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Veröffentlicht am 19.02.2018

Zwei Frauen – zwei Schicksale

Der Apfelsammler
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Eigentlich hat Hannah ganz andere Probleme, hat sie doch gerade eine langjährige Beziehung beendet, als sie vom Tod der bisher wichtigsten Person ihres Lebens erfährt – ihrer Tante Elisabeth, die sie aufgezogen ...

Eigentlich hat Hannah ganz andere Probleme, hat sie doch gerade eine langjährige Beziehung beendet, als sie vom Tod der bisher wichtigsten Person ihres Lebens erfährt – ihrer Tante Elisabeth, die sie aufgezogen und ihr eine unbeschwerte Kindheit beschert hat. Nun fährt sie nach Castelnuovo, einem kleinen Dorf in Umbrien, wo Eli in einem alten Häuschen ihre letzten Lebensjahre verbracht hat. Beim Aufräumen und Sichten des Nachlasses entdeckt Hannah einige Notizen und Fragmente von Briefen, in dem Eli ihre Lebensgeschichte erzählt. Neugierig geworden macht sich Hannah auf die Suche und befragt Freunde und Nachbarn. Dabei erfährt sie auch von Matteo DiLauro, den sie im Dorf nur den Apfelsammler nennen, weil er alte Apfelsorten züchtet und sie so vor dem Aussterben bewahrt. Ihm soll Eli zur Hand gegangen sein und ihm bei der Apfelernte geholfen haben. Doch der eigenbrötlerische, geheimnisumwitterte Mann ist von Hannahs Auftauchen gar nicht begeistert und will auch ihre Hilfe nicht annehmen - er jagt sie von seinem Grundstück. Doch Hannah lässt sich nicht entmutigen, Matteo und seine Apfelplantage ziehen sie magisch an …

Anja Jonuleit wurde 1965 in Bonn geboren, wuchs am Bodensee auf, studierte Sprachen in München und war ab 1992 als Übersetzerin und Dolmetscherin für Italienisch und Englisch tätig. Sie lebte und arbeitete im Ausland, bevor sie 1994 an den Bodensee zurückkehrte. Mit 35 Jahren begann sie zu schreiben und hat inzwischen zahlreiche Romane und Krimis veröffentlicht. Sie ist Mutter von vier Kindern und lebt heute mit ihrer Familie am Bodensee.

„Der Apfelsammler“ ist die Geschichte zweier Frauen, der 31jährigen Journalistin Hannah und ihrer bereits verstorbenen Tante Eli (Elisabeth). Erzählt wird parallel in zwei Handlungssträngen, die in der Gegenwart und in der Vergangenheit angesiedelt sind und sich kapitelweise abwechseln. Während man als Leser Hannah bei ihren Erlebnissen auf der Suche nach Elis Briefen begleitet, liest man bereits die Briefe, ohne jedoch zu wissen, an wen diese gerichtet sind und wo sie zu finden sind. Man erfährt dabei erschütternde Einzelheiten von Elis Kindheit in einem lieblosen Elternhaus, von ihrer großen Liebe, von einem bisher gut gehüteten Geheimnis und taucht so Schritt für Schritt immer tiefer in ihr Leben ein. Währenddessen hat auch Hannah ihre Probleme. Das ererbte Haus ist alt und baufällig, nicht alle Nachbarn sind ihr wohlgesonnen und das Verhältnis zu Matteo, mit dem Eli wohl eine ganz besondere Freundschaft verband, läuft auch nicht wie gewünscht.

Die Autorin Anja Jonuleit hat einen sehr lebendigen, flüssigen Schreibstil. Ihre bildhafte Sprache erfasst Szenen und Landschaften äußerst treffend und schafft eine mitreißende Atmosphäre. Auch die Gefühle der beiden Protagonistinnen sind gut nachvollziehbar. Durch die zwei Zeitebenen, die sich immer mehr aufeinander zu bewegen, baut sich ganz allmählich Spannung auf. Leider wird die bisher erfreuliche Stimmung gegen Ende zu unangenehm gestört. Die Autorin hat, wohl aus dramaturgischen Gründen, die es aber keinesfalls gebraucht hätte, einige Szenen eingebaut, die aus einem billigen Groschenroman stammen könnten und die ich als völlig unpassend empfunden habe. Leider wird der bisher so angenehme Eindruck dadurch etwas gemindert.

