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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2017

Einfach abhauen

Niemand verschwindet einfach so
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ist manchmal die einfachste Lösung und genau das tut Elyria. Zack! Ist sie weg aus ihrer New Yorker Wohnung, von ihrem um Einiges älteren Mann Charles, einem Professor und zack, ist sie sogar fort aus ...

ist manchmal die einfachste Lösung und genau das tut Elyria. Zack! Ist sie weg aus ihrer New Yorker Wohnung, von ihrem um Einiges älteren Mann Charles, einem Professor und zack, ist sie sogar fort aus den Vereinigten Staaten. Gen Neuseeland geht es mit dem Flugzeug, mit einem Ticket, das sie sich auf Kosten ihres Mannes hat ausstellen lassen. Wie sie ihr ganzes Leben in letzter Zeit auf seine Kosten gelebt hat - auch zu seinen Lasten?

Irgendwann geht das nicht mehr, denn irgendwann dreht Charles ihr den Geldhahn ab, nachdem sie sich Ewigkeiten nicht bei ihm meldet. Und als sie es dann doch tut, hat sie ihm nichts zu sagen. Nichts von Belang jedenfalls.

Warum das alles? Nun, Elyria hat ein ziemliches Trauma erlebt irgendwann und darüber dann auch zu ihrem Mann gefunden. Allerdings kann sie aus eigener Kraft nichts ändern und lässt auch Hilfe von außen nicht zu. Keine richtige jedenfalls. Denn unterwegs nimmt sie durchaus die Hilfe anderer Menschen an, wenn sie das gerade braucht.

Ich kann mir nicht helfen - ich mag Elyria nicht und ich habe auch nicht gern über sie gelesen, auch wenn Autorin Catherine Lacey zweifellos schreiben kann und ihr Porträt eines Menschen mit Vergangenheit, aber ohne Zukunft ein durchaus gelungenes ist. Aber nichts, was mich beim Lesen weiterbringt - ich könnte jetzt über den Sinn und das Sein von Elyria und ihrer Umgebung nachdenken, ich könnte versuchen, daraus Antworten auf meine Fragen zu entwickeln - wenn ich wollte. Will ich aber nicht. Ein solches Schicksal, bar jeder Energie bewirkt nichts bei mir, es zieht mich nicht einmal runter. Nein, es geht einfach an mir vorbei, dieses gut geschriebene Stück Literatur. Möge es anderen mehr bringen, ihnen besser gefallen.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Familientreffen für einen Sommer

Damals
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Eine Familie - vier Geschwister und ihr Anhang unterschiedlicher Art - trifft sich nach langer Zeit in ihrem gemeinsam Haus. Viele Erinnerungen hängen daran, hier wurden gemeinsame Sommer verbracht und ...

Eine Familie - vier Geschwister und ihr Anhang unterschiedlicher Art - trifft sich nach langer Zeit in ihrem gemeinsam Haus. Viele Erinnerungen hängen daran, hier wurden gemeinsame Sommer verbracht und zwar nicht wenige. Auch an die Verstorbenen, die Mutter und die Großeltern, kann man sich an diesem Ort ganz besonders gut erinnern - wenn man will. Das ist nicht bei jedem so und zudem ist eine schwere Entscheidung zu fällen: soll das Anwesen verkauft oder behalten werden? Dafür gibt man sich etwas Zeit - einen ganzen, gemeinsamen Sommer.

Obwohl die Handlung nur an einem Setting und zu zwei Zeitpunkten stattfand, empfand ich den Roman als jahrzehntelanges Über-die-Schulter-Schauen bei einer englischen Familie über Generationen hinweg. Trotz des gekonnten Stils empfand ich dieses Buch als überaus anstrengend und habe es nach der Lektüre so erschöpft beiseite gelegt, als hätte ich den ganzen Tag körperliche Schwerstarbeit geleistet.

Für meinen Geschmack gibt Tessa Hadley zu viel preis, erzählt mitunter zu ausgiebig, bezieht zu viele Nebenfiguren mit ein - wobei das bei einer ganzen Armee von Hauptdarstellern eigentlich nicht verwunderlich ist. Dadurch kommt zwar ein Stimmungsbild zustande, das durch den Einschub aus der Vergangenheit mehr Kraft und Vehemenz erhält, mich jedoch relativ emotionslos zurücklässt. Und ich bin ganz sicher, dass dies gerade nicht die Intention der Autorin ist. Was Ian McEwan - an ihn fühlte ich mich aufgrund der Thematik erinnert - bei mir mühelos vermag, nämlich mich mit einer alltäglichen Problematik tief zu beeindrucken - das konnte diese Autorin nicht erreichen.

Dies ist der erste Roman der in ihrer englischen Heimat bereits seit längerem bekannten Autorin Tessa Hadley, der ins Deutsche übersetzt wurde. Aus meiner Sicht braucht nichts weiter nachgeschoben zu werden, da ich sowieso nicht zu den Büchern greifen werde, doch warne ich Sie: lassen Sie sich nicht zu sehr von meiner etwas mißmutigen Stellungnahme beeinflussen. Ich gebe zu, ich hatte entsprechend hohe Erwartungen und bin nun etwas enttäuscht. Aber es kann sein, dass dieser Stil, dieser Blick auf eine Familie, der in England durchaus Tradition hat - man denke nur an Jane Austen oder auch an Virginia Woolf - sie anders als mich zu fesseln oder gar zu beflügeln vermag!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Kay Scarpetta ist wieder da

Totenstarre
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Kay Scarpetta freut sich auf ein entspanntes Wochenende mit ihrem Mann Benton, der einzige Wermutstropfen ist der bevorstehende Besuch ihrer eher aus Pflichtbewusstsein geliebten Schwester Dorothy, aber ...

Kay Scarpetta freut sich auf ein entspanntes Wochenende mit ihrem Mann Benton, der einzige Wermutstropfen ist der bevorstehende Besuch ihrer eher aus Pflichtbewusstsein geliebten Schwester Dorothy, aber den wird sie "with a little Help from her Friends" schon wuppen!

Wie der Leser sich bereits denken kann, kommt Kay eine Leiche dazwischen ein junges Mädchen, das dem, mit dem sie vor wenigen Minuten noch zu tun hatte, sehr ähnelt.

Und sie wird nicht die einzige bleiben...
Bis sich die Dinge aber weiterentwickeln, geht eine Menge Zeit ins Land - und sehr, sehr viele Seiten! Die Lektüre zieht sich und zwar nicht zu knapp! Es ploppen reihenweise Nebenbaustellen auf, sei es durch das Auftreten weiterer Figuren, sei es durch das Einflechten weiterer Erzählstränge. So spannend die Fakten auch sind, so zäh zieht sich das Geschehen dahin, nicht zuletzt durch die zahlreichen Wiederholungen.

Ja, Kay Scarpetta ist wieder da, die Gerichtsmedizinerin der (Krimi)Herzen! Sie ist alt und umständlich geworden, genau wie ihre Autorin. So richtig Schmackes kam ganz zu Beginn und dann erst wieder am ganz Ende auf. Wem das reicht, der wird sich auf ein Wiedersehen mit der erfahrenen Fachkraft in ihrem nunmehr 24. Fall freuen. Auch ich hatte mich sehr gefreut, war aber am Ende dann doch ein wenig enttäuscht.

Lesern, die Kay Scarpetta bisher noch nicht kennen, würde ich vehement davon abraten, mit diesem späten Fall einzusteigen - im Verlauf der Lektüre wird so einiges an Vorwissen vorausgesetzt!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Heimatlos

Außer sich
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Eine Frau, eine sehr junge, Ali nämlich, hat sich verloren. Beziehungsweise einen Teil von sich, nämlich ihren Zwillingsbruder Anton. Und sie zieht hinaus in die Welt, um ihn zu suchen, in Richtung Istanbul, ...

Eine Frau, eine sehr junge, Ali nämlich, hat sich verloren. Beziehungsweise einen Teil von sich, nämlich ihren Zwillingsbruder Anton. Und sie zieht hinaus in die Welt, um ihn zu suchen, in Richtung Istanbul, von dort gab es nämlich ein Zeichen.

Wieder einmal zieht sie in die Welt, wie sie es schon in jungen Jahren, zusammen mit ihren Eltern tat - als jüdische Emigranten aus Russland verschlug es sie nach Deutschland.

Hier geht es um Heimat, aber mehr noch um Familie, wobei beides sehr oft eines ist - denn Heimat sollte sein, wo man zu Hause ist. In irgendeiner Form zumindest. Wird es das sein? Eine unruhige Geschichte um schwierige familiäre Beziehungen, um schwierige Beziehungen insgesamt. Denn auch die Suche nach einer neuen Familie, einer Herzensfamilie kann schwer, ja unmöglich sein. Das wird hier deutlich.

Ein Buch, das mich während des Lesens sehr auf Abstand hielt. Und auch nach der Lektüre kann ich keine Nähe zu ihm entwickeln, es entsendet viel Kälte und eine Menge Schmerz dazu. Ein Roman, der mir nachgeht, aber nicht auf eine gute Art und Weise, sondern eher wie ein unheimliches Gespenst, das mich umtreibt.

Absolut nicht warmherzig und positiv, jedoch durchaus gewaltig, was bewirkt, dass ich ihn nicht schnell aus mir vertreiben kann.

Eine Mahnung angesichts der heute sehr aktuellen Themen Exil, Vertreibung, Flucht. Sie alle werden hier thematisiert, wenn auch auf eine ganz eigene Art und Weise. Definitiv ein gewaltiges Buch, das eine ebensolche Wirkung hat.

Ein verstörendes Buch ist es auf jeden Fall und es tut sicher Not in dieser Zeit, ein solches vorzulegen, aber für mich ist es nicht das Richtige in dieser Zeit. Wenn es wenigstens den Punkt, meinen Casus Knaxus sozusagen treffen würde, was aber nicht der Fall ist. Es geht an mir vorbei und trifft mich dennoch.

Sasha Marianna Salzmann ist nämlich eine Autorin, die schreiben kann, die Kraft hat und diese auch rüberbringt. Ich würde vermuten, dass sie sich damit in den Geist all ihrer Leser schreibt, auf welche Art auch immer. Angesichts der Wirkung des Romans auf mich bin ich mir nicht sicher, ob und wann ich wieder zu einem ihrer Bücher greifen werde, aber wer die deutsche zeitgenössische Literatur im Auge hat, sollte es auf jeden Fall registrieren. Und zwar, indem er es liest.

Werde ich vielleicht auch noch mal in einer anderen Zeit, in einem anderen Leben, auch wenn es mir gegenwärtig definitiv nicht guttut. Das ist allerdings auch nicht die Aufgabe hochwertige Literatur, die vielmehr aufrütteln soll. In diesem Sinne hat sie ihre Funktion definitiv erfüllt - ich bleibe zerstört zurück!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Weng in den Augen von Thomas Bernhard und von seinem Nachfolger

Tau
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Oder Verfolger?

Nun, wie auch immer "Weng", das klingt chinesisch, gemeint ist aber ein kleines Dorf in Österreich, dasjenige nämlich, das in Thomas Bernhards Debütroman "Frost" eine Rolle spielte. Der ...

Oder Verfolger?

Nun, wie auch immer "Weng", das klingt chinesisch, gemeint ist aber ein kleines Dorf in Österreich, dasjenige nämlich, das in Thomas Bernhards Debütroman "Frost" eine Rolle spielte. Der Autor hat nämlich den Einwohnern einen Spiegel vorgehalten und zwar nicht zu knapp: selbstgerecht, voller Vorurteile, ja bösartig, so waren sie.

Für seinen Nachfolger, den namenlosen Ich-Erzähler des Romans, ist es eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, allerdings eine mit Bezug zu Bernhard. Er kehrt in den (inzwischen ehemaligen) Gasthof seiner Großeltern ein bzw. zurück, in dem das Buch entstand. Und zwar, inzwischen Assistent an der Uni, tatsächlich auf den Spuren von Bernhard zu Forschungszwecken.

Ein Buch, das es seinen Lesern nicht unbedingt leicht macht, denn Mulitzer schreibt scharfzüngig, provokant und bewusst polarisierend. Will er den Einwohnern von Weng (das es wirklich gibt, Bernhard hatte dort zwei Jahre in einer Lungenheilanstalt zugebracht) tatsächlich die Meinung geigen? Nun, es ist wohl mehr eine Auseinandersetzung mit Thomas Bernhard und dessen Figuren, vor allem aber mit sich selbst und seinen Erinnerungen.

Für Bernhard-Leser und Fans (bin ich beides nicht) sicher um einiges erfüllender als für mich, die die Entwicklungen wieder und wieder als verwirrend empfand. Und zu viel Sex, viel zu viel Sex für meinen Geschmack - hier wäre weniger wesentlich mehr gewesen, gerade auch im Hinblick auf die eigentlichen Schwerpunkte.

Dennoch, der Autor beeindruckt mit glasklaren Formulierungen, schwarzem Humor, scharfsinnigen Schlussfolgerungen - sprachlich ein wahrer Genuss. Wer sich also auf was Neues in jeder Hinsicht einlassen möchte - für den könnte dieses Buch was sein!