Eine Zeitreise ins New York von 1965
Cosmopolitan – Die Zeit der FrauenDas Sujet des historischen Romans bedingt, dass die Autorin über eine Zeit schreibt, die sie nicht selbst erlebt hat. Ich konnte nicht recherchieren, wie alt Renée Rosen ist, wohl aber, dass sie in den ...
Das Sujet des historischen Romans bedingt, dass die Autorin über eine Zeit schreibt, die sie nicht selbst erlebt hat. Ich konnte nicht recherchieren, wie alt Renée Rosen ist, wohl aber, dass sie in den USA bereits mehrere erfolgreiche Romane abgeliefert hat. Leider ist davon bislang nur “Cosmopolitan - Die Zeit der Frauen” (im Original von 2019 “Park Avenue Summer”) auf Deutsch erschienen. Dieser Roman spielt 1965, und da sind wir also mittlerweile mit historischen Romanen angekommen.
Gleich das Cover ist ein Hingucker und versetzt die Leserin in eine Zeit, in der Autos noch Flossen hatten und Frauen sich das erste Mal in der Geschichte Rechte erkämpften, die man heute allzu oft für selbstverständlich hält. Sexuelle Selbstbestimmung, einen Beruf ausüben, unabhängig von einem Mann leben und arbeiten. In weiten Teilen der Welt ist das bis heute nicht realisiert. Und damals war es ganz neu und somit aufregend, modern, skandalös. Ein Bericht über weibliche Brüste in einer Frauenzeitschrift - Skandal! Eine Frau, die mit einem Mann ins Bett geht, ohne ihn heiraten zu wollen - Skandal! Eine Frau als Chefredakteurin einer Zeitschrift - Skandal!
Renée Rosen erzählt in ihrem Werk die Geschichte um die erste Ausgabe der Zeitschrift Cosmopolitan unter der Leitung von Helen Gurley Brown. Man kann das Buch nicht lesen, ohne ein Gespür dafür zu bekommen, wie alte weiße Männer durch Intrigen versuchen, eine Frau für ihre Zwecke zu benutzen, zu manipulieren und zu beschädigen. Vor diesem Hintergrund sollte man die Leistung von Gurley Brown betrachten. Sie war eine Pionierin, hat Lanzen gebrochen und Frauen Wege ermöglicht, die ihnen zuvor nicht offen standen. Gurley Brown war immer umstritten, und das zurecht. Auch andere Protagonistinnen der Women’s Lib wie Betty Friedan standen ihr kritisch gegenüber. Erst seit den 1990ern hat sich die feministische Sichtweise auf Gurley Brown gewandelt.
Doch in diesem Buch geht es gar nicht in erster Linie um die Chefin, sondern um ihre - fiktive - Sekretärin, die aus der Provinz nach New York City kommt, um den Lebenstraum ihrer verstorbenen Mutter zu leben. Ein genialer Schachzug von Rosen, der sich dadurch alle möglichen erzählerischen Freiheiten eröffnen, und die uns trotzdem so viel über Gurley Brown und diese aufregende Epoche erzählt. So beschreibt sie die damaligen In-Lokale ebenso wie die unterschiedlichen Stadtviertel. Wir lernen das glamouröse Leben der High Society ebenso kennen wie die Nöte einer jungen Fotografin, die sich entscheiden muss, ob sie von ihrem Gehalt Filme kauft oder etwas für den Kühlschrank. In diesem Roman wird geraucht, Alkohol getrunken und Menschen haben Sex miteinander. Aber es gibt auch ernste Momente. An manchen Stellen ist das Buch sehr amerikanisch, womit ich meine, dass es einen Hang zum Happy End gibt. Da ich nicht spoilern will, nur so viel: manchmal ist weniger mehr.
Die Übersetzung von Anita Nirschl gefällt mir sehr gut. Sie trifft den richtigen Ton der Zeit.
Alles in allem eine klare Leseempfehlung, hier mit 4,5 Sternen. Hoffentlich werden weitere Bücher von Renée Rosen ins Deutsche übersetzt. Ich wäre sehr gespannt auf
Apropos: Ich habe nur eine Cosmopolitan in meinem Leben gelesen und fand sie absolut furchtbar!
Zudem eine Trigger-Warnung: das Thema Magersucht spielt am Rande eine Rolle.