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Veröffentlicht am 21.07.2023

- modern interpretierte, blumig verspielte Schauergeschichte -

Der mexikanische Fluch
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Silvia Moreno-Garcia - Der mexikanische Fluch
(Limes Verlag)

- modern interpretierte, blumig verspielte Schauergeschichte -

Bergisches Hochland, Mexiko, 1950. Als Mr. Taboada besorgniserregende Briefe ...

Silvia Moreno-Garcia - Der mexikanische Fluch
(Limes Verlag)

- modern interpretierte, blumig verspielte Schauergeschichte -

Bergisches Hochland, Mexiko, 1950. Als Mr. Taboada besorgniserregende Briefe seiner Nichte Catalina erhält, in denen sie von Entitäten, denkwürdigen Gefühlswelten, gedanklicher Gefangenheit und geistiger, wie körperlicher Bindung an ihr neues Zuhause berichtet, ist er mehr als aufgebracht. Catalina Taboada behauptet zudem, ihr frisch vermählter Ehemann Virgil Doyle wolle sie vergiften und sie verlangt ausdrücklich nach ihrer Nichte Noemí zu ihrer Errettung. Mr. Taboada schickt kurzerhand seine 22-jährige Tochter Noemí Taboada ins heruntergekommene, schroffe und ländliche El Triunfo, einem ehemals blühenden Minenort, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Die mexikanisch-kanadische Schriftstellerin Silvia Moreno-Garcia haucht ihrem mysteriösen und atmosphärischen Genremix "Der mexikanische Fluch", unterschwellig und in leicht verständlicher Sprache, die hochgestochene Versnobtheit der High Society Mexikos, in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein. In ihrem modern interpretierten Gothicmahr erzeugt sie auf 416 Seiten, eine durchaus geheimnisumwobene und nebulöse Aura, die jedoch eine deutlich tiefschürfendere und charismatischere Würdigung verdient hätte.

Als die frivole, temperamentvolle, aber auch jugendlich verträumte Studentin für Theaterwissenschaft Noemí Taboada auf High Place, dem einstmals prunkvollen Sitz der Familie Doyle ankommt, treten die einzelnen Familienmitglieder ihr gegenüber eher reserviert und distanziert auf. Noemís forsche und fordernde Art stößt, bei den ehemaligen Betreibern einer aufgegebenen Silbermine, häufig auf Unverständnis oder gar offen an den Tag gelegte Ablehnung. Ihre fünf Jahre ältere Cousine Catalina wirkt hingegen seltsam verändert, um nicht zu sagen geistig entrückt. Sie tut die Briefe, die sie nachhause geschickt hat, als im Fieberwahn ihrer Tuberkulose-Erkrankung verfassten Unsinn ab. Dennoch sei es Tatsache, dass sie das erstickend klamme, düstere und kalte Haus an diesem seltsamen, trübsinnigen Ort nicht wieder verlassen könne. Niemand scheint Catalina helfen zu können. Auch die vermeintliche Hilfe von außerhalb entpuppt sich als Luftnummer. Alles auf High Place wirkt veraltet, bleich, trostlos, verdorben und in gewisser Weise tot. Da heizen die erschreckenden Geschichten über mysteriöse Epidemien, denkwürdige Todesfälle und einem Fluch, der auf der Familie lasten solle, die Gerüchteküche zusätzlich ein.

Die 1981 im mexikanischen Baja California geborene Autorin, legt gesteigerten Wert auf ein wohl bezeichnetes, buntes Lokalkolorit. Silvia Moreno-Garcia färbt Noemís Umfeld, ihre Reaktionen sowie ihre Gefühlswelt überdeutlich ein und verhilft ihr auf diese Weise, trotz aller Widrigkeiten, zu einer aufgeweckten und blumigen Vitalität. Es ist eine intelligente, beseelte und gefühlvolle Geschichte, die zwar dem Alter Noemís durchaus angemessen ist, mir jedoch etwas zu "mädchenhaft" verspielt rüberkommt.

