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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2025

Spannendes Familiendrama

Der Gott des Waldes
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Es ist das Jahr 1975, und in einem Sommercamp in den Adirondack Mountains im Nordosten der USA verschwindet ein Teenager-Mädchen spurlos. Das vermisste Mädchen ist Barbara, die Tochter der wohlhabenden ...

Es ist das Jahr 1975, und in einem Sommercamp in den Adirondack Mountains im Nordosten der USA verschwindet ein Teenager-Mädchen spurlos. Das vermisste Mädchen ist Barbara, die Tochter der wohlhabenden Familie Van Laar, die das Naturreservat besitzt, in dem auch das Camp liegt. Was den Fall besonders brisant macht: Bereits 14 Jahre zuvor verschwand Barbaras Bruder Bear ebenfalls in der das Camp umgebenden Wildnis.

Der Roman wird aus mehreren Perspektiven erzählt, etwa aus der Sicht der Betreuerin Louise und der Ermittlerin Judy. Auch Barbaras und Bears Mutter Alice sowie einige andere Personen rücken in den Mittelpunkt. Dazu kommen verschiedene Zeitebenen zwischen 1950 und 1975, mit Fokus auf das Kennenlernen von Barbaras Eltern, die Zeit rund um das Verschwinden von Bear und schließlich die Ermittlungen im Sommer 1975. Das klingt verwirrend, ist aber so gut gemacht, so dass man beim Lesen den Überblick behält und sich aus immer neuen Informationen und Puzzleteilen langsam ein Bild ergibt.

„Der Gott des Waldes“ ist ein Buch zum Reinfallen und Eintauchen, atmosphärisch dicht und fesselnd. Besonders anfangs ist das Tempo überraschend langsam und die Autorin nimmt sich Zeit, die Geschichte zu entfalten. Trotzdem wird es nicht langweilig, denn die tragische Familiengeschichte ist einfühlsam erzählt und mitreissend. Die Beschreibungen der Natur sind sehr gelungen, das Camp wirkt lebendig und greifbar. Die Charaktere sind größtenteils vielschichtig und glaubwürdig gezeichnet. Zudem greift der Roman interessante Themen auf, etwa die Kluft zwischen Arm und Reich, komplizierte familiäre Beziehungen sowie die Rolle und Möglichkeiten von Frauen in den 60ern und 70ern.

Ich kann das Buch jedem empfehlen, der eine spannende, atmosphärische und literarische Familiengeschichte zum Abtauchen sucht.

Veröffentlicht am 12.09.2024

Brutaler Spiegel der 2000er

Die schönste Version
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In den frühen 2000ern aufgewachsen, lebt Jella in einer Welt, in der Frauen und Mädchen stark dem Male Gaze unterworfen und von spezifischen Schönheitsidealen geprägt sind. Auch Jella versucht sich dem ...

In den frühen 2000ern aufgewachsen, lebt Jella in einer Welt, in der Frauen und Mädchen stark dem Male Gaze unterworfen und von spezifischen Schönheitsidealen geprägt sind. Auch Jella versucht sich dem anzupassen und möglichst attraktiv für Männer zu sein.

In "Die schönste Version" schildert Ruth-Maria Thomas Jellas Erfahrungen mit toxischen Beziehungen und Situationships, die von Man1pulation und M1ssbrauch geprägt sind. Besonders erschütternd ist ihre Beziehung zu Yannick, einem „Künstlertypen", der ihr von Anfang an seine Wahrheit überstülpt und ihr vorschreibt, wie sie zu sein hat. Als die Beziehung in G3walt eskaliert und Yannick Jella würgt, zeigt sie ihn an, stellt sich danach aber quälende Fragen. War dieser Weg richtig? Übertreibt sie? Oder trägt sie gar irgendwie selbst die Schuld?

Das Buch ist brutal, emotional herausfordernd, realistisch, wichtig. Die Sprache ist teilweise sehr vulgär, was mich an manchen Stellen etwas gestört hat. Etwas zu kurz gekommen ist für meinen Geschmack vielleicht Jellas Aufwachsen und Familiengeschichte, die Rolle ihrer Mutter. Das sind aber nur kleine Kritikpunkte, die den Impact der Geschichte für mich nicht schmälern.

„Die schönste Version“ wurde für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert und ich freue mich darüber. Ich kann den Hype auf Bookstagram nachvollziehen, denn die Geschichte bietet enorm viel Identifikationspotential für so viele Frauen, die in den 2000ern sozialisiert wurden. Das Selbstverständnis vieler Männer, die Misogynie der Medien, Übergriffe, für die es keinen Namen gab oder die verharmlost wurden und nicht zuletzt die gefühlte Normalität des Ganzen – das so geballt zu lesen und zu fühlen, lässt mich immer noch fassungslos den Kopf schütteln. Ich wünschte, ich hätte in meinen frühen Zwanzigern Zugang zu diesem Buch gehabt. Ein Buch, an das ich wahrscheinlich noch lange denken werde.

Veröffentlicht am 19.04.2025

Mit dem Camper durch die Berge

OTTO fährt los - Ein Sommer in den Bergen
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Endlich Sommerferien! Die Zwillinge Luzie und Klara mit ihren Eltern Yurika und Christian fahren mit Campingbus Otto in den Urlaub. Es geht quer durch die Berge in Deutschland, Österreich und der Schweiz. ...


Endlich Sommerferien! Die Zwillinge Luzie und Klara mit ihren Eltern Yurika und Christian fahren mit Campingbus Otto in den Urlaub. Es geht quer durch die Berge in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Mir hat sehr gut gefallen, wie viel Raum die Natur einnimmt und wie liebevoll die Details gestaltet sind: unter anderem findet man eine Karte, ein Rezept mit Kaiserschmarren und eine detaillierte gezeichnete Packliste. Im Text werden die Lesenden bzw. Zuhörenden immer wieder mit Fragen angesprochen, was ich ebenfalls charmant fand.
Die Illustrationen sind warm und stimmig - bunt, aber eher gedämpft - und passen gut zur entspannten Atmosphäre des Buches. Die Handlung selbst verläuft eher gemächlich und ruhig. Ein großer Spannungsbogen oder ein klarer Höhepunkt fehlen, dafür punktet das Buch mit vielen kleinen, charmanten Abenteuern der Familie.
Die Sprache ist insgesamt gut verständlich, wirkt aber stellenweise etwas holprig. Das kann aber an meiner österreichischen Herkunft liegen. Insgesamt ein schönes Buch für alle, die entschleunigte Geschichten und Natur mögen – mit viel Herz und einer Prise Abenteuer.

Veröffentlicht am 09.04.2025

Sommerliche Identitätssuche

Wenn die Tage länger werden
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Lisa ist Ende dreißig, Lehrerin und alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Kindes. Die Sommerferien stehen bevor, und zum ersten Mal wird ihr Sohn Paul mehrere Wochen am Stück bei seinem Vater verbringen. ...

Lisa ist Ende dreißig, Lehrerin und alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Kindes. Die Sommerferien stehen bevor, und zum ersten Mal wird ihr Sohn Paul mehrere Wochen am Stück bei seinem Vater verbringen. Diese bevorstehende freie Zeit ist für Lisa ein großer Luxus, löst aber auch Ängste aus. Denn wer ist sie eigentlich, wenn sie nicht gerade Mutter, Tochter oder Lehrerin ist?
Anne Stern schreibt sehr ehrlich und feinfühlig über Mutterschaft mit all ihren Konsequenzen. Sie thematisiert Mental Load, die ungleichen Maßstäbe, an denen Väter und Mütter gemessen werden, die Gefahr, sich selbst in der Elternrolle zu verlieren, die gewaltige Liebe, Nähe und manchmal auch Überforderung im Zusammenleben mit einem Kind. Ich habe mir viele Sätze und Seiten markiert.
Neben Lisas Rolle als Mutter wird auch das komplizierte, von Schweigen und Distanz geprägte Verhältnis zu ihrer eigener Mutter beleuchtet. Sie begegnet außerdem der schwer kranken Obstbäuerin Ute – eine interessante Figur, die leider etwas blass bleibt. Ein weiterer Aspekt des Buches ist Lisas Liebe zur Musik und die düstere Geschichte ihrer alten Geige. Trotz der vielen Themen wirkte die Geschichte nicht überladen.
Manche von Lisas Gedankengängen empfand ich nach einer Weile ein wenig redundant, trotzdem hat mir gerade der Teil ihrer Identitätssuche sehr gefallen. Insgesamt ist „Wenn die Tage länger werden“ ein berührendes und gelungenes Buch. Anne Stern schafft eine schöne, sommerliche Atmosphäre und eine gewisse Leichtigkeit. Ein Buch, das ich gern gelesen habe, dessen Eindrücke teilweise jedoch auch schon wieder verblassen. Ich empfehle es als leichten, aber keineswegs seichten Sommerroman mit Tiefgang.

Veröffentlicht am 05.03.2025

Bewegung macht Spaß!

Bloß nicht bewegen - oder doch?
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Bewegung im Kleinkindalter (und natürlich darüber hinaus) ist sehr wichtig für die Entwicklung, da sind sich Expert*innen einig. Gleichzeitig gibt es immer wieder Hinweise, dass Kinder sich zu wenig bewegen. ...

Bewegung im Kleinkindalter (und natürlich darüber hinaus) ist sehr wichtig für die Entwicklung, da sind sich Expert*innen einig. Gleichzeitig gibt es immer wieder Hinweise, dass Kinder sich zu wenig bewegen. Dieses Buch kann Abhilfe schaffen. „Bloß nicht bewegen – oder doch?“ ist ein gelungenes Mitmachbuch, das sich nicht nur durch das Thema (Bewegung im Kleinkindalter), sondern auch durch die Art und Weise, Kinder anzusprechen, auszeichnet. Durch die Geschichte im Buch werden Lesende bzw. Zuhörende dazu animiert, mitzuturnen. So kann das Buch zu einer lebendigen und unterhaltsamen Erfahrung für Kinder und Eltern oder Betreuende werden. Die Illustrationen sind kindgerecht und süß, die Charaktere bieten Raum zur Identifikation. Bewegung spielt auch eine wichtige Rolle beim Spracherwerb, so dass das Buch sich durch die Kombi von Sprache, Bewegung und Spaß zur Sprachförderung einsetzen lässt. Ich habe den Eindruck, dass das Buch sich auch gut für Gruppen eigenen würde.