Profilbild von sonice2readyou

sonice2readyou

Lesejury-Mitglied
offline

sonice2readyou ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sonice2readyou über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.12.2024

Dem einsamen ist der freiwillige Untergang wie eine Heimkehr zu sich selbst (Karl Jaspers)

Gute Gründe
2

Yael befindet sich wegen Depression in Therapie und wollte ihrem Leben vor kurzem ein Ende setzen. Sie wird im Anschluss an „die Sache“, wie der Suizidversuch zu Beginn des Buches häufiger bezeichnet wird, ...

Yael befindet sich wegen Depression in Therapie und wollte ihrem Leben vor kurzem ein Ende setzen. Sie wird im Anschluss an „die Sache“, wie der Suizidversuch zu Beginn des Buches häufiger bezeichnet wird, nicht stationär aufgenommen, sondern bleibt ambulant in Behandlung. Ihre Schwester Liora möchte sich um sie kümmern.

Im Laufe des Buches erfährt der Leser durch häufige Rückblenden Details aus Yaels Vergangenheit. Diese betreffen vorrangig ihre Familiengeschichte: Die enge Bindung zu ihrer Mutter und ihrer Großmutter, die Beziehungen zu ihrem Vater und ihrer älteren Schwester Liora. Gelegentlich erhält man auch Einblicke in Yaels jüdischen Glauben, für mich sehr bereichernd und horizonterweiternd.

In den Rückblicken tauchen auch bestimmte Personen und Momente auf, die Yael in besonderer Erinnerung geblieben sind. Zu nennen ist u.a. ihr (Ex-) Partner, der laut eigener Aussage „normalerweise nur dünne Frauen mag“ oder ihre Ballettlehrerin, die Yael als junges Mädchen für die Hauptrolle eigentlich für etwas zu moppelig hält. In jedem Fall hat Yael schon viel mitgemacht und im Verlauf des Buches wunderte es mich irgendwann nicht mehr, dass sie an Depression erkrankt ist und wieder gute Gründe braucht, um „Ja“ zum Leben zu sagen.

Obwohl die Thematik eine gewisse Schwere mit sich bringt, konnte ich das Buch flüssig und ohne größere Pausen lesen. Dazu trägt maßgeblich Yaels sarkastischer Humor bei, der mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat. Die Stimmung wird dadurch nicht zu melancholisch. Außerdem vermittelt das Buch auch ein Gefühl familiärer Wärme, weil sich Yael und ihre Schwester Liora sehr nahestehen und Lioras Kinder zu Yael eine unglaublich schöne und innige Beziehung haben.

Das Buch zeigt die unterschiedlichen Facetten der Krankheit auf, ohne dabei zum Sachbuch zu werden. Yael leidet u.a. an Schlaf- und Appetitlosigkeit, Blackout-Trost-Konsum, Gefühllosigkeit u.v.m.
Das Buch bricht mit den üblichen Klischees und zeigt, dass Depression nicht bedeuten muss, den ganzen Tag weinend im Bett zu liegen. Man sieht den Menschen oft nicht an, wie es in ihnen aussieht. Depression hat viele Gesichter, die auf andere durchaus fröhlich und lebensfroh wirken können.

Die vielen Rückblenden zwischendurch haben es mir nicht immer leicht gemacht, eine geistige Timeline zu erstellen. Allerdings muss man die Ereignisse nicht zwingend chronologisch ordnen, um nachvollziehen zu können, was sie in Yael ausgelöst haben. Allredings wird der Lesefluss dadurch stellenweise unterbrochen. Ich hatte das Gefühl, dass die vielen Sequenzen und Rückblenden Yaels inneres Gedankenchaos widerspiegeln sollten.

Meiner Meinung nach trägt das Buch zur Entstigmatisierung psychischer Krankheiten bei und beleuchtet sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln, ohne dass der Leser am Ende traurig oder melancholisch zurückgelassen wird.

Bleibt nur noch die Frage, ob der Titel des Buches auf "gute Gründe" für den Suizidversuch verweist oder auf "gute Gründe", für die es sich lohnt, zu leben. Beides wäre passend.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 21.11.2024

Zack! Herz drangehängt - eine berührende Geschichte

Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen
0

Das Buch erzählt parallel die Geschichten von Gillian (Gilly) und Pippa. Gillys Geschichte spielt in der Gegenwart. Sie ist 30 Jahre alt und in ihrem Leben befindet sich einiges im Umbruch. Neben beruflichen ...

Das Buch erzählt parallel die Geschichten von Gillian (Gilly) und Pippa. Gillys Geschichte spielt in der Gegenwart. Sie ist 30 Jahre alt und in ihrem Leben befindet sich einiges im Umbruch. Neben beruflichen Neuausrichtungen hat sie sich gerade von ihrem langjährigen Freund getrennt und so zieht sie in eine neue Wohnung. Diese zu finden, war auf dem angespannten Londoner Wohnungsmarkt nicht gerade einfach. Kurz nach ihrem Einzug erhält sie dann auch noch die Mitteilung, dass das gesamte Haus veräußert werden soll, sodass absehbar wird, dass Gilly eine neue Wohnung suchen muss, während sie eigentlich damit beschäftigt ist, für sich herauszufinden, was ihre Ziele im Leben sind und wo sie gerade steht. In ihrer Hausgemeinschaft knüpft sie neue Bekanntschaften und baut neue Beziehungen unterschiedlicher Art auf.

Pippas Geschichte spielt in den 70er Jahren. Sie ist ein Mädchen aus gut situiertem Hause. Ihr Vater ist Politiker, ihr Bruder eifert ihm nach. Die Bedürfnisse ihrer Mutter scheinen dabei auf der Strecke zu bleiben, spielen der Zeit entsprechend aber auch eine eher untergeordnete Rolle. Das Frauenbild der 70er wird in der Geschichte immer wieder deutlich. Durch eine zufällige Begegnung lernt Pippa Oz kennen. Er gibt ein Konzert in London und ist der Punkbewegung zugehörig. Er lebt in einem besetzten Haus, kleidet sich mit Lederjacke und zerrissenen Jeans und spiegelt alles wider, was Pippas Vater und Bruder verachten. Verständlich, dass Pippa und Oz ihre Liebe geheim halten. Doch Pippas Wunsch nach Freiheit und einer nach außen gelebten Beziehung wird zunehmend größer. Kurz bevor sie sich entscheidet, ihren Eltern von ihrer großen Liebe zu berichten, geschieht Unglaubliches.

Beide Geschichten haben mich auf ihre Art berührt und in den Bann gezogen, wobei mein emotionales Gefühlschaos bei Pippas Geschichte doch etwas größer war. Ich ertappte mich dabei, wie ich in den Abschnitten der Gegenwart hin und wieder vorblätterte, um zu sehen, wann Pippas Geschichte weitergeht. Ihre Geschichte hat so viele Emotionen in mir ausgelöst: Das Gefühl von Freiheit, aber auch von Enge, das wunderbare Gefühl des Verliebtseins, aber auch den Schmerz des Verlusts.

Am Ende des Buches werden beide Geschichten zusammengeführt. Und auch wenn das Ende zu erahnen war, war es deshalb nicht weniger emotional. Ich hatte Tränen in den Augen und musste die Geschichte erst einmal sacken lassen, nachdem ich das Buch beendet hatte.

Die Autorin hat einen flüssigen Schreibstil und hat die Geschichte unglaublich lebhaft und authentisch erzählt, sodass sie mehrfach Gänsehaut bei mir auslöste.

Einen Stern Abzug gebe ich nur deshalb, weil mich Gillians Geschichte nicht voll und ganz überzeugt hat. Zu Gillian fehlte mir stellenweise der Zugang. Mit ihrer Unsicherheit und Desorientierung konnte ich nicht immer etwas anfangen. Außerdem fehlte mir bei ihrer Geschichte etwas der Spannungsbogen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2024

Pflichtlektüre

Die Methode AfD
0

Die Methode AfD ist aktueller denn je und meiner Meinung nach Pflichtlektüre für jeden, der unseren Rechtsstaat verteidigen möchte. Das Buch liest sich flüssig. Besonders hat mir gefallen, dass Interviews ...

Die Methode AfD ist aktueller denn je und meiner Meinung nach Pflichtlektüre für jeden, der unseren Rechtsstaat verteidigen möchte. Das Buch liest sich flüssig. Besonders hat mir gefallen, dass Interviews mit Aussteigern darin verarbeitet werden. In erschreckender Klarheit wird aufgezeigt, wie tief die Machtstrukturen gehen und wie es die AfD geschafft hat, ihre Funktionäre an wirklich wichtige Positionen in Institutionen aller drei Gewalten zu bringen und so Einfluss zu nehmen. Die tiefe Spaltung innerhalb der Partei birgt in mir etwas Hoffnung. Sie führt vielleicht eines Tages dazu, dass sich die Partei von innen heraus selbst zerstört.
Ein bisschen Melancholie bleibt trotzdem, denn auch die Autoren können letztlich keine klaren Empfehlungen aussprechen, wie man der Partei am besten Herr werden kann. Offener Diskurs über die politischen Inhalte? Oder doch lieber pure Ignoranz, um ihnen nicht die große Bühne zu bieten, die sie begehren?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.12.2024

Abgebrochen

Macht
0

Das Buch handelt von einem unheimlich wichtigen Thema: Es geht um sexuelle Selbstbestimmung, um das Frauenbild in der Gesellschaft, um das Patriarchat - Deshalb hat mich der Klappentext anfangs neugierig ...