Fazit: Ein gut gelungener Roman über Frauen für Frauen – einfühlsam und fesselnd erzählt.

Veröffentlicht am 08.02.2018

Debütroman mit Stärken und Schwächen

Die Feuer von Murano
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Venedig 1569, eine gewaltige Explosion erschüttert die Stadt. Das Munitionslager der Arsenale-Werft ist explodiert und die anschließende Feuersbrust fordert zahlreiche Tote. Als einer der ersten Helfer ...

Venedig 1569, eine gewaltige Explosion erschüttert die Stadt. Das Munitionslager der Arsenale-Werft ist explodiert und die anschließende Feuersbrust fordert zahlreiche Tote. Als einer der ersten Helfer ist Andrea Loredan, Anwalt und Sohn des amtierenden Dogen, vor Ort. Dort trifft er auf den Leichnam des kleinen Tonino Ruis. Der Junge wurde jedoch nicht durch das Feuer getötet, sondern wurde erstochen – vermutlich von seinem eigenen Bruder Gabriele, der auch des Kirchenraubes beschuldigt wird. Die Mutter der beiden Jungen, die Näherin Sofia Ruis, bittet den Anwalt Andrea Loredan um Hilfe. Dieser hat nach dem Unglück viel zu tun, eine Serie mysteriöser Todesfälle rund um das Kloster Celestia ist zu klären. Die Äbtissin konnte Andrea vor ihrem Tod noch einige seltsame Worte zuflüstern, eine ebenfalls anwesende junge Novizin wurde Tage später tot im Kanal treibend gefunden. Ein alter Türke und ein florentinischer Maler, der behauptet der Mönch Angelo Ricchio zu sein, werden als Spione verhaftet, ein Glasbläser ist spurlos verschwunden und ein Geheimbund versucht, alte wertvolle Bücher vor der Inquisition zu verstecken und vor dem Verbrennen zu retten. Währenddessen rüstet die Serenissima auf, es kommt zur Seeschlacht gegen die Osmanen …

„Die Feuer von Murano“ ist der erste Roman des 1953 in Rom geborenen italienischen Autors Giuseppe Furno. Er erschien 2013 in Italien unter dem Titel „Vetro“ („Glas“) und im selben Jahr noch auf Deutsch im Aufbau-Verlag. Zuvor schrieb Furno sehr erfolgreich Drehbücher für Radio, Kino und Fernsehen und verfasste Reiseführer. Für seinen historischen Debütroman verbrachte der Autor eineinhalb Jahre in Archiven und lebte einige Zeit in der Lagunen-Stadt, um ein authentisches Bild der Serenissima in Venedig zu liefern. Gleich nach Erscheinen des Buches erhielt er in Italien den Premio Hemingway. Giuseppe Furno lebt und arbeitet heute in Rom.

Sehr aussagekräftig und auffallend detailgenau zeichnet der Autor das Bild Venedigs und der Serenissima im 16. Jahrhundert. Beachtlich realistisch sind insbesondere die Szenen einer Seeschlacht, bei denen der Leser hautnah dabei ist, bei denen er mitleidet und bei denen er manchmal bis an die Grenze des Erträglichen gebracht wird. Alle beteiligten Personen wirken sehr lebendig, sehr authentisch und sind gut in die Handlung integriert. Besonders sympathisch ist die Hauptperson des Romans, Andrea Loredan, der durch seine Hilfsbereitschaft und Korrektheit beeindruckt und der Sofia Ruis, einer weiteren Hauptfigur, oft auch entgegen aller Vernunft zu Hilfe eilt.

Leider hat der sehr umfangreiche Roman von nahezu 1000 Seiten auch seine Schwächen. Ausführliche Erklärungen über die Struktur und den Aufbau des venezianischen Staates und fortwährende Erläuterungen über die Rollen der einzelnen Rats- und Senatsmitglieder wirken mit der Zeit etwas ermüdend. Durch viele kleine Nebenhandlungen ist die Geschichte doch sehr in die Länge gezogen und die unzähligen lateinischen und italienischen Begriffe hemmen stark den Lesefluss. Da sehr viele Personen in das Geschehen eingebunden sind, wäre ein entsprechendes Personenregister wünschenswert. Der Schreibstil ist sehr fesselnd, jedoch nicht übermäßig anspruchsvoll, dennoch ist beim Lesen viel Konzentration erforderlich. Hilfreich ist ein Anhang, der den historischen Hintergrund Venedigs und der Serenissima um 1570 behandelt und dem sich ein Glossar über die wichtigsten Ausdrücke und Begriffe anschließt. Eine historische Karte Venedigs rundet das Werk ab.

Fazit: Ein fesselnder historischer Abenteuer- und Kriminalroman – empfehlenswert besonders für alle, die sich für die Geschichte Venedigs interessieren.

Veröffentlicht am 18.12.2017

Konflikte …

Souvenirs
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Er ist fünfundzwanzig Jahre alt und sucht noch nach einer Perspektive im Leben. Schriftsteller will er werden und berühmt, sein Job als Nachtportier in einem Pariser Hotel soll ihm das passende Ambiente ...

Er ist fünfundzwanzig Jahre alt und sucht noch nach einer Perspektive im Leben. Schriftsteller will er werden und berühmt, sein Job als Nachtportier in einem Pariser Hotel soll ihm das passende Ambiente dazu liefern. Doch es will nicht so recht voran gehen mit seinem Roman. Dann überstürzen sich plötzlich die Ereignisse und die Prioritäten im Leben verschieben sich. Der geliebte Großvater stirbt, seine Eltern leben sich auseinander, Vater geht in Rente, Mutter bekommt Depressionen, Großmutter verschwindet spurlos aus dem Altenheim und unser Held lernt endlich Louise, die Frau seines Lebens kennen

Der Autor David Foenkinos, geb. 28.10.1974 in Paris, studierte an der Sorbonne Literatur und Musik. Er hat nach eigenen Angaben elf Bücher geschrieben, die in vierzig Sprachen übersetzt wurden und für die er in Frankreich bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Einige seiner Romane hat er, zusammen mit seinem Bruder Stéphane, selbst verfilmt. Seine Werke seien nicht autobiografisch, wie er anlässlich einer Lesung 2013 in Weimer erklärte.

„Souvenirs“ ist die Geschichte dreier Generationen einer Familie, mitten aus dem Leben gegriffen, fesselnd, berührend und menschlich. Ein Buch über Altern und Krankheit, Abschied nehmen und Neuanfang, über Probleme in der Ehe und in der Liebe und über den Konflikt zwischen den Generationen in allgemeinen. Foenkinos‘ Schreibstil ist sehr poetisch, dabei trotz melancholischer Grundstimmung immer zuversichtlich und mit ironischem Humor gewürzt. Zwischen den einzelnen Kapiteln eingebunden findet man die „Souvenirs“, Gedanken und Erinnerungen bekannter und unbekannter Personen, die zuvor in der Erzählung erwähnt wurden und diese angenehm auflockern.

Anfangs wird das Geschehen aus Sicht des Enkels langsam und bedächtig erzählt, die Zeit rinnt gemächlich dahin, was ich persönlich sehr schön fand. Doch leider ändert sich dies ab etwa der Mitte des Buches. Die Zeit rast plötzlich dahin, man erfährt nur noch wenige Einzelheiten, und im Nu sind acht Jahre vergangen. Das war für mich unbefriedigend und mindert meiner Meinung nach den guten Gesamteindruck. Angenehmer Anfang – übereiltes Ende!

Fazit: Ein einfühlsamer und außergewöhnlicher Roman, ernsthaft und doch unterhaltend, der den Leser innehalten lässt und einlädt, über das eigene Verhältnis zu Eltern und Großeltern nachzudenken.

Veröffentlicht am 04.12.2017

Von kleinen und großen Katastrophen …

Zur Sache, Schätzle!
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Endlich fühlt sich die 32jährige Pipeline, die von allen nur Line genannt wird, bereit, ihr bisheriges Leben zu ändern und mit ihrem Freund Leon zusammen zu ziehen. Also muss eine bezahlbare Wohnung her, ...

