Großartiger Roman über eine kurze Lebensphase Erich Kästners
Das Jahr 2024 war ein "Erich-Kästner-Jahr". Der große Schriftsteller wurde 125 Jahre zuvor in Dresden geboren und starb 1974 in München. Aus diesem Anlass hat der Volk Verlag "Der Goldhügel" veröffentlicht, ...
Das Jahr 2024 war ein "Erich-Kästner-Jahr". Der große Schriftsteller wurde 125 Jahre zuvor in Dresden geboren und starb 1974 in München. Aus diesem Anlass hat der Volk Verlag "Der Goldhügel" veröffentlicht, den Debütroman des Gymnasiallehrers Tobias Roller, den die Werke Erich Kästners seit seiner Kindheit begleiten.
Der 62-jährige Erich Kästner absolviert im Oktober 1961 eine erfolgreiche Lesung in Wien, ehe er in seiner Garderobe zusammenbricht. Nach wochenlangen Untersuchungen im Krankenhaus wird ihm eröffnet, dass er an Tuberkulose leidet und sich dringend zu einem Kuraufenthalt ins Tessin begeben soll. Im Sanatorium in Agra wird er sich verschiedenen Therapien unterziehen, um wieder gesund zu werden.
Erich Kästner fühlt sich nicht sehr wohl im Sanatorium auf dem Goldhügel hoch über dem Luganer See. Sein Zimmer empfindet er als Zelle, der Professor verbietet ihm das Rauchen und Whiskytrinken. Auch sein Privatleben ist ihm keine rechte Freude, er kann sich zwischen Lotte, seiner langjährigen Lebensgefährtin, und Friedel, mit der er einen 4-jährigen Sohn hat, nicht entscheiden, möchte keine von beiden verlieren. Als wenn das nicht schon genug Probleme wären, lernt er im Sanatorium auch noch eine junge Fabrikantentochter kennen, die von seinen Werken fasziniert ist und ihm glühende Verehrung entgegenbringt ...
Die wunderbare Sprache und der schöne Erzählstil in ruhigem Tempo sind dem Stil Kästners nachempfunden und ließen mich in eine kurze Lebensphase des Schriftstellers eintauchen. Mit viel verschmitztem Humor beschreibt der Autor seinen Protagonisten, der sich den im Sanatorium herrschenden strengen Regeln nicht unterwerfen will und kann. Tobias Roller ermöglicht es dem Leser, tief in die Gedanken- und Gefühlswelt Kästners zu blicken und dabei seine Depressionen, Ängste, Halluzinationen und Träume zu erleben. Seine innere Zerrissenheit, Selbstzweifel und Schuldgefühle werden ebenso thematisiert wie seine Alkohol- und Nikotinsucht. Der Dichter hatte ein sehr enges und inniges Verhältnis zu seiner Mutter und vermag sich auch nach ihrem über 10 Jahre zurückliegenden Tod nicht von ihr zu lösen, sieht in ihr immer noch die Liebe seines Lebens.
Die Hommage an Erich Kästner ist dem Autor ganz hervorragend gelungen, ich habe das heitere und tiefsinnige Buch sehr gern gelesen und mich bestens unterhalten gefühlt. Besonders gut gefallen hat mir die junge Fabrikantentochter, die nach anfänglicher Verehrung für Erich Kästner eine selbstbestimmte Entscheidung trifft. Ein vierseitiges Nachwort mit wesentlichen Fakten aus dem Leben des Dichters rundet die Lektüre ab.
Absolute Leseempfehlung für dieses großartige und unterhaltsame Buch, das mir die bis dahin nur oberflächlich bekannte Persönlichkeit Erich Kästners nahegebracht hat.