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Veröffentlicht am 09.11.2019

Marie Lacrosse erschafft ein facettenreiches Bild des 19. Jahrhunderts

Das Weingut. Tage des Schicksals
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„Tage des Schicksal“ ist der finale Band der Weingut-Saga von Marie Lacrosse, in dem wir das Leben der Familie Gerban auf dem Weingut verfolgen und die sozialen und politischen Gegebenheiten Ende des 19. ...

„Tage des Schicksal“ ist der finale Band der Weingut-Saga von Marie Lacrosse, in dem wir das Leben der Familie Gerban auf dem Weingut verfolgen und die sozialen und politischen Gegebenheiten Ende des 19. Jahrhunderts kennenlernen. Erschienen ist der Roman Ende September 2019 im Goldmann Verlag.

Schweighofen in der Pfalz, 1877: Franz und Irene führen eine glückliche Ehe, dennoch fehlt etwas im Leben von Irene Gerban. Ein leben lang an harte Arbeit gewöhnt, fällt es ihr schwer sich in ein Leben zu fügen, in dem sie nur auf die Rolle einer liebenden Ehefrau und Mutter beschränkt wird. Schon bald beginnt sie sich erneut für die Ziele der Sozialisten einzusetzen. Besonders am Herzen liegen ihr dabei die Rechte der Arbeiterfrauen, zu denen sie sich selber einst zählte. Hierzu nimmt sie auch Kontakt zu ihrem ehemaligen Geliebten und Arbeiterführer Josef Hartmann auf. Dies gefällt Franz so gar nicht und so reagiert er mit Eifersucht, die die Beziehung der beiden zu zerstören droht. Als sich beide immer mehr entfremden, kommt Franz einem Geheimnis auf die Spur, dass die Ehe der beiden zusätzlich vor Herausforderungen stellt.

Nun habe ich auch den dritten Teil dieser tollen Saga beendet und schwelge ein bisschen in Wehmut, obwohl ich zugeben muss, dass es in diesem Teil auch einige Längen für mich gab.
Der Schreibstil der Autorin entführt einen aufs Neue in die Welt des 19. Jahrhunderts und lässt das Weingut in strahlenden Farben erstrahlen. Ich konnte mir alle Schauplätze im Buch sehr gut vorstellen und bin sehr gerne in die Welt dieser Zeit eingetaucht.
Marie Lacrosse gelingt es eindrücklich die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit darzustellen und greifbar zu machen und das diesmal sogar über drei Schichten hinweg. Neben dem Bürgertum, dem Franz mit seinem Weingut angehört, lernen wir auch die Schicht der Adeligen in einer neuen Detailtreue kennen. Es war sehr interessant mitzuverfolgen, wie diese auf die arme Bevölkerung herabblicken, ohne deren Gegebenheiten wirklich zu kennen.
Die Verhältnisse, in denen die arme Bevölkerung lebte, haben mich auch diesmal wieder erschüttert. Dadurch, dass Irene jetzt zu einer anderen Schicht gehört, war hier teilweise allerdings eine gewisse Distanz zu spüren, die ich im zweiten Teil nicht so empfunden habe, als sie noch dazugehörte. Das ist jetzt meckern auf hohem Niveau, denn den Zwiespalt, den sie durch ihren Aufstieg in eine andere Schicht hat, fand ich andererseits auch sehr spannend mitzuverfolgen.
Die Politik jener Zeit spielt in diesem Buch eine große Rolle. Franz sieht sich dazu berufen für die Rechte Elsass-Lothringens zu kämpfen, dass unter der Herrschaft der Preußen sehr leidet, während Irene sich für die Ideen der Sozialisten begeistert und insbesondere für die Rechte der Arbeiterfrauen und Dienstmädchen kämpft. Die Sozialdemokratie hat es zu jener Zeit schwer und die unterschiedlichen Ziele der Eheleute führen zu Spannungen in der Ehe.
Das hat mir gut gefallen, denn es wäre unrealistisch gewesen, wäre in einer Ehe alles immer Friede, Freude, Eierkuchen gewesen. Zeitweise ging mir die Sturheit der beiden Eheleute allerdings auch gehörig auf die Nerven, was zusammen mit den nervigen Intrigen von Mathilde und Ottilie gegen Irene für einige Längen gesorgt hat. Gut wiederum fand ich, dass die beiden in diesem Teil einige Schicksalsschläge ertragen mussten, sei es auf dem Weingut oder auch familiär.
Die Autorin fühlt sich ihren Lesern verpflichtet und so hat sie auch in diesem Teil wieder einiges an Informationen über den Weinanbau und die Arbeit auf einem Weingut in diesen Roman einfließen lassen. Darüber hinaus lernen wir einige typische Krankheiten jener Zeit und ihre Behandlung kennen, was mir sehr gut gefallen hat. Marie Lacrosse hat ein wirklich vielschichtiges Bild jener Zeit erschaffen, was meiner Meinung nach sehr großen Respekt verdient.
Die Recherche zu dieser Reihe muss sehr umfangreich gewesen sein, was man dem Buch auf jeder Seite anmerkt. Neben Kartenmaterial und Personenverzeichnis am Anfang des Buches findet man am Ende ein ausführliches Nachwort, Glossar und ein kleines Quellenverzeichnis mit weiterführender Lektüre. Im Nachwort werden Wahrheit und Fiktion voneinander getrennt. Die Abweichungen, die in diesem Roman vorgenommen worden sind, finde ich in einem absolut vertretbaren Rahmen und gut begründet.

Fazit: Ein wunderbarer historischer Roman, den ich jedem sehr ans Herz legen kann, erschafft er doch ein umfangreiches Bild der Gesellschaft und Verhältnisse Ende des 19. Jahrhunderts. Die Detailfülle mag einen so manches mal ein bisschen erschlagen, aber dafür wird man mit viel Wissen über eine vergangene Zeit belohnt, aus der man auch für heute noch Einiges mitnehmen kann.

Veröffentlicht am 12.10.2019

Ein würdiges und gelungenes Finale für diese Trilogie, die mich auf vielen Ebenen überzeugen konnte

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherkrieg
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„Bücherkrieg“ von Akram El-Bahay ist der finale Teil aus der Reihe „Die Bibliothek der flüsternden Schatten“. Samir und Kani stellen sich dem entscheidenden Kampf gegen die Wüstenhexe Layl, die die ewige ...

„Bücherkrieg“ von Akram El-Bahay ist der finale Teil aus der Reihe „Die Bibliothek der flüsternden Schatten“. Samir und Kani stellen sich dem entscheidenden Kampf gegen die Wüstenhexe Layl, die die ewige Nacht nach Mythia bringen will. Erschienen ist der Roman im September 2019 bei Lübbe.

Die alles entscheidende Schlacht steht bevor. Eine Armee aus befreiten Fabelwesen macht sich bereit, um an der Seite ihres Königs Nusar für ihre Freiheit zu kämpfen. Doch zuvor soll der ehemalige Dieb Samir nach Mythia gelangen und dort die geheimen Namen aller Fabelwesen stehlen. Mit Hilfe ebenjener Namen möchte die Wüstenhexe Layl die Fabelwesen auf ihre Seite ziehen und dies muss verhindert werden.
Die Gelehrtentochter Kani befindet sich hingegen auf ihrer eigenen Reise. Sie muss sich selbst finden, denn nur so kann sie die nötige Stärke erlangen, um im Kampf gegen Layl bestehen zu können.

Ich bin mal wieder verliebt in ein Buch von Akram El-Bahay und gleichzeitig bin ich traurig, dass die Reise rund um „Die Bibliothek der flüsternden Schatten“ nun ein Ende gefunden hat.
Der Einstieg in den finalen Band ist gelungen. Es ist spannend und atmosphärisch. Die Rückblenden sind geschickt eingebaut, so dass man sich an die wichtigen Ereignissen aus den Vorgängern erinnert und direkt wieder mitten im Geschehen ist.
Ich liebe den Schreibstil von Akram El-Bahay. Dieser nimmt mich immer wieder aufs Neue für sich ein. Es ist so poetisch, man kann sich gleichzeitig aber alles sehr gut vorstellen und ist dabei noch gut und flüssig lesbar. Ich liebe die Bilder, die der Autor in meinem Kopf entstehen lässt.
Ich liebe die Fantasie des Autors und wie er unterschiedliche Kulturen verbindet, von denen man denkt, es würde nicht zusammen passen. Es gibt Wesen mit Flügeln und Krallen, es gibt Pferdemenschen, es gibt Wasserwesen, die sich unsichtbar machen können und noch vieles mehr. Bei der Auswahl der Bezeichnungen der Wesen hat sich der Autor unheimlich viel Mühe gegeben, genauso wie bei den Namen der handelnden Personen. Hinter jedem Namen steckt eine besondere Bedeutung, die zu der Person und ihrer Rolle passt.
Auch in diesem Band gibt es wieder die Geschichten in den Geschichten, die mir immer sehr gefallen und der Handlung ein neues Puzzleteil hinzufügen. Sie helfen dabei das Geschehen besser einzuordnen und man erhält wichtige Informationen, um die Geschichte besser zu verstehen.
Der Spannungsbogen wurde den gesamten Roman über hochgehalten. Es gab Enthüllungen, mit denen man nicht gerechnet hat, spannende Kämpfe und interessante Entwicklungen. Ein großes Thema in diesem Buch und der gesamten Reihe ist Veränderung und Wandel. Zwischen den Zeilen und den Weisheiten kann man sehr viel für sich mitnehmen.
Mit den Personen habe ich mitgefiebert und ihre Reise in diesem Buch gerne begleitet. Samir und Kani sind die unangefochtenen Hauptfiguren, die sehr viel mit dem Wandel zu tun haben, der da kommen soll. Ich mochte ihre Beziehung zueinander, aber auch der persönliche Weg, den jeder von ihnen alleine beschreiten musste. Ich fand es gut, dass deren Liebesgeschichte zwar eine Rolle spielt, diese aber nicht alles beherrscht.
Shagyra ist mir sehr ans Herz gewachsen. Er mausert sich zu einem sehr guten Freund von Samir mit besonderen Talenten. Sein Zwiespalt mit seiner Vergangenheit und die Liebe zu seinem Bruder haben mich sehr beeindruckt. Auch Nusar ist jemand, der mit seiner Vergangenheit hadert und einen neuen Weg einschlägt. Ich fand es spannend mitzuverfolgen, wie er alte Eigenschaften und neue Erkenntnisse geschickt miteinander verbindet.
Die heimlichen Helden sind allerdings die Urinsammlerin Umm und der Bibliothekar Jacobus. Letzterer begeistert einen mit seinem Ehrgeiz, den man ihm als knorriger und alter Bibliothekar gar nicht zugetraut hätte und Umm ist einfach eine Marke für sich, die mit ihrer lockeren Art und witzigen Sprüchen immer wieder für Lacher sorgt. Man sollte sie allerdings nicht unterschätzen, denn auf den Kopf gefallen ist die alte Umm nicht.
Auf der bösen Seite haben wir die Sahira Layl und den weißen König. Wirklich gehasst habe ich diese Personen allerdings nicht. Auch diese beiden haben ihre Geschichte, die sie zu dem gemacht hat, was sie sind. Es war spannend ihren Hintergrund zu lesen, auch wenn ich nicht auf ihrer Seite stand und auch sie tragen ihren Anteil daran, dass mir dieses Buch so gut gefallen hat.
Lediglich das Ende kam mir nachher etwas zu abrupt, auch wenn es insgesamt gesehen einen sehr runden Abschluss für diese Reihe gibt. Es könnte gut sein, dass ich die Reihe irgendwann noch einmal lese und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auf Grund der Komplexität dieser Geschichte noch einiges Neues entdecken werde.

Fazit: Ein würdiges und sehr gelungenes Finale für diese Trilogie, die mich auf sehr vielen Ebenen begeistert hat. Wer es gerne fantasievoll, poetisch und tiefgründig mag, ist bei dieser Reihe, die teilweise schon fast wie ein Märchen aus 1001 Nacht wirkt, auf jeden Fall an der richtigen Adresse. Von mir gibt es eine ganz große Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Fantasie
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 05.09.2018

Ein starker 2. Teil, der Lust auf mehr macht

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherkönig
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„Bücherkönig“ von Akram El-Bahay ist der zweite Teil aus der Reihe „Die Bibliothek der flüsternden Schatten“, in der der Dieb Samir in ein Abenteuer gerät, in dem Fabelwesen eine große Rolle spielen. Erschienen ...

„Bücherkönig“ von Akram El-Bahay ist der zweite Teil aus der Reihe „Die Bibliothek der flüsternden Schatten“, in der der Dieb Samir in ein Abenteuer gerät, in dem Fabelwesen eine große Rolle spielen. Erschienen ist der Roman Ende August bei Bastei Lübbe.

Auf geht es in ein neues Abenteuer in Paramythia, einer riesigen Bibliothek, die sich unter der Stadt Mythia befindet und so einige Geheimnisse birgt. Gemeinsam mit Kani, Shagyra und einem dunklem Asfur macht Samir sich auf den Weg, das Rätsel rund um die Bücherstadt zu ergründen und die Intrige der Beraterin des weißen Königs aufzudecken. Doch es ist nicht alles so wie es scheint und die Gruppe rund um Sam erwarten noch einige Überraschungen.

Ich muss gestehen, dass ich anfangs kleinere Schwierigkeiten hatte wieder ins Buch zu finden, aber als ich wieder richtig drin war, konnte mich das Buch wieder begeistern. Ich habe diesen Roman im Rahmen einer Leserunde auf der lesejury gelesen und das spekulieren und diskutieren über dieses Buch hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht.
Der Schreibstil ist wie immer flüssig und gut zu lesen und ist dennoch etwas Besonderes. Akram El-Bahay versteht es Stimmungen zu erschaffen und die Beschreibungen so detailreich zu gestalten, dass man sich alles wunderbar vorstellen kann; gleichzeitig fühlt man sich wie in einer Märchenwelt, bei der man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.
Auch in diesem Teil gibt es Geschichten in der Geschichte. Diese waren diesmal allerdings rar gesät, was ich fast schon ein wenig schade finde. Der Spannungsbogen war dafür sehr hoch. Kani, Samir, Nusar und Shagyra wurde kaum eine Atempause gegönnt und auch der Bibliothekar Jacobus und die Urinsammlerin Umm durften ihren Teil zum Abenteuer beitragen. Viele Fragen wurden beantwortet und einige neue wurden aufgeworfen, so dass auch der letzte Teil eine spannende Lektüre verspricht. Darüber hinaus konnte das Buch mit einigen Wendungen punkten, mit denen ich so nicht gerechnet habe.
Fasziniert war ich auch wieder von der Fähigkeit des Autors Einflüsse aus verschiedenen Kulturen miteinander zu verweben und zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Es gibt spanische und griechische Einflüsse und einige Namen der Figuren sind an berühmte arabische Schriftsteller angelehnt, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auch ein Star Wars-Zitat hat es angeblich ins Buch geschafft.
Mit den Figuren im Buch habe ich sehr mitgefiebert. Samir musste in diesem Teil zu Anfang einige Sympathiepunkte abgeben, zum Ende hin hat er aber wieder zur alten Stärke zurückgefunden. Er war mir ein bisschen zu zurückhaltend und negativ, aber das gehörte zu seiner Reise in diesem Band wahrscheinlich einfach dazu. Kani hingegen konnte mich von Beginn an überzeugen und hat einiges an Stärke hinzugewonnen. Mit ihrer Entschlossenheit und dem unbedingten Willen ihre Überzeugungen auch in die Tat umzusetzen, konnte sie mich sehr beeindrucken. Doch auch Shagyra und Nusar waren für die ein oder andere Überraschung gut und sind mir insgesamt ans Herz gewachsen.

Fazit: Ein starker zweiter Teil, der einen spannenden Abschluss in Teil 3 verspricht. Wieder einmal konnte mich Akram El-Bahay mit seiner detailreich und fantasievoll erschaffenen Welt von sich überzeugen. Wenn ihr die Flammenwüsten-Trilogie mochtet, dann werdet ihr auch diese Reihe mögen. Empfehlenswert für alle, die Märchen mögen und sich gerne in neue Welten hineinziehen lassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Erzählstil
  • Originalität
  • Handlung
Veröffentlicht am 24.11.2024

Fast 900 Seiten geballte Mittelalterpower

Die Templer. Rose und Kreuz
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„Die Templer - Rose & Kreuz“ von Daniel Wolf ist der Auftakt einer neuen Saga, die sich mit den Templern beschäftigt und auch die Sagen jener Zeit ins Visier nimmt. Erschienen ist der Roman im Oktober ...

„Die Templer - Rose & Kreuz“ von Daniel Wolf ist der Auftakt einer neuen Saga, die sich mit den Templern beschäftigt und auch die Sagen jener Zeit ins Visier nimmt. Erschienen ist der Roman im Oktober 2024 bei Goldmann.

Frankreich, 1293: Unruhen erschüttern das Land und auch der mächtige Templerorden kämpft um sein Überleben. Immer wieder gibt es Überfälle, bei denen die Schätze des Ordens geraubt werden. Von einem Dämon ist die Rede. Der Templer Gérard wird mit der Aufklärung betraut und reist deswegen durchs Land. Hierbei begegnet er immer wieder dem jungen Knappen Constantin Fleury und seiner Begleitung Mélisande, die vor einer ungewollten Ehe von zu Hause abgehauen ist. Ihre Mission - das Finden eines Drachensteins, dem sagenhafte Heilkräfte nachgesagt werden - scheint auf geheimnisvolle Weise mit den Herausforderungen des Templerordens verknüpft zu sein.

Die Freude meinerseits war sehr groß als ich von einem neuen historischen Roman von Daniel Wolf gehört habe und das Cover ließ auf einen richtig schönen Historienschmöker schließen. Dieser musste dementsprechend auch zügig nach Erscheinen gelesen werden.
Ich bin sehr gut in diesen Roman hineingekommen. Die ersten Seiten waren spannend, haben aber dennoch schon viele Informationen erhalten und einen guten Grundstein für den weiteren Verlauf des Romanes gelegt. Die Schauplätze und Ereignisse konnte ich mir gut vorstellen.
Der Aufbau hat mir gut gefallen. Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, die in einem guten Tempo gewechselt werden. Sehr gut gefallen hat mir hierbei auch, dass die Ausgangslage, von der im Klappentext erzählt wird, recht schnell erreicht wird, so dass sich die Geschichte von diesem Punkt an entwickeln kann. Der Zeitraum der Handlung erstreckt sich auf wenige Monate und nur zu Beginn gibt es einmal einen größeren Zeitsprung.
Die Verknüpfung der unterschiedlichen Handlungsstränge hat mir gut gefallen. Diese haben es ermöglicht viele Informationen einzubringen. Ich habe viel über die Templer, ihre Geschichte und ihre Organisation erfahren. Mythen über Drachen und welche Verbreitung sie in jener Zeit gefunden haben, spielen eine wichtige Rolle. Darüber hinaus gab es einiges zu historischen Konflikten und wie die Menschen, wie z.B. die Goliarden (umherziehende ehemalige Kleriker) gelebt haben. Hierbei merkt man besonders, dass viel Recherche in diesen Roman eingeflossen ist.
Ich mochte die Personen im Buch und habe die Ereignisse entsprechend gerne verfolgt. Constantin, Mélisande und Gérard sind die Hauptfiguren. Mit Mélisande hatte ich tatsächlich einen etwas schwierigen Start und mochte ihr Verhalten nicht. Im Verlauf der Handlung wurde sie mir dann doch noch sympathischer und ich mochte die Entwicklung ihrer Geschichte sehr. Constantin hat mir sehr gut gefallen, auch wenn er anfangs wirklich sehr hart einstecken musste. Seine Knappenzeit verlief schwierig und so wirklich scheint das Rittertum nichts für ihn zu sein, umso wichtiger ist diese Reise, bei der er endlich seinen Weg finden muss. Gérard ist ein Templer, der schon viele Jahre in den Diensten des Ordens steht und dementsprechend viel erlebt hat. Zuerst war er für mich schwer einschätzbar, aber im Verlauf des Romans hat er sehr viel an Profil dazugewonnen und konnte mich für sich einnehmen.
Das Versprechen ein echter Historienschmöker zu sein, hat dieser Roman erfüllt. Manchmal hätte ich mir bestimmte Entwicklungen schon etwas früher einsetzend gewünscht, aber insgesamt betrachtet hat mir dieser Roman bis auf wenige Szenen gut gefallen, in denen u.a. Voyeurismus und Pädophilie eine Rolle spielen. Mit den vielen historischen Romanen, die ich schon gelesen habe, konnte ich Einiges erahnen und doch wurde ich an mancher Stelle auch überrascht. Diese Mischung hat mir gut gefallen.
Als Zusatzmaterial gibt es ein Personenverzeichnis, in dem historische Personen gekennzeichnet sind, und eine Danksagung. Tatsächlich gibt es kein Nachwort, was ich etwas schade finde, weil ich ein Nachwort sehr gerne mag. Die Hardcover-Ausgabe beinhaltet eine Karte auf den Buchinnenseiten, diese fehlt im ebook.

Fazit: Ein toller Historienschmöker, der mir mit kleinen Abstrichen, sehr gut gefallen hat. Fast 900 Seiten geballte Mittelalterpower mit einigen vorhersehbaren, aber auch überraschenden Entwicklungen. Ich bin den Personen im Buch gerne gefolgt und freue mich auf die weiteren Romane dieser Reihe. Empfehlenswert für alle, die gerne historische Romane mit vielen Seiten lesen und die sich für das Mittelalter und Templer interessieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.07.2024

Ein toller Roman, der die 20er Jahre mit seiner Musik zum Leben erweckt

Lindy Girls
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„Lindy Girls“ von Anne Stern spielt 1928 in Berlin und erzählt von den Tanzgruppen, die zu Charleston tanzten und in Tanzpalästen auftraten. Erschienen ist der Roman im November 2023 im Aufbau Verlag. ...

„Lindy Girls“ von Anne Stern spielt 1928 in Berlin und erzählt von den Tanzgruppen, die zu Charleston tanzten und in Tanzpalästen auftraten. Erschienen ist der Roman im November 2023 im Aufbau Verlag.

Der Charleston ist im Berlin der ausgehenden 20er Jahre stark im kommen als die Choreografin Wally ihre Tanzgruppe gründet. Mit den „Lindy Girls“ möchte sie sich ihren Traum erfüllen und in den großen Tanzpalästen auftreten. Frauen aus den unterschiedlichsten Schichten kommen in ihrer Tanzgruppe zusammen, wie z.B. die Fabrikarbeiterin Alice, die in prekären Verhältnissen lebt oder auch die Industriellentochter Thea, die von zu Hause flieht, um nicht zu heiraten. Der Weg der Frauen ist kein einfacher, denn obwohl Frauen mehr Rechte haben, so ist die Unterhaltungsbranche noch immer von Männern dominiert.

Anne Stern wird bei mir wahrscheinlich für den Rest meines Lebens mit dem Berlin der 20er Jahre und der Weimarer Republik verbunden sein. Auch hier verbindet die Autorin wieder ganz unterschiedliche Schicksale miteinander und lässt so eine vergangene Zeit wieder auferstehen.
Zur Einstimmung habe ich in die Playlist am Anfang des Buches reingehört. Sehr passend, weil es zu einem großen Teil ums Tanzen und den Charleston geht. Es sind allerdings auch Jazz und Tango-Stücke enthalten.
Ich bin gut reingekommen und Anne Stern hat wieder einmal die Nuancen der Zeit wunderbar eingefangen. Thematisch konzentriert es sich auf andere Aspekte der Weimarer Republik als die Fräulein Gold-Reihe, aber es gibt auch Überschneidungen. So ist die Arbeit im Büro als Sekretärin sehr präsent oder es gibt einen Gigolo in seiner ursprünglichen Bedeutung. Ich habe ein Sachbuch zu der Zeit gelesen, daher wusste ich davon, aber ich mochte es sehr wie es in diesem Roman, dann zum Leben erweckt wurde.
Das Buch hat sehr viele Perspektiven und für die Kürze des Buches waren es für meinen Geschmack fast schon zu viele, dennoch hat das Buch auch sehr viel richtig gemacht. Es sind so viele Realitäten in diesem Buch enthalten, denen ich manchmal gerne etwas mehr nachgegangen wäre. Das Büro ist eine ganz eigene Welt mit eigenen Regeln, durch die man gerade als Frau geschickt manövrieren muss. Marktplatz für Äffären und zukünftige Ehemänner und ich befürchte einige Klischees, die sich bis heute halten, sind aus dieser Zeit. Die Fabrik mit seiner Fließbandarbeit und den kläglichen Löhnen, die kaum ein gutes Leben ermöglichen und die Tanzpaläste, in denen einsame Frauen für Geld mit Männern tanzen und manchmal auch weiterführende Dienstleistungen erwerben können.
Es ist unglaublich was Anne Stern alles in diese 350 Seiten gepresst hat. Das Buch erzählt von der Lust der Berliner zu feiern und das Tanzbein zu schwingen. Es erzählt von Drogen und den Abgründen, die überall lauern. Es erzählt von der Gefahr durch die SA und Nationalsozialisten. Es erzählt von Kriegstrauma, Abtreibungen und zurückgelassenen Kindern. Und dieses Buch erzählt von der Liebe zwischen Menschen aller Geschlechter.
Mir war manchmal schwer ums Herz und dann war es wieder ganz leicht. Ich habe mit den Personen mitgefühlt und war investiert in ihr Schicksal. Manchmal hat es mich etwas überfordert und es hat eben auch etwas gedauert bis alles so richtig zusammengekommen ist und irgendwie war es auch nicht ausführlich genug. Das Ende ist recht offen gehalten, so dass eine Fortsetzung durchaus möglich wäre, aber die Hauptgeschichte, wie die Lindy Girls entstanden sind, ist zu Ende erzählt.
In einem kurzen Nachwort gibt Anne Stern zusätzliche Informationen zum Hintergrund der Geschichte preis. Weiteres Zusatzmaterial bis auf die genannte Playlist am Anfang des Buches, die man über einen QR Code in der Klappbrischur erreicht, gibt es nicht.

Fazit: Wieder ein tolles Roman aus der Feder Anne Sterns. Die 20er Jahre und seine Musik leben in diesem Buch auf. Die vielen Perspektiven haben das Buch allerdings auch etwas überladen. Dennoch von mir eine Empfehlung an alle, die gerne im Berlin der 20er Jahre sowie der Weimarer Republik abtauchen wollen.