Eine sehr bewegende Geschichte über den Völkermord an den Jesiden und insbesondere das Schicksal der Frauen
Das Vogel-TattooDie seit über 20 Jahren im amerikanischen Exil lebende Journalistin und Dichterin Dunya Mikhail schreibt in „Das Vogel-Tattoo“ über den Völkermord an den Jesiden im Irak durch den IS im Jahr 2014 und ...
Die seit über 20 Jahren im amerikanischen Exil lebende Journalistin und Dichterin Dunya Mikhail schreibt in „Das Vogel-Tattoo“ über den Völkermord an den Jesiden im Irak durch den IS im Jahr 2014 und thematisiert vor allem die Gräueltaten, die den jesidischen Frauen angetan wurden. Diese wurden zu Tausenden verschleppt, als Ware online zu Kauf angeboten und mehrfach systematisch vergewaltigt. Einigen wenigen gelang die Flucht, und Mikhail reiste in den Irak, um mit diese Frauen und auch einem ihrer Retter, Abdullah, zu sprechen, der über ein Schleusernetzwerk die gefangenen Frauen befreien und in autonome Kurdengebiete in Sicherheit bringen lässt.
Eine dieser Frauen diente als Vorbild für die Protagonistin Helen. Die Handlung des Romans ist frei erfunden, wurde jedoch inspiriert von den Erlebnissen der interviewten Frauen und Abdullahs Berichten. Das Schicksal der jesidischen Familien nach der Machtübernahme durch den IS hat mich sehr berührt, und es war teilweise schwer auszuhalten zu lesen, was den Mädchen und Frauen angetan wurde. Großen Respekt hatte ich vor dem Mut und der inneren Stärke der Menschen, die sich unter Einsatz ihres eigenen Lebens für die Befreiung der Kinder und Frauen einsetzen.
Viel Raum nimmt die Schilderung jesidischen Lebens im abgelegenen und von der Außenwelt abgeschnittenen Bergdorf Halliqi ein, aus dem Helen ursprünglich stammt. Das Zusammenleben dort wird als geradezu paradiesisch geschildert, voller Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft, Harmonie und grenzenloser Nächstenliebe. Das erschien mir beim Lesen doch recht dick aufgetragen und idealisiert, zu schön, um wahr zu sein. Auch sind es mir zu viele Kreise, die sich am Ende der Geschichte schließen.
Da ich mit der Geographie und den Grenzverläufen zwischen Rebellengebieten und autonomen Regionen nicht vertraut bin, war es teilweise etwas verwirrend, die Routen nachzuvollziehen. Hier wäre eine Karte hilfreich gewesen. Manche Handlungen blieben mir unverständlich, etwa, wie eine befreite Frau, die gerade unter großen Mühen und durch vermintes Gebiet aus Syrien herausgeschmuggelt wurde, ein paar Tage später einfach ganz normal und allein nach Syrien zurückreist, um jemanden zu suchen. Auch ein Logikfehler im Buch – eine Frau, die im August 2014 verschleppt wurde, hat im Januar 2015 bereits ein durch eine Vergewaltigung gezeugtes Kind - fiel mir auf.
Fazit: Ein sehr bewegender Roman, der den Blick auf ein Thema lenkt, das leider in der Weltöffentlichkeit viel zu wenig Beachtung erfährt. Umso wichtiger ist es, dass Dunya Mikhail den jesidischen Frauen in dieser Geschichte eine Stimme gibt. Da mich das Buch erzählerisch nicht komplett überzeugen konnte, ziehe ich einen Stern ab.