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Veröffentlicht am 10.12.2024

Wenn Liebe an der Wirklichkeit zerbricht

Zwei Federn
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Zwei Federn ist der Name eines Kriegers vom Stamm der Choctaw. Seine Wissbegierde und Lust aufs Lernen führen dazu, dass sein Vater ihm bei einem befreundeten Cherokee, der sich an das Leben der Weißen ...

Zwei Federn ist der Name eines Kriegers vom Stamm der Choctaw. Seine Wissbegierde und Lust aufs Lernen führen dazu, dass sein Vater ihm bei einem befreundeten Cherokee, der sich an das Leben der Weißen angepasst hat, eine Schulbildung ermöglicht. Sein angepasster Name wird Gideon. Gideon wird als junger Schiftsteller in den 1840er Jahren dazu ausgewählt, den hungernden irischen Bauern eine Geldhilfe seines Stammes zu überbringen. Dabei lernt er Amy kennen und lieben. Sie wird seine Frau und auch sie schreibt und forscht nach alten Pflanzen und Heilkräutern. Zwei Federn ist damit der absolut passende Name für das junge Paar und es scheint ihnen vorbestimmt, zueinander gefunden zu haben.

Das ist die Handlung, die in der Vergangenheit spielt. Es gibt aber auch eine parallele, ganz aktuelle Handlung , die 2019 beginnt, über die Corona-Jahre hinweg reicht und auch aktuelle Geschehnisse in diesem Erzählstrang verarbeitet. Hier treffen zwei weitläufig miteinander verwandte Abkömmlinge dieser beiden, Bridget und Rian, aufeinander und beschließen, gemeinsam die Geschichte von Amy und Gideon aufzuarbeiten.

Amy hatte ihren Mann nach Nordamerika begleitet, nachdem ihr Leben durch die Hungersnot in Irland keine Basis mehr hatte. Die beiden lebten in Städten und waren erfolgreiche Schriftsteller, ihre Verbindung wurde zu Anfang von Medien und den tonangebenden Kreisen begrüßt und für gut befunden. Nach mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen der Siedler mit den Ureinwohnern änderte sich die Sicht auf diese Verbindung grundlegend. Nun war es plötzlich ein Skandal und nicht mehr gutzuheißen. Amy und Gideon fanden den mittlerweile vertriebenen Stamm der Choctaw nach einem wochenlangen Fußmarsch wieder. Für Amy scheint diese fremde Kultur ein großes Abenteuer zu sein, wissbegierig befragt sie die Frauen des Stammes und lässt sich in die Heilkunde der Choctaw einführen. Den Stammesälteren, die mittlerweile mit den Zuwanderern aus Europa schlechte Erfahrungen gemacht haben, sind nicht immer von ihr angetan.

Amy und Gideon verlieren ihr gemeinsames Kind und mit diesem Verlust können beide nicht umgehen. Gideon reagiert darauf mit einer Schreibblockade, Amy flüchtet sich in die Arbeit und so leben sie sich auseinander.

Amy hat glücklicherweise ihren Schriftwechsel über ihr ganzes Leben gesammelt. Ihre Manuskripte, ihre Briefe, alles das hat sie in ihrem letzten Lebensjahr in Sicherheit gebracht und dieser Schriftwechsel dient nun Bridget und Rian als Basis für ihre Nachforschungen.

Das Buch ist wie ein Puzzle, aber man kann nicht sicher sein, dass es auch vollständig ist. An den unwahrscheinlichsten Stellen tauchen auf einmal neue Teile des Puzzles auf und ergeben dann wieder ein ganz neues Bild und neue Erkenntnisse. Die Zeit vor der Abreise Amys nach Nordamerika kann so sehr gut rekonstruiert werden und sie lässt uns manchmal das Blut in den Adern gefrieren, wenn man die Beschreibungen der verhungernden Menschen liest und die Hartherzigkeit der Engländer, aber auch mancher irischer Landsleute erkennen muss.

Die Autoren haben in diesem Buch ganz viele Themen angesprochen, von denen ich tatsächlich hier nur ganz wenige herausgegriffen habe. Emanzipation der Frauen und Aufgehen in neuen Kulturen, um dann letztendlich doch nicht akzeptiert zu werden sind nur zwei der nicht beachteten Aspekte. Diese Liste könnte fortgesetzt werden.

