Profilbild von sommerlese

sommerlese

Lesejury Star
offline

sommerlese ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sommerlese über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.11.2017

Ein erschreckende Zukunftsvision wird hier interessant erzählt.

Leere Herzen
0

Die Autorin zeigt ein düsteres Bild einer Zukunftsvision von Deutschland und setzt ihre Protagonistin Britta in den Mittelpunkt. Britta ist desillusioniert, hat eine kleine Familie, ein Eigenheim und betreibt ...

Die Autorin zeigt ein düsteres Bild einer Zukunftsvision von Deutschland und setzt ihre Protagonistin Britta in den Mittelpunkt. Britta ist desillusioniert, hat eine kleine Familie, ein Eigenheim und betreibt eine Praxis für Psychotherapie. Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Babak eröffnet Britta eine Heilpraxis für Suizidprävention, die Brücke. Dort betreuen sie suizidgefährdete Personen und vermitteln sie an Organisationen wir Green Peace oder Daesh für medienwirksame Selbstmordattentate.
Die politische Lage in Deutschland ist folgende: Angela Merkel musste ihren Posten für Regula Freyer von der BBB (Besorgte BürgerBewegung) räumen, die die Freiheiten der Bürger immer weiter einschränkt.


Dieses Buch zeigt ein Gedankenspiel, eine politische und gesellschaftliche Annahme, die sich gegen die bestehende Ordnung auflehnt. Es geht um Gefühlslosigkeit, Gleichgültigkeit und Geschäftemacherei. Hier wird mit bestehender Politik und Gesellschaftsansichten abgerechnet, es werden Entwicklungen aufgezeigt, die mit Gewalt und Terror regelrecht spielen. Wird unsere Zukunft so aussehen? Werden wir die Gefahr, die sich in der Gesellschaft anbahnen könnte, beherrschen und abwenden können? Dieser Roman macht nachdenklich, verwirrt aber auch mit der scheinbaren Gleichgültigkeit der Protagonistin, die ihren Profit aus der Absicht von Selbstmördern zieht.
Das Buch ist großartig geschrieben, es gibt Denkanstösse und hinterfragt unsere bestehende Situation von Politik und Gesellschaft.



Der Roman entwickelt sich von bloßer Unterhaltung weiter über Gesellschaftskritik zu einem echten Spannungsroman. Brittas Leben, ihre Gefühle, Sorgen und Ängste bekommt man durch innere Monologe hautnah serviert. Von anfänglicher besorgender Zukunftsvision geht es über in einen politisch gefärbten Thriller. Es scheint eine Mahnung zu sein, sich nicht gedankenlos weiter in unserem Gesellschaftsleben treiben zu lassen. Die Gefahr von Machtübernahme und Bedrohung besteht immer.

Mir hat gut gefallen, wie differenziert die wenigen Figuren dargestellt werden. Man kann sich von ihnen ein Bild machen und erkennt das Potential der jeweiligen Charaktere. Manche sind nicht nur für sich selbst eine Gefahr. Sie sind Empty Hearts.


Dieses Buch zielt ab auf eine Zukunfts-Vision. Wer gern zukunftsträchtige Literatur liest und sich mit Politik beschäftigt, für den ist dieser Roman genau richtig.

Veröffentlicht am 10.01.2025

Ein bunter Mix aus schrägen Figuren, Humor und Klischees

Mord im Himmelreich
0

Im Knaur Verlag erscheint der Cosy Crime Mord im Himmelreich von Andreas Winkelmann.

Der ehemalige Schauspieler Björn Kupernikus beginnt seinen Ruhestand im Himmelreich, besser gesagt auf dem gleichnamigen ...

Im Knaur Verlag erscheint der Cosy Crime Mord im Himmelreich von Andreas Winkelmann.

Der ehemalige Schauspieler Björn Kupernikus beginnt seinen Ruhestand im Himmelreich, besser gesagt auf dem gleichnamigen Campingplatz. Kurz nach seiner Ankunft wird er zu einer Rettungsaktion eines Hundes gerufen, der mitten im See hilflos auf einem Paddleboard treibt. Als Kupernikus das Tier an Land gezogen hat, entdeckt er unter dem Board eine festgeschnallte Leiche. Wie hängt das wohl zusammen?

Weil die Polizei an einen Unfall glaubt und Kupernikus schon immer von einer Rolle als Tatort-Kommissar träumte, stellt er eigene Nachforschungen an. Die Künstlerin Annabelle versorgt ihn mit dem nötigen Hintergrundwissen über die Bewohner und hat mit ihrer lebenslustigen Art einen guten Einfluss auf den etwas brummigen Björn.

Seinen Ruhestand hat sich Björn Kupernikus nicht als Lebensretter eines Hundes vorgestellt. Doch nun ist seine Neugier geweckt und er möchte herausfinden, wer den Toten an das Board gebunden hat und welche Rolle dabei Hündin Pinguin spielt.

Das Leben auf einem Campingplatz ist ein echter Mikrokosmos, jeder kennt jeden. Als Neuling hat es Björn da schwer und wird von Annabelle, die im benachbarten Örtchen wohnt, über die Bewohner aufgeklärt. Björn baut zu Annabelle schnell eine Bekanntschaft auf, ihre quirlige Lebensart tut ihm gut. Beide treffen sich zum Essen, trinken gemeinsam etwas und tauschen sich über den Fall aus, dabei wachsen sie immer mehr als Ermittlerteam zusammen.

Die Figuren sind etwas überzogen, klischeehaft und nicht unbedingt sympathisch, ein großer Teil der Handlung dreht sich um das Leben auf dem Campingplatz am Schwielowsee. In dieser idyllischen Lage steigen gerade die Grundstückspreise in horrende Höhen, die Kosten seines Stellplatzes sind für Björn aber noch erschwinglich.

Die Ermittlungen ziehen sich durch die vielen eingeführten Figuren in die Länge und so richtig spannend wird es leider nicht. Insgesamt bleibt das Krimiflair ziemlich auf der Strecke, es geht mehr um die ausgelassene Stimmung auf dem Campingplatz und um die persönlichen Beziehungen und Interessen der Bewohner. Ich mag humorvolle Bücher und ein paar Mal war der eingebaute Humor echt witzig, aber dann driftet der schale Wortwitz im Bereich von Namen dann doch in Klamauk über.

Dieses Buch ist weder echter Krimi, dafür fehlen einfach entscheidende Spannungselemente, noch ein angenehmer Cosy Crime, da braucht es mehr als Essen und Trinken und ein niedliches Hundemädchen.

Die Handlung zeigt die Interessen der Bewohner, die Krimispannung ist leider kaum vorhanden, aber der lockere Erzählstil und die schrägen Figuren mit ihrem klamaukigen Humor haben mich gut unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2025

Leichte unterhaltsame Liebesgeschichte

Winterzauberküsse
0

Winterzauberküsse von Sue Moorcroft ist der erste Band der Reihe "WinterWeihnachtsZauber" aus dem Fischer Verlag.

Hutmacherin Ava geht mit einer Freundin auf eine Londoner Vorweihnachtsparty und trifft ...

Winterzauberküsse von Sue Moorcroft ist der erste Band der Reihe "WinterWeihnachtsZauber" aus dem Fischer Verlag.

Hutmacherin Ava geht mit einer Freundin auf eine Londoner Vorweihnachtsparty und trifft Sam. Nun soll Ava für Sams schwerkranke Mutter Wendy einen Hut kreieren, er möchte ihr damit eine Freude bereiten. Als Wendy in Avas Studio kommt, um sich beraten zu lassen, glaubt sie voller Freude, dass Sam und Ava ein Paar sind. Deshalb bittet Sam Ava, einfach so zu tun, als würde das der Wahrheit entsprechen, wenigstens in der Vorweihnachtszeit…

In Winterzauberküsse hat mir der locker, leichte Erzählstil gut gefallen und ich habe die Geschichte trotz einiger Längen gern verfolgt, weil bestimmte dramatische Szenen für Spannung gesorgt haben.

Heutzutage ist leider ist die Hutmacherei etwas in Vergessenheit geraten, aber wer sich dafür interessiert, bekommt in diesem Buch eine bunte Vielzahl an Modellen und Materialien aufgezeigt, die meiner Meinung nach auch gut auf das Cover gepasst hätten.

Die Protagonisten Ava und Sam sind sympathisch, es ist schnell absehbar, dass sie ein Paar werden, aber der Weg dahin ist auch mit Stolpersteinen gespickt. Sue Moorcroft schafft es, die Atmosphäre trotz Problemen mit dem Ex mit Romantik zu füllen und sie macht auch die Nebenfiguren gut sichtbar. Dazu gehört ein Unsympath, der grässliche Harvey, der mit seiner perfiden Idee, pikante Fotos von Ava ins Netz stellen zu wollen, für Dramatik sorgt. Damit werden die Schattenseiten von sozialen Medien aufgezeigt, die man nicht unterschätzen sollte.

Bei dieser Geschichte geht es um Liebe und Freundschaft und die Angst um liebe Verwandte und man wird auf leichte Weise unterhalten. Das Buch zeigt, dass romantische Verliebtheit allein nicht ausreicht, sondern auch Vertrauen nötig ist, um eine Liebe auf eine feste Basis zu stellen.

Wer eine winterliche, romantische Liebesgeschichte sucht, bei der man mit einer Kuscheldecke wohlig abschalten kann, ist hier gut bedient.

Veröffentlicht am 01.01.2025

Ein unaufgeregter Roman der leisen Töne

Leonard und Paul
0

"Leonard und Paul" von Rónán Hession erscheint im Diogenes Verlag.

Die Mittdreißiger Leonard und Paul sind beste Freunde und besondere, etwas introvertierte Menschen. Leonard lebt noch bei seiner Mutter, ...

"Leonard und Paul" von Rónán Hession erscheint im Diogenes Verlag.

Die Mittdreißiger Leonard und Paul sind beste Freunde und besondere, etwas introvertierte Menschen. Leonard lebt noch bei seiner Mutter, als sie stirbt leidet er unter dem Verlust. Er arbeitet als Ghostwriter für Kinder-Enzyklopädien und lebt ziemlich zurückgezogen. Sein einziger Kontakt ist sein Freund Paul, der auch noch bei seinen Eltern lebt und als Aushilfsbriefträger finanzielle Unterstützung von seinen Eltern bekommt.
Am Wochenende treffen sich Paul und Leonard und spielen miteinander Gesellschaftsspiele. Viel zu erzählen haben sie sich nicht. Feiern oder Reisen interessiert sie nicht, sie leben so vor sich hin und sind damit zufrieden. Doch dann geschieht etwas, dass sie aus ihrer gewohnten Bahn heraus holt.

In dieser leise erzählten Geschichte geht es um die Freundschaft zweier Männer, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheinen. Sie sind liebenswürdig, bescheiden und etwas eigen. Ronan Hession lässt uns seine Charaktere mit all ihren Facetten kennenlernen. Wir erfahren ihre Gedanken, ihre Art anderen Menschen eine Stütze zu sein und wie sehr sie den Familienzusammenhalt und Freundschaft schätzen.

Pauls Schwester Grace will bald heiraten und die Planung zieht sich durch das ganze Buch. Ihre Eltern sind auch noch nach langen Ehejahren glücklich miteinander und freuen sich auf die Hochzeit. Währende man so liest geschehen keine aufregenden Dinge, aber der menschliche und warme Umgang der Personen miteinander liest sich sehr schön und wohltuend. Mich haben die beiden Freunde mit ihrem eigenen Blick auf das Leben immer wieder überrascht und berührt. Sie sind bescheiden, streben nicht nach Erfolg oder Ansehen, sie sind mit sich und der Stille ihres Lebens zufrieden. Als beide Männer eine Frau kennen lernen, wird ihr Leben auf die Probe gestellt.

In der Geschichte passiert nicht viel, einige Szenen verführen zum Schmunzeln, so wie der hintergründige Humor beim Wettbewerb über Grußformeln in Briefen. Es gibt aber auch Szenen, die mir langatmig erschienen und die Geschichte nicht vorantrieben. Auch Graces Hochzeitsvorbereitungen werden sehr ausführlich thematisiert, in gekürzter Variante hätte es mir auch gereicht.

Den Roman habe ich über eine ganze Woche hinweg gelesen, was aber in diesem Fall kein schlechtes Zeichen ist. Ich wollte vielmehr der Entwicklung der Personen Zeit und Raum geben und sehen, wie es mit der Eigenverantwortung von Paul und Leonard voran geht.

Ein unaufgeregter Roman der leisen Töne, der zeigt, das auch eigenwillige Typen ein großes Herz haben können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.12.2024

Nerviger Protagonist in Midlife-Krise

Sobald wir angekommen sind
0

Im Diogenes Verlag erscheint der Roman "Sobald wir angekommen sind" von Micha Lewinsky.

Ben Oppenheim ist fast fünfzig, hat Geldsorgen und Rücken und in einer Midlife-Krise gefangen. Nach seinem Debüt ...

Im Diogenes Verlag erscheint der Roman "Sobald wir angekommen sind" von Micha Lewinsky.

Ben Oppenheim ist fast fünfzig, hat Geldsorgen und Rücken und in einer Midlife-Krise gefangen. Nach seinem Debüt als Autor versucht er vergeblich an den Erfolg anzuknüpfen, doch das klappt einfach nicht. Er schiebt es auf seine aktuelle Lebenssituation, seine Ehe mit Marina ist zerbrochen, mit ihr hat er zwei Kinder und lebt in einer Beziehung mit einer Künstlerin. Die Kriegsvorgänge in Osteuropa machen ihm so sehr Angst, dass er mit Frau und Kindern vor seinen privaten und den weltlichen Sorgen nach Brasilien flieht. Aus der Schweiz nach Brasilien, so wie Stefan Zweig. Was Zweig konnte, kann einem Ben Oppenheim auch nur gelingen. Doch so einfach er sich das vorstellt, ist es nicht.


"Das Leitmotiv des Judentums aber, die Angst, verfolgt und vertrieben zu werden, musste man schon mit der Muttermilch aufsaugen." Zitat Seite 144

Ben Oppenheim ist Jude, nicht sehr gläubig und ein absolut egoistischer Typ mit wirren Gedanken, erfolglos, unentschlossen, unsensibel und bekommt seine Ehe nicht gerettet, aber auch die Beziehung zu seiner neuen Freundin klappt nicht so recht. Außerdem glaubt er daran, zu einem Volk zu gehören, dem die Flucht seit Urzeiten in die Wiege gelegt wurde. Und so lassen ihn düstere Nachrichten sofort an einen drohenden Atomkrieg denken und er flieht Hals über Kopf nach Brasilien.

In dieser Handlung wird tragisch deutlich, welches Schicksal viele jüdische Menschen durch Flucht und den Verlust von Heimat durchmachen. Doch was Ben einfach unausstehlich macht, ist seine Ansicht, einfach der tollste Mann zu sein und ständig seine Meinung zu ändern. Das fand ich recht nervig, nur seine ironischen Ansichten und die Erlebnisse von Bens Frauen (mit oder ohne ihn) ließen mich weiter lesen.

Micha Lewinsky zeigt auf ironische Weise Bens zwiegespaltene Sichtweise auf sein Leben, seine Frauen und die Angst vor dem Weltgeschehen. Es mischen sich ernste Themen mit seichten, dazu kommen Bens sexuelle Gedanken, die zeigen, wie egoistisch er tickt. Kein Sympath, kein Mann, den man gerne kennenlernen möchte und ein echter Anti-Held!

Bei dieser Lektüre hat mir der angenehm zu lesende Schreibstil und der eingebaute Humor gefallen. Und obwohl ich Ben überhaupt nicht mochte, hat mich Lewinsky mit seiner Geschichte gefesselt.

Eine Geschichte über einen Anti-Helden, die von Flucht, Furcht und innerer Zerrissenheit erzählt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere