Interessanter Blick auf Klaus Mann und seine Zeit
„Berlin war meine Stadt“ beeindruckt schon auf den ersten Blick durch den herrlichen Einband. Wieder einmal hat der BeBra Verlag hier liebevoll und originell gestaltet! Ein absoluter Hingucker, toll gemacht. ...
„Berlin war meine Stadt“ beeindruckt schon auf den ersten Blick durch den herrlichen Einband. Wieder einmal hat der BeBra Verlag hier liebevoll und originell gestaltet! Ein absoluter Hingucker, toll gemacht. Die Schlichtheit der Buchdeckel – die an ein Buch aus den 1920ern erinnern – wird durch den satinartigen Buchrücken und die interessante „tiefergelegte“ Schrift und Gestalt auf den Buchdeckeln hervorragend komplimentiert. Dieser Einband ruft bereits das Gefühl Berlins in den wilden 20ern hervor – klasse gemacht, ein großes Kompliment an den Verlag!
Inhaltlich finden sich Auszüge aus Klaus Manns Texten, jeweils mit einer kleinen Einleitung, welche nützliche Hintergrundinformationen liefert. Auch das Vorwort überzeugt, es ist knapp gehalten, enthält aber alle relevanten Informationen und ist als Einführung zur Person, Zeit und zum Werk Klaus Manns hilfreich und gelungen. Als Bewunderin von Klaus Manns elegant-prägnantem Schreibstil habe ich die ausgewählten Passagen natürlich sehr genossen. Gerade bei seinen Beschreibungen des eigenen Lebens und der Atmosphäre, die damals in Berlin herrschte, brilliert er und zeigt in jedem Satz, daß er den Vergleich mit seinem Vater in keiner Weise scheuen muß.
Die autobiographischen Texte verraten viel über diese Vater-Hypothek, die ein Leben lang schwer über ihm hing. Sie sind gut ausgewählt, bieten Einblicke, die auch für jene interessant sind, die Mann schon kennen, und für jene informativ, die ihn noch nicht gut kennen. Die erste Hälfte des Buches hat mich schlichtweg begeistert, eine tolle Mischung aus persönlichen Informationen und Berliner Atmosphäre. Einige seiner Artikel als Kunstkritiker aufzunehmen ist eine hervorragende Idee – diese Texte kannte ich auch als mit seiner Arbeit Vertraute noch nicht, und sie sind die Lektüre absolut wert. Ein wenig enttäuscht war ich allerdings darüber, daß in der zweiten Hälfte kaum noch die Rede von Berlin ist. Eine recht lange Reisebeschreibung widmet sich detailliert Frankreich und anderen Ländern, was mir angesichts des Fokus des Buches viel zu viel Raum einnahm. Auch die politischen Essays und eher philosophischen Betrachtungen waren mir zu trocken und hatten mit Berlin höchstens am Rande zu tun. Der Einblick in das Emigrantenleben war teilweise interessant, brachte aber auch vieles, das jedem, der sich schon mit der Familie Mann beschäftigt hat, mehr als vertraut ist. Hier spielt natürlich die Erwartungshaltung und der individuelle Wissensstand über die Familie eine Rolle – an sich ist es eine gute Idee, das Buch mit diesen biographischen Informationen über die Familie in der Emigration abzuschließen.
Für ein Buch, das sich Klaus Manns Blick auf Berlin widmen möchte, war mir wesentlich zu wenig Berlin enthalten und die zweite Hälfte hat mir weniger gefallen als die wundervolle erste Hälfte. Insgesamt aber ist es eine ausgezeichnete Idee, Klaus Mann durch eine Auswahl seiner eigenen Texte und die prägnanten Einführungen vorzustellen, und man bekommt einen umfassenden Eindruck von seiner Persönlichkeit und seinem Leben bis zur Emigration.