Thriller | Wem kannst du vertrauen, wenn es dunkel wird? Der atmosphärische Thriller aus Irland
Birgit Schmitz (Übersetzer)
Ein Herrenhaus mitten im Wald. Ein unerwarteter Gast. Ein Wochenende, das zum Albtraum wird.
Butler Hall, ein düsteres, etwas verfallenes Herrenhaus im Westen Irlands. Nach Monaten ohne Kontakt trifft Lizzie hier wieder auf ihre Familie, um die Hochzeit ihrer Mutter zu feiern. Lizzie hat einiges wiedergutzumachen und ist fest entschlossen, dass dieses Wochenende ein Erfolg wird. Doch bereits das Haus von George, dem neuen Ehemann ihrer Mutter, ist anders als erwartet: Butler Hall liegt mitten in einem dunklen Wald, selbst die Straße dorthin ist so zugewachsen, dass das Haus nur zu Fuß erreicht werden kann. Trotzdem findet noch jemand den Weg durch den Wald – und dieser Gast wird nicht einfach wieder weggehen. Ein albtraumhaftes Wochenende beginnt, während dem ein Geheimnis nach dem anderen ans Licht kommt. Und danach ist nichts mehr so, wie es vorher war.
Nach Schneesturm nun das zweite Buch von Tríona Walsh auf Deutsch erschienen. Nachher ist nichts mehr so, wie es einmal war… das mag man hier sofort denken und es ist auch so, ein Wochenende was für die ...
Nach Schneesturm nun das zweite Buch von Tríona Walsh auf Deutsch erschienen. Nachher ist nichts mehr so, wie es einmal war… das mag man hier sofort denken und es ist auch so, ein Wochenende was für die Protagonisten quasi gesehen ein neuer Lebensabschnitt ist wird zum Albtraum, und sofort fragt man sich wer hat was zu verbergen, eine Gemeinschaft die trügerisch ist und warum gerade jetzt und an diesem Ort? Ein ungebetener Gast, ein Mord und alle scheinen etwas damit zu tun zu haben, jeder hat einen Grund, und man denkt niemandem darf man trauen. Nur ist ein Mord einfach zu verbergen, zu vergessen? Wird sich der Mörder verraten, kann man einfach jemanden verschwinden lassen, der aber vorher schon verschwunden war? In der Mitte des Buches denkt der Leser was ist los, jemand wird ermordet und die Anderen tun so als wenn sie Urlaub machen? Um keine Spoiler einzubauen belasse ich es dabei, im letzten Teil erklärt sich vieles und lässt den Leser mit so einigen Äh? oder Aha! zurück. Wem kann man trauen, wenn es dunkel wird, in diesem Buch muss es erst gar nicht dunkel werden, man kann auch im hellen schon niemandem trauen, vielen Dank.
"Nachtwald" ist vom Einband her ein echter Hingucker - kräftige Farben, ein passendes, stimmungsvolles Motiv. Die zahlreichen Regentropfen auf dem Einband sind nicht nur bildlich dargestellt, sondern auch ...
"Nachtwald" ist vom Einband her ein echter Hingucker - kräftige Farben, ein passendes, stimmungsvolles Motiv. Die zahlreichen Regentropfen auf dem Einband sind nicht nur bildlich dargestellt, sondern auch leicht erhoben, man spürt also jeden einzelnen Regentropfen auf dem Einband. Tolle Kombination von visuellem und haptischen Erleben. Das Einbandmotiv ist gelungen genretypisch und dennoch innovativ - eine erholsame Abwechslung von den ganzen einfallslosen "Frau-rennt-weg"-Einbänden, auf welche in diesem Genre sonst viel zu oft zurückgegriffen wird. Rundum gelungen!
Auch der Klappentext macht neugierig und verspricht eine spannende Geschichte. Der Einstieg ins Buch ist erfreulich - wenn ich auch auf das abgenutzte Stilmittel des Prologs verzichten könnte, der sich liest wie unzählige andere Prologe solcher Bücher. Die Autorin schreibt einen leichten, angenehm lesbaren Stil und kann das alte Herrenhaus inmitten des Walds herrlich beschreiben. Die Beschreibungen sind durchweg farbig und rufen die Szenerie lebhaft vor Augen. Das hat mir ausgezeichnet gefallen. Auch die Charaktere machen zunächst neugierig. Wir erfahren die Geschehnisse durch die Augen Lizzies, die gerade einen sechsmonatigen Alkoholentzug beendet hat und die Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem Bruder vorsichtig wieder aufbauen muß. Aus dieser Konstellation ergeben sich die besten Szenen des Buches; Walsh hat die innere Verfassung Lizzies, das Misstrauen, das ihr Mutter und Bruder aufgrund früherer Ereignisse entgegenbringen, und das vorsichtige neue Herantasten untereinander ganz ausgezeichnet dargestellt - glaubhaft, einfühlsam und gekonnt.
