Von diesem Buch hatte ich mir laut Klappentext unglaublich viel erhofft. Eine mystische, unkonventionelle Trauerbewältigung mit überlebensgroßer Krähe, die einen jungen Wittwer und dessen beide Söhne zuhause ...
Von diesem Buch hatte ich mir laut Klappentext unglaublich viel erhofft. Eine mystische, unkonventionelle Trauerbewältigung mit überlebensgroßer Krähe, die einen jungen Wittwer und dessen beide Söhne zuhause aufsucht. Sogar etwas Witz wurde versprochen.
Das Ganze ist aber leider viel zu künstlerisch angelegt. Dass der Autor damit den Dylan Thomas Prize bekommen hat, ist nachvollziehbar. Kritiker lieben sicherlich diesen Roman. Es ist aber eher eine kryptische Ansammlung von Fragmenten zum Thema Trauer. "Roman" hätte ich es nun nicht unbedingt genannt. Das Buch konnte mich weder berühren (weder durch Tragik noch durch Komik) noch hat es eine Auswirkung auf mich und mein Denken hinterlassen.
Allein die Übersetzung scheint mir hier positiv erwähnenswert. Wer es schafft solch Wortneuschöpfungen ins Deutsche zu übersetzen, gehört gelobt.
Dieser als Roman getarnter Bericht über eine außergewöhnliche Familiengeschichte lässt sich nur schwer einordnen. Thematisch erzählt die Autorin die wahre Geschichte ihrer eigenen Großelterngeneration, ...
Dieser als Roman getarnter Bericht über eine außergewöhnliche Familiengeschichte lässt sich nur schwer einordnen. Thematisch erzählt die Autorin die wahre Geschichte ihrer eigenen Großelterngeneration, welche als Heidenmissionare während und zwischen den beiden Weltkriegen in Neuguinea und Indonesien tätig gewesen sind. Das Thema des deutschen Kolonialismus ist definitiv unterrepräsentiert, wenn es um die Aufarbeitung deutscher Geschichte geht. Deshalb ist dieses Buch schon einmal grundsätzlich interessant. Ob dieses Buch nun aber auf literarischem Wege dazu beiträgt, mehr Licht ins Dunkle zu bringen, ist fraglich.
Dass sich Christen aus verschiedenen Ländern aufmachten, um "die Wilden" zu christianisieren und "zivilisieren", ist bekannt. Auch deren grundlegende Annahme bei dem einen handle es sich "göttliche Macht" und dem anderen um "Aberglauben" entspricht den Vorstellungen der Kolonialisierer. Der westliche Weg zu leben, sei richtig, der Weg der Urahnen der entdeckten Völker sei falsch. So schreibt Döbler: "Wie die meisten Missionare hatte er kaum einen Begriff von den Sitten, gegen die sie andauernd verstießen. Sie hielten sich an die göttlichen Gebote, da konnte nichts falsch sein." Für mich ein neuer Aspekt an dieser Stelle ist, dass es sich hierbei um protestantische und nicht katholische Missionare handelt. Aber wie bringt die Autorin die Thematik rüber? Sie schreibt in kurzen Passagen als Ich-Erzählerin über das Verhältnis zu ihrer Großmutter als diese schon im hohen Alter war. Und sie schreibt über weite Strecken in Form eines Berichtes, welcher in 1913 beginnt und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg endet. Dabei ordnen vor allem die erstgenannten Passagen das Berichtete historisch-gesellschaftlich ein. Das macht Döbler gut. Sie reproduziert eben nicht einfach nur kolonial-rassistische Ansichten. So schreibt sie klar: "Ich hätte meiner Großmutter erklären können, dass die Verbreitung ihres Gottes für die, die sie ihre Papua nannte, koloniale Unterdrückung bedeutete. Sie hatte dabei geholfen, den Neuguineern den Schmerz der Unterlegenheit zuzufügen, ihnen ihre Würde zu nehmen und ihr Land und ihre Kultur. Das war Beihilfe zu einem weitreichendem Verbrechen, das nur zu verdammen war, und ich verdammte es, aus vollem Herzen." Hier geht es also definitiv nicht um rein nostalgische Abenteuerromantik. Sehr gut. Warum aber ist für mich das Buch trotzdem nur mittelmäßig einzuschätzen? Weil es literarisch einfach nicht überzeugen kann.