Es ist der erste Teil einer Trilogie und so verwundert es nicht, dass wir zwar die Lebensgeschichte von Amy und Gideon rekonstruieren können, dass aber mindestens genau so viele Fragen offenbleiben. Was war damals mit Amys Vater passiert? Wieso kam er von seiner letzten Dienstreise nicht zurück. Was passierte nach Colins Tod mit dem Unternehmen, war sein Sohn schon in der Lage in seine Fußstapfen zu treten? Ich könnte hier noch mindestens fünf weitere Fragen anschließen, will aber nicht zu viel vorwegnehmen und bin sicher, im nächsten Band werden wir darauf die Antworten erhalten.

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Veröffentlicht am 06.12.2024

Frauenfreundschaft unter schwierigen Bedingungen

La Louisiane
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Den Einband ziert ein seitenverkehrtes Bild von Eugène Delacroix „Jeune orpheline au cimitière“, das auf mich sehr aufmerksamkeitsstark wirkte, auch wenn es mit unserem Thema nicht unbedingt etwas zu tun ...

Den Einband ziert ein seitenverkehrtes Bild von Eugène Delacroix „Jeune orpheline au cimitière“, das auf mich sehr aufmerksamkeitsstark wirkte, auch wenn es mit unserem Thema nicht unbedingt etwas zu tun hat. Aber vielleicht kann man sich die Frauen dieser Zeit in etwa so vorstellen.

Das Buch handelt von Frauen, die aus der großen Heil- und Pflegeanstalt La Salpetrière ausgewählt werden, um nach Louisiana, der französischen Kolonie in Nordamerika verschifft zu werden, dort zu heiraten und den Fortbestand der französischen Kolonie zu sichern. Wir begleiten sie in ihren letzten Tagen in Paris, bei ihrer Einschiffung auf der „Baleine“, dem Schiff, das sie über die Loire ans Meer und dann über den Ozean bringen soll. Wir sind dabei, als sie in der Karibik von Piraten überfallen werden, und wir werden Zeuge ihrer Ankunft in Biloxi, dem Hafen in Louisiana, von dem es dann nach Nouvelle Orléans oder nach Norden weitergeht. Ich war erstaunt, wie weit sich die französische Kolonie damals erstreckte und hatte mir auch wenig Gedanken über die noch dort lebenden Ureinwohner gemacht, von denen wir im Buch die Natchez und Illinois ein wenig kennenlernen dürfen. Das Buch ist gut recherchiert, laut Julie Malye haben die Recherchen 10 Jahre Zeit in Anspruch genommen, darüber hinaus Reisen in die Region und unzählige Gespräche und E-Mails mit Fachleuten.

Vier dieser Frauen freunden sich auf der langen Überfahrt über den Atlantik an und versuchen auch nach der Ankunft, sich nicht aus den Augen zu verlieren. Lediglich von Étienette ist später nicht mehr die Rede, es scheint sie weiter in den Norden verschlagen zu haben.

Für die Ausreise auserwählt zu werden ist die erste Hürde zu einem etwas freieren Leben und mehr Selbstbestimmung. Dennoch hat diese Selbstbestimmung ganz enge Grenzen und ist meistens an einen Ehemann gebunden. Am Beispiel von Geneviève erfahren wir, dass diese Frauen vollkommen abhängig waren und dann auch falsche Entscheidungen mit einer neuen Ehe trafen, um ihre Kinder zu retten und mitnehmen zu können. Und trotzdem wendete sich dann doch so manches zum Guten. Vor allem als Witwe hatte man, wenn man etwas geerbt hatte, gute Chancen, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.

Die Kapitel sind jeweils aus der Sicht einer der Frauen geschrieben. Damit können wir ihren Werdegang verfolgen und erleben auch die Interaktionen mit den Freundinnen mal von einer, mal von der anderen Seite. Wir erleben aber auch ihre Offenheit den Frauen anderer Rassen gegenüber. Petronille verdankt später einer Frau aus dem Stamm der Natchez ihr Leben und Geneviève behandelt ihre schwarzen Angestellten mit Würde. Man würde sich wünschen, dass auch die Männer und vor allem die Regierenden im weit entfernten Frankreich ähnlich offen gewesen seien.

