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Veröffentlicht am 27.12.2024

Ein dichtes, antikapitalistisches Plädoyer für weniger Self und mehr Community Care

Das Orakel spricht
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Liv Strömquist hat hier wieder eine gut recherchierte und vielfältige Graphic Novel geliefert, die mit dem typisch trockenen Strömquist-Humor daherkommt. Mir dröhnte nach der Lektüre ein wenig der Kopf, ...

Liv Strömquist hat hier wieder eine gut recherchierte und vielfältige Graphic Novel geliefert, die mit dem typisch trockenen Strömquist-Humor daherkommt. Mir dröhnte nach der Lektüre ein wenig der Kopf, aber das spricht nur für die Dichte des Buches. Außerdem fühlte ich mich wiederholt bestätigt und motiviert. Inhaltlich kann ich also kaum etwas Negatives sagen.

In sieben Abschnitten widmet sich die Autorin dem Selbstoptimierungsdruck unserer neoliberalen Gesellschaft und argumentiert im Kern antikapitalistisch. So beleuchtet sie die milliardenschwere Wellnessbranche, welche Spaß und Glück kommodifiziert und kaufbar gemacht hat, während diese genau durch diese Nutzbarmachung quasi unerreichbar werden; ebenso wie den menschlichen Versuch, den Tod als absolut unkontrollierbares und dadurch zutiefst beängstigendes Ereignis durch unzählige Selfcare-Elemente doch kontrollieren zu wollen. Spannend fand ich die Darstellung der zunehmenden Unfähigkeit unserer Gesellschaft, Raum zu lassen für unangenehme Gefühle (Enttäuschung, Trauer, ...). Diese resultiert in einem individualisierten Druck, alle Probleme zu lösen bzw. sich selbst zu heilen - wobei die zwanghafte Vermeidung von Schmerz schlussendlich zu weniger Lebendigkeit führt.

Im Weiteren geht es um Menschen, in der Öffentlichkeit oder nicht, die anderen ungefragte Ratschläge geben - und dass das nicht aus einem vermeintlichen Altruismus heraus passiert, sondern weil sich das Beratschlagen so gut anfühlt. Zudem wird die These dargestellt, dass es vielleicht gar kein "authentisches Selbst" gibt, weil das immer in Relation zu anderen Menschen (ent-)steht, und dass das von spirituellen Influencer:innen/Autor:innen gepredigte "Folgen der inneren Wahrheit als einzige moralische Instanz" genauso brandgefährlich ist, wie es für mich klingt - weil dann grundlegende Moralfragen einfach individualisiert übergangen werden können (erinnert mich an Spiris, die nach jahrelangem Veganismus auf "körperliches Drängen" hin doch wieder Fisch essen mussten). Dass die Startbedingungen im Kapitalismus vor allem von Glück bestimmt sind und eben nicht alle die gleichen Chancen haben, wussten wir schon. Interessant fand ich hier aber den Vergleich von Religion und Selbsthilfe insofern, dass in beiden Fällen Priviligierte ihre Position zu legitimieren versuchen ("von Gott so gewollt" vs. "hart erarbeitet, verdient"). Und dass wir, statt unser eigenes, gar nicht mal so beinflussbares Leben kontrollieren zu wollen, unsere Kapazitäten lieber gemeinsam darauf verwenden sollten, die ungerechten Systeme umzubauen - denn die sollten ja gerade die angeborenen Ungleichheiten auffangen und sie nicht verschärfen. Und abschließend gibt es zu lernen, dass Selbsthilfelektüre sowie entsprechende Coachings uns versprechen, alle Lebensbereiche optimieren zu können, wobei durch die erneute Kommodifizierung das Leben zu einem einzigen Leistungsbereich wird, in welchem wir aufgrund unzähliger Optionen und angesichts der Möglichkeit eines ständigen Scheiterns nur unglücklich sein können. Also ganz klar: Finger weg von Heils- und Optimierungsversprechen, stattdessen Ärmel hoch für die Schaffung gerechter Utopien.

Nun zum Negativen: Nicht ganz passend fand ich den Klappentext, laut welchem sieben Influencer:innen dieser Branche in den Fokus genommen werden sollten. Das habe ich so nicht als zentrales oder leitendes Element wahrgenommen. Gestört haben mich außerdem die englischsprachigen Textauszüge. Ich selbst kann sie zwar übersetzen, aber so wird meiner Meinung nach die Zugänglichkeit reduziert. Und das Ende kam mir ein wenig abrupt vor, da hätte ich mir irgendwie einen runderen Schluss gewünscht. Aber vielleicht ist auch genau das der Punkt - schließlich soll ja auch Raum sein für Enttäuschung und offene Fragen. 😉

Eine klare Empfehlung für alle, die sich philosophische Positionen und wissenschaftliche Erkenntnisse rund um Selfcare/Selbsthilfe auf kompaktem, aber dennoch anspruchsvollem Weg zu Gemüte führen wollen.

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Veröffentlicht am 28.11.2024

Ein Befreiungsschlag auf mehreren Ebenen

The Freedom Clause
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Dieser Roman zeigt einmal aufs Neue, welch hohe Qualität der Pola-Verlag in seinem ersten Programm zu bieten hat. Auch „The Freedom Clause“ behandelt eine progressive Geschichte rund um weibliche Selbstbestimmung ...

Dieser Roman zeigt einmal aufs Neue, welch hohe Qualität der Pola-Verlag in seinem ersten Programm zu bieten hat. Auch „The Freedom Clause“ behandelt eine progressive Geschichte rund um weibliche Selbstbestimmung und hinterfragt ansatzweise den Standard einer heteronormativen, monogamen Beziehung.

Trotz meiner bislang guten Erfahrungen mit dem Verlag war ich ein bisschen skeptisch, ob ich hier nicht einfach zwei Protagonist:innen auf ihrer 6uellen Reise begleite. Doch auch, wenn der Aufhänger die teilweise Öffnung der Beziehung von Daphne und Dominic ist, geht es erstaunlich wenig um spicy Szenen und umso mehr um viel grundlegendere Fragen zu Selbstentwicklung und Beziehungen.

Das Paar im Zentrum der Handlung kennt sich seit Unibeginn und ist dementsprechend schon das gesamte Erwachsenenleben zusammen. 6uell scheint es dabei weniger rund zu laufen als in manch anderen Lebensbereichen, was Dominic dazu bringt, Daphne ein Abkommen vorzuschlagen: Die Freiheitsklausel erlaubt es ihnen, einmal jährlich eine Nacht mit einer anderen Person zu verbringen. Im Abkommen sind zudem weitere Regeln definiert, die diese Idee aber wenig überraschend auch nicht zu einer sonderlich guten machen. Dabei wird jedoch an keiner Stelle suggeriert, offene Beziehungsformen seien grundlegend irgendwie besser oder schlechter. Der Roman bezieht dazu meiner Meinung nach gar keine Stellung und behandelt alternative Beziehungsmodelle schlicht neutral.

Im Laufe der kommenden fünf Jahre tritt zutage, dass die beiden ganz grundlegende Unterschiede haben und sie sich noch in einer Lebensphase befinden, in der viel persönliche Entwicklung stattfindet. Und genau das ist das authentische Kernelement des Romans, welches ihn für mich so fesselnd gemacht hat. Dominic hat mit konkreten Unsicherheiten und auch einer bestimmten Männlichkeitsvorstellung zu kämpfen, für Daphne stehen vielmehr die eigenen (6uellen, aber nicht nur) Bedürfnisse im Fokus. Das Buch behandelt darüber hinaus die gesellschaftlichen Ansprüche an Frauen und transgenerationale Weitergabe.

