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Veröffentlicht am 28.12.2017

Nicht, wie es scheint – Packendes, gesellschaftskritisches Polit-Debüt mit Schreckensszenario

Mutwille
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Berlin zu unserer Zeit. Paul Schneider ist ein junger erfolgreicher Lobbyist des Gesundheitskonzerns UMC. Bedingungslos ordnet er sein ganzes Leben der Vision unter, zusammen mit seinem Chef Norman Bruckheimer ...

Berlin zu unserer Zeit. Paul Schneider ist ein junger erfolgreicher Lobbyist des Gesundheitskonzerns UMC. Bedingungslos ordnet er sein ganzes Leben der Vision unter, zusammen mit seinem Chef Norman Bruckheimer die Gesundheitspolitik des Landes zu revolutionieren. Die Politik wird zu seinem Spielball. Gnadenlos spinnt er Intrigen, vernichtet Karrieren und kürt Kanzler. Sein Plan scheint perfekt. Doch plötzlich wird das Land von einem geheimnisvollen tödlichen Virus heimgesucht. Die Menschen stehen am Abgrund. Das Volk ist zerrissen. Berlin verfällt dem Chaos. Plötzlich wird Paul selber zum Gejagten. Hat er sich das erste Mal in seinem Leben geirrt?

In einem atemberaubenden Tempo beschreibt Kai Lüdders das Drama einer Gesellschaft voller Lügen, Ängste und Widersprüche.

Der Autor:

Kai Lüdders wurde 1977 in der wunderschönen Hansestadt Hamburg geboren und wuchs dort mit seinen beiden älteren Brüdern auf. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Politikwissenschaften Nachdem er mehrere Jahre als Rechtsanwalt gearbeitet hatte und in diesem Beruf viele menschliche Abgründe kennen lernen durfte, zog es ihn in das politische Berlin, in welchem er mehrere berufliche Funktionen ausübte und noch mehr menschliche Abgründe antraf.

Mit der Zeit machte er es sich zur Aufgabe, diese Geschichten des Lebens zu erzählen. Dramen, Widersprüche, Verwerfungen. Immer mit einer großen Priese Phantasie und viel Tempo. Denn eine Geschichte ist nur spannend, wenn sie auch spannend erzählt wird. Und er hat Spaß daran, dem Leser Bilder im Kopf hervorzuzaubern, die es ihm erlaubt, in die Geschichte intensiv einzutauchen.

Kai Lüdders lebt am Rande von Berlin, ist verheiratet und hat zwei Kinder. (Quelle: Velum Verlag)

Reflektionen:

Kai Lüdders hat mit Mutwille ein beeindruckendes Debüt geschrieben, dass nicht so weit von der möglichen Realität entfernt liegt. Mutwille ist fiktiv, Gott sei Dank, und doch schockt Mutwille, weil es ein authentisch inszeniertes Schreckens-Szenario beinhaltet. In Mutwille sind die erfolgssüchtigen Lobbyisten verantwortlich. Krankhafte Machtspielchen und politische Verschwörungen bescheren dem Land chaotische Zustände und genau das traut man diesen auch im Hier und Heute zu. Diese Erkenntnis ist bitter und sie kann verunsichern, wenn wir es nicht schon längst sind.

Stell dir vor, du wirst morgens wach und die Bevölkerung Deutschlands ist von einer sich rasant ausbreitenden Epidemie betroffen. Tausende Tote in kürzester Zeit. Verantwortlich ein mutiertes Lassa-Fieber-Virus. Absolut unheilbar. Was verändert sich dann? Das Verhalten der Menschen. Plötzlich ist aller Konsum wertlos. Plötzlich ist Gesundheit das höchste Gut. Eine Revolution ist unabdingbar. Und plötzlich gibt es da Institutionen, die daraus ihren Profit schlagen. Sie gehen über Leichen, im wahren Sinne des Wortes. Oder stand etwa der Profitgedanke an erster Stelle?

