Raue Schwedin
Das Gemälde auf dem Cover von „Als wir im Schnee Blumen pflückten“ lässt einen sofort die unendliche Weite Schwedens spüren, wo dieses Buch spielt. Wir begleiten Marridja, die sich nach einer terminalen ...
Das Gemälde auf dem Cover von „Als wir im Schnee Blumen pflückten“ lässt einen sofort die unendliche Weite Schwedens spüren, wo dieses Buch spielt. Wir begleiten Marridja, die sich nach einer terminalen Diagnose auf die Suche nach ihrem Neffen macht.
Harnesk hat das Erzähltalent ihrer samischen Vorfahren geerbt. Wir tauchen tief in Mariddjas Denken und Erleben ein – ihre harte, aber herzliche Liebe zu ihrem dementen Mann, ihre unantastbaren Wertvorstellungen und Selbstbild, ihre naiven Versuche, ihren Neffen wiederzufinden, ihre mutige Aufarbeitung der schwierigen Beziehung zu ihrer Schwägerin, ihr trotziger Lebenswille, ihre eigenwillige Herangehensweise an moderne Technik – so tief, dass wir manches erst nach und nach erfahren, wenn die Außensicht von anderen dazukommt. Man erlebt, wie dramatische Lebensumstände wie Vertreibung und Armut so zu einem Teil der eigenen Existenz werden, dass man sie kaum wahrnimmt. Das hat mir bisweilen beim Lesen fast den Atem geraubt. Durch diese Nähe schließt man Mariddja trotz ihrer Verschrobenheit und ihrer bisweiligen Missachtung aller Regeln ins Herz.
Die Handlung entwickelt sich unaufgeregt, wir beobachten einzelne Episoden aus dem Leben des Paares über viele Wochen und oft passiert im Außen wenig, trotzdem habe ich durchgehend gerne weitergelesen. Harnesks Art zu erzählen, der nicht gefühllose, aber unverstellte Umgang ihrer Protagonisten mit den Schicksalsschlägen in ihrem Leben hat mich sehr in seinen Bann gezogen. Gleichzeitig schildert sie mit einer unvergleichlich trockenen Art absurde Situationen, die mich zwischendurch immer wieder zum Lachen gebracht haben. Auch den Einblick in die Geschichte der samischen Urbevölkerung Schwedens fand ich spannend. Ein kleiner Wermutstropfen war ein fehlendes Glossar für die samischen Begriffe, wodurch man sich bestimmte Details nur im Nachhinein erschließen kann.
Insgesamt ein unter seiner Rauheit sehr feinfühliges und damit lesenswertes Buch.