Hatte auf eine süße Weihnachtsstory gehofft, doch leider habe ich die nicht so richtig bekommen.
"Das kleine Schloss in Schottland" war das erste Buch der Autorin für mich und leider hat es mich schon von Anfang an nicht so richtig gekriegt. Der Schreibstil ist sehr einfach und regelrecht "in your face" - von show don't tell habe ich persönlich nicht viel gemerkt. Mit den Charakteren wurde ich auch nicht sofort warm, aber die Kulisse war ganz süß und die Handlung klang eben auch ganz nett. Mit der Zeit ist all das aber hinten weg gerutscht - und verschwand hinter meiner Enttäuschung über die Charaktere, die Klischees und Reproduktionen von Stereotypen sowie Geschlechtsbildern.
Ab jetzt folgen immer mal wieder Mini-Spoiler, aber an sich war der Handlungsablauf eh nicht nennenswert überraschend:
Fangen wir mit der Darstellung der weiblichen Charaktere an. Da wären die Mutter der Protagonistin und die Mutter des Love Interest. Beide sind sehr aufgedreht, laut, schrill und "anstrengend", wie immer wieder betont wird. Sogar so anstrengend, dass der Vater des Love Interests seinem Sohn irgendwann erklärt, dass er Taktiken entwickelt hat, um mit seiner Frau umgehen zu können: Er geht angeln, golft viel und verbringt Zeit in seiner Werkstatt. Im Prinzip flüchtet er also vor seiner Frau. Außerdem erklärt der Vater an der Stelle auch, dass seine Frau eine "Powerfrau" sei, und man das eben aushalten müsste. Über den Begriff "Powerfrau" kann man ja eh schon diskutieren - Männer sind nämlich nie "Powermänner", bei denen ist es ganz normal und angesehen, Power zu haben.
Dann ist da noch eine etwas jüngere Frau, ungefähr Anfang 20, die im Schloss hilft und im Prinzip sehr unbeholfen und schüchtern ist - und kaum etwas ohne ihren Freund gebacken bekommt. Außerdem natürlich die Klatschtante aus dem Dorf und schließlich unsere Protagonistin. Sie ist organisiert und praktisch veranlagt, was unserem Love Interest irgendwann dann auch entlockt, wie untypisch das doch wäre und wie toll es doch mehr oder minder wäre, dass sie anders wäre als andere Frauen.
Laut ihrer Mutter wird die Protagonistin übrigens mal eine super Ehefrau, weil sie gut kochen kann. Woran sie allerdings noch arbeiten muss, ist ihr Aussehen - sie sollte ihre Vorzüge mehr betonen und sich doch mal schick machen, also auch dann ein Kleid anziehen, wenn sie den Tag über noch immer wieder als Köchin in der Küche tätig ist. Sonst wird sie ja ggf keinen Mann finden - und das muss die Mutter wohl dolle stressen, denn sie erwähnt es gerade zum Ende des Buchs hin sehr oft.
Ansonsten haben wir noch den Moment, in der sich ein Mann und eine Frau unterhalten und der ERWACHSENE Mann sagt, dass er für seine Schwestern zu Weihnachten nichts besorgt hat, weil er nicht weiß, "wie Mädels ticken". Die Frau erwidert darauf, dass sie es da mit ihren Brüdern einfach hätte: Sie hat einfach Footballshirts und Bier besorgt. Wow. Auch da gehts wohl kaum stereotypischer.
Es gab auch einen schönen Moment, als die Mutter des Love Interests erfahren hat, dass ihr Sohn ein Bestsellerautor ist. Er hat ihr das nie erzählt, weil er sie so anstrengend findet. Ihre Reaktion ist, Achtung, Zitat: "Gott sei Dank. Das ändert natürlich alles. Ich meine, stellen Sie sich vor, wie peinlich es immer war, sagen zu müssen, dass mein Sohn ein verstaubter, alleinstehender Geschichtsprofessor ist." Autsch. Also, wenn sich hier irgendein netter Geschichtsprofessor tummelt, ich bin bereits fürs Abstauben!
Um das klar zu stellen: ich finde es an sich nicht schlimm, dass solche Stimmen in Büchern vorkommen - es ist nur realistisch, weil es auch in Realität Menschen gibt, die dieses Weltbild noch immer nach vorn treiben. Gerade in der älteren Generation ist das ja auch oft (wenn auch definitiv nicht immer!) der Fall. Nur finde ich es schwierig, wenn es Charakterübergreifend so einen großen Teil einnimmt und noch dazu NIE eingeordnet wird.
Für mich eine Enttäuschung, schade.