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Veröffentlicht am 03.01.2024

Detailverliebte und manchmal überfordernde Fantasie

Pionéa – Loop
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Ich habe ja schon einiges an Erfahrung im Lesen und auch im Rezensionen-Schreiben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals schon so schwer gefallen ist, über ein gelesenes Buch zu reflektieren...

Nachdem ...

Ich habe ja schon einiges an Erfahrung im Lesen und auch im Rezensionen-Schreiben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals schon so schwer gefallen ist, über ein gelesenes Buch zu reflektieren...

Nachdem ich die Leseprobe von "Pionéa - Loop" gelesen habe, war ich gebannt - der Schreibstil, der sehr ausschmückend ist, ist irgendwie bezaubernd und hat mich sofort in eine etwas märchenhafte Welt versetzt. Deshalb freute ich mich sehr auf das Buch. Nach rund zwei Monaten ist es mir geglückt, es auszulesen - kann es jedoch weder fassen noch verstehen...

Trotzdem der Autor es schaffte, mich mit seinem etwas mystischen Schreibstil in den Bann zu ziehen, ging es mir oft so, dass ich nach ein paar Seiten nicht mehr wusste, was ich da jetzt eigentlich gelesen hatte. Das ging mir vor allem am Anfang so, da war ich vermutlich zu unkonzentriert und so musste ich zahlreihe Seiten noch einmal lesen. Meine Erkenntnis: um sich auf das Buch einzulassen, sollte man sich Zeit nehmen und genügend Konzentration mitbringen. Zudem sollte eine Vorliebe für lange Schachtelsätze bestehen (was bei mir grundsätzlich vorliegt). Mir wurde die Erzählung immer wieder zu anstrengend und ich musste Pionéa weglegen, um zwischendurch etwas Leichteres zu lesen. Was mich am Stil Martainns noch etwas irritierte, war der starke Kontrast zwischen dem fast lyrischen Schreibstil an sich und den teilweise ins Vulgäre gehenden Aussagen der Protagonisten.

Wie bereits angedeutet, werden die Charaktere, Orte und Ereignisse sehr, sehr, sehr detailliert beschrieben. Ich mag grundsätzlich konkretere Beschreibungen gerne, allerdings finde ich es wichtig, dass immer auch noch Platz für die eigene Fantasie bleibt - hier hat Martainn für meinen Geschmack etwas übertrieben. Zudem muss ich gestehen, dass mich einige Charaktere besonders am Anfang ziemlich genervt haben - allen voran Jay (er drängte sich für mich zu sehr in den Vordergrund). Aber irgendwie sind die meisten Protagonist:innen trotzdem alle sehr liebenswürdig und wir können tief in ihre Gedankenwelten eintauchen, was bei mir fast immer ein wohliges Gefühl hinterließ (wenn ich gerade folgen konnte).

Ein weiterer Punkt, den es für mich nicht einfach machte, "Pionéa - Loop" vollends zu genießen, war die Einteilung in Abschnitte / Kapitel. Ich habe das E-Book gelesen und rein gefühlt, war der komplette Text ohne Absätze. Grundsätzlich gibt es eine Kapitel- und Abschnittseinteilung (3 Abschnitte, 9 Kapiteln), bei meinem Gerät konnte ich aber nur auf die einzelnen Abschnitte zugreifen, was es bei der komplexen und seitenintensiven (über 800!) Geschichte extrem mühsam macht, wenn man etwas, was weiter vorne erwähnt wurde, nochmal nachlesen will, um die Geschichte besser zu verstehen. Unabhängig davon wäre es wirklich sehr leser:innenfreundlich, wenn es mehr Unterteilungen geben würde!

Zur Geschichte an sich: ich bewundere es sehr, wie viel Fantasie der Autor hat, dass er so eine komplexe Story erzählen kann! Die verschiedenen Raum- und Zeitebenen geben den Gehirnwindungen ordentlich zu tun, leider ist es mir nicht immer geglückt, die Geschichte auch nachvollziehen zu können. Meines Erachtens wäre es schöner gewesen, wenn der Autor ein wenig detailunverliebter gewesen wäre und die Geschichte klarer und kürzer erzählt hätte. Nichts desto trotz hege ich den Gedanken, das Buch in mittelfristiger Zukunft noch einmal zu lesen und liebäugle mit den kommenden Teilen...

Mein Fazit: "Pionéa - Loop" ist eine komplexe, detailverliebte Geschichte, die große Aufmerksamkeit, Neugierde und Durchhaltevermögen erfordert. Für meinen Geschmack geht der Autor zu oft zu sehr ins Detail, nichts desto trotz ist es eine lohnenswerte Reise in eine fantastische Welt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2024

Detailverliebte und manchmal überfordernde Fantasie

Pionéa – Loop
0

Ich habe ja schon einiges an Erfahrung im Lesen und auch im Rezensionen-Schreiben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals schon so schwer gefallen ist, über ein gelesenes Buch zu reflektieren...

Nachdem ...

Ich habe ja schon einiges an Erfahrung im Lesen und auch im Rezensionen-Schreiben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals schon so schwer gefallen ist, über ein gelesenes Buch zu reflektieren...

Nachdem ich die Leseprobe von "Pionéa - Loop" gelesen habe, war ich gebannt - der Schreibstil, der sehr ausschmückend ist, ist irgendwie bezaubernd und hat mich sofort in eine etwas märchenhafte Welt versetzt. Deshalb freute ich mich sehr auf das Buch. Nach rund zwei Monaten ist es mir geglückt, es auszulesen - kann es jedoch weder fassen noch verstehen...

Trotzdem der Autor es schaffte, mich mit seinem etwas mystischen Schreibstil in den Bann zu ziehen, ging es mir oft so, dass ich nach ein paar Seiten nicht mehr wusste, was ich da jetzt eigentlich gelesen hatte. Das ging mir vor allem am Anfang so, da war ich vermutlich zu unkonzentriert und so musste ich zahlreihe Seiten noch einmal lesen. Meine Erkenntnis: um sich auf das Buch einzulassen, sollte man sich Zeit nehmen und genügend Konzentration mitbringen. Zudem sollte eine Vorliebe für lange Schachtelsätze bestehen (was bei mir grundsätzlich vorliegt). Mir wurde die Erzählung immer wieder zu anstrengend und ich musste Pionéa weglegen, um zwischendurch etwas Leichteres zu lesen. Was mich am Stil Martainns noch etwas irritierte, war der starke Kontrast zwischen dem fast lyrischen Schreibstil an sich und den teilweise ins Vulgäre gehenden Aussagen der Protagonisten.

Wie bereits angedeutet, werden die Charaktere, Orte und Ereignisse sehr, sehr, sehr detailliert beschrieben. Ich mag grundsätzlich konkretere Beschreibungen gerne, allerdings finde ich es wichtig, dass immer auch noch Platz für die eigene Fantasie bleibt - hier hat Martainn für meinen Geschmack etwas übertrieben. Zudem muss ich gestehen, dass mich einige Charaktere besonders am Anfang ziemlich genervt haben - allen voran Jay (er drängte sich für mich zu sehr in den Vordergrund). Aber irgendwie sind die meisten Protagonist:innen trotzdem alle sehr liebenswürdig und wir können tief in ihre Gedankenwelten eintauchen, was bei mir fast immer ein wohliges Gefühl hinterließ (wenn ich gerade folgen konnte).

Ein weiterer Punkt, den es für mich nicht einfach machte, "Pionéa - Loop" vollends zu genießen, war die Einteilung in Abschnitte / Kapitel. Ich habe das E-Book gelesen und rein gefühlt, war der komplette Text ohne Absätze. Grundsätzlich gibt es eine Kapitel- und Abschnittseinteilung (3 Abschnitte, 9 Kapiteln), bei meinem Gerät konnte ich aber nur auf die einzelnen Abschnitte zugreifen, was es bei der komplexen und seitenintensiven (über 800!) Geschichte extrem mühsam macht, wenn man etwas, was weiter vorne erwähnt wurde, nochmal nachlesen will, um die Geschichte besser zu verstehen. Unabhängig davon wäre es wirklich sehr leser:innenfreundlich, wenn es mehr Unterteilungen geben würde!

Zur Geschichte an sich: ich bewundere es sehr, wie viel Fantasie der Autor hat, dass er so eine komplexe Story erzählen kann! Die verschiedenen Raum- und Zeitebenen geben den Gehirnwindungen ordentlich zu tun, leider ist es mir nicht immer geglückt, die Geschichte auch nachvollziehen zu können. Meines Erachtens wäre es schöner gewesen, wenn der Autor ein wenig detailunverliebter gewesen wäre und die Geschichte klarer und kürzer erzählt hätte. Nichts desto trotz hege ich den Gedanken, das Buch in mittelfristiger Zukunft noch einmal zu lesen und liebäugle mit den kommenden Teilen...

Mein Fazit: "Pionéa - Loop" ist eine komplexe, detailverliebte Geschichte, die große Aufmerksamkeit, Neugierde und Durchhaltevermögen erfordert. Für meinen Geschmack geht der Autor zu oft zu sehr ins Detail, nichts desto trotz ist es eine lohnenswerte Reise in eine fantastische Welt.

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Veröffentlicht am 20.10.2023

Sprachlos hadern

Diamantnächte
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"Und dann hob ich ab und trieb sanft im Zimmer umher, ganz von allein." (S. 237)

Genauso wie eben angeführtes Zitat treibt die Geschichte der Protagonistin - einmal heißt sie Agnete, einmal Marianne - ...

"Und dann hob ich ab und trieb sanft im Zimmer umher, ganz von allein." (S. 237)

Genauso wie eben angeführtes Zitat treibt die Geschichte der Protagonistin - einmal heißt sie Agnete, einmal Marianne - umher, zwar nicht immer sanft, aber ganz von allein. Wobei, ich bin mir unschlüssig ob es tatsächlich eine Geschichte ist. Vielmehr sind es Gedanken, die wir in "Diamantnächte" mitverfolgen können. Zwar gibt es eine Rahmengeschichte, diese erscheint aber zweitranging. Dabei hadert die Erzählerin ständig - mit sich, mit dem Gesehen Werden, mit einer angeblichen Inkompetenz mit Menschen umzugehen, mit Beziehungen, mit Träumen und Selbstverletzungen. Den roten Faden bildet dabei eine Beziehung zu einem wesentlich älteren Mann - der Vater einer Freundin - die sie Jahrzehnte aufrecht erhält, auch wenn sie immer nur eine flüchtige Begegnung darstellt. Es ist nicht klar: geht es um Sex, um Nähe, sieht sie der Mann, wie sie ist, weil er glaubt, dass er es kann? Was zieht sie immer und immer wieder zu ihm? Was ist so speziell an dieser Beziehung, dass sie deren Geschichte niederschreiben muss? Was ist es, das Agnete, oder Marianne, antreibt und wo will sie überhaupt hin? Mühelos könnte ich noch zahlreiche Fragen formulieren, eine Antwort bekomme ich in diesem Buch aber nicht.

Interessant ist der Aufbau des Buches: es umfasst drei Abschnitte. Im ersten versucht sie sich einer Geschichte anzunähern, wird aber immer wieder von ihren Gedanken unterbrochen. Sie erkennt, dass sie so nicht zum Ziel kommt (welchem???). Bis hierhin ist aus der Ich-Perspektive erzählt. Im nächsten Kapitel plötzlich wechselt die Erzählweise auf eine Erzählung in der Dritten Person. Nun heißen die Protagonist*innen anders, aus Agnete wird plötzlich Marianne und es wird geschildert, wie sie den Mann - hier heißt er nun Alexander und nicht mehr Christoph - kennenlernt. Er ist der Vater ihrer Freundin Jenny, die hier nun aber Sarah heißt. Nachdem sie und Alexander die ersten Intimitäten ausgetauscht haben, endet scheinbar völlig natürlich die Freundschaft zwischen Agnete und Jenny. Im dritten Abschnitt kehrt die Ich-Erzählform wieder zurück, der Mann wird nun schlicht C benamt. Hier tauchen wir mehr und mehr in die Gegenwart der Protagonistin ein - vermutlich versucht sie zu schildern, warum alles so geworden ist, wie es ist. Angenehm ist im Buch, dass die Unterkapitel nur sehr kurz sind, teilweise nur zwei Zeilen und ein neues beginnt immer in der Mitte der Seite - das Buch kann also schnell hinter sich gebracht werden.

"Diamantnächte" macht mich sprachlos und ich hadere. Sprachlos, weil mir nicht eingeht, was das Buch eigentlich erzählen will. Ich verstehe es schlicht nicht. Nichts scheint von Bedeutung zu sein, aber alles ist pathetisch wichtig. Ich hadere, weil der Erzählstrang, die Geschichte wirklich gut sein könnte, würde sie auserzählt werden, würde sie tiefer gehen, würden wenigstens Ansätze von Erklärungen vorhanden sein. Trotzdem ich daran wirklich kaum etwas verstehe, ich mich zwischendurch ob der fehlenden Tiefe und Nachvollziehbarkeit geärgert habe, habe ich das Buch nichtsdestotrotz irgendwie doch gern gelesen.

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Veröffentlicht am 04.01.2025

Ein unbeschreiblicher Roman

Ours. Die Stadt
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Ich habe mir nun etliche Rezensionen zu diesem Buch durchgelesen, doch alle sagen für mich nicht aus, was ich beim Lesen dieses Romans gefühlt & durchgemacht habe. Ich selbst kann das kaum wiedergeben, ...

Ich habe mir nun etliche Rezensionen zu diesem Buch durchgelesen, doch alle sagen für mich nicht aus, was ich beim Lesen dieses Romans gefühlt & durchgemacht habe. Ich selbst kann das kaum wiedergeben, nein, es ist mir schier unmöglich. Schon allein den Inhalt zusammenzufassen ist kaum machbar. Der Text, der sich über 700 Seiten streckt, ist aufs höchste fordernd, die Sprache ist so dicht und bildgewaltig, dass das Lesen nur im Schneckentempo voran schreitet, begleitet durch Wiederwillen und Faszination gleichermaßen.

Inhaltlich ist eines gewiss: Saint, eine Frau mit einem stummen Begleiter, befreit zahlreiche Sklav:innen von ihren Plantagen, Mitte des 19. Jahrhunderts, nimmt Leben und gibt den Befreiten ein solches an einem Ort namens Ours. Durch Magie, Zauberei oder Voodoo, wie immer man Übernatürliches nennen will, gelingt es ihr, den Ort unsichtbar zu machen. Saint ist zwar eine zentrale Figur, aber nicht der Hauptcharakter, zahlreiche andere Personen scheinen für die Geschichte essentiell. Das Erzählte ist so dicht, dass es schwer fällt dem allen zu folgen. Zudem werden immer wieder neue Themen und Figuren eingeführt, die für den weiteren Roman nicht unbedingt eine Rolle spielen; oder aber doch.

Übernatürliches ist eine wiederkehrende und zentrale Thematik, Figuren haben Fähigkeiten, beispielsweise können sie mit den Augen eines Tieres sehen oder eine auf sie gerichtete Kugel an den Entsender zurückschicken. Diese rituellen Passagen werden äußerst detailreich beschrieben, was für mich das Lesen dieser sehr mühsam gemacht hat, da ich persönlich nichts damit anfangen kann. Immer wieder kehrt auch die Liebe als Thema zurück, allerdings in keiner Hinsicht romantisch, sondern eher als schmerzende Auswucherung. Grundsätzlich werden hier alle Emotionen als negativ und schmerzhaft beschrieben, sodass ich mich des Öfteren gefragt habe, ob Ours in Wirklichkeit die Hölle sein mag - und nicht der befreite Ort, an denen Negroes - so werden die befreiten Sklav:innen in dem Buch genannt - nun ihr befreites Leben leben. Vielleicht ist dies aber auch die Essenz des Buches - die Erkenntnis, dass die Freiheit nach all dem Schmerz, der Unterdrückung, der Entwürdigung, dem unerträglichen Rassismus auch zu einer Last werden kann, ist es doch unmöglich, sich seiner Erinnerung zu entledigen, auch wenn das Vergessen für die Protagonist:innen in "Ours" wichtig zu sein scheint.

Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren sind schräg, manchmal mit (Homo)Erotik gespickt, sie wirken nicht natürlich, sondern immer problembehaftet. Besonderes Aufsehen wird um die Zeit gemacht, es ist schwer nachzuvollziehen, in welchem Jahr, Jahrzehnt oder gar Jahrhundert man sich gerade befindet. Dies ist einerseits etwas nervig, da der Text ohnehin so komplex ist, aber andererseits erhellend, weil gewisse angesprochene Themen zeitlos sind. So mühsam das Buch ist - oft habe ich innerlich geflucht und Qualen ausgestanden, so anstrengend fand ich das Lesen - so faszinierend ist er auch andererseits. Ich habe volle Hochachtung vor der Sprachgewalt des Autors, auch wenn er meines Erachtens die Geschichte durchaus auch mit der Hälfte oder gar nur ein Drittel des Umfangs ebenso gut erzählt werden hätte können. Hier eine Sternebewertung abzugeben fällt mir ungemein schwer, da mir nichts als passend erscheint, auch weil ich weiß, dass ich der Intention des Autors nicht gewachsen bin.

Mein Fazit: Für "Ours" braucht man Nerven und vor allem Geduld + Durchhaltevermögen - und sollte außerdem Liebhaber:in von komplexer Sachverhalte, gespickt mit Übernatürlichem und Gesellschaftskritik, sein. Ours macht es einer auch dann nicht einfach, es zu lieben, belohnt wird man aber trotzdem mit einer unglaublichen Geschichte, einem unerwarteten Ende und einem Nachhall, der einer noch lange in Erinnerung bleiben wird.

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Veröffentlicht am 01.10.2024

Die Hohepriesterin des Unglücklichseins und ihr willige Gehilfe

Aus dem Haus
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"Aus dem Haus" portraitiert das Leben der Eltern einer namenlosen Erzählerin. Beide sind stets unzufrieden mit dem was ist und mit dem was war, doch je ferner die Erinnerung zurück liegt, desto besser ...

"Aus dem Haus" portraitiert das Leben der Eltern einer namenlosen Erzählerin. Beide sind stets unzufrieden mit dem was ist und mit dem was war, doch je ferner die Erinnerung zurück liegt, desto besser war sie dann doch. Im Mittelpunkt des Unmuts steht das HAUS, das sie errichten ließen, das ihnen von Anfang an nicht genügte, das nur Unglück mit sich brachte.

Der Schreibstil von Miriam Böttger ist grundsätzlich eingänglich und gut zu lesen. Trotzdem ist es mir immer wieder passiert, dass ich ganze Seiten wiederholt lesen musste. Einerseits aufgrund einer gewissen Belanglosigkeit des Erzählten, andererseits weil die vielen Schachtelsätze nicht unanstrengend sind. Die Geschichte könnte lustig sein und sich auch so lesen, wäre es nicht so unendlich traurig, dass eine Existenz scheinbar alleinig auf dem Unzufriedensein beruht. Die Mutter - die zentrale Figur in diesem Buch - ergibt sich ihrem Unglück mit leidenschaftlichem Enthusiasmus und gesteht mit ihrer snobischen und durchaus herrischen Art ihrem Ehemann kein Eigenleben ein. Wenn nicht explizit mehrfach auf die von der Hauptfigur so bitterlich gehassten Stadt Kassel hingewiesen worden wäre, könnte man meinen, es wird in dem Buch eine österreichische Familie karikiert (bei uns in Österreich nennt man diese sehr typische Verhaltensweise "Sudern").

Doch es gibt auch einen ernsten Hintergrund - die Mutter dürfte an einer psychischen Erkrankung leiden, vermutlich einer Depression, die es ihr oft nicht ermöglicht das Bett zu verlassen oder sich an etwas zu erfreuen. Da sie mit ihrer negativen Art ihr ganzes Umfeld vergiftet, ist es mir allerdings nicht gelungen, Mitleid mit ihr zu empfinden. Der Vater hingegen scheint gefangen von dem weit geworfenen Schatten seiner Frau und entwickelt kaum ein Eigenleben. Ihn musste ich bedauern, was aber dem klischeehaften Bild der hysterischen Frau in die Hände spielt. Über die Erzählerin erfahren wir kaum etwas, nur einzelne Häppchen werden den Lesenden vor die Füße geschmissen, ein richtiges Mahl wird daraus aber bis zum Schluss nicht.

Am Ende bleibt das "Warum". Warum war das HAUS so falsch und warum wollten sie dann doch nicht ausziehen? Warum kann es nur sein, dass jemand so unzufrieden ist? Warum trennten sich "die Hohepriesterin des Unglücklichseins und ihr stets williger Gehilfe", wie sie die Autorin auf S. 218 selbst benennt, bei all dem Elend ihrer Ehe nicht? Und generell: Warum wurde dieses Buch geschrieben? Warum war ich nicht permanent genervt?Warum hat es mir doch ein bisschen gefallen es zu lesen? Ich weiß es nicht. Um mit dem Schlusssatz der Autorin zu enden: "Es ist, was es ist."

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