Profilbild von Edda22761

Edda22761

Lesejury Profi
offline

Edda22761 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Edda22761 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2021

Ein überraschender Roman, sehr anmutig

Reise durch ein fremdes Land
0

Tom ist Fotograf. Jeden Weihnachten fotografiert er „den perfekten Moment“ bevor er zerspringt“. Doch dieses Weihnachten soll anders anfangen. Tom ist aufgrund der Witterungsverhältnisse gezwungen, seinen ...

Tom ist Fotograf. Jeden Weihnachten fotografiert er „den perfekten Moment“ bevor er zerspringt“. Doch dieses Weihnachten soll anders anfangen. Tom ist aufgrund der Witterungsverhältnisse gezwungen, seinen erkrankten Sohn Luke aus dem Nordosten Englands nach Hause zu holen. So macht er sich auf eine Autofahrt auf durch den Schnee von Nordirland nach Sunderland auf, ihn abzuholen. Doch nicht nur Luke ist in den Gedanken von Tom – er reflektiert Teile seines Lebens auf dieser Reise. Seine Frau Lorna und seine anderen Kinder, zuallererst sein Sohn Daniel. Dieser taucht dem Fotografen Tom während seiner Fahrt immer wieder schemenhaft auf. Es wird eine reale Fahrt zu Luke und eine innere Reise zu Daniel.
Tom lässt seine Geschichte und die seiner Familie vor seinem inneren Auge ablaufen, insbesondere die von Daniel. Der Roman nimmt langsam Fahrt auf und fängt nach und nach an zu fesseln. Das Buch hat keine Kapiteleinteilungen, es liest sich, im übertragenden Sinn, wie eine lange Autofahrt.
Zuerst dachte ich, der Leser ist Voyeur für eine sentimentale Geschichte von großer Schuld. Doch die Geschichte, so einfach sie erscheinen mag, erzeugt einen Sog durch die leisen Töne, die zwingen, genau hinzuhören. Ein Roman, der sich durch die Bildhaftigkeit einprägt – ganz genauso wie die Fotografien, die Tom, der Fotograf, beschreibt. So wird man auf verschiedenen Ebenen gefordert. Eine bildhafte Sprache, es gibt, viele Gleichnisse, Metaphern - Momentaufnahmen der Erinnerung an Vergangenes runden den Roman ab und geben Hinweise und Anregungen. z.B. „wir suchen uns unsere Unfälle nicht aus““
Eigentlich möchte niemand die Schuld von anderen lesen, ich war skeptisch. Doch es ist einen Konfrontation, der nicht auszuweichen ist, mit sich selbst in aller Ehrlichkeit, die berührt. Während dieser Reise passiert etwas mit Tom. Diese Momente sind zutiefst menschlich, dadurch eindringlich. Diese Reise hat lange nachgehallt, auch aufgrund der Schönheit der Ausdrucksweise des Autors. Der Leser ist niemals überfordert, es entsteht eine Leichtigkeit, da sich alles auf die eine Thematik bezieht.
„Doch ich könnte wahrscheinlich nicht annähernd einfangen, was in diesem Moment verborgen liegt“, meint Tom einmal in Hinblick auf seine Fotografien – Dieses kleine Buch schafft auf 190 Seiten zwar keine Momentaufnahme, jedoch mit unglaublicher Feinfühligkeit schafft der Autor, den Leser zu berühren und eine Tiefe hervorzuholen, die nachhallend ist und daher anschließend noch überrascht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.02.2021

Durchgängig pannend mit glaubwürdigen Charakteren

Der andere Sohn
0

John Adderley, ein FBI Undercover Agent a.D. kommt auf seinen Wunsch in ein Zeugenschutzprogramm in seine Heimatstadt Karlstad in Schweden. Dort möchte er den Cold Case, Mord an Emelie Bjurwall, Industriellentochter, ...

John Adderley, ein FBI Undercover Agent a.D. kommt auf seinen Wunsch in ein Zeugenschutzprogramm in seine Heimatstadt Karlstad in Schweden. Dort möchte er den Cold Case, Mord an Emelie Bjurwall, Industriellentochter, aufklären, denn sein Halbbruder wurde damals verdächtigt. Ungewöhnlich und zügig kommt er mit der Aufklärung voran, wobei er auch einige Mal unkonventionell und auf eigene Faust vorgeht.
Der Fall Emelie Bjurwall wird von damaliger Sicht beschrieben aus Sicht des Vaters der verschwundenen jungen Frau und der andere Erzählstrang ist die Sicht von John Adderly.
Die Fäden ziehen sich in der Gegenwart zusammen und verlaufen parallel und hochspannend weiter bis zum rasanten Finale. Viele überraschende Wendungen bieten beste Unterhaltung. Die Charaktere sind glaubwürdig, der Protagonist sympathisch mit Ecken und Kanten. Viel Wert wurde auch auf psychologische Aspekte der Verhaltensweisen gelegt, so dass es dem Thriller nicht an Tiefgang mangelt. Doch nie aufreißerisch, eher betrachtend. Interessant auch der Aufbau und die Verwobenheit der zeitlichen Abläufe des Geschehens. Die mitspielenden Personen sind übersichtlich mit klarem Wiedererkennungswert, so dass der 528 Seiten starke Schmöker niemals ermüdet. Die beiden Autoren haben ein spannendes und sympathisches Erstlingswerk erschaffen. DieVorfreude auf den nächsten Band um John Adderly ist garantiert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.09.2021

Leichtfüßig und tief - absolute Leseempfehlung!

Das Glashotel
0

Das Hotel Caiette liegt in der Wildnis, nur zu erreichen durch ein Boot, doch ist es eine Sehenswürdigkeit durch dessen gläserne Fassade. Hierher kommen Hotelgäste, die geschützt hinter Glas beobachten ...

Das Hotel Caiette liegt in der Wildnis, nur zu erreichen durch ein Boot, doch ist es eine Sehenswürdigkeit durch dessen gläserne Fassade. Hierher kommen Hotelgäste, die geschützt hinter Glas beobachten wollen. Es vermittelt fast, so wird gesagt, das Gefühl außerhalb von Zeit und Raum zu sein. ( Auch das Cover wird verständlich durch das Beschreiben der Bilder der Malerin Olivia, deren Landschaften in eine völlig anderes, als das reale, Licht getaucht waren.)
Jäh nimmt das Schicksal der Barkeeperin Vincent einen anderen Verlauf, als auf einer der Glasscheiben eine Aufforderung zum Selbstmord eingeritzt wird. Vincent lernt den älteren und reichen Jonathan kennen, den Hotelbesitzer. Sie ergreift die Gelegenheit ihres Schicksals und in all dessen Wirrungen und Verwirrungen im Laufe von 392 Seiten ist das Ziel ihre ureigene Freiheit.
Der Roman beginnt mit der Perspektive der beiden Geschwister Vincent und Paul. Doch es sind nicht die einzigen Protagonisten, die Perspektiven wechseln, die Zeiten wechseln, dicht verwoben wird erzählt, doch immer leichtfüßig und niemals langweilig. Der Ball wird weiter geworfen. Ein zu langes Haften am Einzelnen ist nicht das Anliegen. Es hat mich nicht gewundert, zu lesen, dass Emily St. John Mandel Tanz studiert hat. Der Roman ist wie eine Choreographie, Menschen begegnen sich, teilen Schicksal, entfernen sich, nähern sich.“ und das in einer geschriebenen Leichtigkeit, die dennoch in die Tiefe geht. Es geht um Schicksalswege, die so nur in den USA so stattfinden können, dort, wo es das soziale Auffangen wie hier nicht gibt. Dafür der Witz und das Ergreifen von Möglichkeiten zum Überleben – das Abenteuer Leben. Ein Buch voller neuer Wendungen, Erkenntnissen, Täuschung und Wahrhaftigkeit und auch Rätselhaftes, wie der Spruch am Hotelfenster, der sich erst zum Schluss des Romans erklärt.
Eine durchgängige und wunderbare Lesefreude, großartig geschrieben, verwoben und sehr bereichernd. Eine absolute Empfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2024

Atmosphärische Landschaftsbeschreibungen!

Die blaue Stunde
0

Auf einer Ausstellung der verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman wurde ein offensichtlich menschlicher Knochen in der Tate Modern in einer ihrer Kunstwerke gefunden.
James Becker, Kurator der Stiftung, ...

Auf einer Ausstellung der verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman wurde ein offensichtlich menschlicher Knochen in der Tate Modern in einer ihrer Kunstwerke gefunden.
James Becker, Kurator der Stiftung, die den Nachlass der Werke Vanessas besitzt, geht dem nach. Er besucht die Freundin der Verstorbenen auf dem schottischen Eris Island. Eine Halbinsel, deren Erreichen abhängig von den Gezeiten ist, nur bei Ebbe erreichbar. Dort erhofft Becker sich, absolut begeistert von Vanessas Kunst, mehr über ihre Persönlichkeit zu erfahren und als Kurator, über den Verbleib der fehlenden Stücke der Sammlung mehr zu erfahren.

