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Veröffentlicht am 31.03.2025

Skizze einer Entfremdung von der Arbeit und dem eigenen Leben

Geht so
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"Geht so" geschrieben von Beatriz Serrano, und ausgezeichnet übersetzt von Christiane Quandt, hat in Spanien den renommierten Literaturpreis "Planeta" gewonnen. Das hat mich neugierig gemacht auf dieses ...

"Geht so" geschrieben von Beatriz Serrano, und ausgezeichnet übersetzt von Christiane Quandt, hat in Spanien den renommierten Literaturpreis "Planeta" gewonnen. Das hat mich neugierig gemacht auf dieses Buch mit dem vordergründig so unscheinbaren Titel, aber gleichzeitig einem sehr aussagekräftigen Titelbild einer jungen Frau, die sich aus einem Fenster hängen lässt.

Tatsächlich ist das Buch eines meiner Jahreshighlights, weil es der Autorin gelingt, in sehr pointierter, treffender Weise die Entfremdung von der Arbeit und damit - weil diese oft so einen großen Raum im eigenen Leben einnimmt - auch insgesamt von sich selbst und dem eigenen Leben, unter der speziell so viele junge Menschen der Generationen Millenials und Zoomer leiden, zu skizzieren und damit nachvollziehbar und nachfühlbar zu machen.

Marisa ist eine junge Frau in ihren 30ern, die in Madrid lebt und Kunstgeschichte studiert hat. Beruflich ist sie in einer Werbeagentur gelandet und mit ihrer Kreativität, Intelligenz und ihrem Charisma sehr erfolgreich in dem, was sie tut. Kaum jemand merkt, wie sehr Marisa innerlich ihren Job, den sie als sinnlos wahrnimmt und der gleichzeitig fast ihre gesamte Zeit und Lebensenergie frisst, hasst. Überhaupt jeden Tag weiter zur Arbeit zu gehen, das gelingt Marisa nur durch die Einnahme von Tabletten, und sie träumt davon, einen Unfall zu haben, der sie von der Last dieser Arbeit befreien könnte.

Auch sonst ist Marisas Leben eher sinnentleert: sie hat kaum Freunde, statt einer ernsthaften Beziehung nur eine Freundschaft+ mit ihrem Nachbarn und hat sich von ihren Eltern innerlich entfremdet. Freude oder zumindest Ablenkung findet Marisa höchstens daran, sich mit ihrem guten Gehalt nach der Arbeit im Supermarkt Delikatessen zu kaufen, und zur Ablenkung banale Youtube-Videos zu schauen, auch in der Arbeitszeit. Die eine Arbeitskollegin, mit der so etwas wie eine Freundschaft am Entstehen war, hat sich das Leben genommen.

Diese und eine weitere Freundin von Marisa, die sich entschieden hat, aus dem Erwerbsleben ganz auszusteigen und sich von wohlhabenden Männern finanzieren zu lassen, zeigen auf, dass es eben nicht nur ein individuelles Persönlichkeitsproblem Marisas ist, dass sie ihre Berufstätigkeit so sinnentleert empfindet, sondern es vielen anderen ähnlich geht und die Probleme dahinter systemische sind.

Und so schleppt sich Marisa jeden Tag innerlich depressiv, aber äußerlich unter dem Einfluss der Tabletten sehr gut funktionierend zu ihrer Arbeit, und wird innerlich in ihrer Einstellung dazu immer zynischer.

Das alles gipfelt in einem verpflichtenden Teambuilding-Event in einem Seminarhotel am sonst freien Wochenende, für das Marisa alle verbleibenden Kräfte zu mobilisieren versucht, obwohl sie eigentlich am Ende ist:

"Seit Monaten laufen die Vorbereitungen für unseren gemeinsamen Ausflug. Und ich habe es verpasst, mir rechtzeitig eine Ausrede einfallen zu lassen. Die Vorstellung, ein ganzes Wochenende mit den Leuten aus meinem Büro zu verbringen, erscheint mir etwa so erstrebenswert, wie mir die Fußnägel mit einer Zange rauszureißen."

Das Buch ist sehr gut geschrieben und aus der Perspektive Marisas erleben wir eine hochintelligente Frau, die ihre Erfahrung und ihr Leid sehr treffend und mit einem bitterschwarzen Humor auf den Punkt bringen kann:

"... in meinem Fall erschien mir die Werbebranche sicherer und stabiler als die hypothetische und sich immer weiter von mir entfernende Welt der Kunst. Ich schätze, ich habe versagt. Eigentlich habe ich mich, vor der Wahl, glücklicher zu sein oder mehr Dinge zu kaufen, schlicht und einfach dafür entschieden, mehr Dinge zu kaufen." (S. 27)

"Jetzt ist das Büro wirklich leer. Noch ein Vorteil, wenn man früher in die Pause geht: man kann sich sehr viel mehr Zeit lassen als nötig, weil sowieso alle beim Essen sind, wenn man zurückkommt." (S. 81)

Insgesamt regt das Buch zum Nachdenken und Diskutieren über viele Themen an: über den Stellenwert von Arbeit, über als sinnlos erlebte Jobs, über das kapitalistische Wirtschaftssystem, in dem wir leben, über mögliche Alternativen und Auswege und über vieles mehr.

Ein kluges Buch, dem ich viele Menschen wünsche, die es lesen und miteinander überlegen, an welchen Stellen es in unserem Wirtschaftssystem und in unserem Umgang mit Arbeit krankt und was wir gemeinsam daran zum Wohle aller verändern könnten.

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Veröffentlicht am 19.03.2025

Inspiriert zum Diskutieren über Recht und Gerechtigkeit

Dunkle Momente
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Die Strafverteidigerin Eva Herbergen ist eine Getriebene. Schwer lastet die Schuld auf ihr. Denn vor mehreren Jahrzehnten hat sie einem Mandanten Unrecht getan, war für ihn nicht so eine gute Strafverteidigerin, ...

Die Strafverteidigerin Eva Herbergen ist eine Getriebene. Schwer lastet die Schuld auf ihr. Denn vor mehreren Jahrzehnten hat sie einem Mandanten Unrecht getan, war für ihn nicht so eine gute Strafverteidigerin, wie sie sein hätte können, und das hat zu einer furchtbaren Tragödie geführt, an der sie sich mitschuldig fühlt (dies wird schon ganz zu Beginn erwähnt, aber erst im allerletzten Fall erfahren wir die Details dazu).

In Elisa Hovens ausgezeichnetem und sehr nachdenklich machendem Debütroman "Dunkle Momente" erleben wir, wie eben diese Strafverteidigerin an dieser Schuld leidet und nun in ihrem weiteren Berufsleben versucht, für größtmögliche Gerechtigkeit nach ihren individuellen Maßstäben zu sorgen - auch durch Eingriffe am Rande des Legalen oder durch solche, die sogar eindeutig illegal sind.

Dieses Buch ist also ganz sicherlich kein Musterbeispiel dafür, wie sich eine Strafverteidigerin ethisch und juristisch einwandfrei verhalten sollte. Und auch keine Dokumentation darüber, wie sich Strafverteidiger üblicherweise verhalten (hoffe ich mal). Denn wir haben eine nicht unbedingt sympathische, oft wenig selbstreflektierte Protagonistin, die sich oft nicht einwandfrei verhält oder sogar strafbar macht. Wir wünschen uns als Gesellschaft nicht, dass Strafverteidiger so handeln. Aber: genau durch diese Protagonistin und ihr Handeln wird das Buch besonders spannend und regt umso mehr zu interessanten Diskussionen an.

Denn es werden insgesamt neun Fälle vorgestellt, die alle auf die eine oder andere Weise jedenfalls moralisch, oft auch juristisch, nicht eindeutig sind. Ein paar Beispiele:

- Darf ein alter Mann, bei dem eingebrochen wurde, den jugendlichen Einbrecher erschießen? Auch von hinten und wenn dieser sich schon auf der Flucht befindet? Und wie sieht es damit aus, wenn dieser Mann danach unter einem Vorwand rechtliche Informationen einholt, um im Nachhinein Beweismittel zu fälschen, und sich vor einer seiner Meinung nach ungerechtfertigten Strafe zu schützen?

- Sollte es als strafmildernd gelten, wenn jemand, der schreckliche Verbrechen begangen, gefoltert und gemordet hat, selbst als Kindersoldat rekrutiert wurde und seitdem nur Schreckliches erlebt hat? Und inwiefern betrifft es uns in Mitteleuropa, wenn in Afrika oder anderswo Verbrechen verübt wurden, die keinen direkten Bezug zu uns haben? Dürfen und sollten wir darüber zu Gericht sitzen, mit unseren mitteleuropäischen Maßstäben und aus der Perspektive unserer deutlich behüteteren Herkunft?

- Wenn von 11 Männern auf einem Junggesellenabschied 10 nachweislich eine junge Frau misshandelt und vergewaltigt haben, aber alle die Tat leugnen, sodass nicht feststellbar ist, wer unschuldig ist: was ist schlimmer, wenn alle Täter aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden oder wenn ein Unschuldiger mit ins Gefängnis geht?

- Wann, wenn überhaupt jemals, ist es moralisch gerechtfertigt, Unterlagen zu verschwinden zu lassen oder eine Geschichte zu verfälschen, um jemanden davor zu schützen, mit erschreckenden Wahrheiten über die eigene Familie konfrontiert zu werden?

All diesen und noch vielen weiteren ethischen Fragen muss sich die Strafverteidigerin Eva Herbergen stellen. Dabei bezieht sie aufgrund der Informationen, die sie jeweils im Moment der Entscheidung hat, moralisch Position, und entscheidet sich, aktiv in die Beweisermittlung einzugreifen, Beweise zu manipulieren oder verschwinden zu lassen, Falschinformationen an die Presse zu spielen oder fragwürdiges Verhalten ihrer Mandanten (z.B. eine Falschaussage, von der sie Kenntnis hat) zu decken. Eva meint damit im jeweiligen Moment, ethisch richtig zu handeln und ihre Entscheidungen vor ihrem eigenen Gewissen verantworten zu können. Mal entscheidet sie sich in die eine, mal in die andere Richtung, wird manchmal tätig, schweigt das nächste Mal.

Was das Buch besonders interessant macht, sind die vielen unerwarteten Wendungen. Die Wahrheit ist eben nicht unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt eindeutig ersichtlich, weder für uns Lesende noch für Eva Herbergen selbst.

Unterstützt wird das noch dadurch - vermutlich von der Autorin bewusst so gewählt - dass die Täter bzw. Opfer oft sehr tendenziös und einseitig geschildert werden - vielleicht ähnlich, wie manche Strafverteidiger es vor Gericht machen würden, um ein bestimmtes, erwünschtes Bild ihres Mandanten zu zeichnen und die Geschworenen oder Richter in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wir dürfen nicht vergessen, die Position eines Strafverteidigers, einer Strafverteidigerin, ist keine neutrale, sondern eine parteiische, im Sinne der Interessen der eigenen Mandanten.

Mit dieser einseitigen Darstellung steuert die Autorin auch bewusst unsere Sympathien und Antipathien, und zeigt uns Lesenden gleichzeitig auf, wie manipulierbar wir sind. Denn jede Geschichte kann von vielen Blickwinkeln aus erzählt werden, und sieht ganz anders aus, je nachdem, ob die Perspektive des Opfers oder des Täters oder eines Zeugen eingenommen wird.

Doch oft sind die Dinge nicht so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. So stellt sich immer wieder im Nachhinein heraus, dass Eva Herbergens Eingreifen oder Verschweigen nicht nur juristisch, sondern auch moralisch äußerst fragwürdig war, und manchmal dazu beigetragen hat, Schuldige vor dem Gefängnis zu bewahren oder sogar Unschuldige dorthin zu bringen (was Eva Herbergen zum Zeitpunkt ihres Eingreifens natürlich nicht wusste).

Als Rahmenhandlung lernen wir Eva Herbergen auch privat ein bisschen kennen. Das Milieu ist ein für diesen Bereich typisches: Status, Geld und Schein spielen eine große Rolle. Man ist beruflich äußerst ehrgeizig, arbeitet viel, geht zum Ausgleich mit Gleichgesinnten in gehobene Restaurants essen, kleidet sich teuer, macht exquisite Reisen... und hat den Kinderwunsch solange verschoben, bis er sich leider in Evas Fall nicht mehr realisieren ließ. Einen kleinen Ausgleich schafft Evas Mann, ein bedachter, nachdenklicher und ihre Entscheidungen immer wieder (meist allerdings erfolglos) kritisch hinterfragender, ruhiger Literaturwissenschaftler.

Dennoch ist interessant an der Person Evas, dass sie eben nicht nur vom Wunsch nach Status und Erfolg, sondern vor allem von ihren Schuldgefühlen und dem Wunsch, Gerechtigkeit herzustellen, getrieben ist.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und gemeinsam mit anderen äußerst spannende Diskussionen darüber geführt. Es eignet sich wie kaum ein anderes Buch zum gemeinsamen Diskutieren, und es ist sehr spannend, was für unterschiedliche Wertepositionen sich dabei zeigen, selbst wenn man es in einer Gemeinschaft von Menschen diskutiert, die sich sonst in vielem ähnlich ist.

Damit macht es sehr nachdenklich darüber, woher unsere Werte kommen, womit wir diese verteidigen und warum sich diese in manchem von denen anderer Menschen, die anderes erlebt haben, unterscheiden. So zeigt das Buch auf, dass und warum sich das Rechtssystem eben nicht so einfach an irgendwelchen universalen Werten (so es diese überhaupt geben kann) orientierten kann und niemals das Gerechtsempfinden aller bedienen wird, sodass immer ein Spannungsverhältnis zwischen Recht und empfundener Gerechtigkeit bestehen wird.

Ich kann das Buch also allen, die sich für die Grenzbereiche des Rechts und der Moral interessieren, sehr empfehlen, mit einer Einschränkung: die vorgestellten Fälle werden eindringlich und detailliert in aller Brutalität geschildert und manches davon ist an der Grenze des Erträglichen für mitfühlende Menschen: es geht um Vergewaltigung, Folter, Mord (auch an Kindern), Kindersoldaten, Kannibalismus und viele weitere wirklich abscheuliche Themen. Wer sich davon schnell getriggert fühlt oder sich gerade in einer sehr sensiblen Lebensphase befindet, in der die Konfrontation mit solchen Abscheulichkeiten kaum erträglich ist, der sollte von diesem Buch besser Abstand nehmen.

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Veröffentlicht am 18.03.2025

Viele interessante Praxisbeispiele & wertvolle Tipps für mehr Freude im Berufsleben

Wie Arbeit glücklich macht
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Prof. Dr. Claas Lahmann ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Freiburger Universitätsklinik. Als solcher beschäftigt er sich forschend und beratend mit ...

Prof. Dr. Claas Lahmann ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Freiburger Universitätsklinik. Als solcher beschäftigt er sich forschend und beratend mit dem Thema, wann Arbeit krank macht und was wir ändern können, damit Arbeit glücklich, oder zumindest nicht unglücklich, macht.

Es ist ein sehr praxisnahes, zugängliches und zugleich pragmatisches und realistisches Buch, dem man die viele Erfahrung, die der Autor in diesem Bereich mitbringt, anmerkt. Besonders wohltuend habe ich den bedachten Ansatz des Autors gefunden, genau zu analysieren, woran es liegen könnte, wenn man beruflich unglücklich ist, und nicht aus einer Impulsreaktion heraus spontan alles hinzuschmeißen, ohne sich mit dem Thema tiefgründiger auseinandergesetzt zu haben. Damit hebt sich das Buch von der Vielzahl an unseriösen Ratgebern in dem Bereich, die blind jedem raten, "die eigenen Träume zu verwirklichen", ohne Rücksicht auf Nachteile, Verluste und Lebbarkeit dieser Träume, angenehm ab. Hier spricht ein Experte, der weiß, wovon er spricht, und der gleichzeitig auf ein großes Inventar praktischer Tipps und Tools verweisen kann, um die eigene berufliche Situation zu analysieren und gegebenenfalls zu verändern.

Auch optisch ist das Buch sehr ansprechend gestaltet, in einem fröhlichen Gelb und mit beiliegenden Karten mit dem Slogan "Love it, change it, or leave it". Die verschiedenen Kapitel beginnen mit Praxisbeispielen aus dem Beratungsalltag des Autors. Gleich im ersten Kapitel geht es um das Thema, ob der von vielen im Berufsleben unglücklichen Menschen erträumte komplette Ausstieg aus dem Berufsleben die Lösung ist und wirklich glücklicher macht. Bezug nehmend auf viele Studien zu dem Thema legt der Autor überzeugend da, dass das für die meisten Menschen nicht die Lösung ist, weil berufliche Arbeit im Idealfall neben dem Lohn oder Gehalt noch so viel mehr bietet, beispielsweise eine sinnvolle Aufgabe, soziale Anbindung und Tagesstruktur.

Dann geht es um die vier Prinzipien für eine Arbeit, die gut tut: Autonomie, die feine Balance des Gebens und Bekommens, Gerechtigkeit und psychologische Sicherheit (das Gefühl, gut aufgehoben zu sein). Auch diese werden praxisnah, spannend und gut verständlich vermittelt. Ich habe diese Prinzipien danach gleich auf verschiedene Stationen meines beruflichen Weges angewandt und sie haben mir geholfen, rückblickend so einiges besser zu verstehen.

Auch in den weiteren Kapiteln stellt der Autor viele praxisnahe Modelle vor, die man gut auf den eigenen Berufsalltag anwenden kann, zum Beispiel zu den verschiedenen Arten von Konflikten (Sach-, Macht-, Rollen-, Beziehungs-, Verteilungs- oder Ziel- und Wertkonflikte) und ein Modell, mit diesen umzugehen (Analyse von Grenzen, Autorität, Rollen und Aufgaben), zum Entschärfen von Konflikten, zum Umgang mit schwierigen Vorgesetzten oder zu Gehaltsverhandlungen, Urlaubs- und Pausenplanung und zum Umgang mit Über- oder Unterforderung.

Damit zeigt der Autor gut auf, an wie vielen kleineren Schräubchen gedreht werden kann, um aus einem herausfordernden Arbeitsplatz einen zufriedenstellenden zu machen, wenn möglich. Er geht aber auch darauf ein, woran man erkennen kann, wenn es gefährlich wird und Richtung Burnout oder anderer ernst zu nehmender körperlicher und psychischer Belastungen geht. Aufgelockert wird das Buch auch weiterhin durch Praxisbeispiele und Selbsteinschätzungsfragebögen, zum Beispiel zum Thema Resilienz.

Diese Themen machen etwa gut zwei Drittel des Buches aus. Im verbleibenden Drittel geht es darum, was man machen kann, wenn der Beruf grundsätzlich nicht mehr passt und wie man eine gute Entscheidung für einen beruflichen Wechsel planen und aktiv angehen kann. Schließlich finden sich am Ende des Buches noch weitere hilfreiche Tools wie z.B. ein Fragebogen zum Thema Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit sowie Tipps zur Suche eines guten Coaches oder Therapeuten.

Insgesamt handelt es sich um ein sehr interessantes, praxisnahes Buch, das man gut für die Analyse der eigenen beruflichen Situation einsetzen kann, auch ohne Coach oder Therapeuten, und das viele wertvolle Anregungen gibt, das eigene Berufsleben mit all seinen Vor- und Nachteilen zu analysieren und gegebenenfalls zu verbessern oder einen Wechsel zu planen. Leseempfehlung für alle, die aktiv ihre berufliche Situation reflektieren wollen - nicht nur für die, die schon sehr unzufrieden sind, sondern auch für alle anderen.

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Veröffentlicht am 18.03.2025

Leidenschaftliches persönliches Plädoyer für einen freundlicheren Umgang miteinander

Radikale Freundlichkeit
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Nora Blum ist eine bewundernswerte, mutige, junge Frau, die im Alter von 24 Jahren gemeinsam mit Katrin Bermbach und Farina Schurzfeld das Unternehmen "Selfapy" gegründet hat, bei dem Menschen, die lange ...

Nora Blum ist eine bewundernswerte, mutige, junge Frau, die im Alter von 24 Jahren gemeinsam mit Katrin Bermbach und Farina Schurzfeld das Unternehmen "Selfapy" gegründet hat, bei dem Menschen, die lange auf einen Therapieplatz warten müssen, die Zwischenzeit mit therapeutischen Übungen, die ihnen eine App vermittelt, überbrücken können. Mittlerweile gibt es erste Studien zur Effektivität dieser App.

Als junge Gründerin auf der Suche nach Kapital, aber auch davor in ihrem Arbeits- und Privatleben hat Frau Blum immer wieder die erschütternde Erfahrung machen müssen, dass unsere Gesellschaft tendenziell unfreundlicher wird und Freundlichkeit insbesondere beruflich kein Wert ist, der hoch geschätzt ist. Einmal bekam sie sogar von potentiellen Investoren das Feedback, dass sie nicht in ihr Unternehmen investieren würden, weil sie bei der Präsentation zu freundlich gewesen sei und sie ihr die erforderliche Ellbogenmentalität nicht zutrauen würden.

Nun hat Nora Blum, die sich vor einiger Zeit aus dem operativen Geschäft bei Selfapy zurückgezogen hat, mit diesem Buch ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Freundlichkeit im Umgang miteinander geschrieben. Persönlich und nahbar leitet sie jedes Kapitel mit einer Geschichte aus ihrem Leben ein, die sie dann analysiert. Darauf folgen die Verbindung mit psychologischen Konzepten und wissenschaftlichen Studien dazu, wie sehr Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Spenden auch unserer körperlichen und psychischen Gesundheit und unserem Lebensglück zuträglich sind, und praktische Ideen und Beispiele, wie man durch kleine, leicht umsetzbare Handlungen im persönlichen Umfeld Freundlichkeit leben und damit zu einer lebenswerteren, angenehmeren Welt für alle beitragen kann.

Besonders eingegangen wird auf aktuelle Themen wie den Umgang mit dem Smartphone, das uns oft durch seine intensive Nutzung von unseren Mitmenschen distanziert, oder die sogenannte "Königsdisziplin", auch unter Stress - unter dem viele Menschen heutzutage leiden - freundlich zu bleiben, genauso wie in herausfordernden politischen Diskussionen mit Menschen, die eine ganz andere Weltanschauung haben, die wir nicht teilen können.

Was trägt zu Freundlichkeit im Alltag bei? Da finden sich im Buch viele Beispiele, von Blickkontakt und Anlächeln der Kassierin im Supermarkt, über kleine Gesten der Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden (z.B. jemandem helfen, den Kinderwagen in die Straßenbahn zu heben) über Spenden bis zu regelmäßigem freiwilligem Engagement. Deutlich wird aber auch klar, dass hinter diesen nach außen sichtbaren Zeichen eine menschenfreundliche Haltung steht.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es ist unterhaltsam, gut verständlich, persönlich und nahbar geschrieben. Besonders die Geschichten aus dem Lebensalltag der Autorin haben mir sehr gut gefallen, auch, weil sie als so junge Unternehmensgründerin so eine spannende Persönlichkeit ist und ich mich gefreut habe, auf diesem Weg nicht nur über das Thema des Buches, sondern auch über sie und ihren Lebensweg ein bisschen etwas zu erfahren. Ich kann das Buch allen empfehlen, denen das Thema "Freundlichkeit" ein Anliegen ist oder sein sollte - also uns allen.

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Veröffentlicht am 14.03.2025

Sensibel erzählte Geschichte von sozialem Abstieg

Bis die Sonne scheint
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Christian Schünemann, bisher eher für Krimis bekannt, hat sich mit diesem Roman in den Bereich der autofiktionalen Literatur begeben, und das gleich in hoher Qualität. In "Bis die Sonne scheint" erzählt ...

Christian Schünemann, bisher eher für Krimis bekannt, hat sich mit diesem Roman in den Bereich der autofiktionalen Literatur begeben, und das gleich in hoher Qualität. In "Bis die Sonne scheint" erzählt er einen Ausschnitt aus seiner eigenen Familiengeschichte, basierend auf seinen Jugenderinnerungen sowie auf vielen Briefen, die die mittlerweile verstorbene Mutter mit ihrer in Amerika lebenden Schwester ausgetauscht hat.

Überwiegend spielt die Handlung in den 1980er Jahren, doch es gibt auch immer wieder Rückblenden in frühere Zeiten, sodass wir erfahren, woher die väterliche und die mütterliche Seite der Familie kommen, wie die Eltern aufgewachsen sind und was sie geprägt hat. Das schafft nochmal mehr Verständnis und Mitgefühl.

Durch die Augen des jugendlichen Daniels, der jüngste von vier Geschwistern und kurz vor der Konfirmation stehend, erleben wir, wie eine ehemals erfolgreiche und sehr fleißige Familie in immer größere finanzielle Schwierigkeiten gerät, vor denen die Eltern jedoch die Augen verschließen. Die unternehmerische Tätigkeit des Vaters läuft aufgrund veränderter wirtschaftlicher Bedingungen und eigener kurzfristiger Planung nicht mehr so wie früher, und auch die Versuche der Mutter, Geld zu verdienen, sind nicht dauerhaft erfolgreich, sodass bald der Exekutor vor der Tür steht und "Kuckuck-Pfändungsmarken" auf Klavier und Fernseher klebt.

Daniel muss sich für seine Konfirmation mit einer viel kleineren Feier und bescheidenerer Kleidung zufrieden geben, auch der ersehnte Frankreich-Trip mit der Schule ist nicht mehr möglich... und doch schmeißen die Eltern auch immer wieder impulsiv für scheinbar sinnlosen Konsum das Geld zum Fenster heraus, während die finanzielle Misere immer größer wird. Man will sich schließlich belohnen. Und man lebt in einer Zeit und einem sozialen Umfeld, in dem es extrem wichtig ist, zu zeigen, wer man ist und was man hat.

Aus der Nachkriegsarmut kommend haben die Eltern sich mit harter Arbeit und Fleiß ihren Wohlstand und Status bitter erarbeitet... umso schwieriger ist es, den Tatsachen des immer größer werdenden finanziellen Ruins ins Auge zu sehen... da fährt man lieber noch schnell ein letztes Mal auf Urlaub, dorthin, wo die Sonne scheint - während daheim das Haus demnächst zwangsversteigert wird und die Kaufinteressenten schon im Garten stehen.

Es ist eine Familiengeschichte von sozialem Aufstieg, Abstieg und Verleugnung. Ein Zeitporträt der 1980er Jahre in der BRD und der damals weit verbreiteten Werte. Dabei gelingt es dem Autor, seine Familie keineswegs vorzuführen oder zu verurteilen, sondern durch die vielschichtige und mehrere Jahrzehnte umfassende Betrachtungsweise und die sensible Charakterisierung der einzelnen Figuren auch Mitgefühl und Verständnis für sie zu schaffen.

Sprachlich liest sich das Buch angenehm, locker und unterhaltsam, ist vom Stil her zugänglich und interessant, und regt bei aller Leichtigkeit doch zum Nachdenken über sozialen Aufstieg und Abstieg, Ehrlichkeit vs. Verschweigen in der Familie und in der Gesellschaft und generell die gesellschaftlichen Werte in der BRD im 20. Jahrhundert an. Wer zu dieser Zeit gelebt hat, wird einiges wieder erkennen. Wer jünger ist, kann einiges lernen, was zum besseren Verständnis älterer Generationen beitragen kann. Damit ist es ein empfehlenswertes Buch für eine breite Leserschaft.

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