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Veröffentlicht am 26.12.2024

Schneekristall

Unmöglicher Abschied
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Die Autorin Gyeongha träumt schlecht, sie kann nicht mehr aus dem Haus gehen und kaum etwas essen. Familie und Freunde wenden sich von ihr ab, weil sie mit ihrem seltsamen Verhalten nicht umgehen können. ...

Die Autorin Gyeongha träumt schlecht, sie kann nicht mehr aus dem Haus gehen und kaum etwas essen. Familie und Freunde wenden sich von ihr ab, weil sie mit ihrem seltsamen Verhalten nicht umgehen können. Endlich allein geht es Gyeongha ein wenig besser. Allerdings nicht so gut, dass sie Kontakt mit anderen haben möchte. Völlig unerwartet meldet sich ihre Freundin Inseon aus dem Krankenhaus in Seoul. Gleich einem Hilferuf bittet sie Gyeongha auf die Insel Jeju, ihren Wohnort, zu reisen, um den kleinen Vogel zu retten, den Inseon dort hält. Wenn das Tier nicht schnellstens Wasser und Futter bekommt, wird es sterben.

Mit ihrem neuen Roman erinnert die Autorin an ein ausgesprochen schlimmes Massaker, das 1948/49 auf der Insel Jeju verübt wurde. Auch Inseons Familie war davon betroffen. Davon hat sie allerdings nie groß erzählt. Nur kehrte sie vor vier Jahren überraschend auf die Insel zurück, um ihre Mutter zu versorgen. Gyeongha war überrascht, dass Inseon nach dem Tod der Mutter nicht wieder als Filmschaffende gearbeitet hat. Auch wollte Inseon an einem Projekt festhalten, das Gyeongha schon längst ad acta gelegt hatte. Dennoch macht sich Gyeongha ohne groß zu zögern auf den Weg nach Jeju. Durch den immer stärker werdenden Schneefall muss sie sich vorkämpfen.

Die koreanische Autorin Han Kang holt ein Massaker ins Gedächtnis zurück, über das hier wahrscheinlich nicht viel bekannt ist. Doch jedes extreme Unrecht darf nicht vergessen werden. Weder von denen, die über Generationen darunter gelitten haben, noch von denen, die eigene Themen haben, die nicht vergessen werden dürfen und die gleichzeitig auch eine Erinnerung bilden können. Gleichzeitig handelt der Roman von den beiden Freundinnen Gyeongha und Inseon, die sich nach der Ausbildung kennenlernten, und deren Freundschaft Höhen und Tiefen überwand. Doch erst als sie die Reise nach Jeju alleine und im tiefsten Winter unternimmt durchdringt Gyeongha das Leid, das Inseon und ihre Familie geprägt hat. Das ist berührend, aber auch schrecklich zu lesen. Immer wieder muss man sich fragen, wieso Menschen einander so etwas antun können. Gerade in der heutigen Zeit kann es darauf wieder keine Antwort geben, außer dass die Menschen nicht in der Lage zu sein scheinen aus ihren Taten zu lernen. Auch wenn das Ende ein wenig zu offen erscheint, so kann dieser Roman nur allen ans Herz gelegt werden, die vielleicht doch fähig sind, zu reflektieren.

Veröffentlicht am 24.12.2024

Das kleine Café

Tod im Piemont - Trüffel, Nougat und Barolo
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Ein Fremder ist im Ort und er kommt zu Sofie ins kleine Café, um einen Mokka zu bekommen. Die Kunst des Mokka Kochens hat Sofia von ihrer lieben Großmutter geerbt. Es handelt sich um eine besondere Gabe, ...

Ein Fremder ist im Ort und er kommt zu Sofie ins kleine Café, um einen Mokka zu bekommen. Die Kunst des Mokka Kochens hat Sofia von ihrer lieben Großmutter geerbt. Es handelt sich um eine besondere Gabe, bei der es nicht nur darum geht, das Getränk zuzubereiten, sondern auch darum, aus dem Kaffeesatz zu lesen. Das fällt ihr beidem Fremden, der sich als Gianluca vorstellt, nicht leicht, denn was sie sieht ist nicht gut. Nur wenig später ist der junge Mann tot. Sofia fühlt sich schuldig, hätte sie etwas verhindern können. Deshalb versucht sie, mehr über den Toten herauszufinden.

Sofia Dalmasso lebt und liebt ihr kleines Café. Die Menschen aus dem Ort schauen bei ihr rein, essen, trinken, reden. Ihre beste Freundin Laura bringt ihr die Post und ist immer für einen Plausch zu haben. Eine Freude ist es Sofia auch zu backen, zu kochen und die Kaffeemaschine zu bedienen. An das mit dem Mokka glaubt sie eigentlich nicht, doch wenn sie richtig liegt, wird es schon so sein sollen. Und wegen des Todesfalls ist Sofia eine Zeugin für den smarten Commissario Alessandro Ranieri, der die Ermittlungen übernommen hat.

Ein Sommer Krimi, der Lust auf Urlaub macht. Wenn Italien noch nicht das Traumland wäre, nach der Lektüre wünscht man sich an den Lago Maggiore, um die schöne Gegend auch im wahren Leben in Augenschein zu nehmen. Man möchte dieses kleine Café besuchen und die Kekse probieren. Vielleicht würde man diesen spannenden Krimi mit seinem sympathischen Personal an einem der Tische lesen. Gegenwart und Vergangenheit treffen durch das Eintreffen des Fremden aufeinander und die typische Reaktion eines Dorfes - man hüllt sich in Schweigen. Nicht nur der Commissario hat es schwer, auch Sofia erhält kaum Antworten. Dennoch geht es nach und nach voran. Dieser Kriminalroman ist eines dieser Bücher, die man immer weiterlesen möchte. Man wünscht sich mehr von Sofia, Alessandro und Laura zu lesen. Eine perfekte Abrundung wäre noch eine Darstellung der so appetitlichen Rezepte.

Veröffentlicht am 17.12.2024

Des Totengräbers Spaten

Flavia de Luce 11 - Des Henkers letzte Mahlzeit
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Flavia de Luce weiß nicht mehr so richtig, wer sie ist. Sie ist nicht mehr wirklich ein Kind, aber erwachsen ist sie noch lange nicht. Und manchmal ist sie einfach froh, wenn sie so tun kann, als sei sie ...

Flavia de Luce weiß nicht mehr so richtig, wer sie ist. Sie ist nicht mehr wirklich ein Kind, aber erwachsen ist sie noch lange nicht. Und manchmal ist sie einfach froh, wenn sie so tun kann, als sei sie noch ein Kind. Dann radelt sie mit Gladys durch die Gegend wie eigentlich immer. Dann wäre sie fast glücklich, gäbe es da nicht den Dorn in ihrer Seite, ihre junge Cousine Undine. Völlig unerwartet gerät ihre Köchin Ms. Mullet unter Mordverdacht. Außer bei den de Luce’ hat sie noch bei einem älteren Herrn ein paar Haushaltsdinge erledigt. Und dieser wurde tot aufgefunden nachdem er Ms. Mullets gebratene Pilze verspeist hat.

Mit einem elften Band über die Abenteuer von Flavia de Luce im England der 1950er war nicht unbedingt zu rechnen, da der Autor doch schon etwas älter ist. Erfreulicherweise gibt es nun diesen elften Band, in dem Flavia die Todesumstände eines ehemaligen Henkers unbedingt aufklären muss, um Ms. Mullet von jedem Verdacht zu befreien. Dabei kann Flavia ihre Fähigkeiten zu chemischen Analysen gut gebrauchen wie die Gespräche mit Dogger, dem Gärtner. Cousine Undine ist in Flavias Augen zwar eine Nervensäge, aber Flavia muss zugeben, dass Undines Ideen ihren eigenen in Nichts nachstehen.

Große Freude bereitet die Ankunft dieses weiteren Bandes um Flavia de Luce in den Regalen des Bücherladens und auch im eigenen Bücherregal. Wie schon vorher angedeutet ist Flavia auf dem Weg zur Jugendlichen. Ihre kindliche Unbeschwertheit ist nicht mehr so gegenwärtig und das merkt sie selbst auch. Das ist sehr einfühlsam beschrieben. Undine scheint quasi in Flavias Fußstapfen zu treten. Vor der Notwendigkeit Ms. Mullet von dem Verdacht zu befreien, tritt dies jedoch in den Hintergrund. Und Faliva muss sich richtig anstrengen. Dabei entdeckt sie zufällig noch ein anders Geheimnis. Gerade letzte Entdeckung ist dermaßen unerwartet und spannend zu lesen, dass einem fast der Atem wegbleibt. Man fragt sich vielleicht, ob das überhaupt sein kann. Aber es gibt die dichterische Freiheit und man ist während der Lektüre richtig gepackt. Auch Ms. Mullets Problem erfährt einige fesselnde Wendungen. Zwar kommt der Abschluss dann etwas plötzlich. Man vermisst das Teekränzchen der Ermittler. Vielleicht aber verspricht gerade dies einen nächsten Band. Die Reihe um Flavia de Luce ist ausgesprochen empfehlenswert.

4,5 Sterne

Veröffentlicht am 29.11.2024

Drehbühne

Löwenherzen
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Ein kleiner Junge möchte gerne zur Schule gehen und ein großer Zauberer werden. Doch er sitzt in Bangladesch an einem Nähtisch und schneidert Stofftiere. Gerade kümmert er sich liebevoll um einen Löwen. ...

Ein kleiner Junge möchte gerne zur Schule gehen und ein großer Zauberer werden. Doch er sitzt in Bangladesch an einem Nähtisch und schneidert Stofftiere. Gerade kümmert er sich liebevoll um einen Löwen. Schnell will er noch das Auge richten, das er etwas schief angenäht hat. Dabei gerät er in ein Zwiegespräch mit seiner Kreation und kommt auf die Idee, dem Löwen einen Brief an Gott in Europa mitzugeben. Dann fängt der Chef an zu drängeln und der Löwe muss auf die Reise gehen, mit seinem schiefen Auge. Und wird sich Anand seine Träume erfüllen können.

Was wird Anands Schicksal sein? Welche Reise wird der Löwe unternehmen. Er ist wohl tatsächlich für Europa bestimmt. Und wie bei einer Bühne, die sich dreht, kommen Emma und ihre Eltern ins Bild. Am Weihnachtsabend sollten sie glücklich zusammensitzen, doch so richtig reden die Eltern nicht mehr. Ganz verstummen sie, als ihre junge Tochter berichtet, im Rahmen eines Schulprojektes solle jeder etwas an arme Kinder verschenken soll. Emma entscheidet, dass sie ihre gesamten Besitztümer hingeben möchte, insbesondere auch den Löwen, Denn man sollte das Verschenken, was man selbst gerne behalten möchte.

Wenn man sich der Autorin mal nähern möchte, einem ihre weiteren Werke doch ein wenig zu voluminös sind, bietet sich hier eine wunderbare Gelegenheit. Bei dem Buch handelt es sich um eine wunderschön bebilderte gedruckte Version eines Theaterstücks für Kinder. Fast bildlich kann man sich vorstellen wie man mit dem Löwen durch die Welt wandert und an seinen Erlebnissen teilhat. Über sehr unterschiedliche Stationen führt sein Weg. Sehr unterschiedliche Kinder sind eben doch überall Kinder. Ihre Phantasie und Vorstellungskraft begeistern, vielleicht weil man sich wünscht selbst mehr so zu sein. Wenn sich der Weg des Löwen mit dem schiefen Auge rundet, ist man ein wenig ergriffen, weil es so schön ist. Manchmal sind gerade die unperfekten Löwen die, die am meisten geliebt werden oder denen am meisten Wunder zugeschrieben werden. Unterstrichen wird die Handlung durch die wirklich berührenden Illustrationen. Gerade am Tablet betrachtet wirkt dies sehr intensiv. Obwohl es sich um ein Theaterstück für Kinder handelt, ist das Buch auch für Erwachsene zu empfehlen.

Veröffentlicht am 24.11.2024

Das schwarze Loch

Miss Merkel: Mord in der Therapie
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Endlich ist die Biografie fertig. Eigentlich sollte Angela froh darüber sein, doch sie ist gereizt. Natürlich ist sie nicht gereizt, wenn sie gefragt wird. Aber sie ist doch gereizt. Keine Aufgabe, kein ...

Endlich ist die Biografie fertig. Eigentlich sollte Angela froh darüber sein, doch sie ist gereizt. Natürlich ist sie nicht gereizt, wenn sie gefragt wird. Aber sie ist doch gereizt. Keine Aufgabe, kein Mord. Irgendwie ist sie in ein schwarzes Loch gefallen. Als ihre Lieben ihr eine Therapie vorschlagen, kommt Angela ins Überlegen, ob ihr Achim nicht vielleicht recht haben könnte So viele Psychologen gibt es nicht in Klein Freudenstadt leider nicht. Es bleibt Angela nichts anderes übrig als an einer Gruppentherapie bei Dr. Fenstermacher teilzunehmen. Wie das Leben so spielt kommt Fensterbach bereits nach der ersten Sitzung bei der Explosion seines Hausboots ums Leben.

Bereits zum vierten Mal treffen wir die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, nachdem sie in Ruhestand gegangen ist. Durch ihre zufälligen Mordermittlungen ist es eher ein Unruhestand. Nun jedoch scheint wirklich eine ruhige Phase zu beginnen. Body Guard Mike und seine Mari wollen heiraten, es gibt keinen Mord und die Biografie ist fertig. Angela hat Zeit nachzudenken. Welche Fehler hat sie in ihrer politischen Laufbahn gemacht? Was hätte sie besser machen können? Ihr fällt eine ganze Menge ein. Und je mehr ihr einfällt, desto gedrückter wird ihre Stimmung. Angela ist ein reflektierter Mensch und deshalb gibt sie der Therapie eine Chance. Zu ihrer Überraschung werden ihr die anderen Teilnehmer vielleicht gerade wegen ihrer Probleme sympathisch.

Wieder toll gelesen von Nana Spier, bei deren Vortrag man gleich das Gefühl hat, wieder zu Hause angekommen zu sein. Es gibt wieder etliche Momente, bei denen Schmunzeln oder Lachen muss. Wenn man das Hörbuch während des Einkaufs hört, kann man in solchen Momenten gleich nochmal lächeln, wenn man sich vorstellt, was die anderen wohl denken. Für Angela geht es dagegen garnicht so gut los. Man bekommt den Eindruck, dass eine Therapie ihr wirklich guttun könnte. Durch den plötzlichen Tod des Therapeuten klappt das natürlich nicht wie geplant. Angelas Spürnase beginnt wieder zu arbeiten. So kennt man Miss Merkel. Mit Freude verfolgt man ihre Ermittlungen, in die alle Bekannten eingebunden sind, die einem in den letzten Jahren lieb geworden sind. Und die Hochzeitsvorbereitungen für Marie und Mike sind jeden Moment des Hörens und Lesens wert. Vielleicht tritt der Fall manchmal etwas in den Hintergrund, aber die vielen kleinen Spitzen und Anspielungen machen das völlig wett. Miss Merkel ist eine Reihe, bei der man sich auf jede Fortsetzung freut.