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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.10.2017

Anspruchsvoll und mit viel geschichtlichem Nährwert

Grimms Morde
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Zum Inhalt:

Kassel 1821: Eine ehemalige Mätresse des Kurfürsten von Kassel, Wilhelm I., wird grausam ermordet. Bei ihrer Leiche findet man ein Zitat aus einem grimmschen Märchen. Ist es ein Hinweis auf ...

Zum Inhalt:

Kassel 1821: Eine ehemalige Mätresse des Kurfürsten von Kassel, Wilhelm I., wird grausam ermordet. Bei ihrer Leiche findet man ein Zitat aus einem grimmschen Märchen. Ist es ein Hinweis auf den Mörder? Die Polizei nimmt als mutmaßlichen Täter sofort Jakob Grimm, Hofbibliothekar und Mitverfasser der Grimmschen Märchensammlung, ins Visier. Der sieht sich gezwungen, mit seinem Bruder Wilhelm selbst Nachforschungen zu beginnen, um seine Unschuld zu beweisen und den Mörder vielleicht sogar selbst überführen zu können. Die Droste-Schwestern Annette und Jenny, die verschiedene Märchen zu der Sammlung beigetragen haben, fühlen sich mitverantwortlich und bieten ihre Hilfe an. Bald wird ein weiterer Toter gefunden, ebenfalls mit einem vielsagenden Zitat.

Meine Meinung:

„Grimms Morde“ war für mich nur vordergründig ein Kriminalfall. Es war für mich vor allem ein Roman, der auf anspruchsvolle Weise versucht, die komplizierte Gesellschaftsstruktur der damaligen Zeit und deren, uns heute seltsam anmutende, Moralvorstellungen vor Augen zu führen. Wo auf der einen Seite ein Monarch unter den Augen der Öffentlichkeit eine ganze Handvoll Mätressen und unehelicher Kinder haben durfte, wurden die Frauen an sich als dem Manne geistig und sozial untertan angesehen und sollten züchtig und demütig den Haushalt führen, dem Manne dienen und ansonsten möglichst den Mund halten. Vor allem Annette Droste fällt hier wohl von Kindheit an aus dem Rahmen. Ihre Intelligenz, ihr Wortwitz, ihre schriftstellerischen Fähigkeiten, sind vor allem ihrem Onkel August ein Dorn im Auge. Vor längerem bereits hatte er versucht, seiner Nichte mit einer bitterbösen Intrige einen gehörigen Denkzettel zu verpassen. Für Annette wird die Suche nach dem Mörder auch zu einer Möglichkeit, aus ihrem Kummer und ihren Selbstvorwürfen herauszufinden und wieder zu sich selbst zu finden.

Die Beziehungen der beiden Geschwisterpaare sind diffizil und nicht frei von Animositäten und Vorurteilen. Während Jakob sich wie die meisten Männer erst mal mit Annette Wortgefechte liefert, ist Jenny Wilhelm in zärtlichen Gefühlen zugetan. Daraus entspinnen sich im Laufe der Geschichte immer wieder wunderbare Dialoge, die dem Buch die nötige Würze verleihen und, wie der gesamte Roman, den brillante Sprachstil der Autorin widerspiegeln. Die vier Charaktere durchlaufen eine teils dramatische Entwicklung die schließlich mit dazu führt, dass am Ende der komplizierte Mordfall von ihnen gemeinsam gelöst werden kann.

Teile der gesammelten Märchen der Gebrüder Grimm sind ja wohl jedem, der einmal in Deutschland Kind war, mehr oder weniger geläufig. Über die Droste-Schwestern Annette und Jenny wusste ich so gut wie nichts. Mein Interesse wurde jetzt heftig angefacht.

Wichtig, und wie immer sehr erhellend, war mir auch das Nachwort, in dem erklärt wird, was erfunden ist und was die von der Autorin aufgearbeitete "Realität". Es ist ja toll, dass es zu dieser Zeit oft lebhafte und regelmäßige Briefwechsel gab, die wichtige Anhaltspunkte über die Geschehnisse und die Beziehungen der Menschen untereinander geben. Dennoch ist es die Kunst der Autorin, daraus eine gute Geschichte zu schreiben, die dem Ganzen einen logischen Sinn und Leben einhaucht. Das ist hier wirklich hervorragend gelungen. Wer einen anspruchsvollen historischen Roman sucht mit viel "Nährwert", der ist hier genau richtig.

Veröffentlicht am 13.10.2017

wie immer spannend

Blutzeuge
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Das Cover von „Blutzeuge“ lässt eher an einen skandinavischen Thriller denken und ist eigentlich auch nicht besonders aussagekräftig. Aber durch die Farbgestaltung und die Vintage-Optik wirkt es dennoch ...

Das Cover von „Blutzeuge“ lässt eher an einen skandinavischen Thriller denken und ist eigentlich auch nicht besonders aussagekräftig. Aber durch die Farbgestaltung und die Vintage-Optik wirkt es dennoch richtig gut.
Tess Gerritsen schreibt seit vielen Jahren an dieser Krimireihe. Dementsprechend kannte ich Jane und Maura schon aus einigen Vorgängerbänden. Das Wiedersehen mit den beiden macht immer wieder großen Spaß aber man kann sicherlich auch ohne Vorkenntnisse diesen Krimi lesen, denn der Fall ist in sich abgeschlossen und es gibt nur wenig Verweise auf Vorfälle in der Vergangenheit. Dennoch machen die beiden wieder eine private Entwicklung durch, die aber hinter dem extrem kniffeligen Kriminalfall etwas zurückstehen muss.
Wieder ist ein Serienkiller unterwegs, der Frauen tötet und ihre Leichen verstümmelt. Als Leser ist man da ja schon etwas abgestumpft. Die Beschreibungen sind angemessen, erzeugen das nötige Angstszenario ohne zu sehr auf den Details rumzureiten. Interessant ist, dass es eine Ich-Perspektive gibt, in der eine Frau immer wieder Andeutungen über den Täter macht und selber in Gefahr zu schweben scheint.
Ich mag Gerritsens Schreibstil, der unaufgeregt und kühl daherkommt und Gefühle vor allem durch Dialoge und Gedanken transportiert. Schön war auch, dass die Spannung am Ende nochmal einen Salto schlägt, den ich so nicht erwartet hatte. Wie immer ein solider und sehr unterhaltsamer Krimi dieser Autorin, den man mit Vergnügen weglesen kann.

Veröffentlicht am 21.08.2017

spannend und sehr unterhaltsam

Der Herr der Bogenschützen
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Der Titel „Der Herr der Bogenschützen“ lässt kurzzeitig natürlich an Robin Hood denken, dessen Leben der Autor Mac P. Lorne aber bereits ausführlich in anderen Romanen geschildert hat.

Hier nun handelt ...

Der Titel „Der Herr der Bogenschützen“ lässt kurzzeitig natürlich an Robin Hood denken, dessen Leben der Autor Mac P. Lorne aber bereits ausführlich in anderen Romanen geschildert hat.

Hier nun handelt es sich um John Holland und die Zeit um 1400. Holland verliert Vater und Bruder schon als junger Mann und nachdem er durch seine herausragende Bogenschießkunst auffällt, steht er alsbald an der Seite von Englands neuem König. Die Engländer und die Franzosen kämpfen auf europäischem Boden seit langem um die Vorherrschaft. Der englische König Harry – an seiner Seite auch der erste und beste Bogenschütze Holland – gewinnt eine um die andere Schlacht. Erst das Erscheinen von Jehanne Darc legt ihm Steine in den Weg. Eben dieses Szenario hat mir ausgesprochen gut gefallen. Es wird aus der Sicht von Holland aber auch der französischen Nationalheldin erzählt. Dank der guten Recherchearbeit des Autors erfährt man einiges über die geschichtlichen Fakten. Über die Abläufe und Zusammenhänge, die diese dramatische Geschichte interessant unterfüttern.

Ich mag Lornes kraftvollen Erzählstil, der mich an Geschichten von Ulf Schiewe erinnert. Man merkt, dass der Autor an seinem Helden hängt. Er zeichnet ihn als starken und klugen Mann, der so manche Gefahr übersteht und als Kerl aber auch als Freund ein Prachtexemplar ist. Das mag manchmal etwas klischeehaft rüberkommen, macht aber großen Spaß zu lesen. Hier werden Männer und Frauen gleichermaßen ihr Vergnügen haben. Ein historischer Roman, der durch einen spannenden Plot besticht und dabei viel Wert auf historische Genauigkeit legt. Von mir eine dicke Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 25.06.2017

sehr empfehlenswert

Die Treibjagd
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„Die Treibjagd“ von Antonin Varenne spielt im Massif Central, einem Gebirge in der Mitte des südlichen Frankreichs. Aber es könnte tatsächlich überall anders auf der Welt spielen, wo die Gegebenheiten ...

„Die Treibjagd“ von Antonin Varenne spielt im Massif Central, einem Gebirge in der Mitte des südlichen Frankreichs. Aber es könnte tatsächlich überall anders auf der Welt spielen, wo die Gegebenheiten ähnlich sind. Die Ausgangssituation erinnert mich an andere Romane, die ich im letzten Jahr gelesen habe. Z.B. Monteperdido (Spanien) oder The Dry(Australien).
Es ist eine ländliche abgelegene Gegend, in der die Natur hart und unerbittlich ist und wenige Reiche das Land und die Macht unter sich aufteilen wollen. Die Menschen sind ein Abbild ihrer Lebensumstände. Rauh und spröde, wortkarg und von äußeren und inneren Narben versehrt. Rémi Parrot ist der örtliche Revierjäger. Auf gewisse Weise ist er ein Eigenbrödler. Durch einen schweren Unfall entstellt, lebt er in einer Hütte am Waldrand. Seine große Liebe Michèle hatte vor Jahren das Dorf verlassen. Unerwartet kehrt sie zurück und eröffnet einen kleinen Laden. Ihr Bruder versucht, wie früher, eine Beziehung der beiden mit allen Mitteln zu verhindern und gerät sofort mit Rémi aneinander. Aber bald ist das Nebensache, denn der Forstinspektor Philippe verschwindet unter ungeklärten Umständen im Wald und was die Männer nach tagelanger Suche finden wirft die Frage auf, wer wollte ihn mundtot machen und warum. Der tote Freund hat Rémy einen Stapel Unterlagen hinterlassen, weil er bereits um sein Leben fürchtete. Und daraus geht hervor, dass einer der mächtigsten Grundbesitzer der Gegend in einen Umweltskandal verwickelt sein könnte. Ist dies das Mordmotiv? Bald ist auch hinter Rémy jemand her.
Ich mag Bücher wie „Die Treibjagd“. Neben starken Haupt- und Nebencharakteren spielt auch die Natur eine wichtige Rolle und der Mensch kämpft nicht nur gegen Seinesgleichen sondern ebenso gegen Kälte und Hitze, karstige Bergregionen, wütende Wildschweine und ähnliches. Es ist ein Kampf ums Überleben. Und ein Kampf eben FÜR diese Natur, die andere ausbeuten und zerstören wollen. Rémy ist ein adäquater Held, der integer und mutig ist, sich nicht um seine Vorgesetzten oder Drohungen schert und doch ein ganz normaler Mensch mit all seinen Schwächen und Fehlern bleibt.
Hervorragend passt das Cover zur Geschichte und der Erzählstil ist kraftvoll und intensiv, verlangt nach der Aufmerksamkeit des Lesers und schenkt dafür Bilder und Eindrücke, die das Kopfkino aufs Vortrefflichste befeuern. Ich wurde in einen spannenden Sog gezogen und kann das Buch nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 18.12.2024

harte Realitäten

Über dem Tal
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Ein Buch, das mit einem wunderbaren Cover und einem passenden Titel daherkommt. Und dann geht es um einfache Bauern in einer kargen Landschaft. Das hat mich sehr angesprochen.
Im Mittelpunkt stehen mehrere ...

Ein Buch, das mit einem wunderbaren Cover und einem passenden Titel daherkommt. Und dann geht es um einfache Bauern in einer kargen Landschaft. Das hat mich sehr angesprochen.
Im Mittelpunkt stehen mehrere Männer, die mit der Schafzucht ihr Leben verdient haben als die Maul- und Klauenseuche durchs Land zieht und einen Betrieb nach den anderen erreicht. Auch die abgelegenen Höfe von Steve und William. Und es gibt kein Entrinnen. Die Behörden schicken ein Schlachterkommando und die gehen äußert schnell, hart und effektiv zu Werke. Der Tod der Schafe wird zur Wende im Leben der Männer. Die ruhige, friedliche und ehrliche Landarbeit mit den Tieren ist zuende und niemand hilft ihnen. Weder finanziell noch psychologisch.

Die Story ist depremierend und traurig. Die Sprache des Erzählers ist passend dazu klar aber oft etwas gefühllos. Dem Leser ist bewusst, dass Schreckliches passiert aber keiner will sich etwas anmerken lassen. Man versucht hinzunehmen, was passiert. Es fehlt bald die Kraft etwas zu ändern, wieder nach vorne zu blicken. Immer wieder bleibt der Blick an dem großen Verlust hängen, der ein Leben beendet hat, dass den Menschen in Fleisch und Blut übergegangen war und aus dem sie sich nicht endgültig lösen können.

Man erkennt die Leistung der Bauern und die Innigkeit, die sie mit den Tieren und der landschaft verbindet.