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Veröffentlicht am 27.02.2025

Gerne gelesen!

Von hier aus weiter
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VON HIER AUS WEITER
Susann Pásztor

Nach 30 Jahren Ehe steht Marlene plötzlich alleine da. Ihr Mann Rolf hat sich nach der Diagnose eines Hirntumors das Leben genommen.
Marlene fühlt sich verlassen und ...

VON HIER AUS WEITER
Susann Pásztor

Nach 30 Jahren Ehe steht Marlene plötzlich alleine da. Ihr Mann Rolf hat sich nach der Diagnose eines Hirntumors das Leben genommen.
Marlene fühlt sich verlassen und im Stich gelassen. Statt tiefer Trauer empfindet sie vor allem Wut. Ihr Telefon klingelt unaufhörlich - ihre Freundinnen und Rolfs Söhne möchten mit ihr sprechen und sich um sie kümmern. Doch Marlene ignoriert die Anrufe und betäubt ihre Gefühle mit Valium.
Mahlzeiten und Körperpflege verlieren für sie an Bedeutung. Erst als nach drei Wochen ohne Dusche kein Wasser mehr aus der Leitung kommt, beschließt sie, einen Klempner zu rufen. Zu ihrer Überraschung steht ihr ehemaliger Grundschüler Jack vor ihr.
Jack erkennt sofort, in welcher Verfassung sie ist, und übernimmt kurzerhand die Kontrolle. Als schließlich auch Ida, die Hausärztin, auf den Plan tritt, kommt Marlenes Leben langsam wieder in Bewegung.
Was all das mit einem Brief, einer ausgemusterten Freundin und einem Roadtrip zu tun hat, solltet ihr am besten selbst lesen.

Susann Pásztor hat ein sehr authentisches Buch über Trauerbewältigung geschrieben. Besonders die erste Hälfte hat mir gut gefallen. Marlenes Gefühle, ihre Trauer und Wut wurden eindrucksvoll vermittelt. In der zweiten Hälfte gefiel mir vor allem die Darstellung, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein, und wie sehr Ablenkung nach einem Verlust helfen kann. Auch wenn mir Marlenes kühle Art nicht immer sympathisch war, konnte ich mich gut in sie hineinversetzen.
Was mir weniger gefiel, war der starke Fokus auf das viele Essen in der zweiten Hälfte - ich hatte fast das Gefühl, dass der Autorin die Ideen für den Roadtrip ausgingen und die Handlung aufgefüllt werden musste.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen.
3½/5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.12.2024

Drei Frauen ...

Unser Ole
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UNSER OLE
Katja Lange-Müller

Katja Lange-Müllers neuester Roman stellt drei Frauen in den Mittelpunkt, deren Leben durch Einsamkeit, Traumata und emotionale Verstrickungen geprägt ist:
Ida, ein ehemaliges ...


UNSER OLE
Katja Lange-Müller

Katja Lange-Müllers neuester Roman stellt drei Frauen in den Mittelpunkt, deren Leben durch Einsamkeit, Traumata und emotionale Verstrickungen geprägt ist:
Ida, ein ehemaliges Seniorenmodel, sieht sich zunehmend mit dem Älterwerden und chronischer Geldnot konfrontiert. Die Tage, in denen wohlhabende Herren ihr jeden Wunsch erfüllten, gehören längst der Vergangenheit an. Nach einer unbedeutenden Modelshow in einem Kaufhaus begegnet sie Elvira, die ihr vorschlägt, bei ihr einzuziehen.

Elvira lebt in einem kleinen Haus mit ihrem autistischen Enkel Ole. Nachdem ihre Tochter Manuela nach der Geburt ihres Sohnes unter postnatalen Depressionen litt, nahm Elvira den Jungen zu sich. Sie verwöhnte Ole, der inzwischen zu einem korpulenten Jugendlichen herangewachsen ist und zunehmend Spannungen in den Alltag bringt – besonders, seit er seine Sexualität entdeckt hat. Ihre Beziehung ist von ständigen Streitigkeiten geprägt.

Manuela hingegen hat den Kontakt zu ihrer Mutter und ihrem Sohn seit Jahren abgebrochen. Erst ein tragischer Unfall führt sie zurück in das Haus, das sie einst verlassen hat.

Lange-Müller seziert die Lebensgeschichten dieser Figuren mit einem präzisen Blick für emotionale Kälte und die Folgen unerfüllter Bedürfnisse. Im Kern geht es um empathiearme Menschen, die selbst nie Liebe erfahren haben, und die Narben, die solche Erfahrungen hinterlassen. Besonders gelungen ist der Blick hinter die Fassade: Elvira, die sich immer einen Sohn gewünscht hat, war von Anfang an eifersüchtig auf die Beziehung zwischen ihrer Tochter und deren Vater, der Manuela stets wie eine Prinzessin behandelte. Manuela wiederum flüchtete nach seinem Tod in eine Opferrolle.
Zwischen diesen Konflikten versucht Ida zu vermitteln, denn als mittellose Außenseiterin hat sie keine andere Wahl, als in dieser zerrütteten Gemeinschaft zu bleiben.

Der Roman besticht durch einen flüssigen Schreibstil, bleibt jedoch erzählerisch oberflächlich. Ein klarer Höhepunkt oder tiefgreifender Plot fehlt.
Dennoch ist es ein kurzweiliges, gut lesbares Kammerspiel.
3½/ 5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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Veröffentlicht am 12.09.2024

Auf der Suche nach Identität ...

Verlassene Nester
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VERLASSENE NESTER
Patricia Hempel

Sommer 1992, Elbe-Grenzgebiet:
Der 13-jährigen Pilly stehen lange Sommerferien bevor. Im Gegensatz zu ihren Klassenkameraden wird sie nicht in den Urlaub fahren. Ihr ...

VERLASSENE NESTER
Patricia Hempel

Sommer 1992, Elbe-Grenzgebiet:
Der 13-jährigen Pilly stehen lange Sommerferien bevor. Im Gegensatz zu ihren Klassenkameraden wird sie nicht in den Urlaub fahren. Ihr Vater verbringt die Nachmittage in der Dorfkneipe – nur jeden zweiten Mittwoch kocht er für sie ein Mittagessen. Von Pillys Mutter fehlt jede Spur, vermutlich hat sie sich über die Grenze abgesetzt, um dem tristen Grau des Wohnkomplexes zwischen Kaserne und stillgelegtem Betonwerk zu entkommen.

Aus Langeweile fühlt sie sich zu zwei älteren Mädchen hingezogen, die ein altes Betonrohr auf einem Spielplatz als ihren Rückzugsort nutzen. Zunächst darf sie der „Hund“ der Mädchen sein, später wird sie hier ihre erste Zigarette rauchen.

Der einzige Halt, den Pilly erhält, kommt von ihren zwei lieben Tanten, den Schwestern ihrer Mutter. Diese versuchen jedoch gerade, auf der Welle mitzusurfen, die der Mauerfall mit sich gebracht hat, und probieren, ihre kleine Immobilie – die Fischbude am See mit der schlechten Wasserqualität – an die „gierigen“ Wessis zu verkaufen.

Und dann ist da noch Frau Klinge, die ehemalige Lehrerin ihres Vaters, die immer ein offenes Ohr für Pilly hat und gemeinsam mit ihr die Hausaufgaben macht. Dass diese ältere Dame ein Geheimnis hütet, weiß Pilly nicht.

In einer eindringlichen, leicht verwobenen und distanzierten Sprache schildert die Autorin das Leben und die Atmosphäre unmittelbar nach dem Mauerfall. Es ist eine Suche nach Identität und einer neuen Zukunft, da die Menschen nach der Wiedervereinigung in einer trostlosen Existenz ohne Arbeit und Perspektiven zurückblieben.

Berührt hat mich Pilly, die die Demütigungen der sogenannten Freundinnen über sich ergehen ließ, nur um Anschluss zu finden. Das Ende hat mir mein Herz gebrochen.
3½/ 5

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Veröffentlicht am 31.05.2024

Mittelmäßig

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
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DIE STADT UND IHRE UNGEWISSE MAUER
Haruki Murakami

Unser namenloser 17-jähriger Ich-Erzähler verliebt sich unsterblich in ein Mädchen ohne Namen. Sie fühlen sich als Seelenverwandte und glauben jede Menge ...

DIE STADT UND IHRE UNGEWISSE MAUER
Haruki Murakami

Unser namenloser 17-jähriger Ich-Erzähler verliebt sich unsterblich in ein Mädchen ohne Namen. Sie fühlen sich als Seelenverwandte und glauben jede Menge Zeit zu haben.
Doch eines Tages eröffnet ihm das Mädchen, das sie eigentlich nur der Schatten ihrer selbst sei und das ihr wahres Ich in einer Stadt hinter einer hohen Mauer lebe. Eine Stadt, wo man beim Eintreten seinen Schatten abgeben muss und wo es Uhren ohne Zeiger gäbe, denn Zeit hätte dort ihre Bedeutung seit langem verloren.
Aus dieser Stadt kehre man nie zurück.
Als das Mädchen ohne Ankündigung verschwindet und unser Protagonist sie auch nach längerer Suche nicht finden kann, beschließt er in diese geheimnisvolle Stadt zu reisen.
Dort angekommen beginnt er in einer Bibliothek zu arbeiten, eine Bibliothek, die aus Träumen besteht und dort trifft er seine Freundin wieder, jedoch erkennt sie ihn nicht mehr.
Wie dieser Roman von Murakami weitergeht und ob beide eine gemeinsame Zukunft haben, müsst ihr selber herausfinden …

Leider muss ich sagen, dass dieser Murakami mich ein wenig unzufrieden zurückgelassen hat.
Viele Wiederholungen, langsames Tempo und detaillierte Unwichtigkeiten bestimmen das Buch. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob es am Hörbuch lag - an der langsamen Erzählstimme des Sprechers. Oder hätte ich es auch so empfunden, wenn ich das Buch gelesen hätte?
Der erste Teil zog sich in die Länge, erst ab dem zweiten Teil konnte mich der Autor streckenweise einfangen.

Fazit:
Für mich war es nicht der beste Murakami, trotzdem hätte ich ihn auch nicht missen wollen.
3½ / 5

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Anders als erwartet

Martha und die Ihren
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MARTHA UND DIE IHREN
Lukas Hartmann


Martha und ihre fünf Geschwister, die alle vor dem Ersten Weltkrieg geboren wurden, wachsen in armen Verhältnissen auf. Als dann ihr Vater einen schweren Unfall hat, ...

MARTHA UND DIE IHREN
Lukas Hartmann


Martha und ihre fünf Geschwister, die alle vor dem Ersten Weltkrieg geboren wurden, wachsen in armen Verhältnissen auf. Als dann ihr Vater einen schweren Unfall hat, erst bettlägerig wird und kurz darauf stirbt, kann die Mutter ihre sechs Kinder nicht mehr ernähren. Die sozialen Zuschüsse in der Schweiz wären nicht genug, selbst wenn die Mutter einen Job als Büglerin annähme.
Die Verwaltung lässt nicht lange auf sich warten und nimmt der Mutter alle Kinder weg - sie werden zu sogenannten „Verdingkinder", was nichts anderes bedeutet, als das sie bei fremden Familien aufwachsen, fremderzogen und ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten müssen. Martha wird ihre Mutter nur drei weitere Male in ihrem Leben treffen und ihre Geschwister nie wieder sehen.
Doch das weiß sie zu diesem Zeitpunkt nicht.
Martha, die zweitjüngste, kommt zu einer gläubigen Familie mit vielen Kindern. Für die Arbeiten, die keiner machen möchte, ist sie zukünftig verantwortlich. Am Tisch ist die Schale mit Essen meist leer, bevor sie bei Martha ankommt. Liebe oder ein freundliches Wort erfährt sie nicht.
Obwohl sie Klassenbeste ist, wird ihr die höhere Schule verwehrt, doch Martha ist zäh und mit Fleiß und Ehrgeiz schafft sie es später zu einem bescheidenen Wohlstand.
Martha hat es nie gelernt, Gefühle oder Schwächen zu zeigen. Umarmungen, Lob oder Liebkosungen waren ihr ganzes Leben Fremdwörter und so prägt diese soziale Inkompetenz nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer zwei Söhne …

Die Verdingkinder sind ein schwarzer Fleck in der Schweizer Geschichte.
Oft wurden Kinder zu Unrecht den Eltern weggenommen. Scheidungen oder Arbeitslosigkeit reichte aus, dass Eltern ihr Kinder nie wieder sahen.
Die Kinder wurden als billige Arbeitskraft ausgebeutet, oft seelisch und körperlich missbraucht. Bis in die späten 1960er-Jahre gab es in der Schweiz Verdingkinder.

Ich habe das Buch gerne gelesen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Marthas Zeit als Verdingkind ausführlicher beschrieben gewesen wäre. Ihren Part fand ich besonders berührend, während mich der narzisstische und pedantische Sohn eher auf die Palme trieb.
Der Schreibstil war eher sachlich kühl, was durchaus zum Inhalt passt. Herzlichen Dank Lukas Hartmann für einen tiefen Einblick in seine Familienchronik mit Großmutter Martha.
3½ / 5

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