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Veröffentlicht am 02.07.2023

Mit den Augen eines Kindes…

Samuels Buch
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Samuel Finzis Schauspiel begeistert. Doch kann er dieses Talent auch in Literatur übersetzen? Er kann es! Man kann das Buch als noch eine Schauspielerbiographie lesen. Oder, und das macht es für mich eigentlich ...

Samuel Finzis Schauspiel begeistert. Doch kann er dieses Talent auch in Literatur übersetzen? Er kann es! Man kann das Buch als noch eine Schauspielerbiographie lesen. Oder, und das macht es für mich eigentlich erst besonders und uneingeschränkt lesenswert, als einen kurzweiligen und sehr unterhaltsamen Einblick in das Bulgarien der 70er und 80er Jahre, und das Aufwachsen, die Träume und Gedanken eines neugierigen und schon früh seines Unterhaltungstalents bewussten Jungen, in einem künstlerisch- intellektuell geprägten Subsystem des Staatssozialistischen Landes. Finzi schreibt in prägnanten Bildern, die auch beim Leser unmittelbar ein Gefühl für die Situation evozieren. So zum Beispiel, wenn er über die Zeit bei seinen Großeltern außerhalb von Sofia schreibt „Ich bleibe noch eine Weile liegen, ich mag diese Geräusche, die mir sagen, dass Sommer ist und ich bei meinen Großeltern bin.“ In einer fast schon unbedarften Erzählweise thematisiert Finzi auch ernste Themen wie Antisemitismus, die Zwänge des und alltäglichen Herausforderungen im Staatssozialismus und seine Militärzeit. Am Ende des Buches, nach knapp 200 Seiten, ist Finzi Anfang 20 und startet in eine neue Etappe seines Lebens. Das einzig Negative des Buches ist, dass es hier endet und den Leser auf eine Fortsetzung hoffen lässt.

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Veröffentlicht am 08.12.2024

Über die Magie des Kaffees und das Wunder der Freundschaft

Das kleine Café der zweiten Chancen
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Himari galt einst als Wunderkind am Klavier und wurde sehr jung von ihrer Mutter ins Internat nach England geschickt. Dort hatte Sie jedoch einen Unfall mit ihrer Hand, der sie zunächst sehr zu ihrer Freude ...

Himari galt einst als Wunderkind am Klavier und wurde sehr jung von ihrer Mutter ins Internat nach England geschickt. Dort hatte Sie jedoch einen Unfall mit ihrer Hand, der sie zunächst sehr zu ihrer Freude nun zurück nach Japan brachte. Ob sie jemals wieder Klavierspielen kann bleibt ungewiss. Im neuen Wohnort ihrer Mutter und Schwester, der nun auch ihr eigenes neues zu Hause ist, ist jedoch alles fremd für Himari. Vor ihrem ersten Schultag in der 6. Klasse, den sie aufgrund der Rehabilitation auch noch 4 Wochen nach offiziellem Schulbeginn und allen anderen antreten kann, graut es ihr. Mit dieser Angst macht sie sich auf ihren neuen Schulweg. Eine alte Frau, die auffällig in ihrem Äußeren und liebevoll zugleich die Kinder auf dem Schulweg unterstützt, macht sie zunächst skeptisch, doch das Gespräch mit ihr entwickelt sich schnell zu einer echten moralischen Stütze für Himari, die sie positiver auf den Schulbeginn blicken lässt. Und die Alte sollte recht behalten: mit ihren Ratschlägen, konnte Himari ihre Angst ablegen und wurde in der neuen Klasse angenommen. Auf dem Rückweg bedankt sich Himari, und wird von der alten Frau zu einem Kaffee eingeladen, dabei erfährt Himari zum ersten Mal von einem besonderen Café in ihrer neuen Heimatstadt, dass sie bald mit ihrer neuen, alten Freundin besuchen möchte. Doch als sie am nächsten Tag auf dem Schulweg das Haus passiert, kann sie es nicht mehr finden. Was ist passiert? Verzweifelt erinnert sich Himari an das Café von dem ihre alte Freundin sprach. Wird sie dort Antworten finden?

Gekonnt verbindet die Autorin in das Café der zweiten Chancen die Liebe zu und Kraft der Musik mit der Magie und dem Genuss des Kaffees und seiner Zubereitung sowie dem Wunder der Freundschaft. Was dabei herauskommt, ist eine Art modernes Märchen, das ebenso schön wie lehrreich ist. Ganz klare Empfehlung!

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Veröffentlicht am 01.12.2024

Schmerzhaft zu lesen, ein unglaublich wichtiges Buch!

Unversehrt. Frauen und Schmerz
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Unversehrt ist wirklich keine leichte Kost und macht unfassbar traurig und wütend. Ich musste mehrfach unterbrechen, weil die Geschichte von weiblichem Schmerz, die Eva Biringer hier erzählt so unfassbar ...

Unversehrt ist wirklich keine leichte Kost und macht unfassbar traurig und wütend. Ich musste mehrfach unterbrechen, weil die Geschichte von weiblichem Schmerz, die Eva Biringer hier erzählt so unfassbar und dramatisch ist und nicht zuletzt dramatisch alltäglich. Die Autorin betrachtet wie Frauen Schmerz zugefügt wird, ihr Schmerz bagatellisiert und nicht ernst genommen, an anderer Stelle fetischisiert wird - dies alles auch in und von einer in Vergangenheit und Gegenwart zutiefst androzentrischen Medizin, mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen jenseits des männlichen Ideals.

Vieles war für mich nicht komplett neu, doch Biringer beschreibt die Ursprünge, Ausbreitung und Persistenz von Misogynie und deren Verbindung zu weiblichem Schmerz in unserer Gesellschaft in Deutschland, Europa und weltweit so pointiert und eindringlich, dass es einem eiskalt den Rücken herunterlaufen kann. Diese Eindringlichkeit erzeugt die Autorin nicht mit Effekten oder sprachlichen Raffinessen, nein, es sind die gut recherchierten harten, traurigen und in Ausmaß und Wirkung beinahe unglaublichen Fakten, die erschaudern lassen und einfach nur wütend machen, auf eine Welt, die noch immer maßgeblich durch patriarchale Strukturen geprägt ist und in der autoritär-patriarchale Muster zum Teil sogar eine Revision erfahren (siehe Trump, die Incel-Bewegung, etc.).

Als Betroffene einer der von der Autorin beschriebenen Autoimmunerkrankungen, die überproportional Frauen betreffen, war ich positiv angetan von den Ausführungen Biringers, die von einem tiefen Verständnis der Autorin für die Erkrankungen und Lebenswelt der Betroffenen zeugen. Dies ist nach meiner Erfahrung auch unter Journalist*innen alles andere als selbstverständlich.

Für mich waren Einleitung und Titelbild etwas irreführend. Letzteres finde ich recht plakativ. Zugang zum Thema verschafft sich die Autorin in der Einleitung über die Geschichte ihrer eigenen Großmutter, die ihr Leben lang an Schmerzen litt. Ich hatte daher ein wesentlich persönlicheres, eher feuilletonistisches Buch erwartet. Was auch ok gewesen wäre. Positiv überrascht bin ich dann jedoch von dem ausgezeichnet recherchierten, und einnehmend geschriebenen ebenso wie pointiert aufgebauten Sachbuch, dass mich erwartete. Für mich ist das Buch in Inhalt und seiner zeitgemäßen sprachlichen Darstellung ein echtes Must-Read und würde für mich fast zu einer zeitgemäßen Schullektüre taugen. Denn dass die darin von der Autorin präsentierten Inhalte so wenig Raum in der Öffentlichkeit einnehmen, ist unfassbar, besonders wenn man bedenkt, dass rund 50% der Menschheit von den negativen Auswirkungen von Misogynie und Sexismus in unserer Gesellschaft und insbesondere auch dem Gesundheitssystem betroffen sind! Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Ein endloser Albtraum im Netzzeitalter - schockierend aktuell, spannend, klug und unterhaltsam erzählt

VIEWS
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Mit Views ist dem Autor der Känguru Chroniken ein hochaktueller, spannender und temporeicher Thriller gelungen. Yasira ist Beamtin beim BKA mit Migrationsgeschichte in der zweiten Generation. Sie lebt ...

Mit Views ist dem Autor der Känguru Chroniken ein hochaktueller, spannender und temporeicher Thriller gelungen. Yasira ist Beamtin beim BKA mit Migrationsgeschichte in der zweiten Generation. Sie lebt gemeinsam mit ihrer 16 Jährigen Tochter in Berlin. Während eines Dates mit einem Journalisten geht online ein Video einer Vergewaltigung einer 16 Jährigen viral und trifft damit als fatales Öl in das Feuer einer ohnehin schon angespannten gesellschaftlichen Stimmung aus brennenden Unterkünften von Geflüchteten und dem Sturm auf das Kapitol in den USA. Yasira wird zur leitenden Ermittlerin ernannt und ermittelt mit ihrem Team zwischen Internetnerds, Heimatschutz und einer alles beobachtenden, gereizten Netzgemeinde. So nimmt ihr ganz persönlicher Albtraum seinen Lauf, in dem sie vieles zuvor als sicher geglaubtes überdenken muss.

Gekonnt spielt der Autor mit zeitgenössischen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und zeigt eindrucksvoll deren Gefahren auf. Die Aufmerksamkeitsökonomie im Netzzeitalter, die Macht von Influencerinnen, vernachlässigter Klimaschutz, Reichsbürger und
der Hass auf alles Fremde.

Unglaublich gut hat mir auch der Schreibstil gefallen, locker, klug, zuweilen sarkastisch und trotzdem der ernsten Handlung angemessen. Insider- und 90er Jahre Jokes kommen nicht zu kurz. Klare Empfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 10.09.2024

Eine italienische Geschichte über komplexe soziale Beziehungen, Anziehung, Schweigen und den Versuch zu verstehen

Das Schweigen meiner Freundin
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Giulia ist zehn Jahre alt, als die drei Jahre jüngere Cristi in ihr Leben tritt, und ahnt noch nicht, dass Cristi dieses bis zu ihrem Lebensende beeinflussen wird. Mit 60 Jahren, unter dem Eindruck schwerer ...

Giulia ist zehn Jahre alt, als die drei Jahre jüngere Cristi in ihr Leben tritt, und ahnt noch nicht, dass Cristi dieses bis zu ihrem Lebensende beeinflussen wird. Mit 60 Jahren, unter dem Eindruck schwerer Krankheit und dem nahenden Lebensende, ist es Cristi, die ihr ins Bewusstsein kommt und so begibt sich Giulia an den Ort ihrer Kindheit und der ersten Begegnung mit Cristi.

Es ist das Jahr 1991 in einer Kleinstadt in der italienischen Provinz, hier lebt Giulia mit ihren Eltern ein ruhiges Leben, die Familie ist angesehen, hat ein Haus, Giulia selbst ist Klassenbeste und hat viele Freundinnen. Da bittet die alte Nonna Ida, eines Sommers Giulias Mutter, ob sich Giulia nicht an den Vormittagen ihrer Enkelin aus Bologna annehmen kann, Cristi.

So unterschiedlich die beiden Mädchen sind - Giulia als Klassenbeste, überlegt, mit gesundem Appetit, für die Sonne unempfindlicher Haut und Cristi, blond, mager, schlecht in der Schule und Legasthenikerin, impulsiv - üben sie eine gegenseitige Faszination aufeinander aus.

In sechs Teilen von 1991 an begleitet Baldelli das Kennenlernen, Aufwachsen, die Annäherung und das Erwachsenwerden von Giulia, Cristi und etwas später auch Mattia, der die Dynamik der Freundschaft im zweiten Sommer entscheidend verändern soll, und ihrer komplexen Beziehung zueinander. So zeichnet die Autorin auch ein Porträt des Aufwachsens in der italienischen Provinz in den 90ern und lässt uns in Bräuche, Kultur, Zusammenhalt aber auch Gerüchte und Vorurteile eintauchen, die das kleinräumige Zusammensein mit sich bringt. Insbesondere Cristis Nonna Ida hat mich hier sehr beeindruckt, die als Analphabetin und in Armut lebend, ihren Weg geht und sich gegen Gerüchte und Vorurteile in der Kleinstadt behauptet. Die zugewandte, und nie oberflächliche Zeichnung der Protagonist*innen und ihre gelungene Einbettung in die Erzählung hat die Geschichte für mich zusätzlich bereichert.

Die Sprache ist unglaublich einnehmend und zieht sofort in den Bann der Geschichte. Aus Giulias Perspektive tauchen wir ein in ihre ersten Begegnungen mit Cristi, die anfänglichen Vorbehalte, die sich mit Bewunderung und Zuneigung mischen, den Konflikt widerstrebender Gefühle in ihr und schließlich das zunächst zarte, jedoch schnell fester werdende Band zwischen Giulia und Cristi, das im weiteren Verlauf des Lebens nicht seine Widersprüche verliert und trotzdem das Schicksal der einstigen Kinder untrennbar vereint. So spinnt Baldelli komplexe soziale Beziehungen und Charaktere, und verliert dabei auch die Prägung durch die Klassenlage mit all ihren Konsequenzen nicht aus dem Blick.

Etwas ärgerlich sind lediglich einige Logikfehler durch Verwechslung der Namen, hier hätte ich mir mehr Sorgfalt im Korrektorat gewünscht.

Man mag kaum glauben, dass es sich um ein Debüt handelt, so wohl konstruiert ist die Geschichte und einnehmend die Sprache. Ein wundervoller Roman, der mich auf weitere Publikationen der Autorin hoffen lässt!

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