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Nilchen

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Veröffentlicht am 20.12.2024

Tod bringt Wut

Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
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K.J. Reillys Das Verhalten ziemlich normaler Menschen ist ein Roman, der in seiner Mischung aus Trauer, Wut, Hoffnung und Humor eindrucksvoll berührt. Ein Roman, der genau das richtige ist für Jugendliche ...

K.J. Reillys Das Verhalten ziemlich normaler Menschen ist ein Roman, der in seiner Mischung aus Trauer, Wut, Hoffnung und Humor eindrucksvoll berührt. Ein Roman, der genau das richtige ist für Jugendliche und hier super für Jungs ab 14 Jahren, die sich ohnehin einigeln und abkapseln.
Es geht um Asher Hunter und seine Wut, denn seine Mutter wurde durch einen Betrunkenen überfahren. Seine Wut ist unermesslich, denn nicht mal eine Strafe muss der Mann absitzen durch ein Verfahrensfehler! Diese tiefen Wut, die Asher antreibt und ihn wie einen Gefangenen seiner eigenen Gedankenwelt erscheinen lässt, ist sein Feuer. Doch auf dem Weg zur Rache wird aus Ashers Plan ein Roadtrip, der alles verändert. Denn er geht zu einer Trauergruppen, um seinen Schmerz zu verarbeiten, dort trifft er auf eine ungewöhnliche Gruppe von Wegbegleitern. Sloane und Will, zwei Jugendliche, die selbst Verluste erlitten haben, sowie der 80-jährige Henry, witzig und mit Lebenserfahrung ausgestattet. Diese Gruppe nimmt eine besondere Rolle ein, denn sie geben Asher: Gemeinschaft und Verständnis.
Der Roadtrip von New Jersey nach Memphis wird zu einer Reise, die weit über geographische Kilometer hinausgeht. K.J. Reilly erzählt von tiefen Gesprächen, albernen Momenten und den kleinen Dingen, die den Schmerz für einen Augenblick erträglicher machen – wie unzählige Caesar Salads und ein filmreifer Kuss. Die Dynamik zwischen den Charakteren ist herzerwärmend und lebendig. Sie streiten, lachen, unterstützen sich und geben einander das, was jede:r von ihnen braucht, um den eigenen Verlust zu bewältigen.
Was die Geschichte so besonders macht, ist, wie sie die Wut und Trauer, die Asher antreiben, glaubhaft und greifbar darstellt. Seine Gedanken, die oft zwischen Rachegelüsten und dem Wunsch nach Frieden schwanken, sind nachvollziehbar und tief menschlich. Der Roman zeigt, wie Schmerz und Verlust Menschen verändern können, aber auch, wie Beziehungen und Hoffnung sie wieder zurück ins Leben bringen.
Das Alter ab 14 Jahre laut Verlag passt gut und ist wirklich ein tolles Buch für dieses Alter, in dem so viel aus den Fugen gerät, auch wenn es (zum Glück!) oft sehr viel weniger dramatisch ist wie in dieser Geschichte.

Das Verhalten ziemlich normaler Menschen ist eine bewegende Geschichte über Verlust, Wut und die Kraft von Freundschaft. K.J. Reilly schafft es, schwere Themen mit einer feinen Prise Humor und viel Mitgefühl zu erzählen. Der Roadtrip ist eine Metapher für das Leben: chaotisch, unvorhersehbar, aber voller Möglichkeiten, zu wachsen und sich selbst zu finden.
Ein herzerwärmender Roman, der nachdenklich stimmt und zeigt, dass selbst in den dunkelsten Momenten Hoffnung zu finden ist.

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Veröffentlicht am 18.12.2024

Super lecker

Ottolenghi Comfort
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Eigentlich brauche ich Ottolenghi allen die Kochen nicht vorstellen. Legendär gut und daher auch wert das x-te Kochbuch zur Hand zu nehmen. Was soll ich sagen, mit „Comfort“ hat es mich natürlich gleich ...

