Profilbild von Lesenswert

Lesenswert

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Lesenswert ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lesenswert über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2024

Poetisch, dicht und beklemmend

Unmöglicher Abschied
0

Der Roman "Unmöglicher Abschied" der Literaturnobelpreisträgerin Han Kang ist gewiss keine leichte Lektüre. Ich konnte ihn nicht einfach durchlesen, sondern musste ihn mehrfach weglegen, darüber nachdenken ...

Der Roman "Unmöglicher Abschied" der Literaturnobelpreisträgerin Han Kang ist gewiss keine leichte Lektüre. Ich konnte ihn nicht einfach durchlesen, sondern musste ihn mehrfach weglegen, darüber nachdenken und das Gelesene verarbeiten.

Die Protagonistin Gyenongha wird von ihrer Freundin Inseon zu sich ins Krankenhaus nach Seoul gerufen. Inseon hat sich schwer verletzt und bittet sie, zu ihrem Haus auf der Insel Jeju zu gehen um dort ihren Vogel zu versorgen. Gyenongha macht sich auf den Weg, erreicht den letzten Flieger durch einen Schneesturm, den letzten Bus in das Nachbardorf. Von dort aus muss sie durch den Schnee zu Fuß weiter und ist kurz vor dem erfrieren.

Han Kang schildert den Weg und den Schnee sehr präzise und ausführlich, fast jede Schneeflocke wird beschrieben. Ich habe bereits hier ebenfalls gefroren. Im Verlauf der Handlung berichtet die Autorin mittels Briefen und Zeitungsartikeln die Gyenongha im Haus findet, in eindringlicher und bedrückender Weise von den Massakern, die 1948 in Korea stattgefunden haben. Spätestens hier wird für die Lesenden der Roman so eindrücklich, dass es mir so manchen kalten Schauer den Rücken hinab gejagt hat. Dabei wird nicht nach Effekten gehascht, Han Kang beschreibt trotz aller Grausamkeit sehr poetisch. Mir hat ihr Sprachstil gefallen, er ist sehr atmosphärisch, die Schilderung der Massaker bedrückend und grausam. Und über allem steht die lange tiefe Freundschaft zwischen Gyenongha in Inseon.

Ein Werk, das mich am Ende verwirrt zurückgelassen und mir ein Rätsel mit auf den Weg gegeben hat. Ein Werk, über das ich mich mit anderen austauschen möchte. Ein Werk, das auf jeden Fall 5 Sterne verdient hat und noch lange in mir nachhallen wird.

Erscheinungsdatum: 16. Dezember 2024
Verlag: Aufbau
315 Seiten

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2024

Anwaltliche Schweigepflicht oder Rache?

Die Anwältin
0

Der im Dezember 2024 bei Droemer Knaur erschienene Thriller von Bonnie Kistler hat mich sofort in seinen Bann gezogen.

Die extrem erfolgreiche Anwältin Kelly McCann verteidigt den berühmten Chemiker Dr. ...

Der im Dezember 2024 bei Droemer Knaur erschienene Thriller von Bonnie Kistler hat mich sofort in seinen Bann gezogen.

Die extrem erfolgreiche Anwältin Kelly McCann verteidigt den berühmten Chemiker Dr. Benedict. Er ist der Vergewaltigung einer ehemaligen Mitarbeiterin angeklagt. Vorherige Fälle des Mandanten konnte McCann bereits durch Schweigegeldzahlungen in teilweise nicht unerheblicher Höhe abwenden. Dr. Benedict, dessen Fälle ihr von ihrem Vorgesetzten übertragen wurden, wird freigesprochen. Sie lässt die Geschehnisse an sich abprallen und ist ganz auf den Fall konzentriert. Und dann wird sie plötzlich selbst zum Opfer…

Der in kurzen Kapiteln und in sehr bildhafter Sprache geschriebene Thriller hat mich begeistert. Ich war sehr schnell mittendrin in der Geschichte und habe mitgefiebert. Der Autorin ist es gut gelungen, den Zwiespalt zwischen anwaltlicher Schweigepflicht und eigenem Erleben aufzuzeigen. Geht Kelly an die Öffentlichkeit? Dann wird sie als Anwältin erledigt sein… Sie sinnt also auf Rache! Aber wie? Ich kann versprechen, es wird richtig spannend!

