Schneekristall
Unmöglicher AbschiedDie Autorin Gyeongha träumt schlecht, sie kann nicht mehr aus dem Haus gehen und kaum etwas essen. Familie und Freunde wenden sich von ihr ab, weil sie mit ihrem seltsamen Verhalten nicht umgehen können. ...
Die Autorin Gyeongha träumt schlecht, sie kann nicht mehr aus dem Haus gehen und kaum etwas essen. Familie und Freunde wenden sich von ihr ab, weil sie mit ihrem seltsamen Verhalten nicht umgehen können. Endlich allein geht es Gyeongha ein wenig besser. Allerdings nicht so gut, dass sie Kontakt mit anderen haben möchte. Völlig unerwartet meldet sich ihre Freundin Inseon aus dem Krankenhaus in Seoul. Gleich einem Hilferuf bittet sie Gyeongha auf die Insel Jeju, ihren Wohnort, zu reisen, um den kleinen Vogel zu retten, den Inseon dort hält. Wenn das Tier nicht schnellstens Wasser und Futter bekommt, wird es sterben.
Mit ihrem neuen Roman erinnert die Autorin an ein ausgesprochen schlimmes Massaker, das 1948/49 auf der Insel Jeju verübt wurde. Auch Inseons Familie war davon betroffen. Davon hat sie allerdings nie groß erzählt. Nur kehrte sie vor vier Jahren überraschend auf die Insel zurück, um ihre Mutter zu versorgen. Gyeongha war überrascht, dass Inseon nach dem Tod der Mutter nicht wieder als Filmschaffende gearbeitet hat. Auch wollte Inseon an einem Projekt festhalten, das Gyeongha schon längst ad acta gelegt hatte. Dennoch macht sich Gyeongha ohne groß zu zögern auf den Weg nach Jeju. Durch den immer stärker werdenden Schneefall muss sie sich vorkämpfen.
Die koreanische Autorin Han Kang holt ein Massaker ins Gedächtnis zurück, über das hier wahrscheinlich nicht viel bekannt ist. Doch jedes extreme Unrecht darf nicht vergessen werden. Weder von denen, die über Generationen darunter gelitten haben, noch von denen, die eigene Themen haben, die nicht vergessen werden dürfen und die gleichzeitig auch eine Erinnerung bilden können. Gleichzeitig handelt der Roman von den beiden Freundinnen Gyeongha und Inseon, die sich nach der Ausbildung kennenlernten, und deren Freundschaft Höhen und Tiefen überwand. Doch erst als sie die Reise nach Jeju alleine und im tiefsten Winter unternimmt durchdringt Gyeongha das Leid, das Inseon und ihre Familie geprägt hat. Das ist berührend, aber auch schrecklich zu lesen. Immer wieder muss man sich fragen, wieso Menschen einander so etwas antun können. Gerade in der heutigen Zeit kann es darauf wieder keine Antwort geben, außer dass die Menschen nicht in der Lage zu sein scheinen aus ihren Taten zu lernen. Auch wenn das Ende ein wenig zu offen erscheint, so kann dieser Roman nur allen ans Herz gelegt werden, die vielleicht doch fähig sind, zu reflektieren.