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Veröffentlicht am 14.12.2017

Töten ist einfach, nur leicht ist es nicht – Sprachgewaltige, anspruchsvolle und spannende Agenten-Action

Niemals
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Nach der dramatischen und actiongeladenen Jagd auf Holm, Jenny Aarons Todfeind, besucht sie ihren ehemaligen Chef Lissek und seine Frau Conny auf den Färöer-Inseln. Doch die Ruhe und Stille währt nicht ...

Nach der dramatischen und actiongeladenen Jagd auf Holm, Jenny Aarons Todfeind, besucht sie ihren ehemaligen Chef Lissek und seine Frau Conny auf den Färöer-Inseln. Doch die Ruhe und Stille währt nicht lange. Die Polizistin Jenny Aaron erhält eine mysteriöse Nachricht vom verstorbenen Holm und erbt von ihm ein gestohlenes Vermögen, dass der ursprüngliche Besitzer um jeden Preis zurückhaben will.

Nach nur kurzem Zögern entscheidet sich die blinde Agentin und Fallanalytikerin zur Abteilung zurückzukehren. Sie reist mit ihrem Partner Pavlik nach Marrakesch und stößt bald auf den gefährlichsten Mann der Welt, der ihr das liebste im Leben auf brutale Weise entrissen hat. Sie will ihn töten und ist dafür bereit alles zu opfern.

Der Autor:

Andreas Pflüger wurde 1957 in Thüringen geboren. Er wuchs im Saarland auf und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Zu seinen Werken gehören Theaterstücke, Drehbücher für Kino- und Fernsehfilme, Hörspiele und Romane. Niemals ist der zweite Band seiner Trilogie um die blinde Polizistin Jenny Aaron. (Quelle: Suhrkamp Verlag)

Reflektionen:

Niemals ist der zweite Teil der Reihe um die BKA-Agentin und Fallanalytikerin Jenny Aaron, die bei einem Einsatz ihr Augenlicht verloren und erblindet ist. Niemals kann als stand alone gelesen werden, doch ich empfehle zunächst Endgültig, den ersten Teil zu lesen, um vollumfänglich in die Geschichte eintauchen zu können.

Nur wenige Wochen nach der actiongeladenen Jagd auf Holm stürzt Jenny Aaron in ihr nächstes, gefährliches Abenteuer. Zurück in der geheimen Sonderabteilung des BKA, in der nicht jeder Kollege eine blinde Kollegin akzeptieren will, kämpft sie sich auf ihre Position zurück.

In diesem Teil spielt neben Jenny Aaron auch ihr Partner Pavlik im Vordergrund mit. Beide sind freundschaftlich tief verbunden und bedürfen stets nur weniger Worte. Ihr Zusammenspiel in der Story, ihre intensiven Charakterzeichnungen und die tiefen Einblicke in ihre Seelen, harmonisieren die actionreiche Handlung auf vielfältige Weise.

Inzwischen kann Jenny Aaron Hell und Dunkel wahrnehmen. Ihre Augen funktionieren, doch werden die Bilder, die die Augen sehen, nicht bis ins Bewusstsein befördert, da die Kugel in ihrem Kopf einst die Hirnrinde zerstört hat. Halluzinationen plagen und verunsichern Jenny Aaron und doch sind sie ein Zeichen dafür, dass ihr Gehirn in Erinnerungen nach Bildern sucht und sich reparieren will. Eine Chance? Ja, aber nur, wenn sie in diesem Zusammenhang eine medizinisch kontraproduktive Adrenalinausschüttung vermeidet.

Nachdem sie aber Holms rätselhafte Nachricht erhalten hat, geht sie trotz ihres inneren Konflikts das gefährliche und persönliche Risiko ein, um den gefährlichsten Mann der Welt zu jagen und zu töten.


„Zwei Signaltöne; Flemming will die Tür schließen.
„Warte“, murmelt sie.
Kein Geräusch. Aber ein Geruch, sehr fein.
Frisches Waffenöl.
Rechts ahnt Aaron eine Bewegung unter der Treppe. Sie gibt Luca einen Stoß, schreit: „Lauf!“ und hechtet auf den Schatten zu, ohne sich zu fragen, wie schnell sie in dem Zustand noch ist. Sie reißt den Mann zu Boden und dreht sich im Fallen. Schüsse blaffen. Als ihr Gegner aufprallt, hat sie bereits die Glock in der Hand. Aaron feuert in den Schrei des Mannes hinein. Um sie ist ein einziger Wirbel von Schüssen. Sie riecht Blut.“ (Zitat)

Andreas Pflüger ist es in Niemals erneut meisterhaft gelungen Jenny Aaron, als eine blinde Agentin authentisch agieren zu lassen. Wenn man als Leser auch leichtfertig dazu tendiert, dass Jenny Aaron eine Super-Women mit besonderen Fähigkeiten ausgestattete Figur ist, so darf man doch sicher sein, dass Andreas Pflüger seiner Figur nur die Fähigkeiten zur Verfügung gestellt hat, die einzelnen blinden Menschen tatsächlich möglich sind. Jahrelange und fundierte Recherchen erlauben es ihm, seine Figur so glaubhaft und atemberaubend zu zeichnen.

Wer je eine Lesung von Andreas Pflügers besucht hat kann nachvollziehen, wie viel Zeit und Engagement er für Recherchen investiert. Gern erzählt Andreas Pflüger dann von Kerstin Müller-Klein, die vor zwölf Jahren plötzlich erblindet ist und die ihm immer wieder für seine Recherchen zur Verfügung steht. Wer einen kleinen Einblick in Kerstins Leben bekommen möchte, der ist auf dem Lichtscherben Blog, den ich für sie führe, und der längst zu meinem persönlichen Herz-Projekt geworden ist, jederzeit herzlich willkommen.

Bei einer blinden Protagonistin entfällt die perspektivische, visuelle Sicht der Figur, so dass man zunächst nicht erwarten darf, aus Sicht der Figur durch die Geschichte zu wandeln. Aber Andreas Pflüger gelingt es, nur durch die glaubhaft dargestellten Empfindungen und Wahrnehmungen der blinden Jenny Aaron und ihrer ausgeprägten Sinne wie Tasten, Fühlen, Schmecken, Riechen und Hören, ein turbulentes und actionreiches Kopfkino zu entfachen. Und es scheint Pflüger ein Leichtes zu sein, die Spannungskurve auf einem zuverlässig hohen Niveau agieren zu lassen und die angenehm komplexe Story mit maßvoller Dramaturgie und Actionszenen anzureichern.

Andreas Pflüger versteht es Tempo reinzulegen und Tempo zu drosseln, so dass man angehalten ist,
die Seiten zu durchfliegen. Aber Stop! Diesen Thriller darf man nicht durchfliegen, auch wenn es ein Pageturner ist. Ich habe schon lange kein Buch mehr so bewusst langsam gelesen, da ich wusste, dass es erneut literarisch auf höchstem Niveau geschrieben sein würde und schwups, befand ich mich erneut auf der literarischen Wolke 7, bereit zum stillen genießen.

In ausdrucksstarker, besonderer Sprache und in einem dynamischen Stil geschrieben, scheint ein jeder Satz von Andreas Pflüger literarisch mit einem Brillantschliff versehen zu sein. Zu Hauf liest man von wunderbar formulierten Metaphern inklusive sinniger Tiefe und man spürt, wie sehr Pflüger mit Leidenschaft Sprachgewalt kreiert.

Das ist Kunst.

Fazit und Bewertung:

Niemals ist erneut ein literarisches Feuerwerk unter den Thrillern des Jahres. Sprachgewaltig und voller Leidenschaft erzählt, kreiert Andreas Pflüger erneut eine actionreiche, komplexe und anspruchsvolle Agenten-Story. Äußerst intensive Charakterzeichnungen und eine glaubhaft agierende blinde Protagonistin überzeugen restlos.

Literarisch ist dieses Buch einfach nur Kunst und ein Highlight 2017.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 20.11.2017

Klarheit, Kraft und Ruhe – Bereicherndes Werk über die Zen-Meditation und das Innehalten

Innehalten
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Der klassische Raum in Japan begrenzt durch Schiebewände ist leer - und strahlt gleichzeitig Präsenz und Würde aus. Im abendländischen Kulturkreis bezeichnen leere Räume lediglich einen Zustand des Mangels. ...

Der klassische Raum in Japan begrenzt durch Schiebewände ist leer - und strahlt gleichzeitig Präsenz und Würde aus. Im abendländischen Kulturkreis bezeichnen leere Räume lediglich einen Zustand des Mangels. In Japan ist Leere und im übertragenen Sinn Innehalten ein hohes Gut. Über das Innehalten, die Basisübung in der Praxis des Zen, führt der Weg zur Fülle. Wer sich auf das Innehalten einlässt, kommt zu Atem, nimmt sich Druck und erlebt, dass sich gerade im Nichtstun etwas ereignet, das den Blick verändert und Lösungen möglich macht. (Quelle: Kösel Verlag)

»Heute, in der Zeit des »alles ist möglich«, sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir für unser Überleben dem Leeren und den Zwischenräumen unsere Aufmerksamkeit schenken sollten. Wir brauchen eine Revolution der Leere.« (Fleur Sakura Wöss)

Die Autorin:

Dr. Fleur Sakura Wöss, geboren in Tokio zur Zeit der Kirschblüte (Sakura 桜), lehrte 14 Jahre an der Universität Wien am Institut für Japanologie. Zen-Meditationsstudium in Japan. Fleur Wöss unterrichtet im Zen Meditationszentrum, »Misho-an« (Tempel des Lächelns) in Wien und bietet Zen-Seminare in der »Hundertwasser Therme Rogner Bad Blumau« in Österreich und im Chiemgau an. Sie ist Zen-Coach und Vortrags-Coach und schreibt in »fleurszenblog«.

Reflektionen:

Innehalten las ich ohne jede Erwartung und wurde unglaublich reich beschenkt.

Meditation in jedweder Form hat mich nie interessiert und so war mir die Lehre Zen völlig fremd. Auch nach diesem Buch werde ich sicher nicht mit dem Meditieren anfangen, aber ich werde viele Dinge aus diesem wertvollen Buch mitnehmen, intensiv darüber nachdenken und einiges umsetzten.

In der heutigen Zeit messen wir uns häufig an vollen Kalendern und To-Do-Listen. Wir wollen alles mitnehmen, den Anforderungen der Welt gerecht werden, hetzten von A nach B, sind stolz auf Multitasking, schmeißen den Haushalt, sind erfolgreich im Beruf, managen das Familienleben, hören schnell die Nachrichten, während wir zwischendurch die Social-Media-Dienste nach den neuesten Infos checken. Ein Aufstöhnen ist vorprogrammiert. Wir fühlen uns überfordert, sind immer angeschaltet und der Satz „ach, hätte ich doch mehr Zeit“ rinnt uns alltäglich über die Lippen.

„Zuviel ist zu wenig an nichts.“ (Zitat)

Wir sind rastlos, unruhig, gehetzt. Viele Menschen stehen kurz vor einem Burnout und wenn sie die Bremse treten, wird Nichtstun gern mit Nichtgenügen gleichgesetzt.

In Zeiten eines ganzheitlichen Überflusses, ob materiell oder geistig, haben wir die Essenz des „Weniger“ aus den Augen verloren. Selbst positive Inspirationen oder besonders schöne Ideen wandern auf To-Do-Listen und schnell wandelt sich diese Liste in eine Last. Haben wir einmal etwas Zeit, ob am Wochenende oder im Urlaub, hetzten wir den Dingen hinterher die liegen geblieben sind. Wir ignorieren gar die Ruhezeiten, die uns unser Körper abverlangt, stellen Wecker am Wochenende und sind dauerhaft im Erledigungsmodus.






Fleur Sakura Wöss erläutert in ihrem Buch, wie wertvoll die Essenz des Weniger und Nichts ist, während sie aus ihrem Leben im Einklang mit Zen erzählt. Besonders angenehm ist dabei, dass die Autorin keineswegs mit dem Zeigefinger winkt, sondern ihre positiven Erfahrungen wertfrei an die Leser weitergibt.

„Es ist das Gefühl des Freiraums, in dem niemand etwas will, niemand urteilt, niemand ihren persönlichen Raum verletzt. Nur dann haben Menschen Luft zum Atmen.“ (Zitat)

Innehalten hat mir die buddhistische Zen-Kultur nähergebracht. Zen ist das Bewusstsein für das Dazwischen im Sinne von Nichts. Der Zwischenraum (Ma) ist ein absichtsloser Raum, ein Freiraum, den man heilsam für sich nutzen kann. Es ist ein wenig wie eine Lehre über die Akzeptanz, dass wir zeitliche Leerräume und das Nichtstun, nicht immer wieder kontinuierlich auffüllen. Der Zwischenraum ist ein Ort, an dem man sich von allem Gesagten, Gehörten, Gedachten und von Bildern (äußere Reize) befreien kann. Er schafft eine wohltuende Distanz und belohnt mit einer tiefen, inneren Stille, aus der wir Kraft schöpfen können.

„Sie werden in diesem Buch entdecken, dass Nichts, die Pause, die Zwischenräume, die Leere, Ihrem Leben Reichtum und wahre Fülle eröffnen können.“ (Zitat)

Fleur Sakura Wöss schreibt in einer besonderen Klarheit und in einem erfrischenden, flüssigen Stil. Sie erzählt auf lebendige Weise aus ihrem Alltag, so dass man sich sehr gut mit ihr identifizieren kann und sie beschreibt, wie die Zen-Meditation unendlich positiv auf ihr Leben einwirkt.

Fazit und Bewertung:

Fleur Sakura Wöss hat mit Innehalten ein Buch über die Zen-Meditation geschrieben, in dem sich ein Jeder im Alltäglichen wiederfinden kann. Auch wenn einem die Meditation fremd oder gar unsympathisch ist, regt dieses Buch zum bereichernden und befreienden Innehalten, Nachdenken und Reflektieren an.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 10.11.2017

Das Land der besonderen Farben – Dicht, rasant, authentisch brisant und hochspannend

Kaltes Land
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Nach den Strapazen der Flucht stranden unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge in Dortmund am Hauptbahnhof. Ihre Verzweiflung und Erschöpfung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kommt jemand auf ...

Nach den Strapazen der Flucht stranden unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge in Dortmund am Hauptbahnhof. Ihre Verzweiflung und Erschöpfung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kommt jemand auf sie zu, gewährt ihnen Hilfe an, gibt ihnen zu Essen und zu Trinken und bietet ihnen eine Unterkunft an. In ihrer Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit nehmen sie die Hilfe an, schließlich ist er einer von ihnen und gibt die Hilfe zurück, die er einmal selbst erfahren hat. Voller Dankbarkeit folgen sie ihm, doch dieser Weg führt unwissend sie ins sichere verderben.

Zeitgleich wird in einem heruntergekommenen Haus im Dortmunder Norden eine jugendliche, männliche Leiche aufgefunden. Schnell ist ersichtlich, dass es sich bei dem südländischen Toten um einen Bodypacker handelt. Das blutige Szenario zeigt einen geöffneten Torso, in dem man einzelne Drogenpäckchen findet. Kommissar Steiger und sein Team nehmen die Ermittlungen auf.

Der Autor:

Norbert Horst ist im Hauptberuf Kriminalhauptkommissar und hat in zahlreichen Mordkommissionen ermittelt. Der Autor ist verheiratet und hat zwei Kinder. Für seinen ersten Roman, "Leichensache", erhielt er den Friedrich Glauser Preis 2004 für das beste Krimidebüt; "Todesmuster" wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2006 ausgezeichnet. "Splitter im Auge", den ersten Roman aus der Serie um Kommissar Steiger, zählte die KrimiZEIT-Bestenliste zu den zehn besten Spannungsromanen des Jahres 2012. (Quelle: Goldmann Verlag)

Reflektionen:

Kaltes Land ist ein dicht erzählter Kriminalroman, bei dem die Ermittlerarbeit der Polizei weit in den Vordergrund rückt, ohne die eigentliche Story samt ihrer politisch brisanten Tiefe zu verlieren. So nah am polizeilichen Geschehen kann nur der schreiben, der wie Norbert Horst selbst Kriminalkommissar ist und zahlreiche Erlebnisse und Erfahrungen eigener Ermittlungen aus zahlreichen Mordkommissionen mit in die Geschichte einfließen lassen kann. Diesen Kriminalroman empfehle ich ausdrücklich gern.

Kaltes Land ist der dritte Teil der Steiger-Krimi-Reihe, der jedoch sorglos, ohne die Vorgänger gelesen zu haben, als stand alone gelesen werden kann. Bereits erschienen sind Splitter im Auge und Mädchenware.

Nüchtern und ohne jeden Schnörkel erzählt, steigt man mühelos in die Geschichte ein. Dicht an dicht erlebt man die Polizeiarbeit hautnah, während Kommissar Steiger und sein Team atemlos Jagd nach den Tätern machen. Der Kriminalroman spielt in Dortmund und als Dortmunderin genieße ich das Lokalkolorit und doch ist dieser Krimi weit entfernt von jedem Regionalkrimi.

Norbert Horst greift in seinem Krimi die Problematiken der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge auf, hält sich an Fakten, die uns aus den Nachrichten alltäglich bekannt sind, ohne in Form eines Fingerzeigs die gesellschaftliche Kritik zu bemaß regeln. Und doch präsentiert er dem Leser grausame und menschenunwürdige Details und tiefe, abstruse Einblicke, die uns in der medialen Berichterstattung in dieser Intensität nur selten begegnen.

Kaltes Land ist nicht nur ein Kriminalroman und eine Geschichte. Kaltes Land erzählt, wie es wirklich ab geht da draußen. Kaltes Land gewährt einen furchtbaren und erschreckenden Einblick, wie Täter aus den Leben der verzweifelten, erschöpften und unbegleiteten Flüchtlinge kaltblütig Kapital schlagen und wie machtlos die bürokratischen Behörden (Polizei, Verfassungsschutz, Staatsschutz, Jugendamt) häufig zuschauen müssen. Spielend leicht vermittelt Norbert Horst in seinem Spannungsroman, wie bürokratische Hindernisse, personelle Engpässe und die mangelnde Zusammenarbeit der Behörden Ermittlungen behindern und geplante Verbrechen nicht rechtzeitig verhindert werden können.

Die Flüchtlinge, von denen hier die Rede ist, sind nicht registriert. Sie geraten noch vor der behördlichen Registrierung in die Fänge der Täter, die kaltblütig und auf brutalste Weise mit allem handeln was Geld einbringt. Drogen, Waffen und Menschenhandel. Die Dunkelziffer dieser Verbrechen ist nachvollziehbar unüberschaubar.

Steiger ist ein sympathischer Kerl. Er leistet knallharte Polizeiarbeit, ist ein Meister knackiger Dialoge und er besitzt dennoch eine sehr menschliche, warme Seite und er liebt mit Haut und Haar. Er ist jederzeit bereit, sich mit Vorgesetzten anzulegen, denn er kämpft um Gerechtigkeit und gibt niemals auf. Sein persönliches Schicksal trägt er nicht zu Schau, dementsprechend ist alles Persönliche nur maßvoll in der Geschichte verflochten und doch entschleunigt es die rasante Story angenehm pointiert, um den Leser einmal durchatmen zu lassen.

Besonders emotional wird es, als Batto, Steigers langjähriger Kollege und Freund, im Dienst einen Täter erschießt. Der sonst so taffe Batto verliert damit seine positive Lebenseinstellung und seine Unbeschwertheit. Eindrucksvoll und authentisch schildert Norbert Horst die innere Zerrissenheit des Freundes und wie die Freundschaft der beiden langsam zu versiegen droht.

Im Haupterzählstrang suchen Steiger und sein Team die mächtigen, intelligenten Hintermänner in Form akribischer Polizeiarbeit. Eine weitere Perspektive erlaubt es, das Schicksal von den unbegleiteten Flüchtlingen Arjun aus Afghanistan und Samira mitzuerleben. Sie erzählt auf hochemotionale Weise von der Flucht, von ihren Ängsten, Nöten und von Missbrauch, bis sie letztendlich in Dortmund ankommen und diese Perspektive auf dramatische Weise mit dem Haupterzählstrang verschmilzt.

Fazit und Bewertung:

Kaltes Land ist ein authentischer, dicht erzählter Polizeikriminalroman mit Tiefe, wie ich ihn schon lange nicht mehr gelesen habe. Intelligent verschnürt paart sich die rasante, kriminalistische Geschichte mit der brandaktuellen Thematik der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge, die völlig erschöpft in Deutschland ankommen und in die Fänge kaltblütiger Verbrecher geraten. Norbert Horst überzeugt mühelos, in einem angenehm nüchternen Stil. Hochspannende Lesestunden sind garantiert und sie klingen auf Grund der erschreckenden, authentischen Geschichte noch lange nach.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 05.10.2017

Intriganter Psychotrhill - Rasant, spannend und krank

Unter Wasser hört dich niemand schreien
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Liz Mc Ginnises zieht mit ihrer Tochter Daniell und ihrem Mann Phil in das sicherheitsüberwachte, exklusive Villenviertel „The Palm“. Phil ist Community Relation-Spezialist und soll sich um die Belange ...

Liz Mc Ginnises zieht mit ihrer Tochter Daniell und ihrem Mann Phil in das sicherheitsüberwachte, exklusive Villenviertel „The Palm“. Phil ist Community Relation-Spezialist und soll sich um die Belange der Anwohner und des Viertels kümmern. Liz arbeitet weiterhin als Beratungslehrerin an einer Highschool, an der die 15jährige Danielle Schülerin wird.

Das Leben in The Palms ist für alle drei schwierig, denn die versnobten, steinreichen Nachbarn leben nach einer Etikette, die ihnen fremd ist. Die Hauseigentümerinnen leben wie Märchenprinzessinnen und sie umschwärmen den attraktiven Phil.

Mit der Zeit passen sich die drei etwas an. Vor allem die bisher sehr naturverbundene Danielle, während sie mit ihrer neuen, verzogenen, hübschen Freundin Kelsey viel zusammen ist, so dass Liz ihre Tochter bald kaum noch erkennt. Kelsey ist plötzlich Dauergast und geht im Haus der McGinnies ein und aus.

Als sich mysteriöse Ereignisse anhäufen, weiß Liz nicht mehr wem sie trauen kann. Und als Kelsey leblos im Pool der Familie Ginnises liegt, ist sich Liz sicher, dass jeder in The Palms einen Grund gehabt hätte Kelsey zum Schweigen zu bringen.

Die Autorin:

Paula Treick DeBoard verbringt ihre Zeit mit Lesen, Schreiben und dem Lehren von Komposition an der Universität von Kalifornien. Sie lebt mit ihrem Mann Will und ihrem Hund in Kalifornien. (Quelle: HarperCollins Germany)

Reflektionen:

Es ist lange her, einen Thriller in diesem enormen Tempo gelesen zu haben, zumindest empfinde ich den flüssigen, angenehmen Schreibstil so. Von der ersten Seite an wird man von der Story in den Bann gezogen und durch die Seiten getrieben. Ein Pageturner. Eindeutig.

Autorin Paula Treick DeBoard ist mit Unter Wasser hört dich niemand schreien ein überzeugender Thriller gelungen, der mit einem perfekt initiierten psychologischen Aufbau einhergeht.

Trotz, dass die Geschichte sofort ein hohes Lesetempo vorgibt, lernt man die sorgfältig ausgearbeiteten Charaktere der Figuren gut kennen, denn die Perspektiven wechseln taktvoll und lassen den Leser in die Legenden der vielschichtigen Figuren eintauchen, während sich die Handlung rasant weiterentwickelt. Nicht nur der Wechsel der Perspektiven, die rückblickend bis in die Vergangenheit reichen, treiben die Spannung immer mehr auf die Spitze, sondern auch die Teilhabe an der Gedankenwelt der beiden Hauptfiguren, Liz und Phil.

Liz und Phil sind bodenständig. Sie könnten die authentischen Nachbarn von nebenan sein, doch das was sie im exklusiven Villenviertel zunächst in gemäßigter Form erleben, bevor es eskaliert, liest sich bald wie die Verhängnisvolle Affäre in der Michael Douglas einst die Hauptrolle spielte.

„Aber ich hatte die Worte nicht herausbekommen, da ich Angst hatte, dass ich beim Versuch, meine Unschuld zu beweisen, nur schuldig erschien.“ (Zitat)


Das was sich in The Palms abspielt ist unterschwellig intriganter Psychoterror, den die Figuren jedoch nicht sofort als solchen erkennen. Als die Situationen, Ereignisse und Verbrechen eindeutig werden, schweigt man, unterstellt, bezichtigt, kann niemandem mehr trauen und ein jeder versucht sein Gesicht zu waren.

Besonders gelungen ist die Darstellung der Entwicklung der zunächst unscheinbaren Danielle, die sich unter dem Einfluss der reichen und hübschen Freundin Kelsey zum trotzigen Teenager entwickelt. Liz leidet darunter, als sie spürt, dass ihr die 15jährige Tochter langsam entgleitet. Die Emotionen, die eine jede Mutter empfinden würde, sind voll authentischer Emotionen erzählt.

Und doch dreht sich die Geschichte in ihrer Tiefe hauptsächlich um Liz und Phil und die stellt die Frage, schuldig oder nicht.

„Worin besteht der Unterschied zwischen einem Pädophilen und einem Unschuldigen, der beschuldigt wird, ein Pädophiler zu sein? Oder einem Vergewaltiger und jemandem, der einer Vergewaltigung beschuldigt wird? Praktisch gesehen gibt es keinen. Es nimmt sich nichts. Der eine könnte genauso gut der andere sein. Es ist egal, ob man unschuldig ist, denn die Anschuldigung nährt den Verdacht, und von da an wird die Schuld immer größer. Die Unschuldigen sind die, die es am härtesten trifft, wirklich. Sie haben am meisten zu verlieren – die mit Frauen und Kindern, die sich nicht nach etwas anderem umsehen.“ (Zitat)

Die Exklusivität von The Palms und ihrer Anwohner ist eine interessante Kulisse. Details aus den Leben der von außen eleganten Reichen und Schönen Charaktere, sind maßvoll in Handlung eingearbeitet und sie navigieren die Geschichte in eine unheimliche, bestimmte Richtung.

„Also, ich wohne lange genug in The Palms, um zu wissen, dass es hier viel Unzufriedenheit gibt. Die Tore helfen vielleicht, den Pöbel fernzuhalten, aber sie können uns nicht vor uns selbst schützen.“ (Zitat)

Autorin Paula Treick DeBoard hat eine unheilvolle und düstere Atmosphäre erschaffen, die den Atem anhalten lässt und die das Tempo vorgibt. Bis zu Letzt vermutet man, dass eine bestimmte Wendung eintritt. Doch genau das passiert nicht. Das Ende ist unvorhergesehen, erschreckend, nachvollziehbar und ernüchternd. Wow.

Fazit und Bewertung:

Unter Wasser hört dich niemand schreien ist ein rasanter, überzeugender Thriller. Autorin Paula Treick deBoard versteht es, intriganten Psychoterror psychologisch geschickt in eine eskalierende Story hineinzuschreiben, die zuverlässig von einer unheilvollen und düsteren Atmosphäre genährt wird.

Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 22.09.2017

Hexenjagd – Großartig geschrieben und hochspannend, rasant. Ein Thriller-Highlight.

Redemption Road - Straße der Vergeltung
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Der 14-jährige Gideon schaut seinen alkoholisierten, jämmerlichen Vater an, der weinend im Sessel eingeschlafen ist. Er greift in den Fernseher, der seit Jahren kaputt ist und nimmt die darin versteckte ...

Der 14-jährige Gideon schaut seinen alkoholisierten, jämmerlichen Vater an, der weinend im Sessel eingeschlafen ist. Er greift in den Fernseher, der seit Jahren kaputt ist und nimmt die darin versteckte Waffe an sich. Er wirft noch einen Blick auf den Vater, bevor er sich auf den beschwerlichen Weg macht den Mann zu töten, der seine Mutter Julia vor 13 Jahren ermordet hat.

Nach einer Gefängnisstrafe wird Ex-Polizist Adrian Wall vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Gepeinigt und aufs übelste gefoltert verlässt er als gebrochener Mann das Gefängnis. Als er in einer Bar ein Taxi rufen möchte, steht plötzlich Gideon mit vorgehaltener Waffe vor ihm, doch bevor er reagieren kann schießt der Wirt und verletzt Gideon schwer.

Für die Polizei ist die Sachlage eindeutig und Adrian kann seines Weges gehen. Doch kurz darauf wird eine Frauenleiche in der Kirche entdeckt, in der auch Gideons Mutter seinerzeit tot aufgefunden wurde und so beginnt die Hexenjagd auf den Ex-Polizisten Adrian Wall.

Nach dem Gideons Mutter Julia ermordet wurde, waren ihm und seinem Vater alle Wärme der Welt genommen. Gideon büßte damit seine Kindheit ein, denn der Vater ist seitdem nur noch ein leerer Mann.

Nachdem die Polizistin Elisabeth Black die Leiche von Gideons Mutter auf dem Altar der Kirche ihres Vaters entdeckt hatte, fühlt sie sich dem kleinen Jungen Gideon verbunden. Sie kümmert sich, schenkt ihm Wärme und Liebe. Der Polizist Adrian Wall wird als Täter identifiziert und wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Adrian war für Elisabeth mehr als ein Kollege und sie ist die einzige, die an seine Unschuld glaubt.

Doch der neue Mord, nach Adrians Gefängnisentlassung, spricht die Sprache eines gleichen Verbrechens. Elisabeth, frisch suspendiert, begibt sich an den Tatort. Ist Adrian doch schuldig?

Während Elisabeth weiter an Adrian glaubt, soll sie der Internen Rechenschaft ablegen, was in dem Keller passiert ist, in dem sie zwei Männer mit zahlreichen Schüssen brutal getötet hat, doch sie schweigt und riskiert damit eine Anklage und somit ihren Job..Elisabeth bräuchte nur die Geschehnisse im Entführungsfall des jungen Mädchens Channings schildern, doch sie und Channing haben eine Abmachung, an die sich beide halten.

Der Autor:

John Hart, geboren 1965 in North Carolina, arbeitete als Rechtsanwalt, bevor er sich seinen Traum erfüllte und seinen ersten Roman schrieb – »Der König der Lügen«. Es folgten »Der dunkle Fluss« und "Das letzte Kind", die beide mit dem renommierten Edgar-Allan-Poe-Award ausgezeichnet wurden. Zuletzt erschien bei C. Bertelsmann der Bestseller "Das eiserne Haus". John Hart lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Rowan County, North Carolina. (Quelle: C. Bertelsmann)

Reflektionen:

Redemption Road. Straße der Vergeltung ist eine Geschichte voller Geheimnisse, Verrat und nervenzerfetzender Spannung. Im Laufe der Handlung verknüpft John Hart brillant geschriebene Perspektiven mit den Legenden der charakterstarken Protagonisten. Diese führen zu spannenden Vertrickungen, die zu Schlussfolgerungen hinreißen, bis John Hart sie wieder nimmt und unvorhersehbare Wendungen überraschend als Sahnehäubchen präsentiert.

Redemption Road ist komplex und doch führt John Hart gelungen und geordnet durch die Story. Der Einstieg gelingt leicht und nach den ersten Seiten ist sicher, dass hier ein Literat wortgewandt und klangvoll, ausdrucksstark und rasant, in einer gelungenen Sprache eine meisterhafte Geschichte erzählt.

John Harts Ausdruck und Schreibstil ist so intensiv wie auch intelligent. Er versteht es das Tempo zu steigern, wenn Actionszenen das Bild der Story prägen und er kann es geschickt wieder zurückzunehmen, wenn zutiefst emotionale Szenen es verlangen.

Die Figur Adrian Walls bleibt lange Zeit undurchsichtig und geheimnisvoll, obwohl man an seinen Gedanken und Emotionen teilhaben darf. Hart stellt ihn gelungen als gebrochenen Mann dar, der rückblickend im Gefängnis grausamster Folter ausgesetzt war. Warum er auf diese brutale Weise gefoltert wurde, klärt sich erst im Verlauf der Geschichte. Im Gefängnis stärkt ihn mental ein weiser, alter, zu lebenslanger Haft Verurteilter, der Wall über den Tod hinaus begleitet und anleitet. Adrian ist eher der stille, in sich gekehrte Wolf, der sich nach Ruhe sehnt. Während des Gefängnisses wurde er von seiner Frau verlassen. Nun steht er vor den Trümmern seines Hauses, das man niedergebrannt hat und man verfolgt ihn, nicht nur polizeilich.

Elisabeth ist eine junge, taffe Polizistin, die Adrian Wall als Mentor bewundert hat. Als Elisabeth einst emotional am Boden war, stärkte er sie, mit dem Leben weiterzumachen und sie wurde Polizistin. Ihre Figur ist klar positioniert und sie handelt stets zum Schutz anderer, auch wenn sie selbst dabei drauf geht. Sie und das Entführungsopfer Channing verbindet etwas, was im Keller passierte und sie baut eine ähnlich emotionale Beziehung zu Channing auf, wie zu dem jungen Gideon. Hierfür gibt es tiefliegende Gründe, die in Elisabeths Vergangenheit verankert sind und die John Hart im Verlauf der Handlung nachvollziehbar und schlüssig auflöst.

Um nicht zu spoilern muss die Charakterisierung hier nun enden. Als Leser steckt man emotional tief in der Story und dennoch wird man actionreich und rasant durch die Seiten gedrängt. Das Spiel der Perspektiven offenbart ein brutales Verbrechen nach dem anderen und trotz gewalttätiger Szenen empfindet man Redemption Road absolut nicht als einen bluttriefenden Mainstream-Thriller.

Redemption Road ist verdichtet düster und sehr rasant. Die Spannung reizt die Nerven des Lesers aufs Äußerste. Figuren sind ausdrucksstark, brutal bis ehrenhaft.

Die Tiefe der Story beschäftigt sich mit der Suche nach dem Platz in der Welt, der ohne jede Wärme und ohne jedes Licht schwer zu finden ist. Die Morde die Geschehen werden aus Gründen begangen, die eiskalt, berechnend und abwegig klingen und doch zeichnet John Hart diese Motive authentisch und schlüssig.

Wer kann wem vertrauen? Wer spielt ein falsches Spiel? Wer ist schuldig?

Fazit und Bewertung:

John Harts Redemption Road. Straße der Vergeltung ist eine Geschichte voller Geheimnisse und Verrat.

Im Laufe der angenehm komplexen Handlung verknüpft John Hart brillant geschriebene Perspektiven mit den Legenden der charakterstarken Figuren.

Redemption Road ist komplex und doch führt John Hart gelungen und geordnet durch die Story. Nach den ersten Seiten ist sicher, dass hier ein Literat wortgewandt und klangvoll, ausdrucksstark und rasant, in einer gelungenen Sprache eine meisterhafte und nervenzerfetzende Geschichte erzählt.

Redemption Road ist ein must have für jeden Liebhaber der Spannungsliteratur.

5 Sterne

©nisnis-buecherliebe