Ich finde es schwierig, dass das Buch nur online, aber nicht im Klappentext oder anderorts als das definiert wird, was es ist. Nämlich der auf einer wahren Geschichte beruhende Familienbericht von der Familie der Autorin. Kein rein erfundenes prosaisches Werk. Ja, die Sinnhaftigkeit dieser Einordnung wird wild diskutiert. Hier hätte diese Einordnung meines Erachtens jedoch dem Buch gut getan. Vielleicht sogar durch ein kurzes Vor- oder Nachwort. Des Weiteren wäre eine starke Verdichtung der Erzählung notwendig gewesen. Die Autorin beschreibt vieles zu weitschweifig und ausufernd, sodass der Roman sich auf 480 Seiten unglaublich in die Länge zieht. Für diesen Umfang hat mir das Buch dann doch letztendlich zu wenig Aussage. Das Ganze dann auch noch in Berichtform geschrieben und literarisch wenig ansprechnd, macht die Lektüre zäh und mitunter langweilig. Auch konnten mich die Beschreibungen atmosphärisch nicht auf die Inselgruppe entführen. Wenn ich hier vergleichsweise an "Das Volk der Bäume" von Hanya Yanagihara denke, kommt Döbler nicht ansatzweise an die fantasieanregende Kraft Yanagiharas heran. Auch wird der Lesefluss durch den Verzicht auf jegliche Anführungszeichen bei trotzdem vorhandener direkter Rede massiv beeinträchtigt. Stilistisch ein No-Go. Der aus meiner Sicht einzige stilistische Coup des Buches ist das Ersetzen von klassischerweise sonst bei biografischen Berichten genutzten Fotos aus dem Familienalbum durch Textpassagen, welche eingerückt in einem extra Textfeld stehen und welche genauestens das Abgebildete auf ebendiesen Fotos beschreiben. Durch des Textfeld wirkt das Ganze wie in Schrift gegossene Abbildungen. Abbildungen, die man sonst nur mal kurz anschauen würde und dann überblättert, bekommen hier eine große beobachterische Tiefe. Leider war dies jedoch der einzige, herausragende literarische Pluspunkt, den ich finden konnte.
Letztendlich komme ich zu dem Resümee, dass mir dieses Buch, wäre es ein erfundener literarischer Roman gewesen, durchaus gefallen hätte. Die gewählte Berichtform dann Stilmittel statt die nacheliegendste Schriftformentscheidung. Da es sich jedoch unter dem Strich um einen recht trocken runtergeschriebenen Bericht handelt, der nun einmal nicht erfunden, sondern nacherzählt ist, habe ich mich für nur zwei Sterne entschieden. Selten ist mir eine Entscheidung zwischen zwei und drei Sternen so schwer gefallen. Yanagihara hat einfach bewiesen, dass so ein Vorhaben literarisch viel intensiver umsetzbar ist. Schade, eine vertane Chance.
Sarina Hayat beschäftigt sich in ihrem Jugendroman mit dem Krieg in Syrien, der Flucht von dort und das Ankommen in einem fremden Deutschland aus Sicht einer 15- bzw. später 17-Jährigen Protagonistin. ...
Sarina Hayat beschäftigt sich in ihrem Jugendroman mit dem Krieg in Syrien, der Flucht von dort und das Ankommen in einem fremden Deutschland aus Sicht einer 15- bzw. später 17-Jährigen Protagonistin. Diese kommt als Waise in die niedersächsische Provinz und lernt sich dort in ein neues Leben zu integrieren.
Dieses 117 Seiten Büchlein nimmt sich viel vor. Neben der Skizzierung des oben genannten Konflikts geht es außerdem um viele andere angerissene Themengebiete, wie Fremdenfeindlichkeit, intramuslimische Konflikte im Irak, Freundschaften finden, erste Liebe, Traumatisierung, Gutbürgertum usw. usf.. Das ist ganz schön heftig für ein einziges Buch. Fast zwingend können in diesem begrenzten Umfang die angesprochenen Themen gar nicht tiefgründig behandelt werden. Sie werden (fast) kindgerecht vorgekaut, zusammengefasst, pointiert und mit moralisch einwandfreien Lösungen versehen. Das funktioniert sicherlich als gute Schullektüre, als Stichwortgeber für weitere geleitete Diskussionen. Als selbstständige Lektüre fehlt mir hier eine bessere Einbettung, eine ausgearbeitetere Geschichte. So wirkt der Roman eher wie ein Entfwurf für einen "ausgewachsenen" Roman. Viele Jugendbücher mit ernsten Themen sind durchaus auch für Erwachsene geeignet. Dies ist hier weniger der Fall. Da darf auch den Jugendlichen mehr Vertrauen bezüglich ihrer Aufnahmefähigkeit geschenkt werden.
Insgesamt handelt es sich um einen gut konstruierten, jedoch noch nicht ausgereiften Roman, der etwas mehr Emotionalität, Tiefe sowie Mut zu ungelösten Problemen gut zu Gesicht gestanden hätte. Dass sich an dieses (leider immer noch) aktuelle Thema in Form einer Umsetzung für Jugendliche herangewagt wurde, verdient definitiv Respekt. Ich vermute hier eine Zielgruppe von um die 13-Jährigen, weniger dem Alter der Protagonistin entsprechend Jährigen, welche ja im Hauptteil schon 17 Jahre alt ist. Ältere Jugendliche wären vermutlich ein wenig unterfordert.
Leider konnte dieser erste Roman von Marius Hulpe nicht meinen Erwartungen standhalten. Wir erfahren etwas über Reza, ein iranischer Gutsherrensohn, der Anfang der 1960er nach Deutschland geschickt wird, ...
Leider konnte dieser erste Roman von Marius Hulpe nicht meinen Erwartungen standhalten. Wir erfahren etwas über Reza, ein iranischer Gutsherrensohn, der Anfang der 1960er nach Deutschland geschickt wird, um dort Informationen über Technik und Politik zu sammeln und diese an sein Heimatland "weiterzuleiten". Aber viel mehr erfahren wir über Niklas, seinen Sohn aus einer Affäre mit Clara, Tochter in einer kleinen Modeimperiumsfamilie in einer Kleinstadt im Sauerland.
Beworben wird es als "Geflecht aus Liebe, Familie, Herkunft und Politik. Zwischen Iran und Deutschland, über fünf Jahrzehnte hinweg." Prinzipiell ist auch all das im Roman vorhanden, nur aus meiner Sicht leider in einem ungünstigen Verhältnis zueinander. Zu sehr arbeitet sich Hulpe am Kleinstadtleben und Banalitäten aus der Kindheit und Jugend von Niklas ab. Ja, natürlich immer mit dem Touch der Fremdenfeindlichkeit tief verankert in der Bürgerschaft des Ortes. Trotzdem ist das Thema für mich nicht erhellend bearbeitet worden, sondern nur verzichtbares Beiwerk. Schade. Auch die Befindlichkeiten von Clara, welche aus dem bürgerlichen Umfeld ausbrechen möchte, erscheinen unglaublich uninteressant. Der vermeintlich interessanteste Aspekt des Romans, nämlich die Geschichte Rezas kommt viel zu kurz und wird meines Erachtens nicht tiefgründig genug beleuchtet. Aus der oben genannten Aufzählung wird der Bereich "Politik" gerade im Spannungsfeld zwischen der letzten Schah-Ära und der Islamischen Revolution viel zu beiläufig behandelt. Hier schwächelt aus meiner Sicht der Roman am meisten.
Stilistisch stört mich am Buch vor allem das wilde Hin und Her zwischen den Jahren, Personen und Orten. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum diese Geschichte derart verwurschtelt und anstrengend sortiert werden musste. Es ergeben sich so gut wie keine Aha-Effekte, dadurch, dass man bestimmte Szenen erst nachträglich liest und nicht in (einigermaßen) chronologischer Reihenfolge. Stets ist man dabei zu überlegen, wenn die nächste Kapitelüberschrift ein anderes Jahr zwischen 1959 und 2011 ankündigt, was nun schon zwischen den Protagonisten passiert ist oder eben nicht. Das verringert den Lesegenuss ungemein. Auch wird nicht klar, warum der Roman in vier Teile von "Erstes Buch" bis "Viertes Buch" gegliedert wurde. Es gibt keinerlei Spannungsbogen über diese Teile hinweg. Alle Kapitel hätten beliebig neu angeordnet werden können.
Wer hier erkenntnisreiche Literatur auf hohem Niveau zum Spannungsfeld Iran - Deutschland während der Schah-Ära und der Islamischen Revolution erwartet, wird bitter enttäuscht und mit einem Kleinstadtporträt der hauptsächlich 70er und 80er abgespeist. Schade, so konnte der Roman sein Potential nicht genügend ausschöpfen.
Obwohl ich den Debütroman von Deniz Ohde „Streulicht“ wirklich geliebt habe und mir gleichzeitig das Anliegen der Autorin im vorliegenden Roman „Ich stelle mich schlafend“ - Frauen, denen Schuld, Scham ...
Obwohl ich den Debütroman von Deniz Ohde „Streulicht“ wirklich geliebt habe und mir gleichzeitig das Anliegen der Autorin im vorliegenden Roman „Ich stelle mich schlafend“ - Frauen, denen Schuld, Scham und fehlende Abgrenzungsfähigkeit bezogen auf sexuelle Übergriffe über Generationen anerzogen werden - persönlich sehr wichtig ist und mich grundsätzlich sehr interessiert, konnte mich die Autorin diesmal nicht überzeugen.
Eine personale Erzählstimme folgt größtenteils Yasemin durch ihr Leben bis ins Alter von 35 Jahren. Dort beginnt auch der Roman, denn sie steht nicht nur vor einer Brache zwischen den Häuserblocks, in denen sie aufgewachsen ist, sondern scheinbar auch gleichzeitig vor den Trümmern ihres eigenen (Liebes-)Lebens. Nach 20 Jahren traf sie ihre Jugendliebe Vito wieder, die schon damals nicht perfekt war, wie wir durch Rückblicke erfahren, und in der Gegenwart auch nicht besser wird.
Schon der Einstieg in den Roman fiel mir unglaublich schwer. So kompliziert wird die Eingangsszene, in der Yasemin vor der Brache steht, beschrieben, dass ich das erste Kapitel gleich dreimal lesen musste, um überhaupt eine Ahnung davon zu bekommen, welches Haus jetzt nicht mehr steht und was mir die Autorin überhaupt damit sagen möchte. Besserte sich dann zwar der Lesefluss ein wenig, hatte ich weiterhin das Gefühl, dass häufig Formulierungen zu poetisch gewollt und nicht einem Zweck folgend angewendet wurden. Schon innerhalb der ersten 30 Seiten beschlich mich immer wieder das Gefühl, die Autorin wolle dringend einen gesellschaftskritischen Inhalt unterbringen, habe dafür aber nicht immer zwingend erzählerische Anlässe dafür. Das wirkte auf mich häufig holprig, inhomogen, wenig geschmeidig und aufgepfropft. Gerade zum Ende hin geht es mit der Autorin durch und die Erzählstimme, die dann in die Gedankenwelt von Yasemin rutscht, wird unglaublich erklärend und psychologisierend. So kommt es dann zu Sätzen wie beispielsweise diesen hier: „Aus dem Bedürfnis heraus, mich selbst zu bestrafen, habe ich Männername enttäuscht. Der Rausch meiner Verliebtheit bestand darin, endlich die Gewalt zu erfahren, die ich glaubte verdient zu haben. Ich bin in Vito gelaufen wie in ein offenes Messer. Ich habe geglaubt, in ihm ein neues Leben zu finden, dabei war es Vernichtung, die ich mir in Wirklichkeit erhoffte.“ Ganz ehrlich, wer denkt denn so, außer er bzw. sie kommt gerade aus einer psychotherapeutischen Sitzung, in der über zehn Stunden hinweg an dieser Erkenntnis gearbeitet wurde? Aber auch schon sehr frühe Ereignisse in der Kindheit Yasemins werden von der da noch personalen Erzählstimme immer gleich mit einer Deutung aufgeladen.
Bei mir konnte während der Lektüre leider kaum Nähe zu den Protagonist:innen, nicht einmal ein konkretes, inneres Bild von ihnen hergestellt werden. Zu schwammig blieben mir die Personen Yasemin, ihre beste Freundin Immacolata oder die verhängnisvolle Jugendliebe Vito, sowie ihre Beziehung untereinander. Auch die Familienverhältnisse, in denen Yasemin aufgewachsen ist, bleiben größtenteils im Dunkeln. Nur sehr spärliche Schlaglichter gibt es, die aber gleich vollkommen aufgeladen sind mit gesellschaftlichen Missständen gegenüber Frauen.
Für mich ist dieser Roman leider sprachlich nicht gut gelungen, bleibt in bekannten Mustern hängen und die Figuren sind nicht greifbar. Und so verpufft für mich das Anliegen des Romans und schon kurz nach der Lektüre entschwinden die Erinnerungen daran. Sinnbildlich wie die Pfütze auf dem Cover (welches inhaltlich trotzdem sehr gut zum Roman passt!) verdunstet jeglicher Nachhall zu diesem Roman und es bleibt nicht wirklich etwas hängen. Schade. So konnte Deniz Ohde mich mit ihrem zweiten Roman nicht überzeugen. Aber vielleicht ja wieder mit dem nächsten.