Leider erstreckt sich diese sorgfältige Charakterzeichnung nicht auf alle Charaktere. Wie im Klappentext erwähnt gibt es einen unerwarteten Gast, der am nächsten Tag verschwunden ist. Ab diesem Moment wird das Verhalten fast aller Charaktere unglaubwürdig, geradezu absurd. Ab da dachte ich beim Lesen ständig: "Kein Mensch würde sich so verhalten", und das ist eine schlechte Prämisse für ein Buch. Es wird leider im Laufe des Buches eher schlimmer als besser, teilweise fühlte ich mich wie in einer skurrilen schwarzen Komödie. Die Geschehnisse werden immer absurder und unglaubwürdiger, bis hin zum absolut überzeichneten Ende. Auch die mangelnde Logik zeigt sich früh und nimmt stetig zu, so daß dieses Handlungsgeflecht wie ein fehlerhaft gewebter Stoff zu viele Löcher aufweist. Wenn die Plausibilität aufgegeben wird, um die Geschichte voranzubringen, ist das faules Schreiben und ich als Leser fühle mich nicht ernst genommen.
Enervierend waren auch die zunehmenden überraschenden Wendungen. Das ist etwas, das leider in weniger guten Thrillern als Element angewandt wird, um die Spannung künstlich hochzuhalten - oft mit kontraproduktiver Wirkung. Hand in Hand einher geht damit die ebenfalls überbenutzte Technik kurzer Kapitel mit unzähligen Cliffhängern und falschen Alarmmomenten ("Oh, es raschelt!" - "Oh, eine Stimme erklingt" - "Oh, es ist jemand im Raum!"). Das ist wie ein fades Stück Fleisch, das man mit lauter künstlichen Geschmackverstärkern zugeballert hat, um Geschmack vorzugaukeln und zu überspielen, dass man billiges Fleisch verwendet hat. Spannung kann man wesentlich raffinierter erzeugen - so führten die ganzen künstlichen Schockmomente bei mir zu einer Übersättigung und senkten für mich die allgemeine Spannung.
Während ich das erste Drittel des Buches noch herrlich farbig und spannend fand, mich auf die weiteren Entwicklungen freute, mußte ich im zweiten Drittel häufig die Augen verdrehen und ärgerte mich über die ganzen Logiklöcher. Im letzten Drittel hat mir das Übertreiben mit ständig neuen Wendungen, überzeichneten Ereignissen und dem hanebüchenen Schluss das Buch leider verleidet. Bedauerlicherweise greift die Autorin hier auch auf ein Stilmittel zurück, das auf meiner Anti-Liste sehr weit oben steht: den "Täter leiert mit Waffe in der Hand in aller Ruhe sämtliche Pläne und Taten herunter"-Monolog. Absolut unrealistisch und schon seit Jahrzehnten unerträglich überbenutzt.
Während die Autorin also oft die ausgetretenen Pfade der - leider - kommerziell erfolgreichen Versatzstücke geht, ist sie andererseits durchaus originell und kann durch vieles Lesefreude wecken. Kleine Momente, die später von großer Bedeutung sind, werden gelungen früh und plausibel eingeflochten. Auch weiß sie, falsche Fährten zu legen und kann mehrfach überraschen. Nur aus Lizzies Perspektive zu erzählen ist zudem ein guter Kniff, der es erlaubt, auch glaubhafte Spannung und Unsicherheit zu erzeugen. Eine Prise historisches Lokalkolorit und ein gutes Gefühl für die menschliche Psyche sind erfreuliche Zugaben. Sie läßt sich auch durchaus viel einfallen, hat manche gut gemachte Auflösung und Wendung eingefügt. Der Schreibstil ist durchweg flüssig. Ich dachte beim Lesen oft, daß das Buch ganz hervorragend gewesen wäre, wenn es sich an das "weniger ist mehr"-Prinzip gehalten und sich auf diese Stärken konzentriert hätte, anstatt mit aller Macht viel zu viel aufzufahren. So ist es aber für mich leider ein Buch, das ungemein vielversprechend beginnt, dann aber zu viel will und genau daran scheitert.
Nach längerer Zeit und einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik trifft Lizzie wieder auf ihre Mutter und ihren kleinen Bruder. Es steht ein Familienwochenende ...