Kai Lüdders ist es gelungen eine hochspannende Story zu schreiben. In einem flüssigen, wortgewandten Stil stürzt er den Leser in eine dramatische Handlung hinein, aus der er erst wieder auftauchen möchte, wenn das gute Ende versöhnlich stimmt.

Reich an wechselnden Perspektiven, jeweils aus Sicht der agierenden Figuren, umfasst man die etwas komplexere Gesamtheit der Story vollumfänglich. Zwar ist die eigentliche Geschichte schon sehr überspitzt dargestellt und auch nicht alle Protagonisten genießen eine ausführliche Charakterzeichnung, aber die Handlung ist so mitreißend und voller Tempo, dass man beides gern verzeiht.

Einzelne Figuren und ihre schicksalsträchtigen Legenden sind fein ausgearbeitet. Sie unterstreichen die begleitende gesellschaftskritische Tiefe, die hinter Mutwille steckt und sie sorgen auch für ein emotionales, berührendes Leseerlebnis.

Fazit und Bewertung:

Mutwille ist ein packendes, gelungenes Debüt mit gesellschaftskritischer Tiefe. Dramaturgie gepaart mit Spannung und einer fesselnden Story mit Schreckensszenario garantieren eine spannungsgeladene Unterhaltung im hohen Tempo. Mehr davon bitte.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 12.12.2017

Fatales Schweigen – Packend dramatisch und psychologisch gekonnt

Die gute Tochter
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Als Gamma, Samanthas Mutter, Sam bittet auf ihre kleine Schwester Charlie aufzupassen, ahnt diese nicht, dass sich in den nächsten Minuten dramatisches abspielen wird und dass dies die wenigen letzten ...

Als Gamma, Samanthas Mutter, Sam bittet auf ihre kleine Schwester Charlie aufzupassen, ahnt diese nicht, dass sich in den nächsten Minuten dramatisches abspielen wird und dass dies die wenigen letzten Worte ihrer Mutter sein werden.

Gamma wird kaltblütig erschossen und die beiden Mädchen unter Todesangst in den Walt getrieben. Dort wartet ein bereits ausgehobenes Grab auf sie. Sam ermöglicht ihrer Schwester wegzulaufen und obwohl dies Rettung bedeutet, verändert es das Leben von Sam und Charlie auf bitterste und emotionalste Weise.

Achtundzwanzig Jahre später kommt es in einer Schule zu einem scheinbaren Amoklauf und Charlie wird erneut Zeugin einer grausamen Bluttat, die die damaligen Schreckensszenarien aus der Kindheit auf brutalste Weise wieder lebendig werden lassen.

Die Autorin:

Die internationale Nummer-1-Bestsellerautorin Karin Slaughter ist eine der weltweit populärsten und gefeiertsten Schriftstellerinnen. Ihre Bücher wurden in 33 Sprachen übersetzt und haben sich insgesamt über 30 Millionen Mal verkauft. Ihr Gesamtwerk beinhaltet die Grant County und Will Trent-Reihen, außerdem Cop Town- Stadt der Angst, das für den renommierten Edgar-Krimipreis nominiert wurde, sowie den psychologischen Thriller Pretty Girls. Karin Slaughter stammt aus Georgia und lebt zurzeit in Atlanta.

Reflektionen:

Karin Slaughter überrascht in die gute Tochter mit besonders intensiv gezeichneten Charakteren und erlaubt so besonders tiefe Einblicke in die Seelen der Figuren, die von Schuld und qualvollem Leid gezeichnet sind.

Sam und Charlie sind Schwestern, die gemeinsam eine furchtbare und brutale Attacke überleben, während ihre Mutter auf grauenvolle Weise vor ihren Augen ermordet wird. Man sollte meinen, dass ein derartiges Drama und Schreckensszenario die Schwestern noch näher aneinanderbindet, doch bei Sam und Charlie liegen die Dinge völlig anders.

Karin Slaughter schreibt in großen Kapiteln perspektivisch aus Sicht beider Schwestern. Während Sam schwer verletzt nur langsam wieder zum Leben zurück findet, schließt Charlie mit ihrem Vater Rusty einen Pakt. Sie verpacken die Wahrheit in einem Karton und verschließen ihn, während Charlies Leben von nun an auf den Säulen einer Lüge steht. Rusty ist Anwalt und will seine Tochter so schützen.

Achtundzwanzig Jahre später, Sam und Charlie haben keinerlei Kontakt mehr, wird Charlie Zeugin eines brutalen Verbrechens. Eine Schülerin läuft Amok und schießt um sich. Plötzlich sind die Erinnerungen der Kindheit präsenter denn je und familiäre Umstände führen dazu, das Sam zurückkehrt.

Karin Slaughter ist es gelungen, die Zwietracht zwischen den Schwestern auf eine intelligente Weise und mit Hilfe eines raffinierten psychologischen Aufbaus glaubhaft zu begründen. Vielmals schrieb Karin Slaughter actiongeladene Thriller, doch dieses Mal überzeugt sie mit einem psychologisch emotionalen Aufbau, den man bisher von ihr so nicht kannte. Wie gewohnt stellt sie Handlungen der Verbrechen auf unverblümte brutale und blutige Weise dar, so dass zart besaitete Leser das Buch vor Schreck zuklappen und im Keller verbannen würden.

Karin Slaughter lässt die fesselnde Spannungskurve auf einem hohen Niveau agieren und doch bin ich dieses Mal nicht Feuer und Flamme, obwohl ich Slaughter Stil seit vielen Jahren wirklich liebe. Ich weiß lange Zeit nicht, wohin mich die atmosphärisch dichte Geschichte führen wird. Ich verliere sogar beinahe den Faden, kann nicht jeden Zusammenhang klar herstellen und fühle mich zwischendurch so gar nicht gut aufgehoben mit der Geschichte der guten Tochter. Es mag daran liegen, dass ich meine Bücher zu bewusst lese und jeden geschriebenen Satz und jede Kleinigkeit überdenke. Im Nachhinein betrachtet verbinden sich aber noch alle einzelnen Fäden zu einem goldenen, stimmigen Band zusammen, doch mir wäre eine harmonischere Gestaltung der intelligenten Verstrickungen lieber gewesen und ich weiß, dass Karin Slaughter das kann.

Fazit und Bewertung:

In die gute Tochter zeigt sich Karin Slaughter schriftstellerisch von einer neuen Seite, indem sie neben den gewohnt guten und blutigen Action Szenen den Schwerpunkt nun auf einen raffinierten, psychologischen Aufbau legt. Die atmosphärisch dichte Geschichte spielt mit den Eindrücken und Emotionen der Leser, die sie durch tiefe Einblicke in die Seelen der Figuren erhalten.

Spannend, dramatisch, gekonnt und gut.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 04.12.2017

Evolution nach Plan – Bizarres Science-Fiction-Szenario über Gen-Kriminalität

Bios
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Stell dir vor du schaust in den Spiegel und dir blickt ein dir fremder Mensch entgegen. So geschehen in Daniel Suarez Science-Fiction-Thriller BIOS. Die Story schreibt das Jahr 2045. Die Gentechnologie ...

Stell dir vor du schaust in den Spiegel und dir blickt ein dir fremder Mensch entgegen. So geschehen in Daniel Suarez Science-Fiction-Thriller BIOS. Die Story schreibt das Jahr 2045. Die Gentechnologie ist inzwischen so weit, dass das Gen-Editing zur Vermeidung von Gendefekten und tödlichen Erkrankungen an Embryonen erlaubt ist. Die UN-Konventionen erlauben jedoch nicht, dass das Ungeborene durch Gen-Manipulation maßgeschneidert wird.

High-Tech-Kriminelle und Syndikate ermöglichen Eltern, durch eine Editierung die Gen-Ausstattung ihrer ungeborenen Kinder zu beeinflussen. Ob sie ihren Kindern blaue Augen wünschen, eine hohe Intelligenz anstreben oder ob sie ihnen eine Sportlerkarriere durch eine höhere Leistungsfähigkeit ermöglichen wollen, ist illegal nur noch eine Frage des Geldes.

Michael Durand ist Interpol-Agent und jagt Verbrecher, die weltweit unethische Gen-Kriminalität betreiben. Im Fokus steht dabei das Syndikat der Huli jing mit dem brutalen Marcus Demang Wyckes an der Spitze.

Als Durand durch ein kriminelles IT-Manöver mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Singapur vorliebnehmen muss, spürt er plötzlich den Einstich einer Injektion, bevor er bewusstlos zusammenbricht und ins Koma fällt. Wochen später erwacht er an einem fremden Ort und sieht sich im Spiegel Marcus Demang Wyckes gegenüber, dem brutalen Verbrecher, Massenmörder und Sklavenhändler, den er unermüdlich, aber bisher erfolglos gejagt hat. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn nun jagt Interpol Durand.

Der Autor:

Bevor Daniel Suarez mit dem Schreiben begann, machte er als Systemberater Karriere und entwickelte Software für zahlreiche große Firmen der Militär-, Finanz- und die Unterhaltungsindustrie. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 2006 unter Pseudonym im Eigenverlag. Nachdem das Buch die Internet- und Gaming-Community im Sturm erobert hatte, wurde ein großer Verlag darauf aufmerksam. In der neuen Ausgabe avancierte «Daemon» zum Bestseller; eine Verfilmung ist in Vorbereitung. Daniel Suarez lebt und arbeitet in Kalifornien. (Quelle: Rowohlt Verlag)

Reflektionen:

Mit seinem Roman BIOS hat Daniel Suarez ein bizarres, erschreckendes, aber vor allem vorstellbares Gentechnik-Szenario gezeichnet. Als Leser kann man nur hoffen, dass die hier düster beschriebene Gen-Kriminalität noch lange utopisch bleiben wird.

Der Einstig in die Geschichte gelingt durch den flüssigen Schreibstil mühelos. Suarez zeichnet ein Bild der Technologien, die im Jahre 2045 selbstverständlich sind. Von Drohnen-Lieferservices, automatisiert fahrenden E-Mobilen, Helikopterflügen ohne menschliche Piloten, bis hin zu leuchtenden Bäumen, die als Lichtquelle dienen, taucht man ein in eine Welt, die uns so fern gar nicht mehr ist.

Leider überspitzt Suarez meines Erachtens die schriftstellerische Freiheit der Wortfindung, wenn er Begrifflichkeiten der Zukunfts-Technologien benennt. Mit Fortschreiten der Handlung bin ich davon sogar genervt, obwohl ich andererseits eine gute Recherche zur Thematik Gen-Technologie erkennen kann.

Die Geschichte um den Interpol-Agenten Durand ist zunächst sehr spannend und ich verfolge interessiert das Horror-Szenario, als sich Durand mit dem Blick im Spiegel dem Verbrecher gegenübersieht, den er bisher mit Herzblut gejagt hat. Früh erklärt es sich, dass der brutale Massenmörder und Syndikats-Chef Wyckes Durands Gene manipuliert hat. Auch das Warum ist für den Leser nachvollziehbar und intelligent ins Bild gesetzt, so dass man zügig durch die Seiten liest. Doch mit Zunahme der Seitenzahl durchschaut man, dass da außer Action nichts Großes mehr kommt, außer das Durand auf der Flucht viele gefährliche Hürden meistern muss, die durchaus spannend erzählt sind, aber zahlreiche Nebenschauplätze plämpern vor sich hin, ohne das Bewegung in die Spannungskurve kommt.

Zitat:

„Er ist ein Enantiomorph.“Durand starrte weiter auf den Screen. „Spiegelbildliches Leben. Deshalb können ihm Biotoxine nichts anhaben. Auch keine Humanviren, - parasiten oder – kranheiten. Weil er die Umkehrung von Leben ist.“„Verstehe ich nicht“. Frey schnippte mit den Fingern, auf der Suche nach Worten. „Chiralität. >Händigkeit> - nicht buchstäblich natürlich, aber eine bestimmte Anordnung der Atome. Die lässt sich umkehren – von links nach rechts und von rechts nach links. Dann haben die Moleküle zwar noch dieselbe chemische Formel, sind aber spiegelbildlich zueinander. Und interagieren deshalb verschieden mit anderen Substanzen, obwohl sie rein formal dieselbe Verbindung darstellen.“ „Und Sie glauben, dieser Mann...“„Ist eine Umkehrung. Alle komplexen Organismen auf der Erde bestehen aus linksdrehenden oder Levo- Aminosäuren. ...

Daniel Suarez hat seinen inhaltlichen Schwerpunkt sehr stark auf die Technologien im Jahr 2045 fokussiert. Absolut gut recherchiert und verargumentiert wird Gentechnik, Gen-Manipulation und Gen-Kriminalität in die fiktive Geschichte mit eingebunden, doch vielen Charakteren nimmt er so den Raum für Intensität. Ansatzweise gelingt es Suarez eine Tiefe zu produzieren, doch sie blitzt nur viel zu gelegentlich auf. Was Suarez jedoch schafft ist, dass man während des Lesens selbst eine Tiefe in die Geschichte hineininterpretiert, da Gentechnik, wie zum Beispiel die embryonale Genforschung, schon manches Mal in unserer heutigen Zeit zur Diskussion stand. Man beginnt nachzudenken und überlegt für sich, was moralisch richtig oder falsch sein kann und Nachdenken tut uns bekanntlich recht gut.

Im Nachhinein würde ich Suarez ans Herz legen wollen, seine Charaktere intensiver zu zeichnen und das Agieren der Figuren noch mehr in den Vordergrund zu rücken.

Fazit und Bewertung:

Daniel Suarez hat mit Bios ein bizarres, erschreckendes, aber vor allem vorstellbares Gentechnik-Szenario gezeichnet. Als Leser kann man nur hoffen, dass die hier düster beschriebene Gen-Kriminalität noch lange utopisch bleiben wird.

BIOS ist ein lesenswerter, spannender und actiongeladener Science-Fiction-Thriller, doch eine Spur mehr inhaltliche Dramaturgie und das Handeln vielfältigerer Figuren hätte diesem Roman das gewisse Fünkchen an Tiefe verliehen.

Was bleibt ist die Frage:

„Kommt unsere Identität aus unserem Herzen oder aus unserer DNA?“

4 Sterne

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 17.11.2017

Seelenfänger – Politisch aktuell und brisant. Spannend und verdammt authentisch.

Gefährliche Saat
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Berlin: Der 20jährige Djamal Khadim ist Deutscher mit irakischen Wurzeln aus gutem Hause. Als seine Mutter von zwei Jugendlichen angegriffen wird, kommt es zu einer Schlägerei. Zu allem Überdruss wird ...

Berlin: Der 20jährige Djamal Khadim ist Deutscher mit irakischen Wurzeln aus gutem Hause. Als seine Mutter von zwei Jugendlichen angegriffen wird, kommt es zu einer Schlägerei. Zu allem Überdruss wird Djamal von den Angreifern angezeigt. Er wird verhaftet und plötzlich drehen sich die Rädchen der Behörden schneller.

Auf der Suche nach seiner Identität und um seine im Irak lebende Verwandtschaft kennenzulernen, besuchte Djamal erstmalig den Irak und war erst vor drei Wochen zurückgekehrt. Djamal wird zum Gefährder denunziert, da die Datensammlungen der Behörden seinen Aufenthalt im Irak als brisant einstufen. Außerdem soll er Kontakt zu weiteren Gefährdern besitzen.

Auf der Straße ist er ein Fremder aus dem Nahen Osten und für die Behörden ein todbringender Terrorist.

Der Autor:

Jens Kubo war als Luftwaffenpilot im Einsatz für die NATO, für die er nach seiner fliegerischen Karriere Sicherheitskonzepte von militärischen Einrichtungen prüfte und überarbeitete. Heute ist er ziviler Berater im In- und Ausland und schreibt unter Pseudonym brisante politische Romane. Der Autor ist mit einer Journalistin verheiratet und lebt in Berlin.

Reflektionen:

In Zeiten, in denen wir fast alltäglich von Anschlägen, IS-Terror, Salafisten und Krieg erfahren, hat Jens Kubo einen Politthriller geschrieben, der aktueller kaum sein könnte.

Dzamal ist Student und Sohn irakischer Einwanderer in der dritten Generation. Er fühlt sich als deutscher Staatsbürger ohne groß darüber nachzudenken. Doch seit den Flüchtlingsströmen muss er vermehrt erfahren, dass er auf Grund seines Aussehens in die Schublade des Feindes aus Nahost gepackt wird. Er wird ausgegrenzt und erfährt Diskriminierung. Die Unbeschwertheit seines bisherigen Lebens verpufft gänzlich, als er von den Behörden plötzlich als Gefährder gesehen wird.

An dieser Stelle empfindet man als Leser ein starkes Ungerechtigkeitsgefühl.

Zeitgleich suchen sie europäischen Behörden nach einem Attentäter, der einen Anschlag auf ein Energieversorgungsunternehmen in Frankreich verübt hat. Djamal und sein Umfeld geraten damit in den Fokus von internationalen Ermittlungen. Ungläubig, was um ihn herum geschieht, wird er labil und orientierungslos.

Djamal beginnt zu zweifeln, blickt vermehrt in sein Innerstes und seine Gedanken gleichen einem Karussell, dass sich mit schwindelnder Geschwindigkeit dreht. Langsam entfernt er sich von seiner deutschen Freundin Nina, von seiner Familie und seinem Umfeld. Und doch ist es nicht so, als würde er sich bewusst abwenden. Viele Dinge spielen eine Rolle. Kleinigkeiten, Zufälle und die schicksalsträchtige Begegnung mit dem dominanten Manipulationskünstler Yusuf, der Djamal letztendlich in höchste Lebensgefahr bringt.
Gefährliche Saat ist ein brisanter und erschreckend authentischer Polit-Thriller, der maßvoll actiongeladen die Spannung nährt. Der Fokus liegt dabei auf Djamal, auf seiner persönlichen Entwicklung und Veränderung, die durch die Reaktionen von außen, durch Menschen und Schubladendenken, verursacht werden. Zusätzlich wird Djamal von dem dominanten Yusuf manipuliert und stark beeinflusst.

An dieser Stelle hätte ich mir mehr Gespräche zwischen Djamal und Yusuf gewünscht, die verdeutlichen, in wie fern Yusuf Djamal manipuliert und führt. Inhaltlich fehlt mir etwas gravierendes, dass die Geschichte für mich unglaubwürdig macht.

Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Behörden und die Politik. Wie sie zusammenarbeiten, wie sie abwägen, wie sie Entscheidungen treffen und wie sie dabei einzelne Menschenleben bewusst zerstören. Sie Opfern ein Menschenleben und handeln im Sinne der inneren Sicherheit und nur wenige empfinden dabei Emotionen.

Jens Kubo schreibt angenehm flüssig. Schnörkellos und fokussiert. Der Einstieg in die Geschichte gelingt mühelos. Der Wechsel der Perspektiven ist gut pointiert und damit abwechslungsreich. Die authentischen Charakterzeichnungen der Figuren sind intensiv und ausführlich und ohne jede Aufdringlichkeit. Vor allem gewährt Jens Kubo dem Leser den Blick in die Gedankenwelten der Figuren und man empfindet sie, wie Menschen von nebenan.

