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Veröffentlicht am 21.10.2021

Eine gute Idee, kein gutes Buch

Eine Seuche in der Stadt
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Natürlich beschäftigt uns heute das Thema „Epidemie“ so sehr, wie schon lange nicht mehr. Und natürlich ist es hoch interessant zu sehen, wie ein stalinistisches Regime mit so einer Situation umging.
Dieses ...

Natürlich beschäftigt uns heute das Thema „Epidemie“ so sehr, wie schon lange nicht mehr. Und natürlich ist es hoch interessant zu sehen, wie ein stalinistisches Regime mit so einer Situation umging.
Dieses Drehbuch basiert auf Tatsachen. 1939 drohte tatsächlich in Moskau die Lungenpest auszubrechen, was durch radikales Durchgreifen des Geheimdienstes verhindert werden konnte. Allerdings dachten die Menschen, sie würden verhaftet, niemand kam auf die Idee einer Quarantäne. Ljudmila Ulitzkaja sagt im Nachwort: „Das ist das Subtile an der geschilderten Situation: Die Pest zu Zeiten der politischen „Pest“.“
So weit ist die Idee dieses 1978 geschriebenen Szenarios hoch interessant. Leider macht eine interessante Idee allein noch kein gutes Buch und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob dieser Text einen guten Film abgeben würde.
In einem Wust an Personal auf den gut 100 Seiten kann man nur schwer Hauptprotagonisten ausmachen, das macht sich auch im Film nicht gut. Die Handlung ist unterm Strich sparsam und besteht zu großen Teilen aus Verhaftungen. Die Tragweite des Geschehens wird eigentlich erst durch das Nachwort der Autorin richtig klar. Um daraus eine gute Geschichte zu machen, müsste man es noch ordentlich mit Hintergründen unterfüttern.
Dieses Buch ist kein Buch sondern ein Entwurf, der ein tolles Buch werden könnte. Schade, dass die Autorin es nicht überarbeitet hat. So ist es weder stilistisch noch dramaturgisch ein großer Wurf, sondern einfach nur eine gute Idee.

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Veröffentlicht am 04.09.2021

Klischee meets Logiklücke

Systemfehler
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Bei diesem Buch überraschen mich in erster Linie die vielen positiven Bewertungen. Ist das Thrillerpublikum wirklich so genügsam?

Grundsätzlich ist die Idee interessant. Was wäre, wenn tatsächlich das ...

Bei diesem Buch überraschen mich in erster Linie die vielen positiven Bewertungen. Ist das Thrillerpublikum wirklich so genügsam?

Grundsätzlich ist die Idee interessant. Was wäre, wenn tatsächlich das Internet ausfallen würde? Nicht nur für Stunden, sondern ganz und gar. Nichts geht mehr. Würde dann nicht alles zusammenbrechen, Wirtschaft, Versorgung, Verkehr, Kommunikation?

Diesen Gedanken spielt Wolf Harlander hier durch, ohne ihn groß zu vertiefen.
Wir durchleben die Krise zusammen mit einer Familie, deren Mitglieder klischeehafter nicht sein könnten.
Vater Daniel arbeitet bei einer Games-Firma, die seine Fähigkeiten unterschätzt und ist gestraft mit einer nörgelnden Ehefrau und Kindern, die tumb genug sind, nach überstandenem Flugzeugabsturz nach Cola zu jammern. Oma Renate kämpft sich tapfer durch die Ausnahmesituation, nur wenn sie bei ihrem Biobauern nicht mit Karte bezahlen kann, dann ist es aus mit ihrer Geduld. Und Daniels Schwester Doris ist Ärztin, die uns zeigt, dass heutzutage Leben vom Datenstrom abhängen, wer hätte das gedacht?
Dazwischen versucht ein Ermittlerteam vom BND, den Verursachern der Krise auf die Spur zu kommen. Nelson und Diana sind weitgehend gesichtslos, stören aber auch nicht weiter.

Es werden hier also wacker alle erwartbaren Probleme abgearbeitet, nur über die Logik sollte man nicht weiter nachdenken. Während das Wasser knapp wird und der Strom ausfällt, wird Nelson frischer Kaffee angeboten, wenn er das richtige Büro besucht. Daniels spielsüchtiger Sohn ersteht auf dem Schwarzmarkt einen guten, alten Commodore 64, mit dem man bekanntlich offline zocken konnte. Dass so ein Gerät vermutlich auch Strom benötigt, ist zu vernachlässigen, wie überhaupt die ganze technische Seite dieses Cyberthrillers einen fragwürdigen Retrocharme verströmt. CB-Funkgeräte und „Spezialsoftware“ sind der Schlüssel zum Erfolg, das ist direkt niedlich.

Beim Hören dieses Werkes ist man hin- und hergerissen zwischen Verwunderung und Entsetzen, weil einfach viel zu viel gar nicht sein kann und immer wieder jemand unfassbar dämlich reagiert.
Es mag vielleicht ein wenig unterhalten, wenn man absolut nichts hinterfragt, aber den Blutdruck treibt es nicht in die Höhe.

Das Hörbuch dauert 10 Stunden, 6 Minuten. Ausnahmsweise war ich nicht böse über die Kürzungen. Uve Teschner liest es tapfer. Seine Interpretation von Frauenstimmen ist immer etwas ungewollt komisch, hier aber einmal wirklich passend.

Dieses Buch ist vermutlich mein persönlicher Flopp des Jahres.

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Veröffentlicht am 26.12.2024

Wenig bestrickend

Tannenduft im kleinen Strickladen in den Highlands
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Es ist 2024, ich habe das erste und letzte Lädchenbuch meines Lebens gelesen und bin erschüttert.

Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass heute, 2024, Bücher geschrieben, gelesen und ganz offensichtlich ...

Es ist 2024, ich habe das erste und letzte Lädchenbuch meines Lebens gelesen und bin erschüttert.

Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass heute, 2024, Bücher geschrieben, gelesen und ganz offensichtlich sogar geliebt werden, die sämtliche feministischen Bestrebungen der letzten hundert Jahre mild lächelnd in die Tonne treten?

Dieses Buch platzt vor kreativen, liebevollen, erfolgreichen Menschen, aber wenn es dann ernst wird und das Haus abbrennt, flüchtet die kleine Frau lieber mit dem Hausboot, statt nach ihren Tieren zu sehen, die sie Seiten vorher noch hingebungsvoll betreut hat. Soll der Mann es richten.

Ist es nicht ein Traum, wenn man einen verlässlichen Partner hat, der besser als man selbst entscheiden kann, was Müll ist im Haus und was nicht? Der alle Renovierungsarbeiten erledigt und sogar die neue Einrichtung aussucht, während Frau sich vom Schock erholt? Ihr ist nichts geblieben als ihr Hund, ihr Strickzeug und ihr Fotograf, weltberühmt natürlich, da kann man schon mal eine Sinnkrise bekommen. Zum Glück hat sie liebevolle Freundinnen und ausreichend Wolle.

Dieses Buch verrührt schamlos Klischees zu einer dürftigen Geschichte, würzt es mit peinlichen Strickmetaphern und noch schnell ein bisschen Tannenduft für das Weihnachtsgeschäft. So etwas mögen die Leute?

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