Das Buch handelt von einem unheimlich wichtigen Thema: Es geht um sexuelle Selbstbestimmung, um das Frauenbild in der Gesellschaft, um das Patriarchat - Deshalb hat mich der Klappentext anfangs neugierig gemacht. Außerdem fand ich das Cover sehr passend. Die Scherbe steht für mich für das, was ein Mann nach so einem Übergriff hinterlässt.

Leider fand ich überhaupt nicht in die Geschichte. Die Protagonistin lässt die Lesenden an ihrer (ziemlich wirren) Gedankenwelt teilhaben, redet aber konstant um den heißen Brei. Die Vergewaltigung, die ihr in jungen Jahren wiederfuhr, ist immer "das Eklige" oder "die Sache" oder einfach "es". Wie es überhaupt zu dem Vorfall kam, wird in winzigen Fragmenten geschildert, die die Lesenden irgendwie selbst zu einem ganzen Puzzle zusammensetzen müssen.

Außerdem fiel es mir unglaublich schwer, mich in die liv hineinzuversetzen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass selbst ihre engsten Vertrauten von der Vergewaltigung nicht erfahren sollen. Sie möchte den Vorfall verdrängen, nicht das Opfer sein, aber gleichzeitig versucht, sie zu verarbeiten. Klar, wenn man selbst nie in der Situation war, kann man kaum beurteilen, wie man selbst damit umgehen würde. Aber ihr Verhalten und ihre Gedanken lagen mir so fern, dass ich weder mit ihr als Protagonistin, noch mit der Geschichte insgesamt, warm werden konnte.

Daher habe ich ca. nach der Hälfte abgebrochen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2024

Klischees, Klischees, Klischees

Unterleuten
0

Das Buch Unterleuten handelt von einem gleichnamigen 200 Seelen Dorf in Brandenburg. Nach außen handelt es sich um ein kleines idyllisches Dorf, doch schnell wird klar, dass der Schein trügt. Die Bewohner*innen ...

Das Buch Unterleuten handelt von einem gleichnamigen 200 Seelen Dorf in Brandenburg. Nach außen handelt es sich um ein kleines idyllisches Dorf, doch schnell wird klar, dass der Schein trügt. Die Bewohner*innen des Dorfes tragen untereinander die verschiedensten Konflikte aus. Das soziale Gefüge gerät endgültig aus den Fugen, als ein Großinvestor die Errichtung eines Windparks in dem kleinen Dorf plant. Sofort beginnt das große Hauen und Stechen und jeder ist dabei auf den eigenen Vorteil bedacht. Während die Vogelschützer die Errichtung des Windparks um jeden Preis verhindern wollen, wähnen andere Leute großen Profit. Aus Feinden werden plötzlich Freunde, aus Freunden Feinden. Allianzen werden geschmiedet und gleichzeitig wird die Vergangenheit immer wieder aufgerollt.

Der Aufbau des Buches geiel mir: Das Buch ist in sechs Abschnitte unterteilt und diese wiederum gliedern sich in mehrere kurze Kapitel, die jeweils aus Sicht der unterschiedlichen Dorfbewohner erzählt werden. Obwohl diese Gestaltung bei mir üblicherweise für einen tollen Lesefluss sorgt, las sich das Buch für mich ziemlich stockend und zäh. Denn die Begeisterung der übrigen Rezensierenden kann ich leider nicht teilen. Meiner Meinung nach werden hier schlicht jegliche Klischees über das Dorfleben abgebildet. Ich habe so oft mit den Augen gerollt, weil die Darstellung der Charaktere so vorhersehbar war. Da waren die zugezogenen Städter, die von den Alteingesessenen zunächst komisch beäugt wurden und die so manches im Dorf umkrempeln wollten. Und dann waren da die Alteingesessenen, die ihre Streitigkeiten (die vor Jahrzehnten entstanden sind und nie gelöst wurden) lieber unter sich klären. Jeder der Alteingesessenen hatte seine persönliche Geschichte mit den anderen Dorfbewohnern. Und jeder ist auf seinen Vorteil bedacht, möchte aber niemandem etwas schuldig sein.

Natürlich hat auch jeder eine Meinung über die anderen Personen im Dorf und in der Regel rührt diese Meinung aus einer Menge Vorurteilen und Irrtümern her, die sich in Wahrheit als falsch entpuppen. Man kann den Roman sicherlich als gesellschaftskritisches und literarisches Kunstwerk betrachten. Ich (die zeitweise in der Stadt und zeitweise auf dem Land gelebt hat) finde aber, dass hier schlicht eine Reihe von Dorfklischees bedient wird und die Wahrheit vielfach eine Andere ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere