Eine tiefgründige und eindringliche Geschichte über Trauer und Verlust
Bevor ich gleich zu meiner Meinung komme, muss ich gestehen, das ich vermutlich niemals auf dieses Buch aufmerksam geworden wäre, wenn es in diesem Jahr nicht für den Jugendliteraturpreis nominiert wurde. ...
Bevor ich gleich zu meiner Meinung komme, muss ich gestehen, das ich vermutlich niemals auf dieses Buch aufmerksam geworden wäre, wenn es in diesem Jahr nicht für den Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Zum einen liegt es wohl daran, das mich das Cover so überhaupt nicht anspricht und das Buch ja doch recht unbekannt ist.
Beides Punkte, die sehr schade sind, denn so wie mir, wird es sicher auch vielen anderen potenziellen Lesern gehen und ich hoffe nun, das ich mit meiner Rezension vielleicht ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf dieses ganz besondere Buch lenken kann.
Ein junger Mann, Thomas, der am Beginn seines Lebens steht, wird plötzlich jäh aus ebenjenem gerissen. Er stirbt bei einem tragischen Unfall. Welche Auswirkungen dieser plötzliche Tod auf die Hinterbliebenen hat, davon erzählt Jan de Leeuw in seinem Jugendroman "Eisvogelsommer".
Die Geschichte erzählt er aus Sicht von Thomas, der als Beobachter, als für seine Lieben noch immer spürbare Präsenz, auf der Erde weilt und sich nicht so recht lösen kann. Abwechselnd fällt sein Blick auf seine Mutter, die der Verlust ihres Sohnes natürlich hart getroffen hat, die ihm jetzt einen heiligen Sockel baut, in dem sie an ihm festhält, alles so belässt, wie es vor seinem Tod war und die durch ihr Verhalten ihre Ehe gefährdet. Sie ist so sehr in ihrer Trauer gefangen, das sie überhaupt nicht erkennt das ihr Leben weitergehen MUSS.
Die zweite Figur auf die der Fokus liegt, ist Thomas erste große Liebe Orphee, die sich schuldig fühlt an Thomas Tod, die nicht sieht, wie es weitergehen kann und die im Begriff steht einen furchtbaren Fehler zu machen.
Und der Dritte Charakter ist Thomas Großvater, zu dem der Junge immer eine enge und gute Bindung hatte. Um den er sich sorgte und den er versorgte, der mit seinen eigenen Dämonen und der Vergangenheit kämpfte und den niemand verstehen wollte und konnte. Diese drei Charaktere halten an Thomas fest und seine Seele somit auf der Erde.
EISVOGELSOMMER ist ein Roman über den Umgang mit Verlust, der aufzeigt, welch große Lücke ein Mensch hinterlässt und wie die Hinterbliebenen mit der Trauerbewältigung zurechtkommen müssen.
Mich hat das Buch emotional sehr berührt und die Geschichte hat mich voll und ganz eingenommen. Die Atmosphäre war eisig und ich fühlte mich beim Lesen immer von einem düsteren Gefühl umklammert, das ich schwer benennen kann. Ein wenig unheimlich vielleicht, beklemmend, aber trotzdem kein ungutes Gefühl.
Jan de Leeuw erzählt mit viel Tiefgründigkeit und Zwischentönen über das Loslassen, aber auch übers Verzeihen und über das sich selbst vergeben. Sein Schreibstil ist unglaublich poetisch und wortgewaltig.
Sicherlich ist EISVOGELSOMMER keine leichte Kost, kein Buch, das man an einem Nachmittag mal eben einfach so wegschmökert, aber gerade das macht es so besonders. Es ist aufwühlend, tiefgreifend und behandelt ein Thema über welches wir gerne schweigen, weil es einfacher ist, seine Gefühle und Gedanken in Bezug auf Trauer und Schuld für sich zu behalten.
Wer gerne tiefsinnigere Jugendromane liest und nicht vor den Thematiken Tod, Trauer und Schuld zurückschreckt, dem kann ich diesen Roman uneingeschränkt empfehlen.