Profilbild von tigercat

tigercat

Lesejury Star
offline

tigercat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit tigercat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.12.2024

Voodoo an der Ruhr

Voodoo an der Ruhr
0

In Essen wird die Leiche eines jungen Schwarzen im Treppenabgang zu einer U-Bahn-Haltestelle gefunden. Seine Identität und die Todesursache bleiben zunächst unklar.
Im Slum von Benin-City, Nigeria, sprechen ...

In Essen wird die Leiche eines jungen Schwarzen im Treppenabgang zu einer U-Bahn-Haltestelle gefunden. Seine Identität und die Todesursache bleiben zunächst unklar.
Im Slum von Benin-City, Nigeria, sprechen eine Weiße und eine Einheimische eine Teenagerin an. Sie versprechen ihr eine großartige Zukunft in Europa.
Bei der Kripo in Essen herrscht Hochbetrieb. Neben dem Fall des jungen Schwarzen bearbeiten die Beamten zeitgleich den Mord an einer Prostituierten, deren Leiche in der Nähe des Mülheimer Wasserbahnhofs abgelegt wurde.
Oberkommissarin Thea Terschüren ahnt: Irgendwie hängt alles zusammen. Und mit Voodoo..


Theodora „Thea“ Terschüren, von allen nur Möhrchen genannt, soll einen Fall von 2023 lösen. Ihr Chef, Kriminalrat Hund, erwartet sich Ruhm und Ehre, wenn der Fall der Prostituierten, die tot am Mülheimer Wasserbahnhof aufgefunden wurde, endlich aufgeklärt wird. Thea ist nicht gerade begeistert; bedeutet dieser Fall doch, dass alle Zeug:innen nochmals befragt werden müssen und die Chancen, endlich den Täter zu finden, mehr als gering sind. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Kurt macht sie sich an die Arbeit. Ein anderer Fall erscheint ihr da vielversprechender: Ein junger Mann wurde tot am Fuße einer Treppe zur U-Bahn-Haltestelle aufgefunden. Er weist mehrere Verletzungen auf, von denen allerdings keine todesursächlich war. Möhrchen wittert Mord. Doch schon die Suche nach der Identität des jungen Mannes erweist sich als schwierig. Es bedarf all ihrer Überzeugungskraft und der Unterstützung ihres Mannes Erich, um Hund davon zu überzeugen, dass der junge Schwarze nicht an den Folgen eines Unfalls verstorben ist.
Ich mochte ja schon die Fälle Sigi Sieberts, des mittlerweile pensionierten Hauptkommissars, sehr; so war es eine logische Schlussfolgerung, dass ich die Krimireihe weiterverfolge. Mit Thea Terschüren hat er eine Nachfolgerin gefunden, die auf ihre Art ebenso unkonventionell ermittelt wie ihr früherer Chef. Und ihr aktueller Fall hat es in sich: Die Spuren führen Thea und ihr Team ins Rotlichtmilieu und von dort zu dem widerlichen Akt des Menschenhandels, dem auch die gerade einmal 15-jährige Fayola zum Opfer gefallen ist. Sie wurde in den Slums von Benin-City von ihrem Vater an zwei Frauen verkauft. Fayola wird durch ein Voodoo-Ritual an die Frauen gebunden und nach Deutschland gebracht; dort landet sie in der Hölle auf Erden.
Ich bin, was meine Lektüre angeht, ja ziemlich hart im Nehmen, aber dieser Fall hat mich so manches Mal schlucken lassen. Besonders das Schicksal Fayolas hat mich tief berührt. Schnell war mir klar, dass der Tod des jungen Tayo eng mit Fayolas Schicksal verknüpft ist.
Klaus Heimann hat mir Bilder in den Kopf gesetzt, die mich entsetzt haben. Die Art und Weise, wie Menschen mit anderen umgehen – und damit meine ich nicht nur die Zuhälterinnen, die Fayola nach Deutschland gelockt haben –, ist schockierend. Auch in Tayos Umfeld gibt es Menschen, die ihre Macht ohne Rücksicht auf andere ausleben.
Heimann hat anscheinend umfangreiche Recherchen zum Voodoo-Kult angestellt, um dessen komplexe Aspekte in den Roman einzubringen. Der Voodoo-Kult wird oft missverstanden und als fremd oder exotisch wahrgenommen. Seine Darstellung könnte darauf abzielen, ein differenziertes Bild zu vermitteln und das Bewusstsein für die kulturellen Hintergründe zu schärfen; Voodoo wird nicht nur als Handlungselement, sondern auch als kultureller Kontext in die Geschichte integriert.
Wieder steht die Polizeiarbeit an erster Stelle. Die ermüdenden Zeug:innenbefragungen und die bürokratischen Hürden, die Thea dann doch schon mal umgeht, machen diesen Krimi so authentisch – genau so wie das Zusammenspiel der Teammitglieder. Allen voran natürlich Thea und Erich, die nicht nur beruflich ein Team sind, sondern auch privat; dabei müssen sie immer aufpassen, Berufliches und Privates voneinander zu trennen. Oder auch Korkmaz Kurt, den alle nur Kurt nennen: Der junge Kommissar betreibt nebenberuflich einen Imbisswagen, der ihm mehr Ärger als Gewinn einbringt. Die kleinen Einblicke in das Privatleben der Protagonist:innen ließen mich zwischendurch immer wieder etwas durchatmen.
Von mir bekommt "Voodoo an der Ruhr" eine absolute Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2024

Imitathyos das unendliche Alphabet von Matthias A.K. Zimmermann

IMITATHYOS
0

Mina ist Psychologiestudentin, kurz vor ihrem Abschluss, stürzt ihr Computer ab und alle ihre bisherigen Arbeiten sind verloren. Nach kurzer Verzweiflung entscheidet sich Mina, das Studium aufzugeben und ...

Mina ist Psychologiestudentin, kurz vor ihrem Abschluss, stürzt ihr Computer ab und alle ihre bisherigen Arbeiten sind verloren. Nach kurzer Verzweiflung entscheidet sich Mina, das Studium aufzugeben und sich stattdessen ihrer wahren Leidenschaft zu widmen, der Schriftstellerei. Gemeinsam mit ihrer Schwester Xenia und deren Freund Dionys folgt sie der Einladung ihres Bruders Timos der auf der künstlich erschaffenen Insel IMITATHYOS lebt und arbeitet. Die Anreise auf einer beeindruckenden Luxusyacht ist bereits ein Erlebnis für sich. Nichts auf IMITATHYOS ist wirklich echt – weder die Tiere noch die Pflanzen, alles ist aus einem neuartigen Material gefertigt, an dessen Entwicklung Timos beteiligt war – und dennoch strahlt alles eine lebendige Präsenz aus. Auf ein Treffen mit Timos allerdings warten die Schwester vergeblich. Er vertröstet sie ein ums andere Mal, doch immer, wenn sie sich auf die Suche nach ihm machen wollen, scheint die Atmosphäre der Insel sie daran zu hindern, sie erleben totale Entspannung und absolutes Wohlbefinden. Sodass einige Zeit vergeht, bis sie sich ernsthaft auf die Suche nach Timos begeben.

Diesen Roman zu beschreiben, ist äußerst schwierig, denn das, was ich euch bisher erzählt habe, könnte ebenso gut auf einen Krimi oder eine Abenteuergeschichte hindeuten. Doch das trifft es bei weitem nicht: Die Geschichte ist eine faszinierende Mischung aus Utopie und Dystopie, durchzogen von leichten Einschlägen der Mythologie, die die Handlung in ein vielschichtiges und komplexes Licht tauchen.

Der Autor Matthias A. K. Zimmermann beherrscht das Spiel mit Worten virtuos und entführt seine Leser in eine faszinierende Welt, in der Buchstaben und Worte zu lebendigen Akteuren werden. Er führt seinen Leserinnen und Lesern die Macht der Sprache und zeigt, wie sie sich auf unsere Wahrnehmung der Welt auswirkt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.10.2024

Ferryman: Der Tod ist nur der Anfang

Ferryman
0

Die Geschichte spielt auf den Inseln von Prospera, wo die Bewohner ein privilegiertes Leben führen, bis ihre Lebenszeit abläuft. Dann werden sie auf die geheimnisvolle Nachbarinsel Nursery geschickt, um ...

Die Geschichte spielt auf den Inseln von Prospera, wo die Bewohner ein privilegiertes Leben führen, bis ihre Lebenszeit abläuft. Dann werden sie auf die geheimnisvolle Nachbarinsel Nursery geschickt, um dort "neu gebootet" zu werden, was ihnen ein weiteres Leben ermöglicht. Im Alter von 16 Jahren verlassen sie die Insel Nursery und werden in bestehende Familien auf Prospera integriert, wo sie aufwachsen. Wenn sie erwachsen sind, können sie sich eine Tätigkeit aussuchen, die ihren Begabungen, Fähigkeiten und Wünschen entspricht. Proctor Bennett, der Fährmann, begleitet die alt gewordenen Bewohner Prosperas zur Fähre, wenn ihre Lebenszeit "aufgebraucht" ist. Er hat seine Aufgabe nie hinterfragt, bis er eine kryptische Nachricht erhält, die seine tiefsten Ängste bestätigt und das Schicksal der Menschheit infrage stellt.
Soviel zu dem, was im Klappentext steht.

Justin Cronins Passage-Trilogie hat mich seinerzeit wirklich begeistert, und so war ich natürlich sehr gespannt darauf, was mich mit "Ferryman" erwartet.
Cronin schafft es erneut, seine Leserinnen und Leser in eine faszinierende Welt zu entführen. Anfangs wirkt das Leben auf Prospera wie ein Traum – mir kam schnell Shangri-La in den Sinn, jene geheimnisvolle Welt in Tibet. Doch nach und nach bröckelt diese Illusion, und ein düsteres Bild kommt zum Vorschein. Besonders beeindruckt hat mich, wie Cronin gesellschaftspolitische Kritik in die Handlung einfließen lässt. Immer wieder stellt er Fragen, die zum Nachdenken anregen. Manchmal wünschte ich mir allerdings, er würde schneller zur Sache kommen, da man als Leser recht bald spürt, dass hinter der perfekten Fassade etwas nicht stimmt.
Proctor Bennetts Träume sind ein klarer Hinweis darauf, dass nicht alles so ist, wie es scheint – Träume sind etwas Ungewöhnliches für die Bewohner von Prospera. Zudem wird deutlich, dass das Personal, das für das Wohl der Prosperaner verantwortlich ist im Annex in Armut leben. Diese Kontraste machen die Geschichte umso spannender.

Insgesamt ist "Ferryman" ein faszinierender Roman, der durch seine dichte Atmosphäre und gesellschaftspolitischen Themen beeindruckt. Cronins Erzählkunst schafft es, die Leserinnen und Leser in eine scheinbar perfekte Welt zu entführen, deren düstere Geheimnisse nach und nach enthüllt werden. Trotz kleinerer Längen bleibt die Geschichte im Großen und Ganzen spannend, sodass sie mich bis zur letzten Seite gut unterhalten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.10.2024

Voll verwünscht

Voll Verwünscht
0

Wir alle kennen sie, die Feen, Dschinns und Kobolde, die Wünsche erfüllen, zu ihnen gesellen sich noch der Weihnachtsmann oder auch der Teufel. Wunscherfüller gibt es wohl in jeder Kultur und natürlich ...

Wir alle kennen sie, die Feen, Dschinns und Kobolde, die Wünsche erfüllen, zu ihnen gesellen sich noch der Weihnachtsmann oder auch der Teufel. Wunscherfüller gibt es wohl in jeder Kultur und natürlich gibt es auch die Geschichten, in denen davor gewarnt wird, die Wünsche, die man hat, so zu formulieren, dass man am Ende auch bekommt, was man sich gewünscht hat und vom wem, denn nicht alle Wunscherfüller sind die hellsten Kerzen auf der Torte und verärgern sollte man sie auch.
Der Leserattenverlag hat nun 21 Geschichten zusammengetragen, die uns zur Warnung dienen sollen oder vielleicht doch nur zum Lachen bringen sollen. Gesammelt hat diese Geschichten Nele Sickel.
In diesen Geschichten findet sich oftmals ein gerütteltes Maß an Gesellschaftskritik. Das macht diese Geschichten noch ein Stück weit interessanter, aber auch der Humor kommt nie zu kurz.

Mir haben die Geschichten im Großen und Ganzen sehr gut gefallen. Die Anthologie bietet eine abwechslungsreiche Sammlung von Erzählungen, die sowohl humorvolle als auch nachdenkliche Momente enthalten. Natürlich konnte nicht jede Geschichte zu 100 % überzeugen, aber die kreative Vielfalt und die fantasievollen Ansätze der Autoren machen das Lesen zu einem unterhaltsamen Erlebnis.
Die Themen rund um Wunscherfüllung werden auf unterschiedliche Weise behandelt, was zu einer interessanten Dynamik führt. Einige Geschichten regen zum Schmunzeln an, während andere tiefere Emotionen ansprechen. Insgesamt gesehen ist die Anthologie sehr lesenswert und bietet für jeden Geschmack etwas.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2024

Winterwölfe

Winterwölfe
0

"Winterwölfe" knüpft nahtlos an den ersten Teil "Essex Dogs" an, den man unbedingt gelesen haben sollte.

Die englischen Truppen unter Edward III. haben die Schlacht bei Crécy gewonnen und die Franzosen ...

"Winterwölfe" knüpft nahtlos an den ersten Teil "Essex Dogs" an, den man unbedingt gelesen haben sollte.

Die englischen Truppen unter Edward III. haben die Schlacht bei Crécy gewonnen und die Franzosen vernichtend geschlagen. Eigentlich wollten die Essex Dogs nun in ihre Heimat zurückkehren. Allerdings haben sie den ihnen zustehenden Sold noch nicht erhalten, und um nicht mit leeren Händen nach England zurückkehren zu müssen, marschieren sie mit den Truppen nach Calais. Edward III. will die wichtige Hafenstadt erobern. Doch Calais gehört zu den am besten gesicherten Städten ihrer Zeit, und es beginnt eine monatelange Belagerung.


In "Winterwölfe" erzählt Dan Jones die Geschichten der Essex Dogs weiter. Fitz Talbot "Loveday" zweifelt an seinen Fähigkeiten, die Essex Dogs zu führen, und ist fest davon überzeugt, dass der "Captain", der frühere Anführer der Dogs, noch lebt.
Scotsman trifft auf die Flämin Hircent, die im Kampf den Männern in nichts nachsteht. In der auf Geheiß des Königs vor den Toren Calais errichteten Stadt Villeneuve-la-Hardie leitet sie mit brutaler Hand ein Bordell.
Der junge Romford ist mittlerweile ein begnadeter Bogenschütze, doch seine Erlebnisse im Gefolge des Prinzen setzen ihm immer noch zu, und er hat ein neues Rauschmittel gefunden: Pilze. Der junge Bogenschütze wird nach Calais verschleppt und trifft dort auf den Captain, für den der Krieg zu einem Geschäft geworden ist.


Durch die Errichtung von Villeneuve-la-Hardie war es den Engländern möglich, die Stadt Calais über einen langen Zeitraum auszuhungern. Der Kommandant von Calais, Jean de Vienne, sah sich gezwungen, die Bevölkerung zu evakuieren, um die Überlebenschancen der verbleibenden Bürger zu erhöhen, wer nicht kämpfen konnte, wurde weggeschickt und der Gnade der Engländer ausgeliefert.

Dan Jones verzichtet darauf, die Umstände, unter denen die Menschen leben und kämpfen, in irgendeiner Weise zu romantisieren. Wie schon im ersten Band spürt man die Langeweile während der monatelangen Belagerung und riecht den Schweiß und Dreck der Männer.

Der Autor versteht es hervorragend, historische Fakten und Fiktion unterhaltsam zu verknüpfen.
Immer wieder fand ich mich dabei, bestimmte Details nachzuschlagen – etwa die beeindruckende Anzahl von 20.000 bis 60.000 Pfeilgeschossen, die bei einer Schätzung von 2.000 bis 4.000 englischen Langbogenschützen pro Minute auf die französischen Truppen niedergegangen sein sollen.

Das wäre jedoch kaum nötig gewesen, da Dan Jones am Ende des Buches eine prägnante Zusammenfassung der wichtigsten historischen Fakten liefert.

Fazit: Dan Jones gelingt es mit "Winterwölfe", dem zweiten Teil seiner Essex-Dogs-Trilogie, das düstere und brutale Mittelalter authentisch darzustellen, ohne die Härte des Lebens und Kampfes zu beschönigen. Die nahtlose Fortsetzung der Geschichte nach der Schlacht bei Crécy führt die Leser in die monatelange Belagerung von Calais, bei der historische Fakten und Fiktion meisterhaft verwoben werden. Die Charaktere, allen voran Fitz Talbot, Romford und Scotsman, entwickeln sich inmitten des kriegerischen Chaos weiter und geben Einblicke in die komplexen emotionalen und moralischen Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Jones' Fähigkeit, historische Details lebendig werden zu lassen, macht die Lektüre sowohl lehrreich als auch unterhaltsam. Insgesamt ist "Winterwölfe" eine fesselnde Fortsetzung, die Lust auf den abschließenden Teil der Trilogie macht.

Absolut Lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere