Etwas enttäuschendes Ende
The Sun Is Also a StarNach ihrem Erfolgstitel “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” legt die amerikanische Autorin (mit den jamaikanischen Wurzeln) Nicola Yoon nun mit “The sun is also a star” endlich neuen Lesestoff ...
Nach ihrem Erfolgstitel “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” legt die amerikanische Autorin (mit den jamaikanischen Wurzeln) Nicola Yoon nun mit “The sun is also a star” endlich neuen Lesestoff vor. Ihr zweiter Roman erzählt eine Liebesgeschichte inmitten eines feinen Geflechts von zufälligen (oder schicksalshaften?) Ereignissen und dem nicht immer einfachen Leben zwischen zwei Kulturen. Familiengeschichte inklusive. Raffiniert erzählt und mit faszinierenden Einschüben. Ein richtig schöner Schmöker. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
New York. Die 17-jährige Natasha sollte eigentlich ihre Koffer packen, aber das junge Mädchen mit der jamaikanischen Herkunft will einfach nicht aufgeben. Sie, die mit ihrer Familie illegal in Amerika lebt, will das Land nicht verlassen. Auch wenn das Urteil der Behörden anders aussieht: “Der letzte Einspruch Ihrer Familie wurde abgelehnt. Die Abschiebung ist beschlossen, Ms Kingsley. Sie und Ihre Familie müssen heute um 22.00 Uhr das Land verlassen.” (Zitat S.31) Deshalb geht Natasha auch Nicola Yoon The sun is also a starnun zur amerikanischen Einwanderungsbehörde, um vielleicht noch etwas dagegen auszurichten. Denn zurück nach Jamaika will sie auf gar keinen Fall. “Ich lebe hier, seit ich acht bin. Ich habe keine Freunde auf Jamaika. Ich habe keinen jamaikanischen Akzent. Ich kenne meine Familie dort nicht — jedenfalls nicht so, wie man seine Familie kennen sollte. Das ist mein letztes Jahr auf der Highschool. Was ist mit meinem Abschluss, dem Ball und meinen Freunden?” (Zitat S.35) Auf dem Amt erhält sie einen letzten Tipp: die Adresse eines Anwalts, der ihr vielleicht noch helfen könnte. Doch der Termin ist erst in ein paar Stunden…
Der 17-jährige Daniel lebt mit seinem Bruder und seinen Eltern, die aus Korea stammen, aber noch vor ihrer Geburt nach Amerika ausgewandert sind, ebenfalls in New York. Er, der am liebsten Gedichte schreibt, soll — nach der Meinung seiner Eltern — Arzt werden. “Ich würde alles dafür geben, das Leben, das sich meine Eltern für mich wünschen, auch wirklich zu wollen. Alles wäre viel einfacher, wenn ich Lust hätte, Arzt zu werden. Arzt zu sein, sollte doch eins der Dinge sein, die man mit Lust und Hingabe tut. Ich meine, Leben retten und all das. Aber ich finde es nur langweilig.” (Zitat S.66) Aber Daniel traut sich nicht, ihnen das zu sagen…
Aufgrund mehrerer zufälliger Begebenheiten treffen Natasha und Daniel in einem Plattenladen aufeinander. Kurz darauf rettet er sie vor einem heranfahrenden Auto, das sie fast erwischt hätte. Er lädt sie auf einen Kaffee ein. Sie sagt zu. Und zwei Welten treffen aufeinander: Er — der sofort weiß, dass er sich in sie verlieben wird, der an Träume und Vorherbestimmung glaubt — und sie, die pragmatisch und eher pessimistisch veranlagt ist und mit Träumereien schon mal gar nichts anfangen kann, sondern nur an die Erklärungen der Wissenschaft glaubt. Bis sie Daniel mit folgendem Satz herausfordert: “Was ist, wenn ich dir sage, dass ich dich mit wissenschaftlichen Methoden dazu bringen könnte, dich in mich zu verlieben?” (Zitat S.100)
Sein Experiment besteht aus einigen persönlichen Fragen und einem 4-minütigen-sich-in-die-Augen-Schauen. Etwas, worüber er in einer Zeitung gelesen hat. Da sie ohnehin nichts zu verlieren hat und Daniel sie seltsamerweise ab und zu zum Lachen bringt, lässt Natasha sich darauf ein. Ohne ihm zu gestehen, dass sie in wenigen Stunden das Land verlassen wird…
“The sun is also a star” wartet mit einem interessanten Cover auf. Schaut man genauer hin, entdeckt man einzelne Fäden, die hin und her gespannt sind. Symbolisch für die einzelnen Lebenswege und -Möglichkeiten eines jeden Menschen. Der Roman macht das Gesetz von Ursache und Wirkung deutlich. Wäre dies oder jenes nicht geschehen, wären sich Daniel und Natasha niemals über den Weg gelaufen. Eine Verkettung von Zufällen? Schicksal — so wie Daniel es glaubt? Geschickt spielt das Buch mit Wissenschaft und dem Glaube an Vorherbestimmung. Diese Erfahrung muss vor allem Natasha machen: “Liebe ist eine Mischung aus Hormonen und Zufall. Warum fühlt sich Daniel dann nach mehr an?” (Zitat S.127)
Die Autorin hat mit ihr und mit Daniel zwei sehr liebenswürdige, sympathische Figuren geschaffen und erzählt aus ihren sich abwechselnden Ich-Perspektiven ihre gemeinsame Geschichte. Ergänzt werden diese Sichtweisen immer wieder durch Einschübe von Nebenfiguren oder kurzen Erklärungen (auch wissenschaftlicher und kultureller Art). Beispielsweise werden die Verhaltensweisen einer Sicherheitsbeamtin gegenüber Natasha oder die einer Restaurantbediensteten, die unfreundlich auf eine Frage reagiert, erklärt. Diese Einschübe stammen von einem allwissenden Erzähler uNicola Yoon The sun is also a starnd sind ungemein faszinierend und reizvoll zu lesen. Eine perfekte Ergänzung, die für jede Menge Tiefgang sorgt. Auch die Romantik kommt in “The sund is also a star” nicht zu kurz:
“Wieder kommt sie mir nahe, und wieder wage ich mich vor, denn anscheinend bin ich so, wenn ich mit diesem Mädchen zusammen bin. Vielleicht gehört es dazu, sich auch in sich selbst zu verlieben, wenn man sich in jemand anderen verliebt. Denn es gefällt mir, was für ein Mensch ich mit ihr bin. […] Es gefällt mir, dass ich mich trotz der Steine, die sie mir in den Weg legt, weiter vorwage. Normalerweise würde ich aufgeben, aber heute nicht.” (Zitat S.181)
Nicola Yoon hat einen sehr angenehmen Erzählton. Sie kann einfach richtig gut schreiben. Den Leser erwarten tolle Formulierungen, eine mal charmante, mal humorvolle, mal philosophische Erzählweise und eine Sprache, die flapsig sein kann, aber auch kraftvoll und poetisch. Das Ende war okay, aber irgendwie hätte ich noch ein bisschen mehr erwartet, beziehungsweise es erschien mir zu konstruiert. Aber: am besten eine eigene Meinung bilden