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Veröffentlicht am 20.12.2017

Das Leben und die Liebe gehen zuweilen seltsame Wege.

Als die Liebe zu Elise kam
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In "Als die Liebe zu Elise kam", dem neuen Roman von Natasha Solomons, sind die Windungen des Lebens von viel Trauer und Tragik überschattet., gerät doch die Titelheldin Elise 1938 als jüdischer Flüchtling ...



In "Als die Liebe zu Elise kam", dem neuen Roman von Natasha Solomons, sind die Windungen des Lebens von viel Trauer und Tragik überschattet., gerät doch die Titelheldin Elise 1938 als jüdischer Flüchtling aus Wien nach Südengland und muss dort, statt wie bisher ein behütetes Leben als höhere Tochter aus einem Intellektuellen- und Künstlerhaushalt zu führen, ihre Brötchen als Dienstmagd verdienen. Hier hat sie zwar einen steinigen Beginn, stößt aber von Anfang an auf das Verständnis des unkonventionellen und toleranten Hausherren und verliebt sich alsbald in den vielumschwärmten Sohn des Hauses, der - o Wunder - der in Wien als hässliches Entlein geltenden Elise ebenfalls Gefühle entgegenbringt. Zunächst bleibt also Elise in England trotz einiger Anfangsschwierigkeiten in einem sicheren Kokon, beschützt von Menschen, denen sie vertrauen kann, doch dann holt der Krieg sie in vollem Umfang ein und eine tragische Koinzidenz jagd die nächste... tja, und so wird aus Elise Landau Alice Land.

Alice im Wunderland? Nein, sicher nicht. Dieses Buch zeigt gar trefflich, wie es gelingt, trotz vieler trauriger Ereignisse seinen Platz zu finden und ein erfülltes Leben zu führen, das auch glückliche Phasen beinhaltet.

Fern von Kitsch und Sentimentalität baut die Autorin ihre Story auf, mit einer Leichtigkeit, die den Leser das Buch kaum aus der legen lässt. Hinter dem gefälligen, zuweilen gar humorvollen Erzählstil stecken eine große Tiefe, eine breit gefächerte Symbolik und die vielen Gedanken, die sich die Autorin bei der Entstehung ihres Buches gemacht hat. -

Eigentlich strotzt dieses Buch nur so vor Tragik: Tyneford ist ein tragischer Ort, Elises/Alices Biographie mit einer ganzen Reihe von Tragödien verbunden. Aber auch in den schlimmsten Zeiten bleibt die Liebe bei ihr und gibt ihr Zuversicht.

Die Welt braucht solche Bücher - Bücher , die Hoffnung und Wärme transportieren und so werde ich dieses Buch mit Sicherheit häufiger als Mutmacher oder einfach zum darin Schwelgen verschenken. Trotzdem bin ich nicht uneingeschränkt begeistert - das große Talent der Autorin für die Darstellung des Atmosphärischen geht einher mit einer Schwäche bei thematischen Übergängen. Zäsuren - in diesem Buch meist tragische, manchmal jedoch auch erfreuliche Ereignisse, sind aus meiner Sicht nicht scharf genug gezeichnet.

Doch das größte Manko hat nichts mit der Autorin, sondern mit dem Übersetzer zu tun, der sich meiner Ansicht nach nur halbherzig seiner Arbeit gewidmet hat - zu kraftlos sind viele Formulierungen, vor allem die Episoden, in denen Elises anfänglich stümperhaftes Englisch dargestellt werden soll. Für die Zukunft wünsche ich dieser jungen, vielversprechenden Autorin einen der wirklich guten Übersetzer englischer Literatur wie Bernhard Robben oder Patricia Klobusiczky, dann wird sie sicher auch hierzulande noch mehr begeistern können.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Mal was anderes...

Meistens alles sehr schnell
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Mit "Meistens alles sehr schnell" hat Christopher Kloeble ein für die deutsche Literaturgeschichte höchst ungewöhnliches Werk erschaffen. Es handelt sich um die Suche eines sehr skurrilen Vater-Sohn-Gespanns ...

Mit "Meistens alles sehr schnell" hat Christopher Kloeble ein für die deutsche Literaturgeschichte höchst ungewöhnliches Werk erschaffen. Es handelt sich um die Suche eines sehr skurrilen Vater-Sohn-Gespanns bestehend aus Fred, dem leicht behinderten Vater und Anton, dem im Heim aufgewachsenen, inzwischen erwachsenen Sohn, nach ihrer Vergangenheit, vor allem nach der - zumindest für Anton - unbekannten Mutter. Auf dieser Reise rückwärts, die eher an angelsächsische literarische Traditionen gemahnt, treffen sie auf zahlreiche skurrile Gestalten aus der Vergangenheit, doch auch aus der Gegenwart, die ihnen, jeder auf seine Art, den Weg weisen. Die Familiengeschichte birgt Dunkles: Lieblosigkeit, Inzest, Verlassensein, Verstoßen - aber auch Gefühle.

Eine dichte, reichhaltige Geschichte, die man an einem Stück weglesen kann und die sprachlich teilweise extrem stark daher kommt, dann jedoch wieder merkwürdig abflacht. Durchgehende Sprach- und Wortgewalt wie auch inhaltliche Überzeugung kann ich diesem Buch nicht attestieren: gemahnt Kloebles Stil teilweise an Irving, sind die Figuren und ihr Verhältnis zueinander teilweise doch zu kühl, ja fast kaltherzig dargestellt, dann wiederum kommt überraschend Wärme durch, aber nur für eine Weile.

In mir wurden viele Fragen und zwiespältige Gefühle hervorgerufen. Ein Buch, das spannend zu lesen war und eine mögliche Anregung für Rezipienten von Irving, den beiden Jonathans (Lethem und Safran Foer), aber auch den deutschsprachigen Autoren Herrndorf und Lappert ist und für manch einen literarischen Höhepunkt darzustellen mag - für mich ist es eher die Verheißung auf weitere, größere Lesefreuden mit Christopher Kloeble, der im übrigen in diesem Roman auf sehr mutige und überraschende Art und Weise einen Einblick in die Herkunft seines Familiennamen gibt.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Wem kann ich vertrauen?

Eine große Zeit
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Diese Frage stellt sich dem Protagonisten von William Boyds Roman "Eine grosse Zeit", dem jungen Schauspieler Lysander Rief, im Verlauf der Geschichte mehr und mehr, wird er doch 1913 aus heiterem Himmel ...

Diese Frage stellt sich dem Protagonisten von William Boyds Roman "Eine grosse Zeit", dem jungen Schauspieler Lysander Rief, im Verlauf der Geschichte mehr und mehr, wird er doch 1913 aus heiterem Himmel in Wien - dort hielt er sich eigentlich wegen einer Psychotherapie auf - verhaftet und der Vergewaltigung bezichtigt.

Dadurch verändert sich sein ganzes Leben, denn auch der britische Geheimdienst kommt ins Spiel. Nicht lange, dann beginnt der erste Weltkrieg mit all seinen Wirren, Lysander gerät im wahrsten Sinne des Wortes in die Schusslinie und in einen Strudel der Ereignisse, der alle Lebensbereiche betrifft und weiß nicht mehr, wem er noch trauen kann: dies umfasst auch die engsten Familienmitglieder und Freunde.

Nicht die politische Situation an sich ist es, die hier im Mittelpunkt steht, nein, es geht vielmehr um jähe, unerwartete Veränderungen. So ist das Setting des Romans durch den Kulturbetrieb und die intellektuellen Kreise jener Zeit geprägt, nicht durch den Militarismus und andere politische Elemente, die eher den Rahmen bilden.

Aber Details nachzuerzählen wäre müßig: all das beschreibt der großartige britische Autor William Boyd - den ich bereits seit Mitte der 1980er Jahre verehre - so treffend, spannend und sprachlich so ansprechend, dass ich von Herzen eine Leseempfehlung für dieses Buch aussprechen möchte.

Wer also erfahren möchte, welch fatale Folgen der stümperhafte Gebrauch von Französisch haben kann, was "Verzauberte" sind oder wer einfach in die Atmosphäre des Umschwungs im "Alten Europa" eintauchen will, die von Boyd trefflich transportiert wird, kurzum: wer auf intelligente Weise bestens unterhalten will und auch mal gern einen Spionageroman zur Hand nimmt, der kommt um dieses wundervolle Werk nicht herum.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Eine Leiche verschwindet

Die Hauptstadt
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und noch einiges mehr! Was wie ein Krimi beginnt, verläuft früh im Sande - wie in Brüssel, dem Zentrum der EU so einiges im Sande verläuft. Dies erkennt der Leser dieses Romans sehr früh - EU-Aktivitäten ...

und noch einiges mehr! Was wie ein Krimi beginnt, verläuft früh im Sande - wie in Brüssel, dem Zentrum der EU so einiges im Sande verläuft. Dies erkennt der Leser dieses Romans sehr früh - EU-Aktivitäten und was drum herum geschieht, sind nicht unbedingt effizient. Ja, die EU hat eine Menge Leichen im Keller, insofern hat die hier beschriebene Leiche einen durchaus symbolischen Wert.

Insgesamt ist vieles, was hier über die EU geschrieben wird, sehr zutreffend, angefangen vom Vokabular (Concours, Basis, Generaldirektion und, und, und). Als ehemalige EU-Angestellte (wenn auch nur für kurze Zeit) fühlte ich mich gleich zu Hause in der Sprache des Buches, in seinen Themen.

Die Hackordnung in der EU ist strikt festgelegt - die mit dem Geld, bspw. die Generaldirektion Landwirtschaft, sind ganz oben.

Und ganz unten ist die DG Kultur, ausgerechnet dort leitet Xeno, zypriotische Möchtegern-Aktivistin, eine Abteilung. Um sich zu profilieren, plant sie einen EU-Geburtstag, eine große Feier. Nein, sie soll nicht am Robert-Schuman-Tag, dem Geburtstag des Gründers stattfinden, jedenfalls nicht unbedingt und sie soll mit einem symbolträchtigen Ereignis verknüpft werden.

Dieses ist auch bald gefunden - ich verrate es Ihnen nicht - und es ist so logisch wie makaber. Obwohl es durchaus polarisiert, kommt man davon nicht mehr weg.

Und alle Figuren - ob EU-Beamte bzw. Angestellte oder aus anderen Gründen in Brüssel zugange, scharen sich drum herum, ob es ihnen selbst nun bewusst ist oder nicht.

Ja, die EU ist hier abgebildet und dass Österreich einen aus meiner Sicht etwas überproportionalen Anteil annimmt, hat sicher mit der Nationalität des Autors zu tun, ich würde es jetzt nicht ganz so zentral einbinden, wie es hier geschieht. Wobei natürlich nicht alle Eu-Länder gleichermaßen Erwähnung finden, aber das internationale und vor allem -kulturelle Gefüge wird durch die Erläuterungen des Robert Menasses sehr plastisch und durchaus nachvollziehbar abgebildet.

Was hier los ist! Oi oi oi, falsch Eu, eu,eu muss es heißen, denn um die EU kreist dieser dadurch ausgesprochen zeitgemäße Roman auf jeder Seite, sie ist das Universum, um das sich alles dreht, keine USA, keine NATO.

Menasse entwickelt einen wilden Reigen von Personen, denen man als Leser wieder und wieder begegnet: alte, mittelalte und junge, von denen jeder auf seine Art von Europa geprägt ist - und sein europäisches Päckchen zu tragen hat. Auch wenn es teilweise ein wenig chaotisch zuging, habe ich die Lektüre sehr genossen - am Ende standen mir die Tränen in den Augen, so habe ich mich in die Geschichte hineingefunden. Aber keine Angst, es gibt auch heitere Stellen, wenn auch eher solche der makabren Art. Sie können jetzt schon über die Bedeutung des Satzes "KZ-Überlebende sind keine Alumni." (S.242) rätseln, der für die Entwicklung der Story eine nicht unwesentliche Bedeutung hat. Vielleicht regt er sie ja zum Lesen an.

Definitiv ein Buch für Leser, für die die EU nicht nur eine Abkürzung ist, sondern ein Teil ihres Lebens. Und die, wenn sie sich darauf einlassen, viel Spass damit haben werden!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Die Eigenen und die Anderen

Ehemänner
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Jarvis hat ihren Mann verloren. Zumindest seinen Geist, sein Körper ist noch da, die Hülle sozusagen und vegetiert vor sich hin, schon seit sechs langen Jahren. Er liegt nämlich im Koma, nach einem ziemlich ...

Jarvis hat ihren Mann verloren. Zumindest seinen Geist, sein Körper ist noch da, die Hülle sozusagen und vegetiert vor sich hin, schon seit sechs langen Jahren. Er liegt nämlich im Koma, nach einem ziemlich dämlichen Sturz im eigenen Atelier. Martin Miller ist nämlich Maler, ein ziemlich erfolgreicher sogar, doch zum wahren Star stieg er erst nach seinem tragischen Unfall auf.

Jarvis ist quasi sein Anhängsel, da sie völlig von ihm abhängig ist, er hat sie zu dem geformt, was sie ist. Seit sie mit ihm zusammen ist, geht es ihr gut, sie nimmt keine Drogen mehr und ist Teil der besseren Gesellschaft geworden. Naja, das ist seit sechs Jahren Vergangenheit, denn nun ist sie wieder allein, verkauft ab und an mal ein Bild, um Martins Aufenthalt in einem teuren Heim zu finanzieren und fühlt sich unendlich einsam.

Obwohl ihre Freunde Alice und Davis ständig um sie herum sind. Aber es sind eigentlich Martins Freunde, oder auch nicht, denn mit ihrer Freundschaft sind geschäftliche Interessen verbunden. Und nun setzen sie Jarvis zu, vor allem Alice, die Besitzerin einer erfolgreichen Galerie ist. Dennoch entzieht sich Jarvis nicht ganz - aus Höflichkeit oder aus Einsamkeit?

Bis sie aus Zufall in einen Waschsalon gerät und dort drei Männer - alles Ehemänner, Männer anderer Frauen also - kennenlernt, die sich jeden Dienstag dort treffen und sie einladen, Teil dieser Runde zu werden. Nicht nur, aber auch dadurch verändert sie sich nachhaltig. Sie beginnt, um ihre Interessen zu kämpfen. An verschiedenen Fronten.

Autorin Jamie Attenberg ist eine wirkliche Entdeckung. Sie schreibt wirklich gut, differenziert, eloquent, bringt den Leser zum Nachdenken und zeichnet mit leichter Feder ein gelungenes Bild von der Kunstszene New Yorks. Eine Autorin, die leichtfüßig durch ihre Erzählung wandelt, in wenigen Sätzen eindringliche Charaktere schafft, den Leser in Situationen bringt, in denen er nicht weiß, wie er sich entscheiden würde, für die bzw. für deren Komplexität er dennoch Verständnis hat.

Ein spannender, gut geschriebener Roman, der an manchen Stellen doch nicht ganz überzeugend für mich rüberkam. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Ich habe eine Autorin kennengelernt, von der ich mehr lesen möchte!