Hannah Sloane hat hier einen Roman geschrieben, der so gut von seinen Figuren getrieben wird, dass ich ihn nicht aus der Hand legen wollte. Sie entwickelt die beiden Protagonist:innen unglaublich stark, ohne in Klischees abzurutschen. Ich mochte den klaren feministischen Ton, den lockeren Schreibstil, die emotionale Vielschichtigkeit und den fein eingesetzten Humor, mit dem Daphne ihre Erlebnisse verarbeitet. Ich habe mir fast ein bisschen mehr Spice gewünscht, allerdings hätte der vielleicht auch vom eigentlichen Thema abgelenkt. Das Cover finde ich ein wenig „billig“ gehalten, was der Tiefe der Geschichte nicht gerecht wird. Abgesehen davon aber eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 22.11.2024

Giulia Becker bestellt, Giulia Becker geliefert

Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes
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Ich glaube, wer Giulia Beckers Humor kennt und mag, wird hier sehr glücklich sein - ich zumindest war es. ❤️

Das zweite Buch der Autorin ist kein Roman, sondern eine Sammlung verschiedenster Texte und ...

Ich glaube, wer Giulia Beckers Humor kennt und mag, wird hier sehr glücklich sein - ich zumindest war es. ❤️

Das zweite Buch der Autorin ist kein Roman, sondern eine Sammlung verschiedenster Texte und auch Textformen. Ob diverse Selbsttest („Bin ich ein Vampir?“), ein Michael-Bublé-Haiku, endlich einmal ernstzunehmende Horoskope (Gesundheitlich sollten sich wirklich alle Sternzeichen in Acht nehmen!) oder die Erzählung der einen Nacht, in welcher die Autorin nachts bei Media Markt eingeschlossen wurde. Und wer wollte nicht schon immer einmal wissen, welchem Strandtyp die Städte Hamburg und Leipzig eigentlich entsprechen? Einen krönenden Abschluss bildet meiner Meinung nach die Folge „Das perfekte Dinner“, die so chaotisch wie nur irgend möglich abläuft.

Beckers ganz spezieller Humor ist schwer in Worte zu fassen. Hier trifft eine bis ins kleinste Detail zugespitzte Absurdität des Alltags auf Satire und Selbstironie. Die Stimme der Autorin im Ohr zu haben, fand ich beim Lesen sehr bereichernd. Ohne das, ist es vielleicht ein bisschen zu abgedreht. Auch ich habe mich wiederholt gefragt, was ich eigentlich gerade gelesen habe, aber genau darum geht es irgendwie.

Doch die Texte kommen auch nicht gänzlich ohne Gesellschaftskritik aus. Die muss mensch zwar manchmal suchen, doch auf diese Art thematisiert die Autorin z. B. hegemoniale Männlichkeit, Sexismus und Fettfeindlichkeit.

Ich hatte einfach eine richtig gute Zeit mit dem Buch. Es wird mich thematisch aufgrund der Überspitzung jetzt nicht mehr großartig beschäftigen, aber den Anspruch hatte ich auch nicht. Klare Empfehlung für Fans der Autorin!

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Veröffentlicht am 08.11.2024

Ein Buch zwischen Einsamkeit, Verlust und Verbundenheit

Ich komme nicht zurück
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Rasha Khayats Roman tut weh und ist in meinen Augen kein Werk, dass mensch schnell weglesen kann. Er spielt primär 2020 und damit im ersten Pandemiejahr, was dem Buch eine ganz besondere Atmosphäre verleiht, ...

Rasha Khayats Roman tut weh und ist in meinen Augen kein Werk, dass mensch schnell weglesen kann. Er spielt primär 2020 und damit im ersten Pandemiejahr, was dem Buch eine ganz besondere Atmosphäre verleiht, die uns in der Literatur wohl noch häufiger begegnen wird.

Protagonistin Hanna sieht sich mit mehreren Ebenen an Einsamkeit konfrontiert. Da ist die Isolation als alleinstehende Person innerhalb eines Lockdowns. Da ist aber auch der Tod der Großeltern, die ihr sehr früh ein Elternersatz waren. Und zusätzlich spielt der Verlust einer Freundinnenschaft eine zentrale Rolle.

Denn in Rückblenden lernen wir auch Cem und Zeyna kennen, mit denen Hanna in einem nicht näher benannten kleinen Ort eng befreundet war. Zeyna und ihr Vater Nabil flohen aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland und obwohl das Trauma gar nicht so explizit thematisiert wird, trägt es viel zur Schwere des Buches bei. Cem und Zeyna teilen zudem eine von Rassismus geprägte Realität, die nach dem 11. September 2001 an Intensität zunimmt. Hanna sieht den Schmerz, ist aber hilflos und kämpft gleichzeitig mit einer widersprüchlichen Eifersucht. Damit bekommt diese Figur eine ambivalente Tiefe, die ich großartig umgesetzt fand.

Und auch das Pacing des Buches ist einfach besonders. Während die Phasen der Gegenwart regelrecht entschleunigt sind und damit die Isolation der Pandemie so gut greifbar machen, zieht das Tempo in den Rückblenden stark an. In denen erfahren wir mehr über den Aufbau und Zerfall einer Freundinnenschaft.

Das Dreiergespann befindet sich in einem Feld voller verbindender und trennender Elemente. Ob der Alltagsrassismus, den Hanna nicht nachempfinden kann, oder der Tod der eigenen Mutter, der wiederum Zeyna und Hanna auf besondere Art miteinander verbindet. Trotz all dessen ist diese Gemeinschaft lange ein stabilisierendes Element, das erste Krisen überwindet, bis sie an einem Zwischenfall zerbricht. Was genau passiert ist und ob in der Gegenwart wieder eine Annäherung stattfinden kann, müssen die Lesenden selbst herausfinden.

Dieses Buch ist einzigartig und bei einer geringen Seitenzahl unglaublich dicht. Khayat schreibt atmosphärisch und schafft es damit, Schmerz und Einsamkeit auf eine subtile Art eindrücklich zu vermitteln. Der Text wirkte lange in mir nach und kann deshalb auch nicht einfach wegkonsumiert werden. Die wechselnden Erzähltempi fand ich rückblickend sehr schlüssig, beim Lesen hat es mich aber auch manchmal aus dem Konzept gebracht.

Insgesamt aber eine klare Leseempfehlung für dieses gefühlvolle Werk!

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Veröffentlicht am 05.11.2024

Reflektiert, universalistisch und pragmatisch - ein menschliches Sachbuch

Empathie und Widerstand
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Disclaimer: Gerade gibt es Kritik an Lunz bzw. ihrer Organisation CFFP, in der ihr White Feminism vorgeworfen wird. Ich habe das nur am Rand mitbekommen und sie scheint sich auf ein Panel Ende Oktober ...

Disclaimer: Gerade gibt es Kritik an Lunz bzw. ihrer Organisation CFFP, in der ihr White Feminism vorgeworfen wird. Ich habe das nur am Rand mitbekommen und sie scheint sich auf ein Panel Ende Oktober zu beziehen. Obwohl das Buch vorher geschrieben wurde, geht Lunz auf diese grundlegende Kritik an ihrer Arbeit auch im Text ein, ohne sie zu negieren. Anhand allem, was sie im Buch schreibt, sehe ich zumindest hier keinen Grund, ihr White Feminism vorzuwerfen, wenngleich ich den Kritisierenden ihren Eindruck nicht absprechen werde.

……..

Ein Buch, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauche. Und ich bin skeptisch in die Lektüre gegangen, weil Kristina Lunz in meiner Blase auch immer mal für einen neoliberalen Feminismus kritisiert wird. Doch die Autorin konnte mich mit ihrer Reflektiertheit sehr schnell überzeugen.

Den Einstieg findet sie über ihre Vergangenheit bzw. ihren Karriereweg. Sie listet ihre aktivistischen Errungenschaften selbstbewusst auf und ich musste mich selbst fragen, warum ich da widerständige Gefühle hatte. Sie hat viel feministische Arbeit geleistet und tut es noch - warum sollte sie das nicht teilen dürfen? Hier wurde ich mit meiner internalisierten Misogynie konfrontiert, die Frauen als bescheiden und leise klassifizieren will.