Rezension
Nachtwald von Tríona Walsh
—
Meinung
Nach längerer Zeit und einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik trifft Lizzie wieder auf ihre Mutter und ihren kleinen Bruder. Es steht ein Familienwochenende bevor, an dem Lizzie und ihr Bruder den neuen Ehemann ihrer Mutter, George, kennenlernen. Bereits am ersten gemeinsamen Abend stößt ein unerwarteter Gast zu ihnen, der die Stimmung drastisch kippen lässt. Und so plötzlich, wie er aufgetaucht ist, ist er am nächsten Morgen wieder verschwunden. Lizzie beginnt nun stark zu zweifeln – wem kann sie hier noch vertrauen, und wie soll sie nur aus diesem dichten Wald herausfinden?
Fangen wir beim offensichtlichsten an – dem Cover. Der gesamte Buchumschlag ist mit nachgebildeten Wassertropfen versehen, die man sogar fühlen kann – das finde ich sehr cool gemacht. Der knallgrüne Farbschnitt ist außerdem ein echter Eyecatcher. 💚
Das Setting dieses Thrillers hat mir sehr gefallen: ein tiefer, dunkler Wald, ein sehr altes Haus und natürlich kein Handyempfang. Dieses Szenario wird einfach nicht langweilig und vermittelt immer wieder ein ungutes Gefühl. 😌
Die einzelnen Charaktere fand ich tatsächlich sehr interessant und hatte überhaupt keine Ahnung, wem ich trauen kann und wem nicht. Mit meiner Vermutung lag ich bis zum Schluss falsch. Das ist definitiv ein Pluspunkt, denn es gibt kaum etwas Schlimmeres, als schon von Anfang an zu wissen, wer der böse Part in der Story ist.
Auch wenn es mir schwerfiel, die Gefühlswelt der Charaktere zu durchschauen, hat mich die Spannung leider überhaupt nicht gepackt. Ich kann nicht genau sagen, woran das lag, aber dadurch zog sich das Buch für mich extrem in die Länge – trotz des tollen Settings, der undurchsichtigen Figuren und der kurzen Kapitel.
—
Fazit
Das Buch punktet mit einem atmosphärischen Setting und gut konstruierten, undurchsichtigen Charakteren. Leider konnte mich die Spannung gar nicht fesseln, weshalb es mich auch nicht vollständig überzeugen konnte. Für Fans von sachten Thrillern ohne viel Blut könnte „Nachtwald“ von Triona Walsh dennoch einen Blick wert sein.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Lizzie geschildert, die - frisch aus dem Entzug entlassen - mit ihrer Familie auf das einsame Gut ihres neues Stiefvaters fährt. Der Beginn ist vielversprechend ...
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Lizzie geschildert, die - frisch aus dem Entzug entlassen - mit ihrer Familie auf das einsame Gut ihres neues Stiefvaters fährt. Der Beginn ist vielversprechend und das Setting sehr interessant, aber im weiteren Verlauf fand ich die Handlungen der Charaktere teilweise nicht nachvollziehbar und ziemlich unglaubwürdig. Die Charaktere blieben irgendwie blass und ich konnte sie mir nicht gut vorstellen. Die Dialoge sind hölzern und die Entwicklung der einzelnen Charaktere fand ich streckenweise abwegig, vor allem die von Claire, Lizzies Mutter. Nach der Hälfte gibt es dann einige neue, überraschende Informationen, die die Unglaubwürdigkeit der Handlung nur noch erhöht haben. Leider fand ich deshalb die Geschichte auch nicht spannend. Der Schreibstil ist in Ordnung und gut zu lesen, aber der Plot hat für mich eindeutige Schwächen und die Charaktere sind nicht glaubhaft.
Da ich im Herbst wesentlich mehr Thriller als sonst lese, entdecke ich dort auch oft neue Autorenstimme. So bin ich dann auch auf „Nachtwald“ von Tríona Walsh gestoßen, eine irische Autorin. Ich fand das ...
Da ich im Herbst wesentlich mehr Thriller als sonst lese, entdecke ich dort auch oft neue Autorenstimme. So bin ich dann auch auf „Nachtwald“ von Tríona Walsh gestoßen, eine irische Autorin. Ich fand das Cover ganz gut gestaltet, aber der Klappentext klang auch vielversprechend.
Ich bin durch das Geschehen von „Nachtwald“ durch die Sprecherin Christiane Marx begleitet worden, die mir nun schon öfters begegnet ist und ich kann mich wirklich immer schnell und gut mit ihr arrangieren und mich so fallen lassen. Vielleicht hat sie einer Figur zu viel Persönlichkeit mitgegeben, weil ich im Nachhinein schon dachte, es war irgendwie offensichtlich, worauf es hinausläuft, aber es ist zugegeben auch sehr tricky, weil man natürlich als Sprecherin auch den unterschiedlichen Figuren (je Geschlecht noch zusätzlich) etwas mitgeben will, damit man sie sofort tonal auseinanderhalten kann. Während das bei vielen anderen Genres dann endgültig völlig egal ist, so ist es bei Krimis/Thrillern doch etwas anderes, denn man ist ohnehin schon ständig am spekulieren und da steigert sicherlich auch die Sensibilität. Genauso kann es aber auch sein, dass sonst niemand das kritisieren würde, weil gerade auf akustischer Ebene natürlich auch Vorlieben eine Rolle spielen und ich reagiere sicherlich auf manche Tonhöhen anders als andere.