Endlich fühlt sich die 32jährige Pipeline, die von allen nur Line genannt wird, bereit, ihr bisheriges Leben zu ändern und mit ihrem Freund Leon zusammen zu ziehen. Also muss eine bezahlbare Wohnung her, was in Stuttgart gar nicht so einfach ist. Da Leon zurzeit als Ingenieur in China arbeitet, macht sich Line alleine auf Wohnungssuche. Sie versucht zwar ihr bestes um alles richtig zu machen, doch ein Missgeschick nach dem anderen kommt dazwischen. Da ist ein Polizist - und plötzlich zweifelt Line an ihren Gefühlen. Dann ist Leon zurück, eine Wohnung ist gefunden, ein recht chaotischer Umzug ist auch bewältigt – die ersehnte Zweisamkeit kann nun beginnen. Doch dann meldet sich Lines Katastrophen-Gen wieder und sie stolpert von einem Schlamassel in den anderen …

„Zur Sache Schätzle!“ ist bereits der vierte Band einer Serie mit Line und Leon, die die Autorin Elisabeth Kabatek mit viel Humor und schwäbischem Lokalkolorit geschrieben hat. Auch wenn man die ersten Teile nicht gelesen hat, kann man der Geschichte mühelos folgen, da immer wieder Bezug auf frühere Ereignisse genommen wird. Der Schreibstil ist sehr flüssig, bildhaft und detailreich. Man kann sich die Figuren und ihre Handlungsweisen gut vorstellen. Besonders eindrucksvoll, ja schon filmreif, ist eine Szene, in der Line mit dem Fahrrad quer durch Stuttgart (bergauf und bergab - Stuttgart ist hügelig) rast, um eine Hochzeit im letzten Moment zu verhindern. Da bleibt wirklich kein Auge trocken und die Lachmuskeln werden arg strapaziert. Die Dialoge sind ab und zu in schwäbischem Dialekt geschrieben, was die Geschichte sehr authentisch macht. Sollte der Leser damit Probleme haben, sind die eingefügten Fußnoten eine große Hilfe.

Fazit: Ein unterhaltsames, humorvoll und einfallsreich geschriebenes Buch – bestens geeignet zum Abschalten und Entspannen.

Veröffentlicht am 03.12.2017

Von Mäusen und Menschen …

Danke für meine Aufmerksamkeit
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Nachdem Britta sich von ihrem Lebensgefährten getrennt hat, braucht sie eine neue Bleibe. Doch dies ist gar nicht so einfach, denn Britta ist eine gewöhnliche Hausmaus, allerdings eine, die sprechen kann. ...

Nachdem Britta sich von ihrem Lebensgefährten getrennt hat, braucht sie eine neue Bleibe. Doch dies ist gar nicht so einfach, denn Britta ist eine gewöhnliche Hausmaus, allerdings eine, die sprechen kann. Durch Zufall landet sie im Haus von Polly, welches das elfjährige Mädchen mit ihren Eltern bewohnt. Fortan nimmt Britta teil am menschlichen Leben, lernt Pollys Freunde und deren Probleme mit den Eltern kennen, verliebt sich in Nachbars Kater Rico und trifft endlich auf Ferdinand, den Mäusemann ihres Lebens …

Bevor die Autorin Cordula Stratmann als Komödiantin im TV bekannt wurde, war sie als Sozialarbeiterin mit Ausbildung als Familientherapeutin tätig. Sie hat es gut verstanden, ihre diesbezüglichen Erfahrungen in diesem Buch einzubringen. Humorvoll geht es um ernsthafte Themen wie Kindererziehung, Eltern, die kaum für ihre Kinder Zeit haben, überforderte Lehrer und Verunstaltung der deutschen Sprache. Leicht überzogen lernt man aus Sicht der Maus einige, teils groteske und teils bizarre, Familienverhältnisse, sowohl in der Wahrnehmung der Eltern, als auch der der Kinder kennen. Das Buch ist in einem lebendigen, flüssigen Schreibstil geschrieben, der die Szenen und Begebenheiten treffend wiedergibt, die auch sehr viel Lebensweisheiten enthalten.

Fazit: Ein Buch, bei dem man Schmunzeln kann, das aber auch zum Nachdenken anregt.