Lunz widmet sich dann den beiden Komponenten, auf denen sie guten Aktivismus begründet sieht. Empathie sei dabei wichtig, muss aber regelmäßig geprüft werden. Empathie wird sich ungesteuert nämlich immer vor allem auf unsere In-Group richten und damit selektiv sein. Als Basis dessen sollten wir Menschen offen und vorurteilsfrei begegnen, auch oder gerade wenn sie eine andere Meinung vertreten und mit Methoden des Peacebuildings Brücken schlagen. Genau diese daraus entstehenden Allianzen sind es schließlich, die der linken Bewegung inhärent sein sollte - und es leider immer weniger sind.

Empathie sollte aber dort ihre Grenze haben, wo das Gegenüber grundlegende Werte missachtet. Wo diese Grenze liegt, muss jeder Mensch für sich herausfinden und stetig neu überprüfen. Wie schwierig es ist, diese Balance zu halten - sich weder vorzumachen, alles zu wissen, noch sich von unmenschlichen Ideen korrumpieren zu lassen - beschreibt Lunz sehr greifbar. Sie unterscheidet in ihrem Vorgehen auch hinsichtlich der Macht, die eine Person hält. Ein mächtiger Minister bekommt weniger Empathie, wenn er wichtige Gesetzesänderungen blockiert, als ein Privatmensch, der durch eine Veränderung Nachteile befürchtet. Diesen Ansatz finde ich so herausfordernd wie schön.

Beim Lesen habe ich mich mehrfach selbst ertappt. Ich neige zu schneller Meinungsbildung und befeuere somit selbst Lagerdenken. Statt immer nur zu dekonstruieren, so Lunz, sollte der anschließende Schritt immer die Konstruktion einer besseren Alternative sein. Einzelpersonen, z. B. erfolgreiche Autoren, für ihren Erfolg anzugreifen, trifft oft die falsche Stelle. Konstruktive Kritik ist angemessen, Schuldzuschreibung für die Wirkweisen eines jahrtausendealten Systems eher nicht.

Kristina Lunz schreibt auf eine extrem reflektierte Weise, thematisiert Kritik an ihrer Form des Aktivismus (von innen heraus verändern) und respektiert sie, ohne den anderen Ansatz zu diffamieren. Sie meidet hochkomplexe Themen nicht und schreibt so wiederholt über die Situation in Nahost seit dem 7. Oktober 2023, besonders über den Stellvertreterkrīeg hier bei uns. Ihre Forderungen sind dabei so klar, dass sich mir nicht erschließt, wie ihr vorgeworfen werden kann, sie würde sich nicht an die Seite der Palästinenser*innen stellen. Ich bewundere ihre Fähigkeit, Grenzen zu setzen, ohne in Dogmatismus und vereinfachte Dichotomien zu verfallen. Und das kann ich, obwohl ich ihren gewählten aktivistischen Weg nicht unbedingt teile.

Der letzte Abschnitt, welcher aktivistische Frauen porträtiert, kam mir an manchen Stellen etwas zu gewollt vor. Es sollte hier gezeigt werden, wie diese Empathie und Widerstand in ihrem Aktivismus praktizieren, doch dafür waren mir die Texte zu kurz. Daher ziehe ich einen halben Stern ab, bewerte das Buch aber noch immer sehr gut.

Ich habe mich von diesem Werk in meinem Universalismus bestärkt gefühlt und gleichzeitig gemerkt, wie herausfordernd es ist, nicht einem ideologischen Denken zu verfallen, das uns vorgaukelt, wir hätten die einzige Wahrheit für uns gepachtet. Damit hat „Empathie und Widerstand“ es geschafft, dass ich mich weiter im Aushalten verschiedener Perspektiven üben möchte (Stichwort: Ambiguitätstoleranz), ohne dabei meinen Widerstand gegen Unmenschlichkeit aufzugeben.

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