Ich fand es nicht immer einfach, den Schicksalen der Frauen zu folgen, hin und wieder waren die Übergänge recht sprunghaft und durch die hohe Sterblichkeit der Männer hatten wir es auch immer wieder mit neuen Ehen, neuen Orten und neuen Entwicklungen zu tun. Aber trotz aller Schicksalsschläge hat die Freundschaft der Frauen, die auf der „Baleine“ begann, die Zeit überdauert und ihnen allen Rückhalt gegeben. Sie war auf jeden Fall wichtiger, als die aus Vernunft geschlossenen Ehen.

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Veröffentlicht am 04.11.2024

Ist Blutrache der richtige Weg?

Solothurn trägt Schwarz
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Es handelt sich hier um den ersten Band der Solothurn-Reihe von Christof Gasser. Ich hatte vor ein paar Wochen bereits den bisher aktuellsten Band gelesen und wollte nun die Reihe von Anfang an verfolgen.

Ein ...

Es handelt sich hier um den ersten Band der Solothurn-Reihe von Christof Gasser. Ich hatte vor ein paar Wochen bereits den bisher aktuellsten Band gelesen und wollte nun die Reihe von Anfang an verfolgen.

Ein Zürcher Journalist wird schwer misshandelt an der Aare aufgefunden und stirbt kurz danach.

Er hatte zu der bosnischen Balkan Mafia recherchiert, die man hinter dem Anschlag vermutet. Die Erzählperspektive wechselt von der Kantonspolizei und ihrem Commissaire Dominik Dornach zu den Bosniern, von Pia, Dornachs Tochter und ihrer Freundin Manu zu Szenen in einer Klinik. Zunächst erschien mir das alles ziemlich verworren, es hat ein wenig gedauert, bis ich endlich den roten Faden aufgenommen hatte.

Es handelt sich bei „Solothurn trägt Schwarz“ um einen sehr actionreichen Krimi, der Spannungsbogen ist konstant hoch und es bleibt auch nicht bei einem Mord. Die Motive dafür waren allerdings ganz unterschiedlich, hier erfährt der Leser erst ziemlich zum Schluss, dass einzelne Personen im Visier mehrerer Personen mit bösen Absichten stehen.

Hin und wieder ahnt man ja schon in der Mitte eines Buches, in welche Richtung sich die Ermittlungen drehen werden. Gasser versteht es, Dornachs Erkenntnisse lange unter der Decke zu halten und sie erst mit Verzögerung mit dem Leser zu teilen. So sorgt er für Spannung bis zum Schluss.

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Veröffentlicht am 31.10.2024

Spannender, temporeicher Krimi mit unerwarteten Wendungen

Solothurn hüllt sich in Schweigen
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Eine Informantin der Polizei wird kurz vor einem vereinbarten Treffen tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Wenig später findet man am Aareufer die Leiche eines jungen Mannes. Zunächst ist unklar, ob beide ...

Eine Informantin der Polizei wird kurz vor einem vereinbarten Treffen tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Wenig später findet man am Aareufer die Leiche eines jungen Mannes. Zunächst ist unklar, ob beide Fälle zusammenhängen, aber bald wird klar, dass beide jungen Leute mit einem deutsch-arabischen Familienclan in Verbindung standen.

Hauptmann Dominik Dornach, der schon in den Vorgängerbänden schwierige Fälle lösen konnte, wird mit diesem Fall betraut und kann sich auch hier wieder auf die „Mitarbeit“ seiner Tochter verlassen, einer Studentin der Rechtswissenschaften, die quasi undercover und auf eigene Faust Antworten auf ihre eigenen Fragen haben will. Denn auch sie kannte die junge ermordete Frau als Kommilitonin.

Das Buch ist spannend und temporeich, die Charaktere nicht auf den ersten Blick zu erfassen. Das muss auch Dornachs Tochter Pia feststellen, die sich in ihrer Einschätzung auch mal hat täuschen lassen.

Das war mein erster Solothurn-Krimi von Christof Gasser. Ich war auf das Buch aufmerksam geworden, weil mir „Spiegelberg“, der in diesem Jahr erschienene Krimi gut gefallen hatte. Ich hätte besser mit Band 1 der Reihe angefangen, am Anfang hatte ich doch einige Schwierigkeiten, mich mit den einzelnen Personen vertraut zu machen. Aber das hat dem Lese-Spaß keinen Abbruch getan.

Meine einzige Kritik ist, dass eine Wendung, die mehrfach verwendet wird, am Schluss vom Leser bereits erwartet wird. So war die letzte Wendung nicht mehr wirklich eine Überraschung für mich.

Trotzdem bleibt ein positives Fazit: man sollte öfter mal über unsere südliche Grenze schauen, die Schweizer Krimi-Autoren schreiben spannend und gut.

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Veröffentlicht am 02.10.2024

Macht ist das zentrale Thema

Stille Falle
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Leo Asker steht kurz vor der Beförderung zur Leiterin der Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö. Zumindest erwartet sie es so. Doch es kommt anders. Sie wird in eine Abteilung versetzt, von der sie ...

Leo Asker steht kurz vor der Beförderung zur Leiterin der Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö. Zumindest erwartet sie es so. Doch es kommt anders. Sie wird in eine Abteilung versetzt, von der sie noch nie gehört hat, laut ihrer neuen Mitarbeiter die Abteilung für hoffnungslose Fälle. Es bleibt zunächst einmal offen, ob das auf die zu lösenden Fälle oder auf die Mannschaft bezogen ist, der sie nun vorstehen soll. Sie ist Opfer einer Intrige geworden, ein Ex-Lover und Kollege erhält ihren Job und alle ehemaligen Kollegen wenden sich von ihr ab. Selbst ihre eigene Mutter, die Staatsanwältin, steht nicht auf ihrer Seite.

Leo hatte sich zuletzt mit einem Fall beschäftigt, in dem es mutmaßlich um eine Entführung ging. Zwei junge Leute sind spurlos verschwunden, man weiß von ihnen lediglich, dass sie sich für Lost Places interessierten.

Leo wird zwar von diesem Fall abgezogen, stellt dann aber in der neuen Abteilung fest, dass offenbar auch ihr Vorgänger Informationen zu ähnlich gelagerten Fällen gesammelt hatte. Sie entdeckt den Zusammenhang durch kleine Figuren in einer Modelleisenbahnlandschaft.

Das Buch ist jeweils aus der Sicht verschiedener Protagonisten geschrieben, Leo Asker kommt selbstverständlich oft zu Wort, aber auch der Experte und ehemalige Freund für Lost Places Martin Hill oder sogar „der Troll“, also derjenige, der die Verbrechen verübt hat, berichten aus ihrer Sicht. Zusätzlich gibt es Rückblicke in die Vergangenheit, so dass wir Askers Charakter und ihr Verhalten immer besser verstehen können.

Für mich bestanden in dem Buch Parallelen zu Krimis von Jussi Adler Olsen, aber auch zu der französischen Krimiserie von Sophie Hénaff, in der ebenfalls ausgemusterte Kripobeamten, die niemand in seiner Truppe haben will, zu einer neuen Mannschaft zusammengewürfelt werden und die ausgesprochen unorthodox aber auch erfolgreich an ihre Fälle herangehen.

Der Unterschied zu den schrägen Vögeln bei Sophie Hénaff besteht bei Anders de la Motte darin, dass Kommissarin Leo Asker eine ziemliche Einzelgängerin ist, die nur im Notfall auf ihr Team, das gar kein Team ist, zurückgreift. Dann stellt sie aber fest, dass die zugelieferten Informationen Hand und Fuß haben und sich durchaus mit denen der Ermittler bei den Kapitaldelikten messen lassen. Es soll der erste Fall für Leo Asker gewesen sein und ich denke, in der Zusammenarbeit des Teams besteht noch Ausbaupotential. Hier dürfte ein weiterer Erfolg ungeahnte Kräfte freisetzen, ich bin sicher, Rose wird ihre Pullover nicht mehr im Büro stricken und Attila seine Kräfte in den Dienst der Abteilung stellen.

Stille Falle ist ein spannender Krimi, allerdings, und das ist natürlich auch den Handlungsorten geschuldet, oft düster und trist. Aber ich mochte Leo Asker und fand sie bemerkenswert und so interessiere ich mich jetzt schon für den nächsten Fall.

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