Noemí lässt sich selbst von verschrobenen, psilocybinen Fieberträumen nicht abhalten, ihrer Nichte Catalina zu helfen und die trügerischen Geheimnisse der altmodischen Familie Doyle und ihres, in die Jahre gekommenen Familiensitzes High Place zu entschlüsseln. Was führt Howard Doyle, der hochbetagte, immer noch rüstige Patriarch der Familie im Schilde? Warum ist Florence, die Nichte von Howard, Noemí gegenüber so abweisend? Was verheimlicht Catalinas Ehemann Virgil, der 35 Jahre alte Sohn von Howard Doyle? Und was hat es mit deren Familiensymbol, dem Ouroboros auf sich, der überall auf High Place zu finden ist? Noemís einziger Verbündeter scheint Francis, der gebrechlich wirkende, 25-jährige Cousin von Virgil Doyle zu sein. Doch ist er tatsächlich derjenige, der er vorgibt zu sein?

Der Roman, der 2020 in der Originalausgabe unter dem Titel "Mexican Gothic" erschien, lässt sich definitiv gut lesen, ergeht sich aber häufig in ausschweifende Gedankengänge und tröpfelt, für meinen Geschmack, doch etwas zu gemächlich vor sich hin. Das Crossover aus Thriller, Mystery, Gothic und Horror versprüht eine durchaus interessante, verworrene und rauschartige Atmosphäre, die sich jedoch in Ermangelung mitreißender Ereignisse, streckenweise als langwierig und ausschweifend herausstellt. Die Erzählung von Señora Moreno-Garcia wirkt ab und an etwas konstruiert und erinnert mich von ihrer Machart her, ein wenig an "Das Jahr der Hexen" von Alexis Henderson. Stellenweise kommt die modern interpretierte, blumig verspielte Schauergeschichte, die als "New-York-Times-BESTSELLER" angepriesen wird, über die Dramaturgie einer Telenovela kaum hinaus.

(Janko)

https://silviamoreno-garcia.com/
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https://www.instagram.com/silviamg.author/

Brutalität/Gewalt: 24/100
Spannung: 57/100
Action: 44/100
Unterhaltung: 68/100
Anspruch: 40/100
Atmosphäre: 60/100
Emotion: 44/100
Humor: 05/100
Sex/Obszönität: 11/100

https://lackoflies.com - Wertung: 68/100

Silvia Moreno-Garcia - Der mexikanische Fluch
Limes Verlag
Genre Mix
ISBN: 978-3-8090-2747-8
416 Seiten
Hardcover
Originaltitel: Mexican Gothic (2020)
Aus dem amerikanischen Englisch von Frauke Meier
Erscheinungstermin: 26.10.2022
ca. EUR 22,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN Taschenbuch, Broschur: 978-3-7341-1285-0
Erscheinungstermin: 20.09.2023
EUR 13,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

ISBN eBook (epub): 978-3-641-27922-6
Erscheinungstermin: 26.10.2022
EUR 6,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Der mexikanische Fluch" beim Limes Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Der-mexikanische-Fluch/Silvia-Moreno-Garcia/Limes/e582663.rhd

Leseprobe: https://www.penguinrandomhouse.de/leseprobe/Der-mexikanische-Fluch/leseprobe_9783809027478.pdf

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Veröffentlicht am 28.04.2023

- überspitzter, leidvoller Thriller mit kleineren Mystery-Sequenzen -

The Violence – Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?
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Die explizite Warnung der US-amerikanischen Autorin Delilah S. Dawson, im Vorwort zu ihrem Thriller "The Violence", es kämen Themen wie körperliche und emotionale Misshandlung, sexueller Missbrauch, sowie ...

Die explizite Warnung der US-amerikanischen Autorin Delilah S. Dawson, im Vorwort zu ihrem Thriller "The Violence", es kämen Themen wie körperliche und emotionale Misshandlung, sexueller Missbrauch, sowie drastische Gewaltdarstellungen (auch gegen Tiere) zur Sprache, können Sie zumindest zu Beginn der Story, getrost für bare Münze nehmen. "Violence" ist eine fiktive Geschichte, die auf den leidvollen Erfahrungen der Autorin und ihrer Mutter aufbaut. Von Anfang an macht sich eine triste, leicht überspitzte und von triefendem Sarkasmus umspülte Stimmung breit. Distanziert emotional, in leicht verständliche Sprache gehüllt und im Präsens bekundet, beinhaltet der infame Thriller auf subtile Weise, eine willkommene Prise tiefschwarzen (Galgen-)Humors. Scharfkantig, wie ein frisch gewetztes Messer, schneidet sich jede der 688 Seiten, ins Bewusstsein des Lesers.

In einem chaotischen Amerika der nahen Zukunft führen Chelsea Martin und ihr Ehemann David eine Ehe, die nicht auf Augenhöhe stattfindet. Sie, Verkäuferin von Aromaölen, für die sich niemand interessiert. Er, leitender Angestellter im Bankwesen. Dazu noch die beiden Töchter Ella (17) und Brooklyn (5). Vom Leben gezeichnet, frustriert, ausgenutzt und zutiefst gedemütigt, würde Chelsea ihrer, ohnehin von Misstrauen und Misshandlungen, Gewalt und Erniedrigung dominierten Ehe am liebsten entfliehen, als eine hochinfektiöse Pandemie, mit dem bezeichnenden Namen Violence-Virus um sich greift. Dieses Virus stellt nicht nur die Machtverhältnisse der Familie Martin auf den Kopf, es beseitigt auch beinahe sämtliche ihrer Angstzustände und ihrer tiefsitzenden Depressionen. Als sich die ungewöhnlichen Vorfälle unvermittelter Gewaltexzesse häufen, schmiedet Chelsea einen perfiden Plan. Als es dann zum Äußersten kommt, macht das die Situation für Chelsea nicht unbedingt komfortabler. Denn in Davids Freundeskreis gibt es Polizisten und Anwälte, die ihr das Leben schwer machen. Macht über sie ausüben wollen. Und diese Männer sind genau wie David:

- Raubtiere, die sich mit einem Lächeln tarnen -

Aber auch für Chelsea kommt alles ganz anders als sie denkt, denn plötzlich greift das Virus um sich und es ist dabei nicht wählerisch, wenn es befällt. Auch ihre 17-jährige Tochter Ella macht mit ihrem Freund Hayden ähnliches wie Chelsea durch, während ihre Großmutter Patricia die Flucht vor dem Virus antreten will. Als sich Violence nahezu weltweit auszubreiten beginnt, alles allmählich aus den Fugen gerät und eine heilende Impfung gegen das Virus eine kaum aufzubringen Menge an Geld verschlingen würde, bringt Chelsea ihre Kinder in vermeintliche Sicherheit und begibt sich auf eine gefährliche Mission.

Wie beiläufig wird aus der Sicht der jeweiligen Protagonisten berichtet. Ganz normale Lebensläufe. Die einen mit kleineren Hürden, die anderen mit großen Hindernissen. Als Leser schreit es wutentbrannt in einem: "Brich aus diesem frustrierenden Leben, mit diesem frustrierenden Ehemann aus!" In der psychologischen Studie geht es um Macht, Kontrolle, Neid, Abhängigkeiten, Angstzustände, Depressionen, Missachtung, gestohlene Jugend und darum jemanden schutzlos ausgeliefert zu sein. Die Männerwelt kommt in der zu Beginn recht gewalttätigen Offenbarung "The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?" nicht sonderlich gut weg. Die hin und wieder auftretenden Gewaltexzesse wurden von der, in Georgia beheimateten Autorin nicht allzu explizit dargestellt. Dafür spürt man das entsetzliche Misstrauen gegenüber dem Leben nur allzu deutlich. Leider ist die Erzählung, gerade im letzten Drittel sehr langatmig ausgefallen, wodurch sie langweilig, wirr und konstruiert wirkt und mehrere Tiefschläge in Form von ausladenden Durststrecken erfährt. Wie ein geprügelter Hund habe ich mich durch das aus-ufernde letzte Drittel geschleppt. Ebenso hat mich die supernervige, geschlechterneutrale Sprache genervt, die in Dawsons Roman glücklicherweise nur selten Anwendung findet. Sollte sich derartiges dauerhaft durchsetzen, na dann gute Nacht! Der Plot nimmt auch eine Abzweigung, die den wirklich guten und tiefgründigen Beginn der Geschichte nach und nach zerstört. Was sich Delilah S. Dawson dabei gedacht hat, kann ich nicht so recht nachvollziehen, da die Geschichte, mit ihrem leichten Hang zur Mystery, ohnehin ausschweifend genug ist und es diesen Nebenhandlungsstrang nicht gebraucht hätte.

(Janko)

https://www.whimsydark.com/
https://www.facebook.com/delilahpaints
https://www.instagram.com/delilahsdawson/

Brutalität/Gewalt: 58/100
Spannung: 58/100
Action: 62/100
Unterhaltung: 70/100
Anspruch: 25/100
Atmosphäre: 61/100
Emotion: 58/100
Humor: 13/100
Sex/Obszönität: 08/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 72/100

Delilah S. Dawson - The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?
Heyne Verlag
Thriller
ISBN: 978-3-453-32240-0
688 Seiten
Taschenbuch
Originaltitel: The Violence
Aus dem amerikanischen Englisch von Maike Hallmann
Erscheinungstermin: 15.02.2023
EUR 18,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-29481-6
Erscheinungstermin: 01.02.2023
EUR 13,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?" beim Heyne Ver-lag: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/The-Violence-Wie-weit-wirst-du-fuer-deine-Freiheit-gehen/Delilah-Dawson/Heyne/e606467.rhd

Leseprobe: https://books.google.de/books?id=XEJnEAAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=false

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Veröffentlicht am 21.04.2023

- moderne, skurrile Novelle über Lüge, Glaubwürdigkeit und Wahrheit -

Grund
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Die, 1974 in Zwickau geborene, deutsche Schriftstellerin Sylvia Wage, berichtet in ihrem modernen, sonderbaren und verschrobenen Debütroman "Grund" über familiäre Abgründe und ihre Konsequenzen. Es sind ...

Die, 1974 in Zwickau geborene, deutsche Schriftstellerin Sylvia Wage, berichtet in ihrem modernen, sonderbaren und verschrobenen Debütroman "Grund" über familiäre Abgründe und ihre Konsequenzen. Es sind die unausgesprochenen, hart umschifften Unsäglichkeiten, die von Gewalt, Unterdrückung, Missbrauch, Demut und Angst künden, die in der skurrilen, aber auch ernsthaften Novelle über Lügen, Glaubwürdigkeit und den zwischenmenschlichen Blickwinkel auf die jeweilige Wahrheit dahinter, den Ausschlag geben.

Irgendwo auf dem Grunde eines Brunnens in einem Keller in einem kleinen Haus auf einem Hügel am Rande einer unbedeutenden Kleinstadt liegt der Vater. Tot am Grund eines dreieinhalb Meter tiefen Lochs. Einem Loch, das die namenlose Erzählerin ab einem Alter von elf Jahren selbst gegraben, den Vater nach Fertigstellung hineingestoßen und jahrelang darin gefangen gehalten haben will. Aber die Erzählerin ist auch eine notorische Lügnerin. Eine Lügnerin mit einer ahnungslosen Therapeutin ohne Menschenkenntnis. Eine Lügnerin mit zwei, ebenfalls knapp 40 Jahre alten Schwestern. Elli etwas darüber, Thea etwas darunter. Beide stehen neben ihr, gucken in das Loch auf den toten Vater, der vor über zwanzig Jahren verschwand. Die erzählende Lügnerin oder die lügende Erzählerin hatte ihre Schwestern zuvor angerufen, damit auch diese endlich mit ihrer elenden (Familien-)geschichte abschließen können.

"Mein ursprünglicher Plan war, mir ein Grab zu schaufeln. Mich hineinzulegen und darin zu sterben." (Zitat S. 32)

Die namenlose U-40erin berichtet über den gewalttätigen Vater, die alkoholkranke und indes dement gewordene Mutter, sowie den Schrecken des Elternhauses und unterfüttert selbiges abwechselnd mit Anekdoten aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Der Familie blieb damals nicht mehr, als die Scheiße, in die sie hineingeboren worden war. Es ist die Unvollkommenheit, die Fehlbarkeit, die Hoffnungslosigkeit, das Versagen, die Unterwürfigkeit und die (Lebens-)müdigkeit, die hin zur vollkommenen Selbstaufgabe führen.