Zusammenfassend empfinde ich Gefährliche Saat im Genre Thriller nicht richtig platziert. Es fehlen hierfür klar definierte Elemente.

Fazit und Bewertung:

In Zeiten, in denen wir fast alltäglich von Anschlägen, IS-Terror, Salafisten und Krieg erfahren, hat Jens Kubo einen Politthriller geschrieben, der aktueller kaum sein könnte.

Brisant und authentisch zeichnet die Story das Schicksal des 20jährigen Djamal, der als deutscher Staatsbürger mit irakischen Wurzeln plötzlich zum Gefährder denunziert wird. Aber, wer ist Djamal wirklich?

Gefährliche Saat ist eine spannende Mischung aus Fiktion und erschreckender Realität. Leseempfehlung.

4 Sterne

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 15.11.2017

Mod Helmy – Ein arabischer Arzt rettet Juden vor der Gestapo

Mod Helmy
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Die meisten Menschen in Nazi-Deutschland reagierten gleichgültig auf die Judenverfolgung, viele nahmen aktiv daran teil. Nur 600 von ihnen wurden von Yad Vashem als Judenretter geehrt und ein einziger ...

Die meisten Menschen in Nazi-Deutschland reagierten gleichgültig auf die Judenverfolgung, viele nahmen aktiv daran teil. Nur 600 von ihnen wurden von Yad Vashem als Judenretter geehrt und ein einziger war ein Araber. Der Arzt Mod (Mohamed) Helmy wurde von den Nationalsozialisten als »Nichtarier« diskriminiert und als Ägypter inhaftiert. Trotzdem half er jahrelang einer jüdischen Familie, sich vor der Gestapo zu verstecken. Mitten in Berlin gelang es ihm sogar mithilfe von Hitlers Intimfreund, dem Mufti von Jerusalem, eine Jüdin als Muslima in Sicherheit zu bringen. Igal Avidan fand Helmys ehemalige Patienten, besuchte seine Verstecke und zeichnet seine einzigartige Geschichte nach. (Quelle: dtv Verlag)

Der Autor:

Igal Avidan, 1962 in Tel Aviv geboren, hat in Israel Englische Literatur und Informatik und dann in Berlin Politikwissenschaft studiert. Seit 1990 arbeitet er als freier Berichterstatter aus Berlin für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender. Ko-Autor seines Buches über Mod Helmy ist der Schriftsteller und Journalist Helmut Kuhn. (Quelle: dtv Verlag)

Reflektionen:

Im September 2013 las Igal Avidan eine israelische Zeitung und blieb an der Meldung hängen, dass der ägyptische Arzt Mod Helmy von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechten unter den Völkern“ anerkannt wurde. Autor Igal Avidan assoziierte daraus eine politische Bedeutung, dass Mod Helmy ein Held für Juden und Muslime gleichermaßen sein könnte, besonders in unserem politischen Heute, in dem Kriege, Verschwörungstheorien, Terror und Konflikte im Nahen Osten das alltägliche Bild beherrschen.

Igal Avidan hat zeitintensiv und genau recherchiert und er traf Zeitzeugen, um das Leben des ägyptischen Arztes Mod Helmy aufzeichnen zu können. In groben Zügen gelingt es auch, doch ebenso vieles bleibt Vermutung und Spekulation.

Dieses Buch erzählt von der geschichtsträchtigen Zeit des zweiten Weltkrieges in Berlin. Mod (Mohamed) Helmy, 1901 in Ägypten geboren, studierte in Deutschland Medizin und wurde Arzt. Er war äußerst engagiert und versorgte Juden im Geheimen medizinisch. Zu Zeiten der Arisierungen und Deportationen, versteckte er drei Jahre lang die gebürtige Rumänin und Jüdin Anna Boros und er rettet sie und ihre Familie vor dem sicheren Tod.