Eigentlich brauche ich Ottolenghi allen die Kochen nicht vorstellen. Legendär gut und daher auch wert das x-te Kochbuch zur Hand zu nehmen. Was soll ich sagen, mit „Comfort“ hat es mich natürlich gleich gehabt! Was gibt es besseres als Essen das einem ein wohliges Gefühl verschafft?
Ottolenghi ist längst ein Synonym für kreative, geschmacklich außergewöhnliche Küche geworden, und mit seinem neuen Werk Comfort bleibt er diesem Ruf treu. Das Kochbuch präsentiert eine Sammlung von Rezepten, die gleichzeitig raffiniert und dennoch erstaunlich zugänglich sind, wie recht weit vorne das Aubergine Omelett, dass auch fancy Tortang Talong genannt werden darf.
Was Ottolenghi seit jeher von anderen unterscheidet – und was auch den Erfolg seiner bisherigen Bücher wie Simple oder Jerusalem befeuerte – ist die Art und Weise, wie er aus alltäglichen Zutaten kulinarische Highlights zaubert. In Comfort gelingt es ihm erneut, eine Balance zwischen Wohlfühlküche und innovativer Raffinesse zu finden. Alles sehr aromatisch und lecker.
Von herzhaften Eintöpfen bis hin zu Gemüsegerichten, die als Hauptakteure glänzen dürfen, zeigt Ottolenghi, wie man Komfortessen neu denkt. Besonders beeindruckend ist, dass die meisten Rezepte machbar bleiben, auch wenn sie oft wie Kunstwerke wirken. Ottolenghi fordert uns Kochende dazu auf, sich in der Küche inspirieren zu lassen, ohne zu überfordern. Genuß und Spaß am Kochen steht an erster Stelle!
Wer Ottolenghi bisher nicht kennt, kann sehr gut mit diesem Kochbuch in seine Welt einsteigen. Ihr werdet es nicht bereuen. Besonders toll ist, dass dieses Buch nun auch 2 Lesebändchen hat, so was von praktisch! Könnten auch gerne noch mehr werden!
Unsere Highlights sind bisher das Kartoffel-Zupfbrötchen, die Pesto-Pasta mit Röstbohnen und Kartoffeln und (ich kann es selbst kaum fassen) der geröstete Spitzkohl mit Misobutter!
Buon appetito

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Veröffentlicht am 18.12.2024

Schönes winterliches Bilderbuch

Lina und der Schnee-Engel
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Zur Weihnachtszeit braucht es für mich schon stimmungsvolle Geschichten, die leise und voller Wärme sind. Maggie O`Farrell, bisher eher aus der Erwachsenenliteratur bekannt, hat ihr erstes Kinderbuch geschrieben ...

Zur Weihnachtszeit braucht es für mich schon stimmungsvolle Geschichten, die leise und voller Wärme sind. Maggie O`Farrell, bisher eher aus der Erwachsenenliteratur bekannt, hat ihr erstes Kinderbuch geschrieben und dieses Buch ist genau so eines, dass sich gerade in der Weihnachtszeit anbietet und darüber hinaus in den kalten Wintermonaten. Denn Weihnachten ist gar kein Thema im Buch!
Der Titel erscheint etwas unkreativ mit „Lina und der Schneeengel“, trifft es aber genau auf den Punkt. Auch wenn ich den Originaltitel „Where snow angels go“ schöner finde.
Denn es geht um Lina, die eines nachts sehr hohes Fieber bekommt und von ihrem Schutzengel gerettet wird. Lange Monate war die kleine Lina krank. Wo kommt dieser Schutzengel her? Er ist ein Schneeengel, denn Lina im vergangenen Winter im Schnee hinterließ. Eigentlich sollte sie den Schneeengel vergessen, aber sie musste immer wieder an ihn denken und der Gedanke ließ sie nicht los. Natürlich versucht sie ihn wieder zu sich zu bewegen. Was sie auch schafft…
Die Geschichte ist grazil von Daniela Jaglenka Terrazzini gebildert. Besonders schön sind die schimmernden Elemente bei Schneeflocken, Wellen und anderen Elementen.
Diese Geschichte ist recht lang zum Vorlesen, daher eher ab 4-5 Jahren geeignet, aber dafür auch noch zu Beginn der Grundschule eine schöne Wahl mit mehreren Generationen zu lesen.
Eines dieser Bücher, die man jedes Jahr wieder hervorholen mag und einfach zum Winterritual erklärt.

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Veröffentlicht am 10.12.2024

Eine spannende globale Lebensgeschichte

Meine chinesische Großmutter
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Ich war und bleibe ein Fan von historischem Stoff der sich über die Kontinente zieht. Und dies ist hier der Fall und dann noch eine echte Lebensgeschichte. Toll! Lars Saabye Christensens schmaler Band ...

Ich war und bleibe ein Fan von historischem Stoff der sich über die Kontinente zieht. Und dies ist hier der Fall und dann noch eine echte Lebensgeschichte. Toll! Lars Saabye Christensens schmaler Band Meine chinesische Großmutter ist ein literarisches Kleinod, das auf einer wahren Begebenheit basiert: der Geschichte von Christensens eigener Großmutter. In der Ich-Perspektive erzählt, gelingt es dem Autor, einen sehr persönlichen Ton zu finden, der die Leserschaft unmittelbar in die Welt seiner Vorfahrin eintauchen lässt.
Die Großmutter des Autors war eine außergewöhnliche Frau, deren Biografie die Grenzen von Kulturen und Kontinenten sprengte. Sie war das was man wohl ihrer Zeit voraus nannte. Sehr modern und furchtloser als andere.
In einer Zeit, in der Migration und Identität kontroverse Themen sind, wirkt diese Erzählung fast zeitlos. Durch den subjektiven Blick des Erzählers entstehen Nähe und Empathie, die den Leser in die Tiefen von Familie, Verlust und Zugehörigkeit ziehen.
Die Sprache ist poetisch und präzise. Christensen meidet ausufernde Beschreibungen und vertraut darauf, dass kleine Details – ein Geruch, eine Geste, ein Brief – die Geschichte tragen. Dabei wird deutlich, dass der Autor nicht nur ein talentierter Erzähler, sondern auch ein sensibler Beobachter menschlicher Beziehungen ist. Sehr gelungen.
Der schmale Umfang täuscht über die inhaltliche Dichte hinweg. Jedes Kapitel ist wie ein feiner Pinselstrich auf einer großen Leinwand, der sich erst im Zusammenspiel mit den anderen zu einem vollständigen Bild zusammenfügt. Besonders hervorzuheben ist die literarische Umsetzung der historischen Grundlage: Christensen verwebt Erinnerungen, historische Fakten und Fantasie zu einem Werk, das genauso intim wie universell wirkt.
Für Liebhaber schlichter, aber eindringlicher Literatur ist dieses Buch ein absolutes Muss. Es regt zum Nachdenken über Familie, Herkunft und das Leben selbst an – und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

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Veröffentlicht am 05.12.2024

Bin begeistert.

Gefährliche Betrachtungen
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Es gibt Bücher, die einen lange nach der letzten Seite beschäftigen – Gefährliche Betrachtungen von Tilo Eckardt ist für mich genau so ein Werk. Der Roman spielt im Sommer 1930 in Nidden, einem kleinen ...

Es gibt Bücher, die einen lange nach der letzten Seite beschäftigen – Gefährliche Betrachtungen von Tilo Eckardt ist für mich genau so ein Werk. Der Roman spielt im Sommer 1930 in Nidden, einem kleinen Künstlerdorf auf der Kurischen Nehrung, und erzählt von der Begegnung zwischen Thomas Mann und seinem Übersetzer Zydrunas Miuleris, der im Roman schlicht „Müller“ genannt wird.
Die historische Atmosphäre, die Eckardt in diesem Buch schafft, hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Nidden wird als eine Art Rückzugsort beschrieben, ein Ort, an dem Künstler und Intellektuelle Ruhe suchen, während sich in Europa bereits die Schatten des politischen Umbruchs abzeichnen. Die detailreichen Beschreibungen – von den Dünen, die wie endlose Wellen wirken, bis hin zu den einfachen Fischerhütten – lassen die Kulisse lebendig werden.
Im Mittelpunkt stehen jedoch die spannenden Dialoge und Dynamiken zwischen Thomas Mann und Müller. Mann wird hier nicht nur als der große Schriftsteller und Nobelpreisträger dargestellt, sondern auch als ein Mensch voller Ambivalenzen. Sein Bedürfnis nach Kontrolle und seine Selbstinszenierung stehen im Gegensatz zu Müllers stiller, aber tiefgründiger Persönlichkeit. Müller, ein Litauer, der in Deutschland lebt, trägt als Übersetzer die Bürde, nicht nur Manns Worte, sondern auch dessen Geist und Intentionen in eine andere Sprache zu übertragen. Sein innerer Konflikt, zwischen der Loyalität gegenüber Mann und seiner eigenen kulturellen Identität zerrissen zu sein, hat mich sehr berührt.
Besonders spannend fand ich die subtilen Spannungen zwischen den beiden: Mann, der Müller oft herablassend „mein Übersetzer“ nennt, erkennt zwar dessen Bedeutung an, bleibt aber gleichzeitig distanziert und elitär. Müller hingegen bewundert Mann, ringt jedoch mit seinem eigenen Selbstwertgefühl. Dabei spiegeln ihre Gespräche die politischen und gesellschaftlichen Brüche der Zeit wider – ein großartiges Beispiel für Eckardts Fähigkeit, persönliche Konflikte mit größeren historischen Themen zu verbinden.
Die historische Genauigkeit und die kunstvolle Ausarbeitung der Figuren machen diesen Roman zu einem echten Erlebnis. Eckardt gelingt es meisterhaft, nicht nur die äußeren Umstände der Weimarer Republik, sondern auch die inneren Konflikte der Intellektuellen dieser Zeit zu erfassen. Gefährliche Betrachtungen ist ein kluger, atmosphärischer Roman, der tief in die kulturellen und moralischen Fragen der 1930er Jahre eintaucht.
Für mich ist dieses Buch ein Muss für alle, die sich für Literaturgeschichte, Thomas Mann oder die Kunst des Übersetzens interessieren. Ich vergebe voller Begeisterung 5 von 5 Sternen!

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