Denkmal einer Mutter für ihren ermordeten Sohn
American MotherAls ich die Beschreibung des Buches "American Mother" von Colum McCann mit Diane Foley zum ersten Mal gelesen und mich für die Lektüre des Buches entschieden habe, dachte ich, im Zentrum des Buches würde ...
Als ich die Beschreibung des Buches "American Mother" von Colum McCann mit Diane Foley zum ersten Mal gelesen und mich für die Lektüre des Buches entschieden habe, dachte ich, im Zentrum des Buches würde die Begegnung zwischen der Mutter des vom IS ermordeten James ("Jim") Foley mit einem seiner Entführer und Mörder, Alexanda Kotey, stehen. Diese Begegnung kommt im Buch auch durchaus vor, ist aber weit weniger zentral, als ich vermutet hätte.
Das Buch beginnt in einem kurzen ersten Abschnitt direkt damit, wie Diane Alexanda in seiner Zelle gegenübersitzt. Es wird einiges von der Atmosphäre dort und von ihren Gedanken und Gefühlen geschildert, aber nur wenige Sätze aus dem Gespräch.
Darauf folgt ein langer mittlerer Abschnitt, der den Hauptteil des Buches ausmacht. In diesem lernen wir den verstorbenen James Foley, sein Leben und seine Herkunftsfamilie aus der Perspektive der hinterbliebenen Mutter kennen. Mitfühlend betrachtet kann man sagen, es zeigt sich in dieser Beschreibung die große Liebe der Mutter für ihren verstorbenen Sohn, denn sie idealisiert und heroisiert ihn sehr. So wirklich nahe kommt mir James Foley dadurch nicht. Ich bekomme den Eindruck, dass er ein Getriebener war, der nicht so recht wusste, wohin mit sich im Leben. Der nach einem Vorfall mit Cannabis nur noch als Freelancer im Journalismus tätig sein konnte, und auch nach einer ersten Entführung in Libyen, von der er glücklicherweise wieder frei gekommen ist, das Risiko nicht scheute, sondern geradezu suchte, und sich als Freelancer mit Syrien in ein noch gefährlicheres Gebiet aufmachte, alle Warnungen in den Wind schlagend. Laut seiner Mutter natürlich getrieben von noblen Motiven: die Wahrheit über das Elend der Menschen im dortigen Krieg zu recherchieren und zu verbreiten.
Geprägt ist das ganze Buch durch Diane Foleys Weltsicht und diese ist tief religiös, in einer Art, wie es für nicht-religiöse Lesende möglicherweise oft schwer nachvollziehen sein kann. Beispielsweise ist die größte Sorge der Mutter, als ihr Sohn in Geiselhaft ist, ob er dort auch beten wird können, das kommt als Priorität deutlich vor der Sorge um seine Ernährung oder Gesundheit. Und auch im Kontakt mit dem Entführer und Mörder Alexanda Kotey sagt sie diesem, er solle dankbar für seinen Glauben sein... negierend, dass ausgerechnet dieser Glaube zur Fanatisierung ihres Gegenübers beigetragen hat und damit mitverantwortlich für das Leid und den Tod ihres Sohnes ist.
Solche kritischen Reflexionen sind nicht die Sache von Diane Foley, auch sonst merkt man in dem Buch, dass sie eine sehr starre und einseitige Weltsicht zu haben scheint und auch die Handlungen der amerikanischen Regierung und des amerikanischen Militärs und deren Konsequenzen niemals auch nur ansatzweise kritisch hinterfragt - das sind in ihrer Sicht alles Helden, die für das Gute kämpfen, und das einzig Unverständliche ist, warum sie sich nicht für die Befreiung der amerikanischen Geiseln eingesetzt haben und sogar der Familie bei Androhung von Strafverfolgung verboten haben, auf eigene Faust Geld dafür zu sammeln.
Am Ende des Buches kommt es in einem kurzen letzten Abschnitt noch einmal zu einer abschließenden letzten Begegnung zwischen Diane Foley und Alexanda Kotey im Gefängnis.
Es ist schwierig, einem Buch, das so ein persönlicher Erfahrungsbericht ist, Sterne zu geben. Die trauernde Mutter hat jedenfalls meinen tiefsten Respekt dafür, wie mutig sie in Kontakt mit dem Mörder ihres Sohnes geht, wie sehr sie sich für die Änderung der Haltung der amerikanischen Regierung zu Geiselnahmen einsetzt und wie sie von dem allen berichtet. Ihre tiefe Liebe zu ihrem Sohn und ihr unerschütterlicher Glaube an Gott werden im Buch spürbar, das ist beeindruckend.
Literarisch hätte ich mir von dem Buch mehr erwartet, insbesondere durch die Zusammenarbeit mit dem Autor Colum McCann. Ebenso hätte das Buch von der Einarbeitung von Hintergrundinformationen und von etwas mehr kritischer Reflexion profitieren können. Wäre es ein Roman, würde ich dem Buch 3 Sterne geben, hier bekommt es einen Zusatzstern für meinen Respekt vor der wahren Geschichte und dem Umgang damit.