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Veröffentlicht am 20.12.2017

Kay Scarpetta ist wieder da

Totenstarre
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Kay Scarpetta freut sich auf ein entspanntes Wochenende mit ihrem Mann Benton, der einzige Wermutstropfen ist der bevorstehende Besuch ihrer eher aus Pflichtbewusstsein geliebten Schwester Dorothy, aber ...

Kay Scarpetta freut sich auf ein entspanntes Wochenende mit ihrem Mann Benton, der einzige Wermutstropfen ist der bevorstehende Besuch ihrer eher aus Pflichtbewusstsein geliebten Schwester Dorothy, aber den wird sie "with a little Help from her Friends" schon wuppen!

Wie der Leser sich bereits denken kann, kommt Kay eine Leiche dazwischen ein junges Mädchen, das dem, mit dem sie vor wenigen Minuten noch zu tun hatte, sehr ähnelt.

Und sie wird nicht die einzige bleiben...
Bis sich die Dinge aber weiterentwickeln, geht eine Menge Zeit ins Land - und sehr, sehr viele Seiten! Die Lektüre zieht sich und zwar nicht zu knapp! Es ploppen reihenweise Nebenbaustellen auf, sei es durch das Auftreten weiterer Figuren, sei es durch das Einflechten weiterer Erzählstränge. So spannend die Fakten auch sind, so zäh zieht sich das Geschehen dahin, nicht zuletzt durch die zahlreichen Wiederholungen.

Ja, Kay Scarpetta ist wieder da, die Gerichtsmedizinerin der (Krimi)Herzen! Sie ist alt und umständlich geworden, genau wie ihre Autorin. So richtig Schmackes kam ganz zu Beginn und dann erst wieder am ganz Ende auf. Wem das reicht, der wird sich auf ein Wiedersehen mit der erfahrenen Fachkraft in ihrem nunmehr 24. Fall freuen. Auch ich hatte mich sehr gefreut, war aber am Ende dann doch ein wenig enttäuscht.

Lesern, die Kay Scarpetta bisher noch nicht kennen, würde ich vehement davon abraten, mit diesem späten Fall einzusteigen - im Verlauf der Lektüre wird so einiges an Vorwissen vorausgesetzt!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Heimatlos

Außer sich
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Eine Frau, eine sehr junge, Ali nämlich, hat sich verloren. Beziehungsweise einen Teil von sich, nämlich ihren Zwillingsbruder Anton. Und sie zieht hinaus in die Welt, um ihn zu suchen, in Richtung Istanbul, ...

Eine Frau, eine sehr junge, Ali nämlich, hat sich verloren. Beziehungsweise einen Teil von sich, nämlich ihren Zwillingsbruder Anton. Und sie zieht hinaus in die Welt, um ihn zu suchen, in Richtung Istanbul, von dort gab es nämlich ein Zeichen.

Wieder einmal zieht sie in die Welt, wie sie es schon in jungen Jahren, zusammen mit ihren Eltern tat - als jüdische Emigranten aus Russland verschlug es sie nach Deutschland.

Hier geht es um Heimat, aber mehr noch um Familie, wobei beides sehr oft eines ist - denn Heimat sollte sein, wo man zu Hause ist. In irgendeiner Form zumindest. Wird es das sein? Eine unruhige Geschichte um schwierige familiäre Beziehungen, um schwierige Beziehungen insgesamt. Denn auch die Suche nach einer neuen Familie, einer Herzensfamilie kann schwer, ja unmöglich sein. Das wird hier deutlich.

Ein Buch, das mich während des Lesens sehr auf Abstand hielt. Und auch nach der Lektüre kann ich keine Nähe zu ihm entwickeln, es entsendet viel Kälte und eine Menge Schmerz dazu. Ein Roman, der mir nachgeht, aber nicht auf eine gute Art und Weise, sondern eher wie ein unheimliches Gespenst, das mich umtreibt.

Absolut nicht warmherzig und positiv, jedoch durchaus gewaltig, was bewirkt, dass ich ihn nicht schnell aus mir vertreiben kann.

Eine Mahnung angesichts der heute sehr aktuellen Themen Exil, Vertreibung, Flucht. Sie alle werden hier thematisiert, wenn auch auf eine ganz eigene Art und Weise. Definitiv ein gewaltiges Buch, das eine ebensolche Wirkung hat.

Ein verstörendes Buch ist es auf jeden Fall und es tut sicher Not in dieser Zeit, ein solches vorzulegen, aber für mich ist es nicht das Richtige in dieser Zeit. Wenn es wenigstens den Punkt, meinen Casus Knaxus sozusagen treffen würde, was aber nicht der Fall ist. Es geht an mir vorbei und trifft mich dennoch.

Sasha Marianna Salzmann ist nämlich eine Autorin, die schreiben kann, die Kraft hat und diese auch rüberbringt. Ich würde vermuten, dass sie sich damit in den Geist all ihrer Leser schreibt, auf welche Art auch immer. Angesichts der Wirkung des Romans auf mich bin ich mir nicht sicher, ob und wann ich wieder zu einem ihrer Bücher greifen werde, aber wer die deutsche zeitgenössische Literatur im Auge hat, sollte es auf jeden Fall registrieren. Und zwar, indem er es liest.

Werde ich vielleicht auch noch mal in einer anderen Zeit, in einem anderen Leben, auch wenn es mir gegenwärtig definitiv nicht guttut. Das ist allerdings auch nicht die Aufgabe hochwertige Literatur, die vielmehr aufrütteln soll. In diesem Sinne hat sie ihre Funktion definitiv erfüllt - ich bleibe zerstört zurück!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Weng in den Augen von Thomas Bernhard und von seinem Nachfolger

Tau
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Oder Verfolger?

Nun, wie auch immer "Weng", das klingt chinesisch, gemeint ist aber ein kleines Dorf in Österreich, dasjenige nämlich, das in Thomas Bernhards Debütroman "Frost" eine Rolle spielte. Der ...

Oder Verfolger?

Nun, wie auch immer "Weng", das klingt chinesisch, gemeint ist aber ein kleines Dorf in Österreich, dasjenige nämlich, das in Thomas Bernhards Debütroman "Frost" eine Rolle spielte. Der Autor hat nämlich den Einwohnern einen Spiegel vorgehalten und zwar nicht zu knapp: selbstgerecht, voller Vorurteile, ja bösartig, so waren sie.

Für seinen Nachfolger, den namenlosen Ich-Erzähler des Romans, ist es eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, allerdings eine mit Bezug zu Bernhard. Er kehrt in den (inzwischen ehemaligen) Gasthof seiner Großeltern ein bzw. zurück, in dem das Buch entstand. Und zwar, inzwischen Assistent an der Uni, tatsächlich auf den Spuren von Bernhard zu Forschungszwecken.

Ein Buch, das es seinen Lesern nicht unbedingt leicht macht, denn Mulitzer schreibt scharfzüngig, provokant und bewusst polarisierend. Will er den Einwohnern von Weng (das es wirklich gibt, Bernhard hatte dort zwei Jahre in einer Lungenheilanstalt zugebracht) tatsächlich die Meinung geigen? Nun, es ist wohl mehr eine Auseinandersetzung mit Thomas Bernhard und dessen Figuren, vor allem aber mit sich selbst und seinen Erinnerungen.

Für Bernhard-Leser und Fans (bin ich beides nicht) sicher um einiges erfüllender als für mich, die die Entwicklungen wieder und wieder als verwirrend empfand. Und zu viel Sex, viel zu viel Sex für meinen Geschmack - hier wäre weniger wesentlich mehr gewesen, gerade auch im Hinblick auf die eigentlichen Schwerpunkte.

Dennoch, der Autor beeindruckt mit glasklaren Formulierungen, schwarzem Humor, scharfsinnigen Schlussfolgerungen - sprachlich ein wahrer Genuss. Wer sich also auf was Neues in jeder Hinsicht einlassen möchte - für den könnte dieses Buch was sein!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Frank Lehmann in Berlin

Wiener Straße
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Wir treffen auf Herrn Lehmann - inzwischen eher als Frank unterwegs und die bereits bekannten Berliner Konsorten im Jahr 1980. So richtig chronologisch geht sein Autor Sven Regener nicht mit ihm und den ...

Wir treffen auf Herrn Lehmann - inzwischen eher als Frank unterwegs und die bereits bekannten Berliner Konsorten im Jahr 1980. So richtig chronologisch geht sein Autor Sven Regener nicht mit ihm und den anderen Gesellen um - muss ja auch nicht.

Was mich vielmehr stört: die Luft ist momentan so ziemlich raus bei den Jungs und Mädels in Berlin, die diesmal in eine neue WG ziehen - rausgeschmissen bei Erwin Kächele, um Freundin und Kind (in naher Zukunft zu erwarten) Platz zu machen, hat dieser immerhin genug Verantwortungsbewusstsein, um ein neues Heim parat zu stellen für die 4er-WG bestehend aus Herrn Frank Lehmann, den Extemkünstlern Karl Schmidt und H.R. Ledigt (ich liebe diesen Namen) sowie der nervigen Chrissie, die ich wirklich nicht brauchen kann in diesen Büchern, auch wenn sie quasi meine Altersgenossin ist. Aber hätte ich sie in echt gekannt, ich hätte sie gehasst, so viel ist klar!

Wobei mich das beim Lesen überhaupt nicht stört, ich muss nicht jeden in den Büchern mögen. Aber während ich "Herr Lehmann" überaus unterhaltsam und "Neue Vahr Süd" sogar genial fand, dümpelt es hier gemächlich vor sich hin, vor allem aufgrund der ganzen Wiederholungen in Bezug auf Jobsuche und -verteilung in Erwins Kneipe. Ich weiß selbst noch allzugut, wie realistisch das damals war - Jobs waren wie auch "richtige" Stellen äußerst dünn gesät, aber dennoch: diese ständige Thematisierung nervt ziemlich.

Auch wenn ich Herrn Lehmann und Konsorten mag und sie niemals richtig schlecht beurteilen werde, muss ich diesmal ein paar Abstriche machen. Aber soweit, die Lektüre nicht zu empfehlen, gehe ich nicht - niemals! Herr Lehmann ist immer einen Blick (oder auch mehrere) wert.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Alte Geschichten...

Erleuchtung (Ein Karen-Stark-und-Paul-Bremer-Krimi 8)
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...beziehungsweise eine Geschichte, deren Fäden in Peru und in Deutschland, in der Vergangenheit - den "wilden" 60ern, den "ökomäßigen" 80ern - und der Gegenwart zusammenlaufen, steht im Mittelpunkt von ...

...beziehungsweise eine Geschichte, deren Fäden in Peru und in Deutschland, in der Vergangenheit - den "wilden" 60ern, den "ökomäßigen" 80ern - und der Gegenwart zusammenlaufen, steht im Mittelpunkt von Anne Chaplets neuem Kriminalroman.

Kommissar Giorgio DeLange trifft bei einer Dienstreise in Peru auf eine alte Geschichte, in der der ihm bekannte Karl-Heinz Neumann auftaucht... diese Geschichte hat mit viel Blut und Gewalt und mit großen Verlusten und nicht zuletzt mit der Terrororganisation "Leuchtender Pfad" zu tun. Karl-Heinz Neumann, einer der Player, begegnet ihm schließlich Monate später in der mondänen Umgebung des Maskenballs in der Alten Frankfurter Oper - von Seiten Neumanns ist diese Begegnung mehr als ungewollt, doch was steckt dahinter? Woher kennen sich die beiden, was sind die Hintergründe?

Wild geht es zu in der "Erleuchtung", wild und wirr - einerseits ist durchaus eine gewisse Spannung vorhanden, die sich durch die gesamte Geschichte zieht, doch zu wirr werden die Entwicklungen teilweise für meinen Geschmack, zu sehr springt die Handlung zwischen Hessen und Peru und verschiedenen Figuren hin und her.

Anne Chaplet schreibt fesselnd, literarisch anspruchsvoll und mit großer Kenntnis der internationalen Zeitgeschichte, daher ist auch ihr neues Werk auf sprachlicher Ebene ein Genuss und setzt sich wohltuend von der Masse deutscher Krimis ab. Doch leider vermag der Plot diesmal nicht Schritt zu halten mit den schriftstellerischen Fähigkeiten der Autorin, gerade zum Ende hin, wo doch eigentlich aufgelöst werden sollte, im letzten Drittel gibt es leider von allem - abgesehen von einer klaren Struktur und Auflösung - ein bisschen zu viel.