Nach diesem Hörbuch-Abschnitt kommen wir aber zu „Nachtwald“ selbst. Ich musste schon relativ früh daran denken, dass es in eine Richtung von Lucy Clarke geht, die in den letzten Jahren einiges an Hype erfahren hat. Aber es sind schon große Parallelen in dem Sinne, dass ein konkreter Personenkreis abgelegen zusammenkommt und jede Menge Geheimnisse ans Licht kommen und Mysterien ausgeklärt werden müssen. Ein größerer Unterschied war die Perspektivengestaltung. Clarke arbeitet mit vielen parallel, was ich persönlich sehr großartig finde, Walsh verzichtet aber darauf, so dass wir alles nur durch Lizzies Perspektive erleben. Es ist sicherlich so, dass eine Perspektive es leichter macht, die Geheimnisse der anderen verdeckt zu halten, aber Clarke hat mir eben bewiesen, dass es hier Mittel und Wege gibt. Gerade so im Vergleich wird auch offensichtlich, dass Walsh es nicht so ideal gelingt, die Gefühlsleben aller anderen Hauptfiguren zu gestalten. Lizzie war für mich schnell völlig transparent und ich finde sie in der Gesamtsicht auch mit weitem Abstand am besten gestaltet. Sie ist nach ihrem Entzug sicherlich noch in einem labilen Zustand, aber unterm Strich fand ich, dass sie an diesem Wochenende auf dem Anwesen den besten Überblick über alles hatte. Man hat auch ihre Therapie deutlich gemerkt, weil so viel Reflexion dabei war und sowas weiß ich immer sehr zu schätzen. Bei den anderen war alles undurchsichtiger und das auch schon bei Lizzies eigenen Verwandten, die ihr eigentlich näher sind und die man so leichter hätte aufbereiten können. Aber dennoch ist die Figurenausarbeitung eher Meckern auf hohem Niveau, denn die Charaktere war unterschiedlich genug und sie haben auf jeden Fall Zug ins Geschehen hineingebracht.
Was ich eher kritischer sehen will, das ist die Entwicklung der Handlung. Es ist bei Walsh durchaus gelungen, dass es immer wieder Spannungsausschläge nach oben gibt. In dem Sinne bleibt man also in jedem Fall am Ball, weil ständig etwas passiert, auch weil Lizzie sich mutig hinter alle Hinweise setzt. Gleichzeitig passiert aber extrem früh ein echter großes Ausrufezeichen, hinter dem ich schon gewisse Fragezeichen der Glaubwürdigkeit gesetzt habe, aber man konnte immerhin mit arbeiten. Aber wie sich danach alles entwickelt hat? Das fand ich gruselig, wie ruhig bis auf Lizzie alle geblieben sind. Ich wäre wohl richtig ausgetickt und dort herrschte völlig entspannte Atmosphäre. Selbst wenn es verdeckte Pläne jeweils gab, aber angesichts eines solchen Schreckens hätte ich die auch sofort aufgegeben. Es war also wirklich befremdlich, wie alles weitergelaufen ist. Lizzie war da echt mein Kompass, weil sie meine Stimmung am besten aufgegriffen hat. Dass sie für ihre Familie geblieben ist, klar, aber alle anderen, echt seltsam und hat mich beim Lesen immer wieder irritiert. Wer letztlich hinter allen Taten steckte, ja, es war für mich klar, aber ich denke auch ohne das Hörbuch wäre ich wohl drauf gekommen. Denn der Personenkreis war nun wahrlich nicht üppig, so dass das Ausschlussverfahren auch enorm geholfen hätte. Auch wenn am Ende alles an Spannung und Action hochgefahren wurde, aber es war auch fast wieder zu viel. Ich denke mir bei Thrillern oft, dass es einen schmalen Grat bei der Psychologie des Täters gibt. Denn hier war es zu viel, in vielen anderen ist es zu wenig. Aber ich will ungerne hinterher das Gefühl einer Gehirnwäsche haben.
Fazit: „Nachtwald“ hatte seine Stärken. Das war sicherlich die Atmosphäre, es waren konstant angebotene Höhepunkte mit Spannung am Anschlag, aber dem gegenüber stehen auch gewisse Defizite bei den Charakteren, eine merkwürdige Unglaubwürdigkeit und letztlich auch eine Vorhersehbarkeit. Kann man also lesen, muss man aber nicht.