Es scheint, als hätte Mod Helmy seine persönlichen Belange stets hintangestellt und doch gibt es auch Zeugnisse, wie geschickt er taktieren konnte, um für sich Vorteile bzw. Ruhe vor Verfolgung und Denunziation zu erwirken. Helmy wird zweimal inhaftiert und erkrankt schwer. Er wird von der Gestapo beschattet und verfolgt, verlor seine Zulassung und trotzdem beherbergt er Anna weiter und kümmert sich um seine jüdischen Patienten. Er organisiert Annas Konvertierung zum Islam, verheiratet sie schließlich, um sie zu schützen und er stellt sie als seine Nichte und Assistentin aus Dresden vor. Viele Monate leben sie gemeinsam in Berlin-Buch, wo eine kleine Laube ihr Zuhause ist. Anna lebt so insgesamt drei Jahre im Untergrund, unter zeitweise lebensbedrohlichen Umständen und überlebt.

Mod Helmy verstarb 1982. Bis zu Letzt kämpfte er für eine Entschädigung und Anerkennung als Opfer des Faschismus. Erst nach seinem Tod wird er als „Gerechter unter den Völkern“ von der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem anerkannt. Seine Familie in Ägypten nahm die Beurkundung und Medaille bis heute nicht entgegen, da sie vermutlich politische Denunziationen vermeiden wollen.

Ich persönlich habe dieses Buch interessiert gelesen und es haben mich zahlrieche Schicksale immer wieder unfassbar berührt. Doch insgesamt habe ich mir mehr von diesem Buch versprochen. Natürlich kann ein Autor nur darüber berichten, was er recherchiert hat und wo es keine Zeugen mehr gibt, kann man nur spekulativ zusammenfassen und Vermutungen anstellen. Meine Erwartung, eine ausführliche, umfassende und fundierte Erzählung über Mod Helmys Leben zu lesen hat sich mit den Informationen aus diesem jedoch nicht vollständig erfüllt. Zu häufig beleuchtete Igal Avidan die Schicksale von Wegbegleitern Helmys, von anderweitigen Zeitzeugen, von Nachbarn oder von Menschen, die einst Grundstücke in Berlin besaßen und enteignet wurden. Immer wieder säumen Zeitsprünge die Erzählung und plötzlich ist die Rede von Cousinen, Nichten, Onkeln usw., die nur geringfügig mit Helmys Leben in Verbindung standen. Es fiel mir dabei nicht leicht der Chronologie zu folgen und der literarische Ausdruck, machte mir den Einstieg in dieses Werk ebenfalls nicht leicht.

Ich wertschätze die Arbeit Igal Avidans, der unschätzbar zeitintensiv und genau für dieses Buch recherchiert haben muss. Zudem bin ich dankbar für die geschichtsträchtigen Inhalte, die mir das Grauen aus jenen Tagen und Jahren erneut ins Bewusstsein bringen und dort weiter festigen. Ich bleibe berührt von den unsagbar furchtbaren Schicksalen der hier erwähnten Menschen zurück und schäme mich, für all dies Grauen.

Fazit und Bewertung:

Mod Helmy von Igal Avidan erzählt die Geschichte eines arabischen Arztes, der während des 2. Weltkriegs Menschen vor dem sicheren Tod rettete. Literarisch betrachtet, lässt sich dieses Werk nicht immer harmonisch lesen. Inhaltlich wendet sich der Fokus immer wieder von Mod Helmy ab und zu viele Vermutungen füllen die Seiten.

Eine Leseempfehlung kann ich nur bedingt für dieses Buch aussprechen, denn um mich mit dieser historischen Zeit und Thematik auseinanderzusetzten, würde ich doch detailliertere Werke bevorzugen.

©nisnis-buecherliebe