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Veröffentlicht am 22.11.2019

Thriller aus der Feder der Kluftinger-Autoren

Draussen
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Ja, sie können auch Thriller.
Volker Klüpfel und Michael Kobr, die geistigen Väter des kultigen Allgäuer Kommissars Kluftinger, haben sich an ein für sie neues Genre gewagt.
Das Ergebnis ist gar nicht ...

Ja, sie können auch Thriller.
Volker Klüpfel und Michael Kobr, die geistigen Väter des kultigen Allgäuer Kommissars Kluftinger, haben sich an ein für sie neues Genre gewagt.
Das Ergebnis ist gar nicht so schlecht. Hier werden ausgefallene Milieus gewählt (Prepper-Szene), um die Geschichte der Geschwister Cayenne und Joshua zu erzählen. Die beiden halten sich mit einem Beschützer im Wald verborgen, ständig bereit, gegen einen unbekannten Feind um ihr Leben zu kämpfen. Das Dasein draussen im Wald, außerhalb der Gesellschaft wird jedoch von Cayenne zunehmend in Frage gestellt.

Das Buch beginnt mit einem Angriff auf das Mädchen und diese Szene ist nur eine von vielen, die es in einem der humoristischen, gemütlichen Alpen-Krimis nicht gegeben hätte. Da knacken Knochen und spritzt das Blut. Für einen Thriller immer ein guter Einstieg, dann ist der Leser sofort mitten im Geschehen und die Spannung von Beginn an gegeben. Anschließend kann dann in Ruhe erzählt werden, was vorher geschah.
Neben dem Erzählstrang im Wald gibt es noch die komplett gegensätzliche Welt der Politik in der Bundeshauptstadt. Wie die beiden Ebenen miteinander verknüpft sind, lässt sich zunächst nicht erahnen. Als dritter Strang werden Tagebucheintragungen eines Soldaten aus der französischen Fremdenlegion gewählt. Es wird jeweils aus einer anderen Perspektive erzählt.
Obwohl man dann doch eher früher als später die Zusammenhänge erkennt, ist das Buch sehr spannend. Kurze Kapitel, die oft mit einer fesselnden Entwicklung enden und zum Weiterlesen drängen.
Es gibt außerdem einige Szene, in denen Klüpfel/Kobr ihre humoristische Ader ausleben; der Besuch auf dem Hof von Horst Deutz gehört unbedingt dazu.

Die Hauptfiguren sind mir aber nicht nahe genug gekommen. Da fehlte mir noch etwas mehr Tiefe in den Charakteren. Cayenne war mir zudem irgendwie nicht sympathisch genug.

Trotzdem ein gelungener Ressortwechsel der Autoren. Ich habe mich gut unterhalten und das Buch sehr schnell durchgelesen. Und ja - nach gut 100 Seiten treffen wir auch kurz auf Kommissar Kluftinger.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Serienstart mit Unterhändlerin Amanda Lund

Vier Tage in Kabul
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Eine Verhandlungsspezialistin der Schwedischen Reichskriminalpolizei im Einsatz in Afghanistan. Optimale Voraussetzungen für ein spannungsreiches Krimidebüt.

Die 1975 geborene Autorin Anna Tell schreibt ...

Eine Verhandlungsspezialistin der Schwedischen Reichskriminalpolizei im Einsatz in Afghanistan. Optimale Voraussetzungen für ein spannungsreiches Krimidebüt.

Die 1975 geborene Autorin Anna Tell schreibt aus eigener Erfahrung, sie ist Kriminalkommissarin und Unterhändlerin. „Vier Tage in Kabul“ ist der Auftakt zu einer Reihe um Amanda Lund. Selbstsicher, durchsetzungsstark und erfahren.

Als in Kabul zwei Botschaftsangehörige vermisst werden, ist sie die Frau der Stunde. Lund ist weltweit zuständig für Geiselnahmen und Entführungsfälle, sobald schwedische Staatsangehörige betroffen sind. Gerade hält sie sich in Nord-Afghanistan auf, um als militärische Ausbilderin die einheimischen Truppen zu unterstützen. Der Botschafter ist keine große Hilfe und scheint etwas zu verbergen zu haben. Einzig auf ihren Chef in Stockholm kann Lund vertrauen: Bill Ekman, stellvertretender Leiter der Sondereinsatzkräfte im Ausland. Gegen politische Interessen, Bürokratie und Misstrauen versuchen beide, die Entführten lebend zu finden. Die afghanische Polizei verfolgt eigene Ziele und ist immer einen Schritt voraus.

Vier Tage dauert das Geiseldrama. Der Countdown beginnt mit Lunds Ankunft in Kabul und das Buch ist, nach einer Eingangsszene, in diese vier Tage eingeteilt. Durch den ständigen Blickwechsel zwischen Stockholm und Kabul gewinnt die Geschichte an Spannung. Hier der Kampf gegen Politik, dort der Kampf gegen die Entführer.
Ein Mordfall in Stockholm sorgt für weiteren Nervenkitzel. Steht er mit den Ereignissen in Zusammenhang?

Ich finde den Krimi sehr gelungen. Er lässt sich flüssig lesen und ist durchweg spannend. Der Einblick in die Arbeit der Unterhändlerin und die Schwierigkeiten ihrer Arbeit in Afghanistan sind ebenso interessant und fesselnd. Privat kommt auf Lund einiges zu. Ich bin gespannt, wie dies im zweiten Teil zum Tragen kommt, der in Kürze erscheinen wird.

Veröffentlicht am 27.11.2024

Love-Scammer, Tattoos und Mythologie

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
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Drei Personen:

Juno, Performancekünstlerin und Tänzerin, "eine Weltraumsonde, die man zu Jupiter hinaufgeschossen hatte, damit sie alles von ihm aufzeichne." (S. 197)

Jupiter, kranker Schriftsteller ...

Drei Personen:

Juno, Performancekünstlerin und Tänzerin, "eine Weltraumsonde, die man zu Jupiter hinaufgeschossen hatte, damit sie alles von ihm aufzeichne." (S. 197)

Jupiter, kranker Schriftsteller und Junos Ehemann, der "mit seiner Gravitationskraft die Erde von Asteroideneinschlägen schützt". (S. 145)

Benu, ein Love-Scammer aus Nigeria. "Ein Satellit, der verloren gegangen war." (S. 103)


Während sich Junos Alltag um den kranken Ehemann, Proben, Geldsorgen und Tanzen dreht, flüchtet sie sich nachts in die Chats mit Betrügern, sogenannten Love-Scammern, die nach einiger Zeit des verliebten Chattens Geld fordern und häufig genug auch erhalten. Juno spielt ihre ganz eigenen Spielchen mit diesen Internet-Lovern; sie erfindet sich in diesen Gesprächen neu und fällt doch jeden Morgen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Mit Benu jedoch, tauscht sie sich über einen langen Zeitraum aus.


Martina Hefter hat diese Geschichte in einer leicht zu lesenden Sprache verfasst, die aber durch eine Vielzahl von mythologischen und astronomischen Anspielungen Tiefe erhält. Neben den für fast allen Haupt- und Nebenfiguren verwendeten Namen aus verschiedenen Mythologien steht der profane Alltag. Die Angst vor dem Älterwerden und dem Sterben wird thematisiert und immer wieder durch die Erwähnung des Filmes "Melancholia" (2011) von Lars von Trier im Roman eingebaut. In diesem Film wird die Erde durch die Kollision mit einem anderen Planeten vernichtet.


Hier nur ein paar Beispiele für die sprechenden Namen: Juno ist u.a. die römische Göttin der Fürsorge. Jupiter ist der größte Planet unseres Sonnensystems und gleichzeitig der oberste Gott der römischen Mythologie. Als Benu wurde ein altägyptischer Totengott bezeichnet. Plutos, den Juno als gut verdienenden Mann erkennt und kennenlernt, ist in der griechischen Mythologie die Personifikation des Reichtums.


Die Geschichte war einerseits ganz interessant, andererseits müsste ich mich noch viel intensiver mit den Anspielungen befassen. Dafür fehlt mir gerade etwas die Lust. Man kann den Roman sicherlich auch so lesen, aber ich denke, dass einiges verloren geht. Die Autorin fasst an einer Stelle selbst zusammen, um was es in diesem Text geht, der sicherlich auch viel von ihr persönlich enthält: "Es ist dieser Text hier. [...] manchmal schreibt sie auch abends oder nachts. Einen Text über Tattoos, den Planeten Melancholie, über ältere Frauen, Love-Scammer, Nigeria." (S. 129)

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Veröffentlicht am 27.11.2024

Der letzte Sommer

Kostbare Tage
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Mein erster Besuch in der Kleinstadt Holt, Colorado. Leider verlief er nicht so angenehm, wie in Crosby, Main. Auch Haruf hat - wie Elizabeth Strout - eine fiktive Kleinstadt zum Handlungsort seiner Romane ...

Mein erster Besuch in der Kleinstadt Holt, Colorado. Leider verlief er nicht so angenehm, wie in Crosby, Main. Auch Haruf hat - wie Elizabeth Strout - eine fiktive Kleinstadt zum Handlungsort seiner Romane gemacht. Hier kreuzen sich die Lebenswege und Schicksale der unterschiedlichsten Menschen. Im Zentrum dieses Romans steht Dad Lewis, der es in Holt mit seiner Eisenwarenhandlung zu einigem Wohlstand gebracht hat. Seine kostbaren Tage sind jedoch gezählt, denn eine Krebserkrankung zerrt ihn langsam aus. Seine Tochter reist zur Unterstützung an, sein Sohn, mit dem er sich vor Jahrzehnten wegen dessen Homosexualität zerstritten hatte, bleibt unauffindbar. Eine weitere wichtige Rolle spielt Reverend Rob Lyle, der mit seinen Ansichten in Holt aneckt und dessen Sohn ebenfalls darunter leidet. Viele weitere vom Leben gebeutelte Figuren treten auf und wieder ab. Einige jedoch verfolgen Dad Lewis bis in seine letzten Träume.

Haruf ist ein genauer Beobachter und viele Szenen wirken authentisch und sind berührend, überzeugen beim Lesen, aber keine Figur war mir sympathisch. Auch hatte dieses Buch eine deprimierende Grundstimmung, das mag ich derzeit gar nicht. Vielleicht hätte es zu einem anderen Zeitpunkt anders gewirkt. Allerdings gibt es für mich auch keinen wirklichen Spannungsbogen in der Handlung. Man fühlt sich als stille Beobachterin bei diesen krisenhaften Zusammenkünften und Gesprächen und bleibt auf Abstand.

Die wörtliche Rede bleibt ohne Anführungszeichen, daran muss man sich gewöhnen. Wenn man sich aber erst eingelesen hat, übersieht man es praktisch. Den Lesefluss hat es nach einigen Seiten nicht mehr behindert und Dank der flüssigen Sprache liest sich das Buch recht schnell.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich nochmal auf den Weg nach Holt machen werde.

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Veröffentlicht am 29.10.2024

Ich möchte eine guter Mutter sein

Der Verdacht
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Aber Blythe kann keine gute Mutter sein. Als ihre Tochter Violet geboren wird, ist von Beginn an eine Distanz zwischen Mutter und Kind da, die sich auch im Laufe der Zeit nicht verringert. Ganz im Gegenteil, ...

Aber Blythe kann keine gute Mutter sein. Als ihre Tochter Violet geboren wird, ist von Beginn an eine Distanz zwischen Mutter und Kind da, die sich auch im Laufe der Zeit nicht verringert. Ganz im Gegenteil, aus der Kluft wird eine offene Abneigung. Wie kann das sein? Durch Rückblenden erfahren wir mehr über die Familiengeschichte von Blythe. Wir lernen ihre Großmutter Etta und ihre Mutter Cecilia kennen und erkennen bald einen roten Faden, der sich durch alle Mutter-Tochter-Beziehungen zieht. Dann wird Blythe erneut schwanger.

Dieser Roman baut ganz langsam Spannung auf. Durch die ersten Abschnitte muss man sich schon ein bisschen durchkämpfen. Wie sich das Verhältnis zwischen Violet und Blythe langsam verschärft, ist ein schleichender Prozess, der immer mehr Spannung aufbaut und Fragen aufwirft. Das liegt zunächst natürlich daran, dass Blythe als Ich-Erzählerin fungiert und wir nur ihre Sicht der Dinge zu lesen bekommen. Immer wieder fragt man sich, wer hier eigentlich der "Störfaktor" ist, zumal Blythes Umwelt nicht so reagiert, wie sie es sich wünscht. Das ist ganz geschickt aufgebaut, weil der Prolog damit beginnt, dass die Familie nicht mehr zusammen ist und Blythe durch ein Fenster das fröhliche Treiben der neuen Familie ihres Mannes betrachtet und dabei von Violet erwischt wird. Aber mit dieser Szene ist das Buch nach über 300 Seiten noch nicht am Ende der Geschichte angelangt.

Ein schwieriges Thema, das hier verarbeitet wird und das weit über die mehr oder weniger bekannte pränatale Depression hinausgeht. Das mag nicht für jede Leserin geeignet sein. Mich hat das Buch nicht derart aus der Bahn geworfen, weil ich alle Figuren unsympathisch fand - bis auf eine mütterliche Nebenfigur. Das hat mir den Roman insgesamt nicht so nahe gebracht. Dennoch spannende Unterhaltung für diejenigen, die das Thema aushalten können. Gut geschrieben und in kurzen Kapiteln, so dass man das Buch auch schnell ausgelesen hat.

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