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Veröffentlicht am 06.03.2025

Träume...

Achtzehnter Stock
1

Das Leben im 18. Stock, noch dazu in einem Berliner Plattenbau kenne ich überhaupt nicht, umso mehr war ich gespannt auf diesen Roman.

Wanda lebt mit ihrer 5jährigen Tochter Karlie in einem Hochhaus, ...

Das Leben im 18. Stock, noch dazu in einem Berliner Plattenbau kenne ich überhaupt nicht, umso mehr war ich gespannt auf diesen Roman.

Wanda lebt mit ihrer 5jährigen Tochter Karlie in einem Hochhaus, in einer Zweizimmerwohnung, die eigentlich renovierungsbedürftig wäre. Ihr Vermieter ist ihr Onkel, der ihre Mietschulden für dieses „Kronjuwel“ nicht mehr allzu lange dulden will. Wanda ist Schauspielerin, gerade aber nicht beschäftigt. Als Alleinerziehende ist es gar nicht so einfach, Kind und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Nur gut, dass die Mutter von Karlies Freundin Aylin so dann und wann auf beide Mädchen aufpasst.

Auch in so einem Haus richtet man sich ein oder besser gesagt man akzeptiert, dass der Lift oft kaputt ist und dass schon mal eine schon auf den ersten Blick eklige Matratze in der Liftkabine auf einen neuen Besitzer wartet. Man nimmt es nicht so genau, auch nimmt man hin, dass der Betonbau ein einziges Funkloch ist.

Doch wie anders sieht die Glitzerwelt des Films aus, denn Wanda kennt auch diese Seite. Nur müsste sie viel Zeit mitbringen und komplett unabhängig sein, was sie nun mal mit Kind nicht ist.

Sara Gmuer nimmt ihre Leser mit auf beide Seiten. Die Autorin vermittelt beides, ohne ins Klischeehafte abzudriften. Es sind intensive Blicke auf Mutter und Kind mitsamt den Nachbarn. Die Wirklichkeit ist hier herzlich und auch rau, man hilft sich gegenseitig, ist zuweilen auch ganz schön schräg drauf und dann wieder schlägt die Realität hart zu, überlagert von ständiger Geldnot. Ganz anders präsentiert sich die Welt des Films, in der Geld keine Rolle zu spielen scheint. Wanda geht durch Höhen und durch Tiefen und natürlich ist es verlockend, wenn einen plötzlich die Welt offen steht. Sie ist eine junge Frau, die zwar in erster Linie Mutter ist, die aber dennoch den Hunger nach Leben, nach Selbstverwirklichung spürt, nach Liebe und Zweisamkeit. Und da ist die Sorge um das Kind, das krank ist. Kann Wandas ständiger Spagat gelingen?

Das Ende dann zeigt auf, was im Leben wichtig ist. Wer Wanda wichtig ist. Für mich ein versöhnliches, ein stimmiges, ein fürsorgliches und ja – ein glückliches Ende. Zusammen ist man nie allein, das Glück findet man in den kleinen, in den alltäglichen Dingen.

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Veröffentlicht am 06.03.2025

Eberhardt & Jarmer ermitteln zum nunmehr fünften Mal

Der zweite Verdächtige
1

„Der zweite Verdächtige“ ist der mittlerweile fünfte Justiz-Krimi des Autorenduos Schwiecker/Tsokos und war ganz schnell ausgelesen, die Story knistert sozusagen vor Spannung. Als „das große Finale von ...

„Der zweite Verdächtige“ ist der mittlerweile fünfte Justiz-Krimi des Autorenduos Schwiecker/Tsokos und war ganz schnell ausgelesen, die Story knistert sozusagen vor Spannung. Als „das große Finale von Eberhardt & Jarmer“ wird das Buch angekündigt, was den Schluss nahelegt, dass die beiden Ermittler in Zukunft getrennte Wege gehen, was ich aber sehr schade finde und doch hoffe, noch mehr von Rocco und Justus zu lesen. Nun aber zum „zweiten Verdächtigen“:

Jan Staiger soll in einem Berliner Nachtclub einen Bekannten mit Liquid Ecstasy vergiftet haben. Er sitzt in U-Haft und bittet Rocco Eberhardt, ihn zu verteidigen. Nachdem er sich mit dem Fall vertraut gemacht hat, nimmt er das Mandat an. Er ist von Staigers Unschuld überzeugt und setzt alles dran, ihn freizubekommen. Einige Zeit danach wird ein weiterer Toter gefunden, auch bei ihm war Liquid Ecstasy im Spiel und wieder ist es Staiger, der ins Fadenkreuz der Ermittlung gerät. Diesmal sieht es nicht gut für Staiger aus, sämtliche Indizien sprechen gegen ihn.

Auch dieser fünfte Krimi um Eberhardt & Jarmer ist temporeich, die Handlung gut nachvollziehbar und die Charaktere allesamt glaubwürdig. Der Rechtsmediziner Doktor Justus Jarmer ist hier eher wenig sichtbar, dafür Rocco umso mehr. Auch wird sein Privatleben kurz gestreift, was der Figur noch mehr Kontur gibt, denn auch ein Strafverteidiger sollte mal durchatmen dürfen. Wäre noch Tobi zu erwähnen, Roccos bester Freund. Er hat sich als Privatdetektiv selbständig gemacht und als solcher sind seine Infos auch in diesen verzwickten Mordfällen wichtig.

Bearbeitet werden diese Morde von Kriminalhauptkommissar Ralph Berger vom LKA 11, Abteilung Tötungsdelikte, mit seinem Team, auch er ist hier durchgängig vertreten.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Ausgehend von der Frage, ob es sich um Unfall oder Mord handelt und ob hier ein Serienkiller am Werk ist über den Prozess bis hin zum wahren Schuldigen stört zwischendurch ein gewisser Fuzz. Wer ist Fuzz? Schon bald habe ich einen ungeheuerlichen Verdacht, wer denn diese lange unbekannte Stimme, die immer wieder dazwischenfunkt, denn sein könnte. Aber wird sich mein Verdacht bestätigen? Nur so viel - ich bin zum Schluss ganz schön verblüfft.

Von Anfang an war ich auf Roccos und somit auch auf Staigers Seite, es war allerdings ein ständiges Auf- und Ab. Ist er nun schuldig? Die Frage zieht sich durch, erdrückende Beweise tauchen vermehrt auf, was auch Rocco an Staigers Glaubwürdigkeit zweifeln lässt - das Ende war dann so ganz anders, als ich es lange vermutet habe.

Die Vorarbeit hin zum Prozess und das ganze Prozedere mit den Zeugen und dem Staatswalt werden bestens vermittelt. Hier merkt man, dass die beiden Autoren als Strafverteidiger und Rechtsmediziner wissen, wovon sie schreiben. Es ist ihnen ein wiederum fesselnder Justiz-Krimi gelungen, der mich von Anfang an gefesselt und der mich gut unterhalten hat. Angereichert mit einem bösen Cliffhanger, der doch auf mehr – auf das nächste Buch – schließen lassen könnte. Ich wäre dabei.

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Veröffentlicht am 04.03.2025

Über den Neuanfang und über das Leben überhaupt

Sommervogelflug
1

Schmetterlinge sind so vielfältig, so zart, so wunderschön anzuschauen, wenn sie die Blüten umschwirren. Schon immer genieße ich es, sie ein Weilchen zu beobachten und dabei ein Stück Unbeschwertheit, ...

Schmetterlinge sind so vielfältig, so zart, so wunderschön anzuschauen, wenn sie die Blüten umschwirren. Schon immer genieße ich es, sie ein Weilchen zu beobachten und dabei ein Stück Unbeschwertheit, ja Lebensfreude zu tanken. Ich habe das Glück, dass es sie in meiner Nähe noch zahlreich gibt.

Eva Floris hat mich mit ihrem „Sommervogelflug“ in eine Welt entführt, die mir nicht ganz fremd ist und doch sehe ich nun diese feingliedrigen Wesen mit ganz anderen Augen, mein Blick auf sie wird sehr viel intensiver sein. Gestaunt habe ich über die Beschreibung dieser grazilen Tiere, von den Puppen und den Raupen bis hin zu ihrer vollen Entfaltung. Schon dieser erste Kontakt und die Vielfalt haben mich für dieses wundervolle Buch eingenommen.

Aber nicht genug damit. Mit Lilly reise ich nach Elba, in deren Leben nach einer schweren Krankheit nichts mehr so ist, wie es war. Dass sie nicht das Kind ihrer geliebten Eltern ist, macht ihr schwer zu schaffen, denn sie wusste all die Jahre nichts davon, dass sie adoptiert wurde. Eine Spur zu ihrer leiblichen Mutter führt auf die Insel Elba, also macht sie von Hamburg aus auf, sie zu suchen. Dabei stellt sie ihr bisheriges Leben infrage, auch gibt sie ihren Verlobten frei, sie blockiert auch weitgehend den Kontakt zu ihrem Umfeld.

Auf Elba leitet Valentina einen Schmetterlingspark und da eine Stelle unbesetzt ist, findet Lilly dort Arbeit. Lilly meint, hier ihre Mutter gefunden zu haben – ob sie richtig liegt? Valentinas spröde Art, ihre Distanziertheit nicht nur Lilly gegenüber macht eine Annäherung nicht gerade einfach.

Es steckt so viel Lebensweisheit in diesem schon auf den ersten Blick so heiter daherkommenden Buch, das Cover lädt direkt ein, für einige Stunden alles andere zu vergessen. Wie das Leben manchmal so spielt, war für Lilly ihre Krankheit ausschlaggebend, dass sie von der Adoption erfahren musste. Schwer enttäuscht von denen, die ihr am nächsten waren, sucht sie einen Neuanfang, den sie auf Elba zu finden glaubt. Dabei führt so mancher Umweg zu Menschen, denen sie sich sehr verbunden fühlt, anderen gegenüber ist sie eher reserviert, Nähe kann sich nicht bei jedem einstellen.

Der Roman weckt Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, Eva Floris beschreibt die Insel so eindrucksstark, dass ich am liebsten sofort gen Italien düsen würde. Die italienische Lebensart, der so herzliche Menschenschlag und auch die Schönheit der Schmetterlinge – all das macht Lust auf einen baldigen Trip. Die Charaktere, allen voran Lilly und Valentina, sind mit viel Leben gefüllt. Sie sind absolut glaubhaft angelegt, sie sind stark und auch schwach, haben Ängste und Sehnsüchte, sind eher leichtlebig, andere wiederum nehmen jede Aussage schwer, sie beziehen vieles auf sich, was der Nächste einfach an sich abprallen lässt. Verlustängste und ein tief empfundener Vertrauensbruch, aber auch Freundschaft und Liebe in allen Facetten sind Thema, um nur einiges herauszugreifen. Ich habe mich wohl gefühlt auf Elba, habe mit ihnen gelitten, gebangt, habe so manches Mal geschmunzelt und mich mit ihnen gefreut. „Ach, das Leben“ schreibt Valentina an Lilly. Ein schöner Halbsatz zum Schluss, der alles umschreibt.

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Veröffentlicht am 26.02.2025

Eine wundervolle Geschichte voller Musik und Poesie

Für Polina
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„Eine Liebe durchrollte Fritzi, schön und erschütternd, und sie begriff, dass dieser stille Gnom, der sich auf ihrer Brust zu einer kleinen Kugel zusammenigelte, das wunderbarste Missgeschick war, das ...

„Eine Liebe durchrollte Fritzi, schön und erschütternd, und sie begriff, dass dieser stille Gnom, der sich auf ihrer Brust zu einer kleinen Kugel zusammenigelte, das wunderbarste Missgeschick war, das ihr hatte passieren können.“

Takis Würger erzählt von Hannes, er erzählt auch von Polina und beginnt mit Fritzi, Hannes Mutter. Seine Worte sind wie Poesie, seine Geschichte berührt, sie geht nahe, sie wühlt auf. Von der Wiege - eigentlich schon ab der Zeugung - bis sehr viele Jahre danach sind die Leser sowas wie Zaungäste im Leben des Hannes Prager.

Fritzi gibt ihrem Sohn alles, was er braucht, was nicht unbedingt mit Materiellem zu tun haben muss. Auch hat sie es geschafft, sich und Hannes ins Herz des alten Hildebrand zu schleichen - die alte Villa im Moor ist von nun an auch ihr Zuhause. Und die kleine Polina und ihre Mutter, die Fritzi seit der Geburt ihrer Kinder eine Freundin ist, sind oft und gerne da.

Hannes Leben ist voller Musik, er kann sich am Klavier sehr viel besser ausdrücken als mit Worten. Er ist eine Naturbegabung, der Junge im Moor spürt die Töne, er erweckt Melodien zum Leben. Hannes ist glücklich, seine Kindheit ist geprägt von unbändigem Lebenswillen – bis sein Leben aus dem Takt kommt. Er spielt nicht mehr, er arbeitet von nun an als Klavierträger. Und wie es so ist, bekommt auch Hannes Leben irgendwann wieder eine neue Wendung. Alles fließt, nichts bleibt stehen.

Es ist eine Liebesgeschichte, die beim Lesen eher durchschimmert. Das Band, das sie schon immer miteinander verbindet, ist sehr dehnbar, es scheint irgendwann zu reißen. Es ist eine Familiengeschichte, die keiner großen Worte bedarf. Das Buch erzählt auch von Freundschaft, von echten Freunden. Denn was wären wir ohne diese wahren Freunde. Hannes, Fritzi, Polina, Hildebrand und noch so einige andere Figuren prägen Hannes Leben, sie sind jeder für sich ziemlich eigen und doch bilden sie eine Einheit - nicht immer ist das Leben fair, jeder bekommt das mehr oder weniger zu spüren.

„Für Polina“ ist ein wundervoll erzähltes Buch, es ist eine Geschichte der leisen Töne, die doch sehr gewaltig daherkommt.

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Veröffentlicht am 26.02.2025

Nordic Noir vom Feinsten

Schmerz
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„Schmerz“ ist der erste Fall für Dora und Rado, zwei Ermittler bei der Kriminalpolizei Reykjavik, die beide aus unterschiedlichen Gründen kaltgestellt wurden.

Dora wurde bei einem früheren Einsatz angeschossen ...

„Schmerz“ ist der erste Fall für Dora und Rado, zwei Ermittler bei der Kriminalpolizei Reykjavik, die beide aus unterschiedlichen Gründen kaltgestellt wurden.

Dora wurde bei einem früheren Einsatz angeschossen und seitdem funktioniert ihr Hirn anders als zuvor. Sie spürt intensiver, kann innerhalb kürzester Zeit eine Fremdsprache erlernen, jedoch wird sie immer wieder ausgeknockt, sie kann sich dann nicht erinnern und verrichtet seitdem Schreibtischarbeit. „Dora erinnert sich noch, dass sie der Mann an der Schulter packte. Dann fiel der Schuss. An den Knall erinnert sie sich nicht. Nur an den stechenden Schmerz in ihrem Auge.“ Ein Schmerz, der seitdem nie mehr ganz verschwindet.

Rado ist ein hervorragender Ermittler mit serbischen Wurzeln. Mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn wohnt er bei den Schwiegereltern und genau diese verwandtschaftlichen Verhältnisse sind es, die ihn bei der groß angelegten Razzia gegen gefährliche Größen der Unterwelt ausgrenzen.

Als nun ein Teenager im Thingvellir-Nationalpark verschwindet, wird Dora mit den Ermittlungen betraut, ihr zur Seite wird Rado gestellt. Die Suche nach der 16jährigen Morgan gestaltet sich schwieriger als zunächst angenommen. Daneben geht es um organisierte Kriminalität, um Auftragsmord und Freiheitsberaubung, auch spielt Genderdysphorie – der Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung - eine Rolle und auch die Frage, ob - und wenn ja inwieweit - hochrangige Bedienstete innerhalb der Polizei involviert sind, drängt sich auf.

Jón Atli Jónasson entführt seine Leser nach Island – sein „Schmerz“ vor herrlicher Kulisse ist Nordic Noir vom Feinsten. Seine Charaktere, allen voran Dora und Rado, sind vielschichtige, sehr individuelle Persönlichkeiten, die Story an sich ist mitreißend erzählt und auch wenn es so einige zwischenmenschliche Momente gibt, die den Glauben an Freundschaft bestärken, so lese ich viel von eiskalten, hochkriminellen Gangs, denen ein Menschenleben nichts bedeutet.

Die Ermittlungen sowohl um das Verschwinden des Teenagers als auch alles rund um die Razzia werden parallel erzählt. Diese beiden Erzählebenen haben zuweilen Berührungspunkte, man kommt auch dadurch der Aufklärung beider Handlungsstränge näher, schlussendlich bleibt es jedoch spannend bis zuletzt. Und – Dora und Rado ermitteln weiter. „GIFT“ erscheint im Herbst 2025. Ich werde mir auch diesen zweiten Fall nicht entgehen lassen.

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