"Wahre Macht ist die uneingeschränkte Loyalität deiner Opfer" (Zitat S. 79)

Letztlich geht es in "Grund" um das Hinterherjagen hinter vermeintlichen Idealen und das Scheitern daran. Um das Kümmern und das Verkümmern und die Schwierigkeit jemanden einfach so mir nichts, dir nichts restlos verschwinden zu lassen. Es gibt nämlich für alles einen Grund und hinter dem tut sich manchmal ein tiefer Abgrund auf.

Sylvia Wage, die heute in Berlin lebt, verwendet in ihrem 2021 im Original erschienenen Essay "Grund", zum Teil absichtlich lange Sätze, mit verquerem Humor, bösem Sarkasmus und verschachtelten Gedankengängen. Es ist ein Roman, sowohl der leisen, als auch der lauten Töne. Ähnlich einem jazzigen Musikstück. Nicht wirklich greifbar, sonderbar und zugleich so unendlich endgültig. "Grund" erinnerte mich von Zeit zu Zeit an einen Roman, den man in der Oberstufe lesen und ihn anschließend ausgiebig auf seine Sinnhaftigkeit hin sezieren würde, um Dinge hineinzuinterpretieren, die da gar nicht sind. Doch was hat in Sylvia Wages Erstlingswerk "Grund" tatsächlich Anspruch auf Realität? Eigentlich gar nichts, denn letzten Endes ist alles nur eine fiktive Erzählung. Oder etwa doch nicht?

(Janko)

https://www.facebook.com/sylvia.wage.5
https://www.instagram.com/sylviawage/

Brutalität/Gewalt: 17/100
Spannung: 25/100
Action: 27/100
Unterhaltung: 73/100
Anspruch: 41/100
Atmosphäre: 42/100
Emotion: 33/100
Humor: 17/100
Sex/Obszönität: 06/100

LACK OF LIES - Wertung: 72/100

Sylvia Wage - Grund
Eichborn Verlag
Gegenwartsliteratur
ISBN: 978-3-8479-0140-2
176 Seiten
Taschenbuch
Erscheinungstermin: 31.03.2023
EUR 12,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN Hardcover: 978-3-8479-0093-1
Erscheinungstermin: 27.08.2021
EUR 20,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

ISBN eBook (epub): 978-3-7517-0953-8
Erscheinungstermin: 27.08.2021
EUR 14,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Grund" beim Eichborn Verlag: https://www.luebbe.de/eichborn/buecher/gegenwartsliteratur/grund/id
8715851

Leseprobe: https://books.google.de/books?id=2zcqEAAAQBAJ&lpg=PP1&hl=de&pg=PP1#v=onepage&q&f=false

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Veröffentlicht am 14.03.2023

- spannender, aber überfrachteter und utopischer Klima-Thriller -

Oxygen
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Andreas Brandhorst - Oxygen-Welt ohne Sauerstoff
(FISCHER Tor)

- spannender, aber überfrachteter und utopischer Klima-Thriller -

Mittelmeer, nordwestlich der italienischen Insel Pantelleria, in der näheren ...

Andreas Brandhorst - Oxygen-Welt ohne Sauerstoff
(FISCHER Tor)

- spannender, aber überfrachteter und utopischer Klima-Thriller -

Mittelmeer, nordwestlich der italienischen Insel Pantelleria, in der näheren Zukunft. Die 42-jährige Meeresbiologin Dr. Laura Lombardi befindet sich auf dem Forschungsschiff Trieste. Die vorgenommenen Messungen der Meerestemperaturen ergeben für die Jahreszeit viel zu hohe Werte. Bei der Untersuchung des Phytoplanktons stellen sich obendrein erschreckende Unregelmäßigkeiten heraus. Die Ein- und Mehrzeller verschiedener Proben aus unterschiedlichen Meereszonen, produzieren keinen Sauerstoff mehr. Sehr zum Entsetzen der Ozeanografin weist das Phytoplankton, das 70 bis 80 Prozent des Sauerstoffs unserer Atmosphäre produziert, offensichtlich weltweit Zellschäden auf. Die Suche nach der Ursache und wie man diese aufhalten oder gar rückgängig machen kann, gestaltet sich als äußerst schwierig, hat aber oberste Priorität für Laura und ihr Forscherteam. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt...

In seinem brandaktuellen Klima-/Öko- und Wissenschafts-Thriller "Oxygen-Welt ohne Sauerstoff", entwirft Bestsellerautor Andreas Brandhorst ein komplexes Schreckensszenario, das in diesen Ausmaßen hoffentlich niemals Anspruch auf Realität erheben wird. Die fiktiven Fakten und Ereignisse wurden von dem 66-jährigen norddeutschen Schriftsteller in eine, zunächst sehr interessante und eingängige Story eingebettet, welche sich auf internationalem Terrain bewegt und bisweilen an Marc Elsberg, Andreas Eschbach oder Uwe Laub erinnert.

Niemand nimmt Dr. Laura Lombardi oder ihr Institut ernst. Wirtschaftliche und weltpolitische Interessen, weitreichende Umweltsünden und kriminelle Machenschaften treten in den Vordergrund. Doch als die Mitarbeiter des astrophysikalischen Observatoriums von Catania herausfinden, was dem Phytoplankton und den Pflanzen die Möglichkeit zur Fotosynthese nimmt, ist es bereits zu spät. Das große Massensterben hat längst begonnen.

Andreas Brandhorst führt im Laufe seines 608 Seiten umfassenden Romans "Oxygen-Welt ohne Sauerstoff" eine Unmenge an Protagonisten ein, woraufhin der Leser innerhalb der vielen verschiedenen Handlungsstränge allmählich den Überblick zu verlieren beginnt. Durch die häufigen und weit auseinanderliegenden Szenenwechsel kann man kaum Sympathien oder emotionale Bindungen zu dem üppigen Personal aufbauen, worunter Atmosphäre und Emotionalität leiden. Auch die wissenschaftliche Thematik, die in ihrem Kontext hinreichend und verständlich erläutert wird, ist mir innerhalb ihres konservativen, faktenbasierten Sprachrahmens, etwas zu trocken und nüchtern rübergebracht. Die Auseinandersetzung mit dem politischen Kalkül und der Klüngelei war mir in diesem Falle ebenfalls too much. Der Spannungsbogen wird zwar den gesamten Roman über straff gehalten, aber der Polit-, Agenten- und SciFi-Thriller wird mir persönlich ab der Hälfte etwas zu spekulativ. Hierdurch avanciert "Oxygen" zu einer Utopie, die leider arg konstruiert und gnadenlos überfrachtet wirkt.

Während mit Hochdruck an der Lösung des todbringenden Problems gearbeitet wird und sich der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre von ca. 21 % nach und nach auf unter 16 % verringert, ächzen Flora und Fauna unter den widrigen Umständen. Bedauerlicherweise geht Andreas Brandhorst kaum auf die chemischen Zusammenhänge des Problems, wie auch seiner vermeintlichen Lösung ein. So fühlt man sich als Leser im Unklaren gelassen und vor vollendete Tatsachen gestellt, wodurch Ursache und Effekt an Glaubwürdigkeit verlieren. Brandhorst exerziert sein destruktives Gedankenkonstrukt bis zum bitteren Ende durch und zeigt dabei die Verrohung der Gesellschaft nur allzu deutlich auf. Naturgemäß erhält das apokalyptische Geschehen dabei einen tristen, aussichtslosen Anstrich. Ähnlich wie in Phillip P. Petersons Katastrophenthriller "Nano" oder Uwe Laubs "Dürre" geht der Autor hier auf die angestaute Wut der Bevölkerung, die gewalttätigen Demonstrationen und die Aufstände ein, die sich in einer explosiv entladenden Anarchie äußern. Irgendwann überschlagen sich jedoch die Ereignisse und Andreas Brandhorst überlädt sein durchaus interessantes Bild der fiktiven Zukunft einer sterbenden Welt, das für mich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr greifbar ist. Es entwickelt sich ein sprunghaftes hin und her, das nach einiger Zeit regelrecht anstrengend wird. Da hätte man sicherlich mehr draus machen können.

(Janko)

https://www.andreasbrandhorst.de/
https://www.facebook.com/andreas.brandhorst.autor/
https://www.instagram.com/andreas.brandhorst/

Brutalität/Gewalt: 23/100
Spannung: 61/100
Action: 67/100
Unterhaltung: 73/100
Anspruch: 35/100
Atmosphäre: 52/100
Humor: 02/100
Emotionalität: 25/100
Sex/Obszönität: 03/100

LACK OF LIES - Wertung: 74/100

Andreas Brandhorst - Oxygen-Welt ohne Sauerstoff
FISCHER Tor
Klimathriller
ISBN: 978-3-596-70743-0
608 Seiten
Paperback
Erscheinungstermin: 22.02.2023
EUR 18,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook: 978-3-10-491592-0
Erscheinungstermin: 01.02.2023
EUR 16,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Oxygen-Welt ohne Sauerstoff" bei FISCHER Tor: https://www.fischerverlage.de/buch/andreas-brandhorst-oxygen-9783596707430

Leseprobe: https://www.book2look.com/book/9783596707430

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 22.02.2025

- ernsthafter und genretypischer Investigations-Thriller mit subtiler "Vampir-Romantik" -

Die Kolonie
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Die alleinstehende, Anfang 50-jährige Forensische Vampiranthropologin Barbara Atkins wird im November 2024 nach Deadhart, inmitten des Denali-Nationalparks, abgeordnet. Eine Siedlung mit 673 Einwohnern ...

Die alleinstehende, Anfang 50-jährige Forensische Vampiranthropologin Barbara Atkins wird im November 2024 nach Deadhart, inmitten des Denali-Nationalparks, abgeordnet. Eine Siedlung mit 673 Einwohnern in der alaskischen Taiga, etwa eineinhalb Stunden Autofahrt von Talkeetna entfernt. Dort hat man den fünfzehnjährigen Jugendlichen Marcus Anderson tot aufgefunden. Zu dieser Jahreszeit, gilt es vor Ort mit nur fünf Stunden Tageslicht auszukommen. Eigentlich ein Wohlfühlort für Vampire, würde man die exzessive Gewalteinwirkung gegen den Hals des Jungen und damit seine grausame Ermordung, nicht ihnen anlasten. Vor etwa anderthalb Jahren aus dem Exil zurückgekehrt, wollte die Kolonie endlich wieder in ihrem ursprünglichen Stammesgebiet, friedlich neben der Siedlung der Menschen leben. Doch nun schlägt den Vampiren abermals Hass und tiefe Abneigung entgegen. Dass es irgendwann zu einem derartigen Zwischenfall kommen würde, war den Dorfbewohnern von vornherein klar, gab es doch vor 25 Jahren bereits eine ganz ähnliche Begebenheit. Aufgrund des eindeutigen Verletzungsbildes am Hals des Teenagers sind die Schuldigen schnell ausgemacht. Die Dorfbewohner sind sich gegenseitig nicht grün, stecken voller Vorurteile und sind jedem Fremden gegenüber misstrauisch. Detective Barbara Atkins vom Institut für Forensische Vampirstudien soll den Fall, gemeinsam mit Polizeichef Pete Nicholls übernehmen. Dabei stoßen die beiden schon recht schnell auf Widerstand in der Gemeinde und die ersten Ungereimtheiten.

"Die Kolonie" ist ein durchaus ernsthafter und genretypischer Investigations-Thriller, der sich durch seine subtile "Vampir-Romantik" ein klein wenig von dem marktüberschwemmenden Einheitsbrei abheben kann. Zu Beginn mit leicht spöttischem Unterton versehen, entwickelt sich "The Gathering", wie der 2024 erschienene Roman im englischen Original betitelt wurde, allmählich zu einem durchwachsen, weil unspektakulären und konservativen Spannungsroman. Es fehlt der Erzählung an Vitalität und Spritzigkeit, wodurch "Die Kolonie" holprig, konstruiert und leblos wirkt. Obwohl die 1972 in Salisbury geborene Schriftstellerin C. J. Tudor, in ihrem mittlerweile sechsten Gedankenkonstrukt, auf die altbewährte Cliffhanger-Taktik zurückgreift, will der Plot nicht so recht zünden. Das mag zum einen dem Aspekt geschuldet sein, dass die Britin auf den ersten 80 Seiten, ihres insgesamt 480 Seiten umsäumenden Vampir Thrillers, bereits über 30 Personen einführt, zum anderen aber auch der Tatsache, dass sie nahezu sämtliche Stereotypen bedient. Auch wenn diese nicht unbedingt vordergründig thematisiert werden, halte ich es eher für kontraproduktiv, zurechtgelegte, überlagerte Anspielungen und Parallelen zum Kolonialismus, Nationalsozialismus, moderner Kriegsführung, Ku-Klux-Klan, dem intoleranten Bible-Belt, zur gleichgeschlechtlichen Liebe, Geschlechtsumwandlungen, Queerer Community, Prostitution, Missbrauch, Drogenhandel, Beschaffungskriminalität, Klassenunterschieden, Trophäenhandel und Fanatismus in einem belletristischen Unterhaltungsroman sinnbildlich zu verpacken. Mit dieser trivialen Belustigung und ihrer abgegriffenen Kritik möchte C. J. Tudor offensichtlich woke erscheinen, wobei sie mir persönlich deutlich zu sehr mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger herumfuchtelt. Das hat auch einen bitteren Beigeschmack von Frustration.

Es fiel mir ebenfalls schwer, eine Beziehung zu den unzähligen Charakteren aufzubauen, die überwiegend farb- und konturlos bleiben. Die örtliche Kulisse des südlichen Alaskas könnte ebenfalls einnehmender und atmosphärischer ausgestaltet sein. In einem derart winterlichen Wonderland sollte dies zur Orientierung und Bindung doch eigentlich kein Problem darstellen. Auch mit Action wurde sparsam umgegangen, was dem Kriminalfall keinesfalls zuträglich erscheint. Ab und an wird die eigentliche Handlung von den Gedanken einer gefangen gehaltenen Vampirin, sowie von Athelindas gegenwärtigen Leben, als unterdrückte Minderheit in der Kolonie, unterbrochen. Doch eine richtige Story, in der Fortschritte zu verzeichnen sind, entwickelt sich daraus nicht. Das zäh fließende Szenario, das die britische Autorin C. J. Tudor mit "Die Kolonie" entwirft, ist eindeutig zu steif, substanzlos und "faktenbasiert". Tudor folgt dabei sowohl der Logik als auch den Gesetzmäßigkeiten der Samstag-Abend-Krimi-Thriller hiesiger Regionalsender. Dass man sie als Englands weiblichen Stephen King bezeichnet (wie im Klappentext geschehen), empfinde ich als Fan des King Of Horror ziemlich anmaßend. Gefühlt blieb bei mir nicht allzu viel hängen von dem Gelesenen. Das Ganze ist weder Fisch noch Fleisch und geht daher leider auch nur noch als nährstoffarmes Fastfood für Mr. und Mrs. Braindead durch. Für den Otto-Normal-Leser mag "Die Kolonie" vielleicht ihren Reiz bergen, für den anspruchsvollen Vielleser taugt "Die Kolonie" jedoch nicht. Die Autorin, die heute mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter in Nottingham lebt, absolvierte bereits ein Volontariat zur Reporterin und arbeitete als Werbetexterin, Radio-Drehbuchautorin, Fernsehmoderatorin, Synchronsprecherin und Dogwalkerin.

(Janko)

https://www.cjtudor.com
https://www.facebook.com/CJTudorOfficial/
https://www.instagram.com/cjtudorauthor/

Brutalität/Gewalt: 45/100
Spannung: 46/100
Action: 33/100
Unterhaltung: 61/100
Anspruch: 20/100
Atmosphäre: 37/100
Emotion: 21/100
Humor: 04/100
Sex/Obszönität: 10/100

LACK OF LIES - Wertung: 60/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 15 Jahren (aufgrund der Thematik und der Gewaltdarstellungen)

C. J. Tudor - Die Kolonie
Goldmann Verlag
Thriller
ISBN: 978-3-442-20651-3
480 Seiten
Paperback, Klappenbroschur
Originaltitel: The Gathering (2024)
Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay
Erscheinungstermin: 22.01.2025
EUR 16,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-30501-7
Erscheinungstermin: 22.01.2025
EUR 9,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN Hörbuch Download: 978-3-8445-5278-2
Erscheinungstermin: 20.01.2025
EUR 25,95 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Die Kolonie" beim Goldmann Verlag: https://www.penguin.de/buecher/c-j-tudor-die-kolonie/ebook/9783641305017

Leseprobe: https://www.penguin.de/content/edition/excerpts/1116281.pdf

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