Mein Leben zwischen Sexismus und Autismus. | Zwischen Neurodiversität und gesellschaftlichen Erwartungen: Ein schonungsloser Blick auf Autismus
Doreen Reeck (Übersetzer)
Schon als Teenager wusste Fern Brady, dass sie anders war. Als sie zufällig über Autismus las, wusste sie instinktiv, warum. Hier war die Erklärung für ihre Wahrnehmungsstörungen, ihre Meltdowns, ihre Unfähigkeit, soziale Signale zu deuten. Doch erst mit 34 folgte endlich die befreiende Diagnose. In dieser schonungslos ehrlichen Autobiografie erzählt sie ohne Rücksicht und mit dem ihr eigenen Witz von Neurodiversität zwischen Sexismus und Ableismus und ihrem offenen Umgang damit.
»Geistreich, trocken und scharfsichtig - ein notwendiges Korrektiv in einer Welt, in der autistische Frauen entweder als ruhig und gefügig abgestempelt oder gänzlich ignoriert werden.« Devon Price,
Unmasking Autism
Storytime: Als wir 2022 in Schottland waren, hatten wir in Inverness einen besonders verregneten Tag erwischt. Wir kuschelten uns ein und zappten durch das britische Fernsehprogramm. Wir blieben bei einer ...
Storytime: Als wir 2022 in Schottland waren, hatten wir in Inverness einen besonders verregneten Tag erwischt. Wir kuschelten uns ein und zappten durch das britische Fernsehprogramm. Wir blieben bei einer Show namens "Taskmaster" hängen, in der Comedians bekloppte Aufgaben erfüllen und sich dem Urteil des namensgebenden Taskmasters unterwerfen mussten. Neulich fiel mir die Sendung wieder ein und wir stellten fest, dass alle Staffeln auf Youtube verfügbar sind. Was macht also der binge-süchtige Nerd von heute? Richtig, wir haben alle 15 Staffeln in ca. 3 Wochen durchgesuchtet. Hat es uns noch bekloppter gemacht? Ja, aber Hausarbeit macht plötzlich viel mehr Spaß.
Jedenfalls: Fern Brady hat uns in Staffel 14 (Ende 2022) stark fasziniert und der beste Ehemann von allen überraschte mich letztes Jahr mit ihrer Biografie. Jetzt kam ich endlich dazu, sie zu lesen.
Die arme Fern hat eine besonders unschöne Ausprägung von Autismus erwischt: Sie zerstört während ihrer Meltdowns nämlich gerne mal die Einrichtung. Das ist sehr gruselig und niemand kann ihr helfen oder Erklärungen liefern - selbst nach ihrer Diagnose nicht. Da ihre Eltern mit Fern nicht viel anfangen können, sobald sie ihren eigenen Kopf entwickelt, werfen sie sie raus. Das Buch beschäftigt sich größtenteils mit ihrer Zeit an der Uni, die wohl die krasseste Zeit ihres Lebens war - tagsüber Uni, dann Stand-up-Gigs, zur Lebensfinanzierung nachts als Stripperin arbeiten, einen kleinen Nervenzusammenbruch zum Tagesschluss und es geht von vorne los. Da wären auch Nicht-Autisten verrückt geworden.
Das Buch war nicht so hilfreich wie andere Titel der letzten Wochen und streckenweise ziemlich deprimierend - falls ich die Frau je treffe, werde ich sie wohl mal feste drücken müssen - aber als Stand-up ist ihre Waffe natürlich Humor und so wird das Elend erträglich. Aber einen unschlagbaren Vorteil bietet es natürlich: Andere mit ähnlichen Problemen werden sich weniger allein fühlen. Und das ist das wirklich wichtige bei dieser immer noch unerforschten und vielfältigen Krankheit.
Strong Female Character ist ein autobiografisches Buch. Die Autorin Fern Brady beschreibt ihren Werdegang bis zu einer Diagnose, die sie erst mit 34 Jahren erhält. Aber schon länger hat sie im Gefühl, ...
Strong Female Character ist ein autobiografisches Buch. Die Autorin Fern Brady beschreibt ihren Werdegang bis zu einer Diagnose, die sie erst mit 34 Jahren erhält. Aber schon länger hat sie im Gefühl, dass es Autismus sein könnte. Das Buch beginnt mit der bestätigten Diagnose und man spürt direkt, wie gut es Fern tut, endlich zu wissen, dass es das ist, was sie schon immer erahnt hat und weiß, wie sie jetzt vielleicht besser damit umgehen kann. Fern beschreibt ihre Geschichte sehr intensiv und humorvoll. Man erfährt vieles aus ihrer Kindheit und über die Familiendynamik, die wirklich erschreckend ist und mich sehr oft den Kopf schütteln lassen hat. Vor allem die Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter ist sehr traurig. Da Fern nie ernstgenommen und schlecht behandelt wird. Gab da auch einige Momente, in denen ich sehr wütend wurde und mein Mutterherz geblutet hat, da ich nicht verstehen kann, wie man so mit seinem Kind umgehen kann. Es ist allgemein erschreckend, was Fern für Erlebnisse in ihrem Leben hatte und was sie alles durchstehen musste. So viel Schmerz und Missverständnisse.
Ich fand es außerdem extrem spannend, mehr über Autismus zu erfahren, was die Gedankengänge sind und auch welche Symptome es bei Frauen geben kann. Denn die Entwicklungsstörung äußert sich anders als bei Männern - was die Ärzte nicht sehen, da sie einfach alle über einen Kamm scheren, sodass es 34 Jahre braucht bis Fern weiß, warum sie solche Gedankengänge hat.
Bei ihr äußert sich der Autismus so: Sie kann nicht lügen und auch nicht verstehen, wie andere das tun können. Sie arbeitet gegen sich und muss eine Maske aufsetzen, um in der Gesellschaft irgendwie als normal angesehen zu werden. Sie kopiert das Verhalten anderer Menschen und manchmal ist es für sie schwer zu wissen, wie sie auf etwas reagieren soll. Denn die Gesellschaft gibt meist vor, was normal ist und wie man auf bestimmte Situationen reagiert…
Auch Sexismus erfährt Fern nicht gerade selten.
Mir hat das Buch sehr gefallen. Es war gut zu lesen und hat einen auf jeden Fall zum nachdenken angeregt und ich finde es schön, jetzt mehr über Autismus zu wissen.
Es sensibilisiert einen auf eine gewisse Art und Weise. Das Buch hat aber auch Momente, in den einfach der Mund offen stehen bleibt.
Ich würde das Buch jedem weiterempfehlen, der gerne mehr über Autismus lernen möchte, etwas lesen will über Feminismus und Sexismus. Das Thema Feminismus könnte dabei aber noch etwas stärker behandelt werden. Trotzdem wirklich ein gutes Buch, das auf eine gewisse Art Spaß gemacht hat, da Fern eine humorvolle Art hat.
Inhalt: In diesem Buch beschreibt die Autorin ungeschönt und mit klaren ehrlichen Worten ihr bisheriges Leben - ausgehend von ihrer Autimus Diagnose.
Meine Meinung: ich habe das Buch super schnell weggelesen. ...
Inhalt: In diesem Buch beschreibt die Autorin ungeschönt und mit klaren ehrlichen Worten ihr bisheriges Leben - ausgehend von ihrer Autimus Diagnose.
Meine Meinung: ich habe das Buch super schnell weggelesen. Gerade den Anfang mit der Diagnose und den Anpassungen an die Welt fand ich sehr sehr spannend. Diese Innensicht hat mein Verständnis auf jeden Fall erweitert und mich dahingehend sensibler gemacht.
Die Handlung selber ist schwer zu bewerten. Immerhin ist es das Leben der Autorin. Ich hätte mir aber vielleicht mehr Einordnung gewünscht.
Die Personen im Buch kamen mir insgesamt sehr fern vor. Da es sich um eine Biographie handelt, können die Sichten der anderen natürlich aber nicht so genau beschrieben werden. Gerade bei den Familiendynamiken hätte ich gerne auch die Gefühle und Herausforderungen der anderen näher kennengelernt.
Die Themen "Feminismus" und "Sexismus" kamen mir allerdings zu kurz. Hier bleibt das Buch hinter meinen Erwartungen zurück.
Fazit: toll lesbar, interessant für alle neurodivergenten Hirne und solche, die diese besser nachvollziehen möchten.
Von Strong Female Character habe ich schon durch meinen Partner gehört und ich war direkt interessiert.
Autismus gerade bei Erwachsenen (genau wie ADHS) ist so ein wichtiges Thema und es ist erschreckend ...
Von Strong Female Character habe ich schon durch meinen Partner gehört und ich war direkt interessiert.
Autismus gerade bei Erwachsenen (genau wie ADHS) ist so ein wichtiges Thema und es ist erschreckend immer wieder zu sehen was für einen langen Werdegang soviele Leute haben bis sie diagnostiziert werden (ich fühle das leider sehr) und Fern Brady hat da auch sehr lange mit sich gehadert. Irgendwie wusste sie es, aber irgendwie wollte sie es auch nicht richtig wahrhaben.
Und ich verstehe die Angst nicht 'anders' sein zu wollen, sondern eher dazuzugehören zu wollen, aber im Endeffekt hat man auf sowas in den seltensten Fällen kompletten Einfluss drauf und gerade bei Autismus kommt eben auch viel dazu, dass man eben nicht versteht, wenn Leute nicht ehrlich und direkt sind.
Dass Fern aus der Comedy-Branche kommt, merkt man sehr schnell. Zugegebenerweise fand ich manche Dinge ein wenig zu überspitzt und schwierig zu lesen, also eher schwierig von der Art und Weise wie es geschrieben ist. Das kann aber auch einfach auf die deutsche Übersetzung zurück zu führen zu sein. Oder eben darauf, dass sie eben aus der trockenen Comedybranche kommt.
Auch finde ich werden in dem Buch sehr stark die Unterschiede deutlich wie unterschiedlich sich Autismus bei Menschen ausprägt, ich habe Freunde und Bekannte, da hat sich das komplett anders geäußert, wirklich eine ganz andere Richtung. Besonders das Möbel kaputtschlagen hat mich nicht mehr losgelassen, weil das etwas so spezifisches ist, wa sich sonst auch noch nie bei wem gehört habe.
Das ganze Buch war eine sehr spannende Reise und ich bin froh, dass ich es gelesen habe und ich habe eine Wut in mir, das soft Frauen mit Autismus nicht zugehört wird, das einfach auf Hormone oder „sensibel“ geschoben wird, anstatt vernünftige Untersuchung zu machen. Das Buch zeigt aber auch wie wichtig es ist Menschen in seinem direkten Umfeld zu haben, die mit einem umzugehen wissen und einem mit Dingen helfen können. Mich hat nun vieles nachdenklich gestimmt und es wird Zeit, dass ich mich selbst mal auf ein paar Dinge testen lasse, bringt ja nichts das alles nur mit sich rumzuschleppen.
Fern Brady erzählt in ihrer Autobiografie Mein Leben zwischen Sexismus und Autismus die bewegende Geschichte ihres Lebens als neurodivergente Frau, die vor allem durch die erst sehr spät erfolgende Diagnose ...
Fern Brady erzählt in ihrer Autobiografie Mein Leben zwischen Sexismus und Autismus die bewegende Geschichte ihres Lebens als neurodivergente Frau, die vor allem durch die erst sehr spät erfolgende Diagnose geprägt ist. Ohne Umschweife beleuchtet Brady ihre Erfahrungen zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und den Herausforderungen von Autismus. Mit ihrer ganz eigenen Mischung aus Humor und Bitterkeit gewährt sie einen tiefen Einblick in ihr Leben und gibt dem Leser neue Perspektiven auf Neurodivergenz und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Frauen.
Brady gelingt es auf eindrucksvolle Weise, die Schwierigkeiten und Missverständnisse, die das Leben einer autistischen Person prägen, lebendig und greifbar zu machen. Besonders hervorzuheben ist die Darstellung, wie alltägliche soziale Interaktionen für sie zu einer Art „Übung" werden – wie eine Schülerin, die ständig an „Hausaufgaben" arbeiten muss, um mit der neurotypischen Welt zu interagieren. Die Autorin beschreibt ihre Reizüberflutung und die ständige Anstrengung, soziale Signale zu deuten, als etwas, das für autistische Menschen oft überwältigend und erschöpfend ist. In dieser Weise wird der oft theoretische Begriff von Autismus so anschaulich, dass ich mein Verständnis für die täglichen Herausforderungen deutlich erweitern konnte. Ein wiederkehrendes Bild, das Brady einführt, ist das Gefühl des „Falschseins" – eine konstante Unsicherheit, die sie seit ihrer Kindheit begleitet:
„Seit ich drei oder vier Jahre alt war, verfolgte mich ein Gefühl, das ich nicht in Worte fassen konnte. Es war ein Unbehagen, ein Eindruck von Falschsein und drohendem Unheil. In meinem kindlichen Kopf nannte ich es ‚Das schlechte Gefühl des Lebens‘."
Diese ständige Angst, gepaart mit der Unfähigkeit, sich mitzuteilen, zeigt, wie isoliert sich viele autistische Menschen in einer Welt fühlen können, die nicht für sie gemacht ist.
Besonders berührend ist die Darstellung ihrer Kindheit, die von Isolation und Missverständnissen geprägt ist. Fern fühlt sich nicht nur von ihren Mitschülern, sondern auch von ihrer Familie entfremdet. Das Gefühl, „nicht richtig zu sein", wird von der strengen katholischen Erziehung ihrer Eltern noch verstärkt, was ihr Leben zusätzlich erschwert. Sie beschreibt, wie der Katholizismus ihr die Last von „moralischer Richtigkeit" auferlegte, die in ihrer Kindheit und Jugend als erdrückend empfunden wurde. Ihre Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern, insbesondere zu ihrer Großmutter, sind ebenfalls von Entfremdung geprägt.
Ein weiterer zentraler Teil des Buches sind die Beziehungen, die sie mit anderen Menschen eingeht, sei es mit Freundinnen, die sie kaum finden konnte, oder mit Männern wie John. Dieser wird von Brady als „exzentrisch, selbstsüchtig, leider attraktiv" beschrieben. Seine protestantische Familie mit ihren absurden Normen (darunter bizarre Anekdoten über Nekrophilie) wird dabei zur Karikatur einer Gesellschaft, die Brady selbst kaum versteht.
Brady führt auch aus, dass ihre weibliche Autismus-Erfahrung sie von den traditionellen Erwartungen an Frauen befreite. Erst als sie begann, autistische Frauen zu bewundern, die diese Perspektive ebenfalls teilten, konnte sie das Label „Autismus" positiv annehmen. Diese Frauen eröffneten ihr eine neue Sichtweise auf Autismus als eine Möglichkeit, den traditionellen Rollenmustern für Frauen zu entkommen.
Sexualität spielt eine wesentliche Rolle in diesem Buch, und Brady spricht mit bemerkenswerter Offenheit über ihre sexuellen und partnerschaftlichen Erfahrungen. Diese sind zwar äußerst freizügig und befreien sie von traditionellen gesellschaftlichen Normen, doch nicht alle Erfahrungen verlaufen positiv. Ihre Freude am Sex steht im starken Gegensatz zu den gesellschaftlichen Erwartungen an Keuschheit und soziale Anerkennung, doch manchmal hinterlässt diese Freiheit auch Narben. Sie beschreibt, wie sie, ohne Angst vor Konsequenzen, einer Art „Rudelverhalten" der neurotypischen Mehrheit entgegengesetzt war, die weiter für stigmatisierende Erfahrungen sorgte. Auch ihre Beziehungen, insbesondere zu John, zeigen, wie schwierig es für sie sein kann, zwischen sexuellen Bedürfnissen und emotionalen Anforderungen in einer Partnerschaft zu navigieren.
„Mein Leben zwischen Sexismus und Autismus“ ist ein kraftvolles und aufschlussreiches Buch, das nicht nur die persönlichen Erfahrungen einer autistischen Frau beleuchtet, sondern auch einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Normen wirft, die Frauen in ihrem Leben einengen. Die Erzählweise ist dabei sowohl humorvoll als auch tiefgründig, was dem Buch eine besondere Dynamik verleiht. Die Mischung aus persönlichen Erlebnissen und gesellschaftskritischer Reflexion sorgt für einen fesselnden Lesefluss.
Obwohl das Buch mit seiner Mischung aus Witz und Bitterkeit überzeugt, fällt es stellenweise schwer, der Erzählweise zu folgen, da sie teils sprunghaft wirkt. Dies könnte bewusst als stilistisches Mittel gewählt worden sein, doch es erfordert einige Anpassung des Lesers an den Erzählfluss. Insgesamt gebe ich dem Buch vier von fünf Sternen. Es lohnt sich besonders für Leser, die sich für Themen wie Neurodivergenz, feministische Perspektiven und die Vielfalt an sexuellen sowie partnerschaftlichen Erfahrungen interessieren.