Der Roman erzählt von Gegenwart und Vergangenheit, dargestellt von Vanessa durch ihre Tagebuchnotizen, die Sicht von James Becker, dem Kurator mit beruflichen und eigenen Interessen und von Grace, der Freundin der Verstorbenen, Erbin des Hauses auf Eris Island.
Es werden Rückblenden zum Verständnis, vor allem dem psychologischen der Hauptpersonen aufgezeigt. Nach und nach kristallisieren sich Beweggründe für spätere Handlungen und Erklärungen heraus.
Man wird schon frühzeitig durch die Dialoge der Mitspieler in deren Wertvorstellungen einbezogen.
Nur als Beispiel: ein „reicher, teuflisch gutaussehender Julian“, „ein Golden Retriever in Menschengestalt“ oder „die böse Hexe von Eris Island“.

Ab und zu wirkt diese Sprache fast trivial ganz im Gegensatz zu den beachtlichen Landschafts- und Wetterbeschreibungen, deren beschreibender dichten Atmosphäre man sich nicht entziehen kann und die zum großen Teil den Roman für mich getragen haben.
Die Protagonisten konnten mich nicht wirklich erwärmen.

Den Roman, es ist kein Kriminalroman im herkömmlichen Sinn, ist interessant aufgebaut, doch die Spannung kommt erst nach der Hälfte des Romans in Fahrt, was sehr schade ist, auch enttäuschend, denn ich hatte mich durch die Vorschusslorbeeren und Äußerungen von Lee Child oder Val Mc Dermid in Erwartungshaltung gebracht. Für mich leider dadurch auch kein „Literarisches Spannungshighlight“.
Für mich fehlte auch der zeitgemäße oder moderne Bezug. Fast, als ob man in traditionelle britische Kriminalromane à la Agatha Christie oder Rebecca du Maurier abtauchen würde. Ein schon auf andere Art bekanntes Schema, dadurch ein fast vorhersehbares Geschehen. Wären da nicht die fein dargestellte Beschreibung der psychologischen Beweggründe der Mitspieler und die beeindruckenden Landschaftsbeschreibungen! Sie machen für mich den Roman aus.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.06.2024

Schöne Erzählung!

Cascadia
0

Die Nordpazifik Inseln, zu denen auch die malerische Insel San Juan gehört, auf der die Geschichte spielt, liegt im Grenzgebiet zwischen dem Nordwesten der USA und Kanada. Dies Gebiet wird auch Cascadia ...

Die Nordpazifik Inseln, zu denen auch die malerische Insel San Juan gehört, auf der die Geschichte spielt, liegt im Grenzgebiet zwischen dem Nordwesten der USA und Kanada. Dies Gebiet wird auch Cascadia genannt. Daher wohl der Titel, der exotischer klingt, als der des Originals, „Bear“.

Etwas taucht in der Welt von zwei Schwestern auf, ein Bär. Zwei Schwestern, gefesselt an die Pflege ihrer kranken Mutter, beladen mit Schulden und doch inmitten einer großartigen Umgebung. Während die jüngere Schwester, Sam, von einem späteren Leben fern der erdrückenden Verpflichtungen und Sorgen außerhalb der Insel träumt, spielt sich ein Szenario, das ihre Welt verändern sollte, der Bär, erst einmal im Hintergrund ab. Die beiden Schwestern gehen unterschiedlich mit dem Ereignis um, dass dieser riesige Bär auf der Insel aufgetaucht ist, geschwommen durch den Pazifik. Aus der Sichtweise von Sam, der jüngeren Schwester erzählt, atmosphärisch dicht und mit ansteigender Spannung bis hin zum überraschenden Finale.

Auch selber ist man fasziniert und entsetzt von den Schilderungen - Anziehung und Entsetzen. So auch die Schwestern, die fast dreißig Jahre eng vereint und gebunden, verstärkt durch Mutters Krankheit und wenig Chancen auf sozialen Aufstieg mitbringen. Verträumt wie die Insel, verträumt wie die Schwestern tut sich eine Realität auf, die in sich schlüssig erscheint und Interpretationen eröffnet, die man so nicht erwartet hat. Bald kommen die verschiedenen Sichtweisen der Schwestern ans Licht. Wird nicht schon durch das anfängliche Zitat von den Brüdern Grimm von Schneeweißchen und Rosenrot auf etwas hingedeutet, etwas, was zu naiv ist um wahr zu sein?
Erfrischend die übersichtlichen Mitstreiter, so kann die Konzentration auf den Hauptdarstellern Sam und Elena liegen. Dennoch erschloss sich mir Sam nicht wirklich und die vorerst im Hintergrund liegende Elena in der Erzählung in ihrer Motivation erscheint perfekt sorgend, eher schön und geheimnisvoll, ganz wie eine Märchenprinzessin. Doch wird sie nicht wie in dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot den als Bär verwunschenen Prinzen heiraten, denn so etwas gibt´s nur im Märchen. Auch wenn die Insel San Juan paradiesisch ist und die Schwestern Schönheiten, sieht hier die Realität, die die beiden einholt, gänzlich anders aus.
Empfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere