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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.12.2017

Anette fährt los

Highway to heaven
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Anette steht auf dem Balkon und voller Verzweiflung ruft sie: Warte, verlass mich nicht, habe ich etwas Falsches gesagt….
So dramatisch beginnt dieser Roman und drei Sätze weiter erfahre ich, dass Anette ...

Anette steht auf dem Balkon und voller Verzweiflung ruft sie: Warte, verlass mich nicht, habe ich etwas Falsches gesagt….
So dramatisch beginnt dieser Roman und drei Sätze weiter erfahre ich, dass Anette das ihrer Tochter nachruft, die zum Studium in die Stadt zieht. Aber für Anette ändert sich so viel, ihr ganzes Leben drehte sich um ihre Tochter, die schon als Teenager bekommen hat und das Loslassen fällt ihr so unglaublich schwer. Aber dann erinnert sie sich an Dinge, die sie sich immer erträumte, bevor sie so früh Mutter wurde und meldet sich zu Motorrad Fahrstunden an. Es beginnt immer mit einem ersten Schritt.
Dieses Buch strahlt auf jeder Seite Lebensfreude aus. Sicher spricht es mich auch deshalb so stark an, weil Anette eine durch und durch liebenswerte und sympathische Frau ist. Katarina Bivald hat mit ihr einen Charakter geschaffen, der aus dem Leben gegriffen ist und dem ich mich sofort verbunden fühlte. Anette muss einige Rückschläge einstecken, privat und auch in Liebesdingen, aber sie wird von Monat zu Monat stärker. Mit dieser Entwicklung habe ich mitgelebt und mitgelitten.
Die Autorin hat es geschafft, mich einzufangen. Ich wollte nicht aufhören zu lesen, die Sprache, die warmherzigen Figuren, der ganze Kosmos einer schwedischen Kleinstadt hat mich gepackt. Eine kurzweilige, amüsante und auch anrührende Geschichte. Man hätte Anette gern zur Freundin.
So kann ich das Buch nur allen Leserinnen ans Herz legen.

Veröffentlicht am 28.11.2017

Mord und Märchen

Grimms Morde
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Kassel 1821: Die napoleonische Besetzung ist vorbei, der alte Kurfürst verstorben, sein Sohn hat die Regentschaft über das Fürstentum übernommen und die alte Ordnung wieder hergestellt. Da wird die langjährige ...

Kassel 1821: Die napoleonische Besetzung ist vorbei, der alte Kurfürst verstorben, sein Sohn hat die Regentschaft über das Fürstentum übernommen und die alte Ordnung wieder hergestellt. Da wird die langjährige Mätresse des alten Kurfürsten tot aufgefunden. Ermordet, wie in einem Märchen der Brüder Grimm.

Jacob Grimm, Bibliothekar und Zensor im Kurfürstentum gerät in das Blickfeld des Polizisten Blauberg. Grimm ist nicht sonderlich gut angesehen im Beamtenstaat, war er doch auch während der Napoleonszeit Beamter und daher schon per se verdächtig.Die Schwestern Anette und Jenny von Droste haben dieses Märchen zur Sammlung beigesteuert und namentlich Anette fühlt sich mitschuldig, denn es ist kein altes Märchen, die sie den Grimms übermittelt haben, sondern eine von ihr ausgedachte Geschichte.

Tanja Kinkel, die wie immer in ihren Romanen das Umfeld hervorragend recherchiert, lässt eine unruhige Zeit lebendig werden. Auch ihren Hauptprotagonisten, den Brüdern Grimm und den Schwestern Droste, gibt sie viel Raum. Sie werden lebendig, so sehr, dass man sehr gern mehr über sie erfahren möchte und das ist ein Mehrwert, den ich an diesem Buch gleich von Beginn an schätzte.

Die restrektive Ständepolitik und die fest gemauerte Vorherrschaft des Adels machen es der bürgerlichen Polizei schwer in diesen Kreisen zu ermitteln. Umso einfacher ist es, sich an den bürgerlichen Jacob Grimm zu halten. Trotz allerlei Bedenken gegen weibliche Einmischung – damals hatte die Frau den gottgewollten Platz einzunehmen – ist Jacob zunehmend von der klugen und scharfzüngigen Anette angetan und nimmt ihre Hilfe an.

Mir gefiel ausnehmend gut, wie die Autorin historisch Belegtes mit romanhaften Elementen mischt und sie damit die Figuren lebendig und interessant gestaltet. Eine Nebenfigur, Lotte Grimm, die dem Haushalt der Brüder vorsteht und sich weder von den finanziellen Einschränkungen, noch von den männlichen Vorstellungen vom rechten Platz der Frau, einschränken lässt, hat mir besonders gut gefallen.

Kinkel wählt einen Sprachstil, der der Zeit angepasst ist. Vielleicht einige Seiten lang ungewohnt für heutige Leser, aber man ist sehr schnell vertraut damit.

„Grimms Morde“ ist eine lebendige und unterhaltsame Mischung aus Kriminalroman, Literatur- und Zeitgeschichte. Es war spannend und weckte den Wunsch mehr über die Zeit und die Personen zu erfahren. Das machte das Buch zu einem richtigen Lese – Highlight für mich. Eine Biographie der Droste steht nun gleich als nächstes Buch auf meiner Wunschliste.

Veröffentlicht am 24.11.2017

Gier und Macht

Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens
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Bottinis Kriminalroman „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ hat sich so ganz anders entwickelt, als ich nach den ersten Seiten angenommen habe.

Kurz zum Inhalt: Lisa Marthen, die Tochter eines ...

Bottinis Kriminalroman „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ hat sich so ganz anders entwickelt, als ich nach den ersten Seiten angenommen habe.

Kurz zum Inhalt: Lisa Marthen, die Tochter eines deutschen Großgrundbesitzers in Rumänien fällt einem Mord zum Opfer. Ioan Cozma, ein älterer Polizeibeamter wird als zuständiger Ermittler für den Fall ausgewählt. Sehr zu seinem Unmut, es trennen ihn nur noch wenige Jahre von der Pensionierung und er hatte vor, sie unter dem Radar von Vorgesetzten abzusitzen. Es gibt einige Punkte in seiner Vergangenheit, die er nur zu gern vergessen würde. Die Spuren des Verdächtigen führen vom Banat bis nach Mecklenburg, dem Heimatort der Marthens und auch Cozma folgt diesen Spuren.

Ausgehend von diesem Verbrechen entwickelt Bottini einen großartigen und komplexen Roman, der sich nicht allein auf einen Kriminalfall reduzieren lässt. Seine Figuren, die er sehr menschlich und vielschichtig in Szene setzt, haben alle gebrochene Biografien. Dies ist nicht nur der Wende 89 in Deutschland geschuldet, auch in Rumänien gibt es nach der Abkehr von Kommunismus neue Strukturen. Ob sie für die Menschen Gutes bringen, sei dahingestellt.

Die meisten Protagonisten in diesem Buch gehören eher zu den Verlierern. Aber nicht nur politische und gesellschaftliche Verwerfungen prägen den Landstrich, die Globalisierung hat längst Einzug gehalten. Die Kleinbauern geben unter Druck ihre Ländereien ab, Großgrundbesitzer aus Asien, Saudiarabien und auch Deutschland verteilen das Land unter sich. Monokulturen sind die Folgen und der Gewinn wird woanders gemacht, während in Rumänien – wie auch in anderen Ländern – die Bevölkerung nichts davon spürt. Bis auf eine Handvoll Gewinner, die vor nichts zurückschrecken um ihre Interessen durchzusetzen. In korrupten Politikern finden sie stets willige Helfer.

Ganz realistisch beschreibt Bottini die Vorgänge und sein Krimi bleibt bei aller Ernsthaftigkeit und Gesellschaftskritik immer auch spannend. Dass man ihn nicht einfach „runterlesen“ kann, sondern das Thema reflektiert, empfinde ich als großes Plus. Politthriller, Wirtschaftskrimi, Familiendrama – der Kriminalroman hat viele Facetten und mir gefiel es, wie Bottini das alles in einem Buch zusammenführt.

Nicht immer ist die Lektüre ganz einfach, besonders am Anfang, wenn Namen und Handlungsstränge eingeführt werden. Ohne das ausführliche Register am Ende des Buches hätte ich mir dabei wohl schwer getan alle Namen zuzuordnen.

Ein besonderer Kriminalroman, der Stellung bezieht.

Veröffentlicht am 21.11.2017

Jeden Tag auf Anfang

Dunkel Land
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Verena, eine Nürnberger Literaturdozentin, nimmt ein verlockendes Jobangebot an. Sie soll den Neffen einer reichen Industriellen bei der Reha nach einem Unfall unterstützen. Nach dem Tod ihrer Schwester ...

Verena, eine Nürnberger Literaturdozentin, nimmt ein verlockendes Jobangebot an. Sie soll den Neffen einer reichen Industriellen bei der Reha nach einem Unfall unterstützen. Nach dem Tod ihrer Schwester ist sie Adoptivmutter der kleinen Waise und das üppige Gehalt und die Möglichkeit der Kinderbetreuung vor Ort, lassen sie alle Bedingungen des Vertrags akzeptieren. Sehr erstaunt ist sie dann aber, als sich der Neffe als 37 jähriger gutaussehender, arroganter Mann entpuppt, der sich seine Reha etwas anders vorstellt. Als ausgebildeter Profiler hat er nach einer Schussverletzung sein Kurzzeitgedächtnis verloren und sieht in Verena eher eine Assistentin seiner kriminalistischen Arbeit. Da sie den Job dringend braucht, lässt sie sich darauf ein und wird schneller als ihr lieb ist, in eine gefährliche Ermittlung verwickelt..
Mir hat der Roman gut gefallen, ich habe ihn in einem Zug durchgelesen, konnte mich wirklich kaum losreißen. Es ist diese Mischung aus erzählendem Krimi und einem sehr ungleichen Ermittlerpaar, bei denen es recht bald funkt, die mich so gut unterhalten hat. Obwohl die Ermittlungen um einen Serienmörder im Strichermilieu angesiedelt sind, würde ich das Buch eher als spannende Unterhaltung verorten und nicht so sehr als harten Krimi, wie die Covergestaltung und der Titel vermuten ließen. Leser, die das erwarten, werden sicher etwas enttäuscht werden.
Sehr gut hat mir die Beschreibung des Havellands gefallen und als Leitmotiv wird die Ribbeck Ballade von Fontane gewählt, die Verena Carl von Wuthenow nahebringen kann, auch wenn er sie jeden Tag wieder von neuem auswendig lernen muss. Aus dieser Einschränkung durch die Schussverletzung ergeben sich auch im weiteren Verlauf der Handlung immer wieder spannende oder sogar komische Episoden. Aus der schöngeistigen Verena wird in kurzer Zeit eine zugreifende Ermittlerin, eine Entwicklung, die sie selbst erschreckt, denn diese Welt war ihr immer fremd. Hier vielleicht mein einziger kleiner Kritikpunkt: mir war das etwas zu schnell.
Trotz des überschaubaren Personenkreises bleibt die Spannung lang erhalten, auch wenn sich schon bald die Verdachtsmomente häufen und ich als geübte Krimileserin schon nach der Hälfte auf der richtigen Spur war. Besonders gern habe ich die Schlagabtäusche zwischen Verena und Carl gelesen, die Andeutung einer Liebesgeschichte schreit geradezu nach einer Fortsetzung und das offene Ende lässt mich auch darauf hoffen.
Ein zweiter Band wird jedenfalls ganz oben auf meiner Wunsch- und Leseliste landen.

Veröffentlicht am 19.11.2017

Alte Schulden

Toteneis
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Valerie Frieth wird von ihrem Ehemann als vermisst gemeldet. Normalerweise kein Fall für die Kriminalpsychologin Hannah Jakob. Aber Valerie war früher mit einem einflussreichen und hohen Kriminalbeamten ...

Valerie Frieth wird von ihrem Ehemann als vermisst gemeldet. Normalerweise kein Fall für die Kriminalpsychologin Hannah Jakob. Aber Valerie war früher mit einem einflussreichen und hohen Kriminalbeamten verheiratet, der wegen seiner Machenschaften im Gefängnis sitzt und offensichtlich immer noch genügend Macht besitzt, seine Fäden zu ziehen.
Dann taucht Valerie stranguliert unter dem Eis eines Sees auf und kurz danach noch eine getötete Frau in einer Tiefkühltruhe und die Ähnlichkeiten sind für Hannah mehr als beunruhigend. Denn die Verbindungen weisen auf den Exmann und zeigen, wie er trotz Haft noch gefährlich ist . Allerdings wird sie den Eindruck nicht los, dass noch jemand an diesem Fall interessiert und ihr oft sogar einen Schritt voraus ist.
Die Kriminalromane von Katharina Peters, egal aus welcher Serie, lese ich ausgesprochen gern. Ich mag den detailreichen, realistischen Stil. Wenn sich aus einem Wust von Informationen, die das Team erarbeitet hat, echte Spuren herauskristallisieren und ich durch die Nebenhandlung immer einen Schritt dem Wissen der Beamten voraus bin, macht mir das Lesen immer besonders viel Vergnügen. In diesem Band hat mir gerade der Nebenstrang, der wichtig für die Entwicklung des Plots ist, besonders gut gefallen und oft habe ich mich gefragt, ob meine Sympathien nicht auf der falschen Seite sind.
Wie immer ist die Handlung sehr komplex, aber der Plot ist trotzdem gut durchschaubar und verliert sich nicht in Nebensächlichkeiten. Schon früh zeigt sich, wie die einzelnen Erzählstränge zusammenhängen und wie wichtig sie für das Gesamtbild sind.
Ich mag auch den Figurenkosmos, den sich die Autorin ausgedacht hat. Ihre Charaktere sind sehr vielschichtig gestaltet, es gibt viele Facetten, die die handelnden Personen besonders lebensecht wirken lassen. Jede hat ihre eigene Geschichte, die oft weit zurückreicht und es gibt nicht nur ,Gut‘ und ,Böse’, sondern die Zwischentöne der Charakter machen die Faszination aus.
Für mich ist Katharina Peters mit ihren Romanen ein Garant für spannende und intelligente Krimis.
Vielen Dank an Netgalley und den Verlag.