierende Markierung als belanglose ...

»Wenn das so weitergeht, wenn die Leute jetzt wieder schweigen, dann haben wir bald die gleiche Situation wie damals.«

41948, das war Esther Bejaranos Nummer. Um die diskriminierende Markierung als belanglose Ziffer nicht zu vergessen, wurde sie ihr, zur Steigerung der Demütigung, auf den Arm tätowiert.
Szenen, die wir uns kaum vorstellen können.

Dieses Buch ist keine Biografie mit Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr ein Potrait einer Frau, die es keinesfalls leicht hatte, dem Tod von der Klippe sprang und viel Leid erleben musste, doch dabei auf beachtenswerte Weise nie ihren Mut sowie ihren Glauben an die Menschheit verlor.
Es herrscht keine stringent chronologische Erzählung, hingegen bestimmen Zeitsprünge das Buch. Ebenfalls nimmt Lehmann die Erforschung von Esther Bejaranos Leben zum Anlass, um sich auf eine eigene Spurensuche innerhalb der eigenen Familie zu begeben, schließlich war sein Großvater an Massenmorden während des Zweiten Weltkrieges beteiligt. Wie viel Lehmann an ihrer Geschichte liegt zeigt sich daran, dass er einige Orte bereist hat, die ihr Leben prägten, um ihr möglichst nahe zu sein.
Letztlich ist Benet Lehmanns Werk ein Aufruf, sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, sich den einzelnen Schicksalen zu widmen und darüber zu sprechen.

Das Buch beginnt mit Esthers Kindheit, der immer stärker zunehmenden Diskrimierung als Jüdin bis hin zur sozialen Ächtung und erzählt von ihrer Zeit in Auschwitz.
Umfangreicher beleuchtet ist jedoch die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, ihr Weg nach Palästina und wieder zurück nach Deutschland. Besonders die Frage, warum sie zur Zeitzeugin wurde und die drückende Last des Schweigens über diese Verbrechen brach.
Dabei ergeben sich immer wieder Parallelen zur heutigen Zeit, bspw. über das Thema Flucht, welche Lehmann jeweils eingehend reflektiert.

Zwar verstarb Esther Bejarano im Juli 2021, doch ihre Geschichte sowie ihr mutiges und aktives Engagement werden, u.a. dank dieses Buchs, weiterleben, solange wir dafür sorgen!

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Veröffentlicht am 16.11.2024

»Was du glaubst oder nicht, spielt keine Rolle«

Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers (Die Henkerstochter-Saga 10)
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»Was du glaubst oder nicht, spielt keine Rolle«

Während Magdalena, ihr Mann Simon sowie Sohn Peter in Passau weilen, um verwundete Soldaten zu versorgen – immerhin stehen die Türken bereits vor Wien –, ...

»Was du glaubst oder nicht, spielt keine Rolle«

Während Magdalena, ihr Mann Simon sowie Sohn Peter in Passau weilen, um verwundete Soldaten zu versorgen – immerhin stehen die Türken bereits vor Wien –, soll ihr Vater, der ehemalige Henker Jakob Kuisl, in Schongau auf seine Enkelin Sophia aufpassen. Dagegen fehlt von Paul, dem zweiten Sohn der Henkerstochter, seit zwei Jahren jede Spur und die Familie macht sich, besonders aufgrund des Kriegsgeschehens, Sorgen.
Als bei Jakob ein ominöser Brief, von seinem Freund Nepomuk aus der gemeinsamen Zeit als Söldner, eintrifft und er darin gebeten wird ebenfalls nach Passau zu kommen, kann Jakob Kuisl nicht mehr lange stillhalten. Dort angekommen, muss er feststellen, dass neben ihm auch weitere ehemalige Weggefährten herbeigerufen wurden, um dem im Brief erwähnten mysteriösen Schatz auf die Spur zu kommen. Doch der Absender ist bereits tot. Zwischen der Brutalität des Kriegs und vielen unvorhergesehenen Ereignissen, werden die ehemaligen Söldner mit ihrer keinesfalls glänzenden Vergangenheit konfrontiert, zumindest solange sie den Fängen des Mörders entkommen können…
Ein weiteres Abenteuer beginnt!

Dieser Roman ist schon der zehnte Band der Henkerstochter-Serie und mal wieder hat Oliver Pötzsch es geschafft, die Lesenden vollkommen in die Irre zu führen, sie auf falsche Fährten zu locken und ihnen dadurch das Gefühl zu geben, sich mit der vermutenden Einschätzung, wie es ausgehen wird, in Sicherheit wiegen zu können – doch falsch gedacht! Die Bücher von Oliver Pötzsch sind stets so genial und ausgetüftelt konstruiert, dass sie nicht nur spannende Plot-Twist, sondern auch einige unvorhersehbare Überraschungen bereit halten. Daneben ist auch dieser rasante Krimi einfach toll geschrieben und entführt einen regelrecht in andere, düstere Welten der Vergangenheit.
So müssen Krimis sein!

PS: Lest das Nachwort erst, wenn es an der Reihe ist!

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Veröffentlicht am 10.11.2024

»Richtig großzügig ist es, wenn man etwas gibt, was man selbst gerne hätte.«

Löwenherzen
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»Richtig großzügig ist es, wenn man etwas gibt, was man selbst gerne hätte.«

Seitdem ich vor sechs Jahren Haratischwilis umfangreichen Roman „Das achte Leben (Für Brilka)“ gelesen und auch eine Aufführung ...

»Richtig großzügig ist es, wenn man etwas gibt, was man selbst gerne hätte.«

Seitdem ich vor sechs Jahren Haratischwilis umfangreichen Roman „Das achte Leben (Für Brilka)“ gelesen und auch eine Aufführung im Theater gesehen habe, bin ich ein großes Fan von ihr und habe zeitnah ihre drei weiteren, damals erschienen Bücher gelesen.

Diesmal handelt es sich jedoch um keinen Roman für Erwachsene, sondern um ihr preisgekröntes Theaterstück, welches nun in einer von Julia B. Nowikova illustrierten Fassung als Bilderbuch vorliegt. Das Cover des Buchs – mir gefällt dieser Stil sehr – ähnelt anderen der Autorin.

Eine Rahmenhandlung bestimmt das Buch. Zu Beginn träumen wir mit dem achtjährigen Anand eine Zirkuswelt herbei, bis die Realität einbricht und wir uns in einer Plüschtierfabrik in Bangladesch befinden, in welcher er täglich Kuscheltiere nähen muss, um bereits mit seinen jungen Jahren Geld zum Überleben beisteuern zu können. Eben, in Träumen versunken, hat er einem Löwen ein schiefes Auge angenäht und versucht dies vor dem strengen „Chinamann“ zu verbergen.
Der Plüschlöwe geht auf die Reise und nimmt Anands Wunsch auf ein besseres Leben mit sich. Mehrere andere Kinder kommen kurzzeitig in dessen Besitz und vertrauen ihm deren Sorgen, Hoffnungen und Wünsche an. Manche fürchten sich u.a. vor einer bevorstehenden Flucht, andere vor einer Zwangsheirat und ein Mädchen aus Deutschland möchte nicht nur ihre ganzen Spielsachen, sondern ihren gesamten Besitz an bedürftige Kinder in Afrika spenden.

„Löwenherzen“ ist nicht nur ein Buch für Kinder und Jugendliche, sondern für alle. Es ist ein Buch, das Mut macht, verlorengegangenes Vertrauen wiederbelebt und Hoffnung schenkt. Zudem befeuert es den Mut zur Veränderung, dem Anderssein und ist ein loderndes Plädoyer für ein gemeinsames, einfühlsames Miteinander, indem es verschiedene globale Themen anreist und Platz lässt, um darüber nachzudenken und z.B. mit den eigenen Kindern zu sprechen.

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Veröffentlicht am 10.11.2024

»Der Anfang von allem Konsumverzicht ist der Verzicht auf Anpassung.«

Ich möchte lieber nichts
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»Der Anfang von allem Konsumverzicht ist der Verzicht auf Anpassung.«

Ich hatte erst wenige Seiten gelesen, doch war ich bereits von dem bewussten und schönen Schreibstil begeistert. Nicht anders ging ...

»Der Anfang von allem Konsumverzicht ist der Verzicht auf Anpassung.«

Ich hatte erst wenige Seiten gelesen, doch war ich bereits von dem bewussten und schönen Schreibstil begeistert. Nicht anders ging es mir mit dem Inhalt, der zwar banal klingen mag, aber die Lesenden abholt und daran teilhaben lässt, indem man sich über die erwähnten Fragestellungen selbstständig Gedanken macht und diese auf das eigene Leben projiziert.

Der Autor reist für zwei Tage nach Edinburgh um sich mit Fiona, einer Kommilitonin aus seinen Studientagen, zu treffen. Dabei hatten die beiden während ihres Philosophie-Studiums keine besondere Beziehung zueinander, vielmehr drehten sich ihre Gespräche um die Alltäglichkeit des Seins.
Nun vergingen 35 Jahre ohne Kontakt, bis er sie ausfindig machte und ein Treffen vorschlug. Sein Ziel war es, die damaligen Wortwechsel weiterzuführen sowie aus Distanz auf die damalige Zeit zu blicken.

Neben dem Treffen in Edinburgh umfasst das Buch noch zwei weitere, wenn auch deutlich kürzere Kapitel. Einerseits ein kurzer – hauptsächlich von ihm ausgehender – zutiefst philosophischer Briefwechsel nach dem Wiedersehen sowie andererseits ein Treffen mit Fionas Tochter, welches einiges enthüllt.

Gespräche über den Kapitalismus bis hin zum Individualismus entspinnen sich zwischen den beiden. Sie merken, dass andere Menschen aus ihnen geworden sind und sie doch gewissermaßen noch die gleichen sind, die sie waren – verschieden in deren Persönlichkeit. Ebenso beschäftigen sie sich mit der Frage, wie man der Angst vor Veränderung begegnen kann, ob diese nicht vielmehr als Chance gesehen werden sollte und Stagnation dagegen als der schlimmere Zustand?
Die Hierarchie und die Abhängigkeit von Konsum, stehen dabei unablässig in einer Relation zur Anpassung. Die Suche nach Anerkennung und besonders das Reden über Einsamkeit, dürfte keinen leicht fallen, umso überraschender auf welche intime, ehrliche und bewundernswerte Weise John von Düffel seine eigenen Gefühle und Seelenzustände offenbart.

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