Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.03.2025

Frech, unterhaltsam, lehrreich und absolut originell

Wilde Pflanzen essen
0

Wer sich ein Bild - bzw. ganz viele Bilder von genießbaren wilden Pflanzen und allem, was sie betrifft, machen will, der vertraut sich am besten Survival Sieglinde an. Die kommt aus Thüringen, ...

Wer sich ein Bild - bzw. ganz viele Bilder von genießbaren wilden Pflanzen und allem, was sie betrifft, machen will, der vertraut sich am besten Survival Sieglinde an. Die kommt aus Thüringen, heißt in Wirklichkeit Christine Rauch und hat zusammen mit Zeichnerin Ernestine Donnersberg eine ganz wundervolle Graphic Novel zu diesem Thema erschaffen.

Es ist quasi ein Aufruf, sich in die Natur zu begeben und dort wilde Pflanzen - ganz überwiegend Kräuter diverser Art zu sammeln und diese in den Ernährungsplan zu integrieren.

Zu jeder liebevoll gezeichneten Pflanze werden mannigfaltige Informationen geliefert, dazu Rezepte und weitere Verwendungstipps.

Es macht einen unglaublichen Spaß, das Buch anzuschauen und zu lesen, die Zeichnungen sind sehr achtungsvoll gefertigt, was die Pflanzen angeht und witzig-frech in allen übrigen Belangen. Ein schönes Buch, das ich jedem Pflanzenfreund und jedem, der dies werden will oder soll (dann als Geschenk) empfehle. Ich bin sicher, dass die wenigsten sich dem Charme dieses Buches entziehen können!

Veröffentlicht am 25.02.2025

Rufmord

Der Einfluss der Fasane
0

Hella Karl ist eine erfolgreiche Journalistin - seit Jahren leitet sie das Feuilleton einer großen Berliner Zeitung und kann sich seit Jahren immer noch selbst in die Augen sehen: sie ist stolz darauf, ...

Hella Karl ist eine erfolgreiche Journalistin - seit Jahren leitet sie das Feuilleton einer großen Berliner Zeitung und kann sich seit Jahren immer noch selbst in die Augen sehen: sie ist stolz darauf, sich nie zu verbiegen. Doch nun liest sie eine erschütternde Nachricht: ein ehemaliger Berliner Erfolgsregisseur hat sich das Leben genommen. Den Status des Vergangenen hatte er nicht zuletzt ihr, Hella zu verdanken, die im Zusammenhang mit ihm einen Skandal aufgedeckt hatte und ihn dabei nicht schonte, zumal es gegen die Würde einer Frau, nein: viel mehr als das, ging. Sie sieht sich nun selbst einer Hetzjagd ausgesetzt - in unterschiedlicher Art und Weise. Selbst ihr eigenes Blatt wendet sich gegen sie.
Ich bin erstaunt, wie viel Antje Rávic Strubel auf wenig mehr als 200 Seiten erzählen kann - es ist nicht eine Geschichte, es sind mehrere, die diese ausgesprochen dichte Handlung beinhaltet. Ständig fühlte ich mich hin- und hergerissen, habe mich gefragt, ob Hella Karl durchgehend im Recht ist/war? Oder sind es diejenigen - und es sind nicht wenige - die ihr die Schuld an diesem Ereignis zuweisen. Oder sind es alle zusammen? Ein sehr eindringlicher, bildreicher Roman, an dem ich fast gar nichts auszusetzen hatte. Außer dem vielen Sex, der einfach nicht meins ist - ein Sinnbild für Hahnen- und Hennenkämpfe? Wohl eher für die von Fasanen. Tolle Literatur, spannender als jeder Krimi - Hat Hella Rufmord betrieben oder ist sie selbst ein Opfer?

Ein sprachgewaltiger, intensiver, fordernder und in jeder Hinsicht lohnenswerter Roman.


Veröffentlicht am 02.02.2025

Mit einem Augenzwinkern geschrieben

Frau Hempels Tochter. Roman
0

Ein Roman aus dem frühen 20. Jahrhundert, in dem es um die sogenannten kleinen Leute geht: allen voran Frau Hempel, deren Beruf man heute als Hausmeisterin oder auf neudeutsch sogar -managerin bezeichnen ...

Ein Roman aus dem frühen 20. Jahrhundert, in dem es um die sogenannten kleinen Leute geht: allen voran Frau Hempel, deren Beruf man heute als Hausmeisterin oder auf neudeutsch sogar -managerin bezeichnen würde. Sie sorgt dafür. dass im mehrstöckigen Mietshaus, in dem auch der Eigentümer selbst wohnt, alles seine Ordnung hat - und dafür, dass ihre Tochter, die zierliche Laura es irgendwann man besser haben wird - indem sie jeden kleinsten Nebenjob annimmt. Herr Hempel ist Schuster und ebenso maulfaul wie seine Gattin gesprächig ist. Auch ihm liegt daran, Laura eine rosige Zukunft zu bescheren.

Laura selbst ist ein braves Mädchen, das nicht zu viele Flausen im Kopf hat und in der Regel tut, was die Eltern - beziehungsweise die Mutter - sagt. So wird sie zunächst Kindermädchen beim Hausbesitzer, dann folgt sie einer Adligen, die sich verheiratet, als Dienstbotin in deren Haushalt und da die Mutter dort nicht eingreifen kann, tut sie, was sie für richtig hält, bpsw. unternimmt einen Sonntagsausflug mit dem jungen, verarmten Grafen aus dem Hinterhaus.

Das alles klingt bescheiden und sachorientiert, aber das Gegenteil ist der Fall: Alice Berend beschert uns - und das im Jahre 1913 -einen vielschichtigen Gesellschaftsroman, der für mich zum Lesespaß sondergleichen wurde. Die feine Ironie, der wohldosierte Mutterwitz und die originellen Ideen der Autorin garantieren einen Lesegenuss, bei dem nichts vorauszusehen ist. Die Figuren - auch die Nebendarsteller - sind mit wenigen Sätzen so klar gezeichnet, dass ich sie sofort vor Augen hatte. Ein Roman, der sicher auch als Schauspiel oder Film erfolgreich wäre, wenngleich man dann auf die wunderbare Sprache der Autorin verzichten müsste. Ein Lesehighlight gleich zum Jahresbeginn!
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Veröffentlicht am 27.01.2025

Um die Welt mit der "Völkerfreundschaft"

Fernwehland
0

Einem großen Kreuzfahrtschiff nämlich, das in Stockholm gefertigt wurde und nach einem Unfall von der DDR aufgekauft wird. Für Henri, der schon als Kind vom Seefahrerleben träumte, werden damit seine ...

Einem großen Kreuzfahrtschiff nämlich, das in Stockholm gefertigt wurde und nach einem Unfall von der DDR aufgekauft wird. Für Henri, der schon als Kind vom Seefahrerleben träumte, werden damit seine kühnsten Träume wahr. Im Gegensatz zu seinem Vater Erwin, der nur vom Meer geträumt hat, ist es ihm nämlich gelungen, eine Ausbildung zum Matrosen zu machen und nun kennt er keine Grenzen mehr. Sein Arbeitgeber allerdings schon, weil er die vom Staat gesetzten Grenzen einhalten muss, aber das ist für Henri kein Thema - zunächst jedenfalls. Denn obwohl er selbst sich nicht allzusehr um die Politik schert, kommt ihm diese irgendwann in der Quere.

Wir begleiten Leser*innen begleiten aber nicht nur Henri, sondern auch seinen Vater Erwin von Kindheit auf und dazu zeitweise auch einige andere Menschen wie die Schwedin Ida, deren Lebensgeschichte wie die von Henri und seiner früheren Kollegin Simone ganz fest mit der "Völkerfreundschaft", die inzwischen "Astoria" heißt, verbunden ist.

Kati Naumann ist eine der Autorinnen, deren Romane ich voller Sehnsucht erwarte, sobald ich von ihnen gehört habe. In ihnen wird die Vergangenheit auf eine Art zum Leben erweckt, die informiert berührt und mich mit allen Sinnen packt. Ich kann ihre Bücher nicht aus der Hand legen, bis ich am Ende angelangt bin. Sie sind nicht nur eindringlich und anregend geschrieben, nein, die Autorin hat auch mehr als sorgfältig recherchiert und könnte - da bin ich überzeugt - aus dem ihr vorliegenden Material noch zwei oder drei weitere Werke erschaffen. Ich habe mit den Protagonisten gelacht und gelitten. Ein wundervoller Roman, den ich mit Sicherheit das ein oder andere Mal wieder lesen werde - wenn ich mir etwas besonders Gutes tun will!


Veröffentlicht am 15.01.2025

Alt und jung treffen in einem ungewöhnlichen Roman auf einander

Flusslinien
0

Margrit ist schon 102 Jahre alt und hat, bis sie weit über 80 war, in einem erfüllenden Beruf gearbeitet. In die Seniorenresidenz zog sie erst mit über 90 und hat nun Angst, dass sie vor ihrem Tod noch ...

Margrit ist schon 102 Jahre alt und hat, bis sie weit über 80 war, in einem erfüllenden Beruf gearbeitet. In die Seniorenresidenz zog sie erst mit über 90 und hat nun Angst, dass sie vor ihrem Tod noch einmal umziehen muss - in eine Pflegestation. Margrit schaut nach vorn, vor allem aber nach hinten und versucht, sich über bestimmte Stationen ihres Lebens klar zu werden, sich selbst und ihr Umfeld verstehen zu lernen.

Begleitet wird sie im Alltag durch ihre ehemalige Schwiegertochter Brisko - der Sohn weilt in Australien und hat dort eine neue Familie gegeründet - und ihre Enkelin Luzie, die eigentliche zweite Hauptfigur des Romans. Luzie versucht, nach einem sexuellen Übergriff in Australien ihr Leben und vor allem sich selbst neu und deutlich resilienter aufzustellen - unter anderem durch die Umwandlung eines Hobbies - nämlich dem Tätowieren - in einen Beruf.

Was mir sehr gefällt: Luzie tätowiert vor allem ihre Großmutter und nähert sich dadurch deren Leben und der Vergangenheit ihrer eigenen Familie. Wichtige Themen des Romans sind Hamburg vor und während des Zweiten Weltkriegs, die Rolle der Frau einst und heute verbunden mit der Fragestellung, wie sie selbst (also die Frau) ihre Rolle beeinflussen kann.

Ein außerordentlich scharfsinniges, aber auch warmherziges und humorvolles Werk, das ich jedem empfehle, der beim Lesen gern historische Vergangenheiten kennen lernt!