Spannendes Porträt eines Wiedertäufers
Kristus„Kristus. Das unerhörte Leben des Jan Beukels“ von Robert Schneider.
„Dort, wo Idee und Konzept an der Wirklichkeit versagen...“
Schon das Vorwort des historischen Romans „Kristus“ ist lesenswert.
Robert ...
„Kristus. Das unerhörte Leben des Jan Beukels“ von Robert Schneider.
„Dort, wo Idee und Konzept an der Wirklichkeit versagen...“
Schon das Vorwort des historischen Romans „Kristus“ ist lesenswert.
Robert Schneider bringt den Lesern nicht nur das kurze Leben der historischen Persönlichkeit Jan Beukels (auch bekannt als Jan van Leyden) näher. Auch die Denkweisen und religiösen Verwerfungen Anfang des 16. Jahrhunderts werden
deutlich und spannend dargelegt. Der Protagonist wächst als eines der Kinder einer münsterländischen Dienstmagd in der Nähe von Leiden, Südholland, auf. Nach einer Handwerkslehre und Stationen in einigen europäischen Großstädten kommt er als junger Mann in Münster mit der religiösen Bewegung der Täufer
in engen Kontakt. Die Täuferbewegung war im gesamten Nordwesten des Reiches eine präsente christliche Variante. Später wird Jan van Leyden aus Südholland als „Apostel“ nach Münster entsandt. Dort gelingt es den Wiedertäufern unter einer kollektiven Führung von mehreren Männern, die Mehrheit des Rates der Stadt zu erlangen. Nach Umsetzung zumindest eines Teils der religiösen und weltlichen Vorstellungen der Wiedertäufer wandelt
sich die neue Gemeinschaft in eine Alleinherrschaft und Despotie des Jan van
Leyden. Doch nach dem Bündnis des Bischofs mit dem vormaligen weltlichen Herrscher wird das radikalisierte Münster eingeschlossen und militärisch erobert. Der Autor verfolgt die Entwicklung des zuletzt als Wiedertäufer
hingerichteten Jan van Leyden präzise und bettet diese Persönlichkeit sprachlich und stilistisch ansprechend in sein zeitliches und regionales Umfeld ein. Robert Schneider füllt das 600 Seiten starke Werk nicht nur mit fast plastischen Beschreibungen von der Enge, den Gerüchen und Entbehrungen wie auch
Schmerzen innerhalb der Stadtmauern. Auch werden die allgegenwärtigen religiösen Diskussionen und auch teils düstere Schilderungen sowie schließlich die Ausweglosigkeit des Protagonisten sowie seiner Mitmenschen detailliert aufgeführt. Im Anschluss an die Lektüre sind dem Leser sowohl die Wiedertäufer, die gerade in und um Münster eine kurze, aber prägende Zeit bestimmend waren, als auch die drei Käfige am Lambertikirchturm vertraut. Vielen Dank.