Der Plot ist gut und beinhaltet viele Wendungen. Spannung pur, die mich das Buch nicht mehr weglegen ließ. Die Einblicke ins Privatleben von Kelly mit ihrem im Langzeitkoma liegenden Ehemann haben gut gezeigt, warum sich Kelly unbedingt beweisen will. Ich konnte ihr Handeln in größten Teilen gut nachvollziehen. Der Spannungsbogen des Thrillers wurde meiner Meinung nach durch die privaten Dinge in der Handlung wunderbar ergänzt.

Beim Lesen hatte ich nicht nur Wut im Bauch, ich war fassungslos, atemlos, manchmal traurig und emotional ergriffen. Aufgrund des Covers hätte ich den Roman eher nicht gekauft, mich hat der Klappentext gereizt. Wobei für mich als Ebook-Leserin das Cover sowieso Nebensache ist. Es nicht immer dann, wenn das Buch zugeklappt wird, sofort präsent.

Dieser Thriller ist absolut lesenswert und erhält von mir guten Gewissens 5 Sterne und eine Empfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.12.2024

Gelungene Mischung aus Krimi und Zeitgeschichte der 70er Jahre

Das Fräulein muss sterben
0

Der Kriminalroman "Das Fräulein muss sterben" ist am 2. Dezember 2024 im Droemer Taschenbuchverlag erschienen.

Der Krimi spielt Anfang der 70er Jahre und beginnt an dem Abend, als am gleichen Tag Rainer ...

Der Kriminalroman "Das Fräulein muss sterben" ist am 2. Dezember 2024 im Droemer Taschenbuchverlag erschienen.

Der Krimi spielt Anfang der 70er Jahre und beginnt an dem Abend, als am gleichen Tag Rainer Barzel mit seinem Misstrauensvotum gegen Willy Brandt gescheitert ist, Nelie Hendriks, eine Journalistin, feiert dieses Ereignis mit Gästen aus Politik, Journalisten und weiteren zum Teil undurchsichtigen Personen. Am Ende des Abends stürzt sie über die Balkonbrüstung aus dem sechsten Stock. War es ein Unfall? War es Selbstmord oder gar Mord?

Zur gleichen Zeit wird Kommissarin Clara Frings wieder einmal von ihrem Mann Hajo gemaßregelt, weil sie nur ihren Beruf lebt und sich seiner Meinung nach nicht genug für die Familie aufopfert. Er findet ihre Berufstätigkeit überflüssig. Dabei wird sie im Beruf nur für Banalitäten eingesetzt. Sie dagegen würde sich viel lieber um die Fälle kümmern, in denen es nicht nur um Mundraub oder Diebstahl geht. Bis sie in die Ermittlungen im Fall Hendriks einbezogen wird.

Das Cover passt gut zum Thema Anfang der 70er, Es zeigt eine Frau, die mehr vom Leben erwartet. Warum auch immer hat sie mich ein wenig an Jackie Kennedy erinnert.

Der Roman ist eine gelungene Mischung aus Zeitgeschichte und Krimi. Die flüssige Sprache hat mich sofort in die Geschichte eintauchen lassen. Eine spannende Zeit war es damals, politisch in der damaligen BRD und DDR, immer noch Seilschaften aus der Nazi-Zeit, kalter Krieg, RAF und der Kampf der Frauen um mehr Gleichberechtigung inner- und außerhalb der Ehe. Vergewaltigung in der Ehe war noch kein Thema, der §218 noch lange nicht ausdiskutiert. Frauen hatten sich den damaligen Vorstellungen nach um Mann, Kinder und Küche/Haushalt zu kümmern. Und sie lesen zur Entspannung Simmel, der in den 70ern einen Bestseller nach dem anderen geschrieben hat.

All diese Thematiken miteinander in einem Krimi zu verknüpfen, ist den beiden Autorinnen wirklich gut gelungen. Der Roman hat mich bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Auch die politischen Ereignisse wurden allgemeinverständlich erklärt. Besonders gefallen hat mir neben dem Roman das Kapitel über die historischen Ereignisse. Für die LeserInnen, die diese Zeit nicht oder nur als Kind miterlebt haben, eine sehr informative Übersicht, die auch Lust auf weitere Recherchen macht. Vielleicht sollten es gerade jetzt auch Menschen aus der älteren Generation lesen. Es war damals nicht alles besser! Und die jüngeren LeserInnen werden feststellen, dass es zur heutigen Zeit viele Überschneidungen gibt.

Aus den bereits oben angeführten Punkten und da der Roman aus dem üblichen Schema eines Krimis hervorsticht, gebe ich hier sehr gerne 5 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.12.2024

Finanzmachenschaften und Lost Places Atmosphäre

Unterwelten
0

Der 4. Fall für Thyra König erscheint am 3. Dezember 2024 bei Edition M. Ich durfte den Krimi schon vorab lesen, herzlichen Dank dafür an netgalley und den Verlag!

In einem Strang des Romans wird Thyra ...

Der 4. Fall für Thyra König erscheint am 3. Dezember 2024 bei Edition M. Ich durfte den Krimi schon vorab lesen, herzlichen Dank dafür an netgalley und den Verlag!

In einem Strang des Romans wird Thyra König, eine Investigativjournalistin im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einer Finanzberatungsfirma von der Security erwischt und eingesperrt. Da sie bereits viel über die Machenschaften der Firma herausbekommen hat, hat sie verständlicherweise Angst. Kann sie entkommen? Und erhält sie Hilfe von außen?

Im zweiten Strang geht die Maskenbildnerin Isa in einem Lost Place, einer Bunkeranlage aus dem 2. Weltkrieg, einem gut bezahlten Nebenjob nach und gerät dabei in tödliche Gefahr. In der Zwischenzeit sind ihre beiden Kinder allein zu Hause, ihr Sohn leidet unter schweren Asthmaanfällen. Ihre Freundin Sandra, die versprochen hatte auf die Kinder aufzupassen, sitzt in der Firma fest und muss Überstunden leisten. Mehr kann ich vom Inhalt leider nicht verraten ohne zu spoilern.

Das Cover des Buches hat mich sofort angesprochen, es vermittelt die düstere Atmosphäre der Bunkeranlagen und verspricht einen spannenden Krimi.

Ich habe erst abends mit der Lektüre begonnen, sonst hätte ich wahrscheinlich in einem Rutsch durchgelesen. So musste ich leider unterbrechen… Der Krimi ist in gut zu lesender Sprache verfasst, die Kapitel sind nicht allzu lang. Der Autor beschreibt die Schauplätze sehr bildhaft und genau, bei mir ist sofort Kopfkino entstanden. Auch die Protagonisten und die weiteren Personen sind sehr authentisch beschrieben. Ich habe sofort Sympathien und Antipathien entwickelt und mitgefiebert. Besonders in den kleinen David konnte ich mich gut hineinversetzen und er tat mir von Herzen leid. Ein schneller Szenenwechsel sorgt für einen guten Spannungsaufbau, und das von Anfang an. Die Spannung steigert sich kontinuierlich bis zum Ende. Irgendwann konnte ich das Buch nicht mehr weglegen. Ich wollte unbedingt das Ende erfahren, das für mich auch schlüssig war.

Ich kann diesen Thriller guten Gewissens allen LeserInnen empfehlen, die Investigativkrimis und Lost Places lieben. Die rund 300 Seiten sorgen für ein spannendes Lesevergnügen. Daher gibt es von mir auch volle 5 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.11.2024

Mein erster Kai Meyer und bestimmt nicht mein letzter!

Das Haus der Bücher und Schatten
0

Endlich mein erster Kai Meyer, und bestimmt nicht mein letzter!

Der im November 2024 im Knaur-Verlag erschienene Roman wird in zwei Zeitsträngen erzählt.

Im Jahr 1933 ermittelt Kommissar Cornelius Frey ...

Endlich mein erster Kai Meyer, und bestimmt nicht mein letzter!

Der im November 2024 im Knaur-Verlag erschienene Roman wird in zwei Zeitsträngen erzählt.

Im Jahr 1933 ermittelt Kommissar Cornelius Frey in einem Doppelmord. Die Opfer: ein Mädchen, das er einen Tag zuvor vor dem Suizid bewahrt hat und ein ehemaliger Polizeikollege. Frey war wegen seiner nicht zur rechten Gesinnung passenden Ermittlungsergebnissen aus dem Dienst suspendiert worden und nun hat man ihn wegen Personalmangels wieder zurückgeholt. Der Satz "Sie weinen alle im Keller ohne Treppe", den das Mädchen Frey zugeflüstert hat, als er sie vor dem Selbstmord bewahrte, wird auch im weiteren Verlauf des Romans noch eine Rolle spielen.

Im zweiten Zeitstrang, der im Jahr 1913 spielt, reist die Lektorin Paula Engels mit ihrem Verlobten Jonathan ins Baltikum. Sie soll dort im Auftrag ihres Verlags das Manuskript des Schriftstellers Aschenbach abholen, der sie bis dahin immer wieder mit der Fertigstellung vertröstet hat. Nach 5 Tagen sind die beiden endlich da. Sie finden im weit abgelegenen Anwesen der Familie Choriander lediglich Aschenbach und die Haushälterin Rasa vor. Familie Choriander ist nach Riga gereist, um dort den Winter zu verbringen.

Bereits das Cover macht Lust auf mehr. Wunderschön anzuschauen mit der großen Bibliothek im Hintergrund strahlt es zugleich Düsternis aus. Es passt gut zum Roman.

Die Handlung hat mich von Anfang gefangen genommen und ich konnte tief in den Roman eintauchen. Der Autor bedient sich einer äußerst bildhaften Sprache, sowohl die Protagonisten Cornelius Frey und Paula Engels als auch die weiteren handelnden Personen konnte ich mir gut vorstellen und mich mit ihnen identifizieren. Landschaften in Livland (heute Teile von Estland und Litauen) mit ihrer schier unendlichen Weite und das Anwesen der Chorianders werden sehr plastisch und atmosphärisch geschildert. Auch bei der Schilderung des Grafischen Viertels in Leipzig mit den Fabriken, Buchhandlungen und dem über allem schwebenden Dampf und Rauch hatte ich sofort Bilder vor Augen. Ich hätte es mir gerne einmal persönlich angesehen, aber leider wurde es 1943 komplett zerstört. Insgesamt würde ich mir eine eventuelle Verfilmung (so es denn eine geben sollte) wahrscheinlich nicht anschauen. Ich würde Gefahr laufen, die in mir entstandenen Bilder zu zerstören.

Die Sprache von Kai Meyer hat mich begeistert. Einerseits leicht zu lesen, auf der anderen Seite mit viel Tiefe. Zitat: "Ich mag ihre Neugier. Und dass sie keine Angst haben. Neugier ist das Gegenteil von Angst. Mit Angst kann es keine Neugier geben." Genau diese Neugier und auch den Mut, Unerklärliches zu ergründen, haben die beiden Protagonisten Cornelius und Paula. Der Lesende erfährt im Laufe des Romans außerdem viel über Geschichte, Okkultismus, Freimaurerlogen und mafiöse Gruppierungen in und um Leipzig.

Die Auflösung und Verbindung der beiden Zeitstränge ist sehr gut gelungen, ebenso die Mischung aus Krimi und Gruselfaktor. Dazu immer wieder die Wut auf die Nazis und darüber, zu was diese Menschen fähig waren.

Insgesamt kann ich das Buch nur wärmstens weiterempfehlen. Wer 528 Seiten nicht scheut, wird an diesem Werk viel Freude haben! Von mir gibt es daher volle 5 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere