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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2017

Eine ungewöhnliche Familiengeschichte

Zwei lange Unterhosen der Marke Hering
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Vorweg erstmal: dies ist ein emotionales und sehr, sehr herzliches Buch - eine Verbeugung eines Enkels, nämlich Ariel Magnus, eines argentinischen Schriftstellers mit deutschen Wurzeln vor seiner Großmutter: ...

Vorweg erstmal: dies ist ein emotionales und sehr, sehr herzliches Buch - eine Verbeugung eines Enkels, nämlich Ariel Magnus, eines argentinischen Schriftstellers mit deutschen Wurzeln vor seiner Großmutter: ein inniges Denkmal, das er ihr bereits zu Lebzeiten setzt. Davor habe ich allergrößte Hochachtung - doch hätte ich vor dem Lesen bereits gewußt, was mich erwartet; ich weiss nicht, ob ich mich darauf eingelassen hätte.

Ich habe natürlich eine Familiengeschichte erwartet, allerdings eine, die sehr viel stärker in den historischen Kontext, in die Zeit des Nationalsozialismus eingebettet ist, als es hier der Fall ist. Durch den Klappentext erfährt der Leser im voraus, dass die Oma als junge Frau mutig und freiwillig ihrer blinden Mutter erst nach Theresienstadt, dann nach Auschwitz folgte. Genau darüber hätte ich gern sehr viel mehr erfahren, über die Umstände, die dazu führten, über die persönlichen Erfahrungen der Oma, die es nach dem Krieg nach Brasilien verschlug, im Wandel der Zeit - wobei ich mir ein wenig mehr Fokus auf dem "Wandel der Zeit" gew

Veröffentlicht am 21.12.2017

Nirgendwo ist Dranitz

Das Gutshaus - Glanzvolle Zeiten
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Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten ...

Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten Deutschland, doch - O Wunder - das Haus steht noch. Dass man sie dort nicht unbedingt (zurück)haben will, war zu erwarten. Dennoch, es gibt immer noch solche, die sie "Frau Baronin" nennen.

Und es gibt viele, viele Erinnerungen, solche an die Familie und solche an andere liebe Menschen, ganz besonders an einen. Und bald sind es nicht nur die Erinnerungen, sondern auch neue Verpflichtungen, die Franziska im Osten halten - sie hat das Gutshaus zurückerworben. Und sie ist nicht mehr allein - ihre Enkelin Jenny samt Nachwuchs hat sich zu ihr gesellt, auch ein Novum in ihrem Leben. Denn auch im Westen waren Franziskas Familienbande nicht gerade eng geflochten.

Viele Geheimnisse, kleinere und ein richtig großes, werden nach und nach enthüllt. Doch der Leser braucht einen langen Atem, denn Autorin Anne Jacobs kommt sehr langsam in die Pötte, ich würde sogar so weit gehen, die Entwicklungen als umständlich zu bezeichnen. Keine Einzelheit wird ausgelassen, die Autorin ist definitiv keine Freundin der Übersichtlichkeit. Dabei bleiben so einige Zusammenhänge bzw. Umstände, die durchaus auch von Interesse gewesen wären, auf der Strecke.

Zudem entsteht in mir der Eindruck, dass sie mit den "Ossis" bzw. den frischgebackenen Bundesbürgern teilweise hart ins Gericht geht - und ich bin selbst Wessi und kein unkritischer. Doch das hier war mir definitiv des Guten zu viel. Recht viele Klischees finden Eingang in die eigentlich durchaus interessante und spannende Geschichte. Ein bisschen kommt es mir vor wie die Vorlage zu einer Soap Opera, zu einer dieser Serien, deren Staffeln bald auf DVD zu erwerben sind. Spekuliert die Autorin vielleicht auf die Nachfolge von Christine Brückners "Poenichen"-Reihe, der sie aber aus meiner Sicht nicht das Wasser reichen kann?

Bisher jedenfalls nicht, denn dies ist erst der Erste von drei angekündigten Bänden. Und trotz meiner ja nicht gerade spärlichen Kritik überlege ich durchaus, am Ball zu bleiben, denn wie gesagt: der eigentliche Plot hat durchaus Charme.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Das Recht, gehört zu werden

Der Frauenchor von Chilbury
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haben im englischen Örtchen Chilbury bisher nur Männer. Naja, nicht nur, aber ohne sie läuft nicht viel und als sie allesamt in den Krieg ziehen, soll sogar der lokale Kirchenchor aufgelöst werden, denn ...

haben im englischen Örtchen Chilbury bisher nur Männer. Naja, nicht nur, aber ohne sie läuft nicht viel und als sie allesamt in den Krieg ziehen, soll sogar der lokale Kirchenchor aufgelöst werden, denn nur ihre Stimmen haben dem Ganzen ein Sinn gegeben.

So heißt es jedenfalls von seiten des Pfarrers und was der sagt, das wird akzeptiert. Oder zumindest hingenommen. Bis Musikprofessorin Primrose aus London in dem Örtchen Zuflucht findet. Schließlich schreiben wir das Jahr 1940, es herrscht Krieg und in London ist es viel zu gefährlich.

Primrose gelingt es, die örtliche Damenwelt aufzuwiegeln und mit dem Frauenchor wächst auch das weibliche Selbstbewusstsein.

Es könnte so schön sein, aber irgendwie hat dieses Buch, das sich durch seinen ungewöhnlichen Stil auszeichnet - es wird aus der Perspektive verschiedener Dorfbewohnerinnen berichtet - meinen Nerv nicht so recht treffen. Irgendwie zieht es sich und dieser kurze Auszug - es geht wirklich nur um das Jahr 1940 - ist auch nicht ganz mein Fall.

Klar, originell ist das Buch und sicher für Engländer auch interessanter als für manchen, der von außen auf die Geschichte schaut. Dennoch, mir ist ziemlich schnell langweilig geworden mit dem Buch, auch wenn einige Seitenstränge durchaus Spannung versprechen - aus meiner Sicht aber nicht halten, da das Buch in vielerlei Hinsicht ein wenig überladen ist und ich nach jeder Pause ganz schön Schwierigkeiten hatte, wieder reinzukommen. So empfehle ich das Buch nur Geschichtsinteressierten mit einer Vorliebe für England!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Einfach abhauen

Niemand verschwindet einfach so
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ist manchmal die einfachste Lösung und genau das tut Elyria. Zack! Ist sie weg aus ihrer New Yorker Wohnung, von ihrem um Einiges älteren Mann Charles, einem Professor und zack, ist sie sogar fort aus ...

ist manchmal die einfachste Lösung und genau das tut Elyria. Zack! Ist sie weg aus ihrer New Yorker Wohnung, von ihrem um Einiges älteren Mann Charles, einem Professor und zack, ist sie sogar fort aus den Vereinigten Staaten. Gen Neuseeland geht es mit dem Flugzeug, mit einem Ticket, das sie sich auf Kosten ihres Mannes hat ausstellen lassen. Wie sie ihr ganzes Leben in letzter Zeit auf seine Kosten gelebt hat - auch zu seinen Lasten?

Irgendwann geht das nicht mehr, denn irgendwann dreht Charles ihr den Geldhahn ab, nachdem sie sich Ewigkeiten nicht bei ihm meldet. Und als sie es dann doch tut, hat sie ihm nichts zu sagen. Nichts von Belang jedenfalls.

Warum das alles? Nun, Elyria hat ein ziemliches Trauma erlebt irgendwann und darüber dann auch zu ihrem Mann gefunden. Allerdings kann sie aus eigener Kraft nichts ändern und lässt auch Hilfe von außen nicht zu. Keine richtige jedenfalls. Denn unterwegs nimmt sie durchaus die Hilfe anderer Menschen an, wenn sie das gerade braucht.

Ich kann mir nicht helfen - ich mag Elyria nicht und ich habe auch nicht gern über sie gelesen, auch wenn Autorin Catherine Lacey zweifellos schreiben kann und ihr Porträt eines Menschen mit Vergangenheit, aber ohne Zukunft ein durchaus gelungenes ist. Aber nichts, was mich beim Lesen weiterbringt - ich könnte jetzt über den Sinn und das Sein von Elyria und ihrer Umgebung nachdenken, ich könnte versuchen, daraus Antworten auf meine Fragen zu entwickeln - wenn ich wollte. Will ich aber nicht. Ein solches Schicksal, bar jeder Energie bewirkt nichts bei mir, es zieht mich nicht einmal runter. Nein, es geht einfach an mir vorbei, dieses gut geschriebene Stück Literatur. Möge es anderen mehr bringen, ihnen besser gefallen.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Familientreffen für einen Sommer

Damals
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Eine Familie - vier Geschwister und ihr Anhang unterschiedlicher Art - trifft sich nach langer Zeit in ihrem gemeinsam Haus. Viele Erinnerungen hängen daran, hier wurden gemeinsame Sommer verbracht und ...

Eine Familie - vier Geschwister und ihr Anhang unterschiedlicher Art - trifft sich nach langer Zeit in ihrem gemeinsam Haus. Viele Erinnerungen hängen daran, hier wurden gemeinsame Sommer verbracht und zwar nicht wenige. Auch an die Verstorbenen, die Mutter und die Großeltern, kann man sich an diesem Ort ganz besonders gut erinnern - wenn man will. Das ist nicht bei jedem so und zudem ist eine schwere Entscheidung zu fällen: soll das Anwesen verkauft oder behalten werden? Dafür gibt man sich etwas Zeit - einen ganzen, gemeinsamen Sommer.

Obwohl die Handlung nur an einem Setting und zu zwei Zeitpunkten stattfand, empfand ich den Roman als jahrzehntelanges Über-die-Schulter-Schauen bei einer englischen Familie über Generationen hinweg. Trotz des gekonnten Stils empfand ich dieses Buch als überaus anstrengend und habe es nach der Lektüre so erschöpft beiseite gelegt, als hätte ich den ganzen Tag körperliche Schwerstarbeit geleistet.

Für meinen Geschmack gibt Tessa Hadley zu viel preis, erzählt mitunter zu ausgiebig, bezieht zu viele Nebenfiguren mit ein - wobei das bei einer ganzen Armee von Hauptdarstellern eigentlich nicht verwunderlich ist. Dadurch kommt zwar ein Stimmungsbild zustande, das durch den Einschub aus der Vergangenheit mehr Kraft und Vehemenz erhält, mich jedoch relativ emotionslos zurücklässt. Und ich bin ganz sicher, dass dies gerade nicht die Intention der Autorin ist. Was Ian McEwan - an ihn fühlte ich mich aufgrund der Thematik erinnert - bei mir mühelos vermag, nämlich mich mit einer alltäglichen Problematik tief zu beeindrucken - das konnte diese Autorin nicht erreichen.

Dies ist der erste Roman der in ihrer englischen Heimat bereits seit längerem bekannten Autorin Tessa Hadley, der ins Deutsche übersetzt wurde. Aus meiner Sicht braucht nichts weiter nachgeschoben zu werden, da ich sowieso nicht zu den Büchern greifen werde, doch warne ich Sie: lassen Sie sich nicht zu sehr von meiner etwas mißmutigen Stellungnahme beeinflussen. Ich gebe zu, ich hatte entsprechend hohe Erwartungen und bin nun etwas enttäuscht. Aber es kann sein, dass dieser Stil, dieser Blick auf eine Familie, der in England durchaus Tradition hat - man denke nur an Jane Austen oder auch an Virginia Woolf - sie anders als mich zu fesseln oder gar zu beflügeln vermag!